Ein prima Thema, um seinen Einstand hier im Forum zu geben!
Also ich kann über tatsächliche Erfahrungen mit einem Wendl & Lung 178 berichten, da sich ein solcher 2 Jahre bei mir daheim befand und von mir regelmäßig gespielt wurde. Allerdings wurde der W&L vor Kurzem zu Gunsten eines Steinway O verkauft - die Erfüllung eines langen Traumes sozusagen :rolleyes:.
Mal kurz zu mir: ich bin recht ambitionierter Hobby-Pianist und anspruchsvoll in Bezug auf Spielart und Klang eines Instruments. Vor dem W&L hatte ich einen Flügel der Berliner Marke J.L. Duysen, außerdem spiele ich regelmäßig auf einem kleinen "Royale Classic"-Flügel (140 cm) bei meinen Eltern.
Zum W&L: ich hatte damals mit einem Yamaha-Instrument geliebäugelt, bin dann aber in Berlin auf den 178 Professional II von W&L gestossen. Mir gefielen auf Anhieb die gute und präzise Spielart und der obertonreiche Klang, welcher anders als der der Yamaha-Instrumente nicht nur auf massiven Attack ausgelegt ist (so empfinde ich es jedenfalls). Vom Klang und vermutlich dank der im Klavierhaus durchgeführten Intonation erinnerte mich mein Flügel ein wenig an einen Bösendorfer. Besonders Gefallen hat mir die obere Mittellage - der Bass ist auch als eher kräftig, nicht aber als trocken zu bezeichnen. Die einzige Schwäche im Klang ist m.E. der Übergang von Bassbezug auf Blankbezug. Ich bin aber auch besonders pedantisch, was diesen Faktor betrifft.
Am meisten Sinn hat für mich die Interpretation von romantischer Klavierliteratur gemacht, weniger von barocker Musik. Aber auch hier dürfte der persönliche Geschmack entscheidend gewesen sein.
Fakt ist, für den Preisrahmen ist MIR keine Alternative auf meiner langen Suche begegnet.
Was die Qualität und Stimmhaltung betrifft, kann ich kaum meckern. Gestimmt wurde der Flügel 2 mal im Jahr zu Beginn und Ende der Heizperiode, mehr Wartung war kaum notwendig. Probleme mit der Mechanik sind nicht aufgetreten. Einzig musste ich mit ein wenig Öl beim Haltepedal nachhelfen, damit ein Quietschgeräusch mir nicht mehr den Nerv rauben konnte. Die Verarbeitung des Flügels/Lacks ist ebenfalls tadellos, schön finde ich die bronzene Farbgebung des Gußrahmens, welche der eines Bösendorfer ähnlich sein dürfte.
Da ich gewissermaßen im Besitz von zwei asiatischen Instrumenten bin, bzw. war (W&L und Royale Classic 140), könnte ich ein paar Vergleiche ziehen:
Der RC (Hersteller Daewoo, Korea) war von Anfang an sehr wartungsanfällig (Alter mittlerweile ca. 17 Jahre), ständig klemmten Tasten oder Dämpfer, so dass der Stimmer entsprechend häufig vor Ort war. Mit Erlangen besserer Klaviertechnik und anspruchsvollerer Literatur zeigte sich, dass der RC mechanisch eher als schwergängig, träge und undynamisch zu bezeichnen ist. Tonumfang: von mf bis ff, Ende. Klanglich, auch aufgrund der geringen Länge, gewinnt der RC gegen den W&L keinen Blumentopf, es fehlt einfach der Charakter. Vor Kurzem ist der Royale Classic sogar umfangreich aufgearbeitet worden, da er als Übungsinstrument eben doch taugt und stellenweise sogar Spass bereiten kann (jedenfalls nach dem Aufenthalt in der Werkstatt ;)). Trotzdem freute ich mich jedes mal, an den W&L heimzukehren.
Sehr interessant finde ich ebenfalls den W&L 218, welcher fast günstig in der Anschaffung ist (wenn man den Platz hat). Die Mechanik ist richtig gut und äußerst präzise. An einem solchen Instrument spiele ich öfters in Berlin.
Bekannt sein dürfte, dass man günstigere asiatische Instrumente nicht unbedingt im Online-Shop kauft, da die werksfrischen Flügel und Klaviere recht viel Arbeit vor der Auslieferung durch den Kalvierbauer bedürfen, bzw. merkte man meinem W&L an, dass viel Zeit mit Regulation und Intonation verbracht wurde - also das Beste aus dem Flügel herausgeholt wurde.
Letztlich sollte man nicht den Fehler machen, einen W&L mit einem Steinway zu vergleichen, den Unterschied merkt und hört man doch, allerdings weniger gravierend als man denken mag.
Merubio