Franz Liszt - Bagatelle sans tonalité

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Hallo,

ich habe vor einiger Zeit von meinem Klavierlehrer erfahren, dass Liszt auch ein atonales Stück geschrieben hat. Er habe das mal von Bernd Glemser vorgespielt bekommen und meinte, es sei ein sehr kleines, hübsches Stückchen....=D

Da habe ich mich mal auf die Suche gemacht und ich habe es auch gefunden:

Liszt - Bagatelle sans tonalité, S.216a - YouTube

Also ich persönlich finde es sehr schön; trotz der Atonalität - bzw. gerader wegen dieser - besitzt die Bagatelle einen sehr lustigen, flicken, ja verspielt schönen Charakter. Die Themen haben alle etwas Humorvolles, Neckisches, auch Geheimnisvolles. Während die ersten eher leichtfüßig sind, besitzt der zum Großteil aus Akkorden bestehende zweite Themenkomplex etwas Plumpes, Groteskes. Unterbrochen wird das Stück in der Mitte durch eine für Liszt ja so typische Kadenz aus steigenden Tonkaskaden. Dann erklingt noch mal die Themen des Beginn, unterbrochen von einem mehrere Takte langen Triller, bis das Stück am Ende durch aufsteigende Arpeggien im nirgendwo verschwindet.

Was meint ihr dazu?

Herzliche Grüße,

Lisztomanie :)
 
Ich finde, dieses Stück hat etwas manisches. Wie ein alter Pianist, der noch ein paar Spielfiguren in den Fingern hat und die durch alle Tonarten jagt.
 
Ich finde, dieses Stück hat etwas manisches.
finde ich nicht :) ...was rastloses, evtl. auch "manisches" könnte man bei vielen bewegten Stücken finden, wenn man es so sehen will und unbedingt danach sucht; das könntest du also auch im letzten Satz der Appassionata oder in der Sturmetüde finden wollen :):)
durch alle Tonarten jagen... kennst du Beethovens Praeludium durch alle Tonarten und Chopins Prelude op.45?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Auch noch dann, wenn man den Komponisten selbst in Aktion erlebt?:
Fred & Adele Astaire -- Fascinating Rhythm, 1926/Gershwin on Piano - YouTube

Freilich ist bekannt, dass Gershwin mit den Aktivitäten der musikalischen Avantgarde (Cowell, Ruggles, Varese etc.) seinerzeit sehr gut vertraut war - und seine Freundschaft mit Arnold Schönberg ist bestens bekannt und dokumentiert:
Gershwin films Schoenberg - YouTube
Classical Net - Gershwin - Schoenberg on Gershwin

Zurück zur Suche nach dem "manischen" Kern in der Liszt'schen Bagatelle ohne Tonart:
@rolf
"finde ich nicht ...was rastloses, evtl. auch "manisches" könnte man bei vielen bewegten Stücken finden, wenn man es so sehen will und unbedingt danach sucht; das könntest du also auch im letzten Satz der Appassionata oder in der Sturmetüde finden wollen
durch alle Tonarten jagen... kennst du Beethovens durch alle Tonarten und Chopins Prelude op.45?"
Zunächst entfernt sich Liszt mitunter in anderen Stücken ("Nuages gris" oder "Trauergondel") noch weiter von der zentraltönigen Bindung als hier - da fehlt dann schon mal der Grundton oder wird nur als Durchgangsnote gestreift. Aber was ist eigentlich gemeint? Das Spannungsfeld in Bereichen, die mehr oder weniger weit von einer gewählten Grundtonart entfernt sind, haben bereits andere zu einem früheren Zeitpunkt ausgelotet und damit Gestaltungsmittel des zwanzigsten Jahrhunderts vorweg genommen. Kaum ermöglichte die gleichschwebende Temperatur eines Andreas Werckmeister den intonatorisch befriedigenden Gebrauch aller Tonarten auf Abruf, hat Bach in seiner Chromatischen Fantasie und Fuge BWV 903 ein breites Aktionsfeld jenseits der Grundtonart d-moll beackert. Noch zu Bachs Lebzeiten gab es die ersten Klangballungen bis hin zum Cluster bei der Darstellung des Chaos in Jean Féry Rebels "Les éléments". Ganztonleiterskala, Sekundreibungen, minimalistische Begleitmuster dienten Mozart in seinem KV 522 als musikalisches Material zur Darstellung provinzieller Stümperei ("Dorfmusikanten-Sextett"). Was also mit dem musikalischen Material in begründeten Extremsituationen möglich war, konnte man demnach lange vor der Wende ins zwanzigste Jahrhundert absehen; es passt ins Bild, dass ein Charles Ives bi- und polytonale Texturen erstellt hat, bevor die entsprechenden Fachtermini überhaupt erfunden waren. Die einen nennen das vielleicht "manisch", die anderen möglicherweise "geisterhaft" (im Sinne von Schumanns "Geistervariationen", in denen jenseits der Grundtonart Es-Dur so allerlei Irrlichter flackern - jetzt fehlen nur noch ein paar Beispiele von Schubert). Auf diesem Terrain geht es schon recht spekulativ zu, vor allem, wenn man sich fragt, wie sich ein Komponist wohl stilistisch weiterentwickelt hätte, wenn er nur (noch) älter geworden wäre...
 
Ich habe ja auch nicht gesagt, dass Liszt der Einzige oder Erste war, der auf diesem Gebiet "Fortschritte" gemacht hat...=D Und bezüglich deines letzten Satzes: Was wäre wohl aus Beethoven (1770-1827) geworden, wenn er noch älter geworden wäre...? ;) Ich finde, er wird zwar mit dem alter immer genialer, doch seine Werke sind auch immer schwerer zu verstehen. Die Frühlingssonata ist zum Beispiel ein sehr schönes Werk von Beethoven. Sie ist 1800-1801 komponiert worden. Im Gegensatz zu ihr stellen die letzten Klaviersonaten (op. 111: 1822), die 9. Symphonie (Uraufführung: 1824) oder die Große Fuge aus dem Streichquartett Nr. 13 in B-Dur op. 130 (1825-1826) schon eine andere Art von Werken dar... Das heißt nicht, das ich sie nicht schätze, im Gegenteil sogar! Aber es zeigt Beethovens Entwicklung von "normalen" Musker zum Genie... Und was wird aus einem Genie wenn es noch älter wird und sich weiter entwicke - ein Wahnsinniger? -, ich weiß es nicht...!?

Herzliche Grüße,

Lisztomanie
 

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