"Erst mit dem Marxismus und seinem gesellschaftlichen Einfluss in ganz Europa begann der Aufstieg der gleichstufig temperierten Stimmung", sprach Klaviermacher.
Au weiha, möchte man kommentieren, Marx ist also verantwortlich für die gleichstufige Stimmung...
Weiter oben war von Ziegelsteinen die Rede, Roman aus Wien hat das hinreichend und angemessen kommentiert. Aber es gibt Menschen, die sind mystisch veranlagt und lassen sich die herbeispintisierte mystische Bedeutung einer Trivialität ungern aus dem Sinn schlagen, und zuletzt finden sie auch noch in den Maßen eines Ziegelsteins Mystisches. Ich fürchte allerdings, ein Maurer würde sie darob auslachen. Und ein Historiker kann sicherlich nur darüber lachen, daß der Marxismus etwas mit gleichstufiger Stimmung zu tun habe. (Um diesen Gedankengang überhaupt entwickeln zu können, muß man wohl dem Namensfetischismus erlegen sein, der "gleichstufig" mit marxistischer "Gleichmacherei" assoziiert.)
Aber jeder mag glauben, woran er will, auch daran, irgendeine Kammertonhöhe sei den Schwingungen (welchen Schwingungen?) des Menschen angemessener als irgendeine andere. Man mag noch so oft wiederholen, daß dahinter immer nur eine pragmatische Einigung stehen kann -- wer das Mystische liebt, wird auf dem Mystischen beharren, zumal es anscheinend befriedigender ist, an eine tiefere Bedeutung zu glauben als hinzunehmen, daß dahinter nur eine pragmatische Konvention steht und hinter der gleichstufigen Stimmung nur eine mathematisch-physikalische Notwendigkeit. Von allen, die dazu eine Meinung haben, können allerdings die wenigsten die Rechenwege erklären.
Mancher Musiker hat, nachdem man sich 1939 auf 440 Hz geeinigt hatte, eingewendet, das sei doch reine Willkür. Stimmt. Es ist reine Willkür. Aber welche Frequenz auch immer man wählt, bleibt es reine Willkür. Der einzige Sinn dieser Willkür ist eine Erleichterung des Musikerlebens, sonst nichts.
Klaviermachers Text zur Spurbreite ist kein schlechtes Beispiel: es hat sich eben so ergeben, es hat keine tiefere Bedeutung, allenfalls hat es Gründe, die in einem gewissen pragmatischen Nutzen zu suchen sind.
Der Text ist übrigens ein Zitat aus dem Roman "Der Zahir" von Paulo Coelho, erschienen bei Diogenes; nachzulesen ist es hier:
http://esistwieesist.info/sites/Worte.html#Gefundenes