Flügel Blüthner Aliquot Bj. 1887 Reparaturdoku

Sehr interessant! Ist ja schon mehr ne Schraube, als ein Nagel.

Aber wie wurde das denn manuell hergestellt. Mit den Schneidezähnen? :konfus::-D
Wann setzte eigentlich die maschinelle Fertigung ein? Und gilt das für alle Fabrikate? Ich nehme an, Stimmnägel waren Zulieferware, die von vielen Herstellern geordert wurde.

LG, Sesam
Bei älteren Instrumenten findet man immer wieder so handgeriffelte Ware. Und ja, es ist ein Zwischending zwischen Schraube und Nagel. Wann genau und wer dran gearbeitet hat weiß ich nicht.

LG
Michael
 
Ich habe übrigens nur einzelne Stimmnägel heraus genommen, die Lochtiefe vermessen und gleich wieder hinein gedreht. Hätte ich alle Stimmnägel entfernt, oder wären die Löcher nicht tief genug gewesen, wäre ich um neue Stimmnägel kaum herum gekommen. Jedes Bohrloch ist sozusagen eine Einheit mit dem handgemachten Nagel und seiner Form. Vielleicht war die Präzision nicht so hoch, aber der Effekt dafür super. Leichter hätte ich mir getan mit neuen Stimmnägel!

LG
Michael
 
Warum darf man nicht alle Stimmnägel rausschrauben? Verändert sich das Holz dann? :denken:
 
Warum darf man nicht alle Stimmnägel rausschrauben? Verändert sich das Holz dann? :denken:
Es wird der Stimmstock eher ausgeleiert und wenn die Stimmnägel von Hand gemacht sind, haben sie minimal einen unterschiedlichen Durchmesser. Glaubst ich mach ne Obstschachtel mit Stimmnägel, damit ich dann wieder jedes ins richtige Loch bringe? :-D

LG
Michael
 
Wenn alle Nägel leicht unterschiedlich sind, musst du mindestens sehr genau dir merken, welcher Nagel aus welchem Bohrloch im Stimmstock kam. Außerdem sitzen sie sehr eng zusammen, ich habe mal gelesen, dass auch Risse im Holz durch die starken Scherkräfte ein echtes Problem sind. Daher wird für den Stimmstock nur härtestes Holz genommen. Und ich vermute, dass er eines der Teile ist, die im Alter mit höherer Wahrscheinlichkeit leiden und irgendwann kaputt gehen. Sprich, wenn der Stimmstock noch "gut" ist und die Nägel sitzen, ist es vermutlich einfach das Beste, ihn weitgehend in Ruhe zu lassen. Denke ich mir als Laie. :-)
 
Ja, das mit der Obstschachtel war super! Sehr tricki!

Wenn du neue Nägel genommen hättest, hättest du die einfach reingeschlagen und fertig, oder? Dadurch ist es beim Saitenwechsel leichter, oder? Aber ist das nicht auch "stressiger" für den Stimmstock?

LG, Sesam
 
Ja, das mit der Obstschachtel war super! Sehr tricki!

Wenn du neue Nägel genommen hättest, hättest du die einfach reingeschlagen und fertig, oder? Dadurch ist es beim Saitenwechsel leichter, oder? Aber ist das nicht auch "stressiger" für den Stimmstock?

LG, Sesam
Man bohrt dann den Stimmstock etwas auf, damit die Löcher auch schön gleichmäßig sind. Stressiger in dem Sinn, dass man ja stärkere Stimmnägel nehmen muss und die müssen das Hartholz etwas quetschen, damit sie halt finden. Es entsteht erhöhter Druck auf das Holz. Ja, Stress trifft es recht gut. In anderen Videos mache ich das.. z.b. beim Steingräber Klavier
 
Hat der Flügel noch einen massiven Stimmstock? Ich glaube, heute nimmt man vielfach verleimtes Sperrholz, weil das nicht so schnell reißt (wird auch im Bootsbau heutzutage gerne benutzt), aber das war wohl nicht immer so? Irgendwo hab ich was im Ohr, dass früher massive Holzer verwendet wurden, vermutlich weil man das mit dem Schichtverleimen nicht so gut drauf hatte.
 
Hat der Flügel noch einen massiven Stimmstock? Ich glaube, heute nimmt man vielfach verleimtes Sperrholz, weil das nicht so schnell reißt (wird auch im Bootsbau heutzutage gerne benutzt), aber das war wohl nicht immer so? Irgendwo hab ich was im Ohr, dass früher massive Holzer verwendet wurden, vermutlich weil man das mit dem Schichtverleimen nicht so gut drauf hatte.
Massiv in drei Schichten! Also auch gesperrt ;-)
 
Ha, das war auch meine Frage. Wie ist denn der Aufbau dieses Stimmstocks verglichen mit heutigen Konstruktionen? Hast du das sehen können?
 

Ja, freu mich schon. Da musst du deine Jahrzehnte Klavierbau-Erfahrung in einen Tag packen. Ich werde dir so viele Fragen stellen, dass Bücherregale für die Antworten nicht ausreichen! ;-)
 
Übrigens habe ich heute bei Blüthner mal wieder seit langem auf die HP geschaut. Die bewerben da jetzt auch die Restauration ihrer Instrumente. Am Ende bekommt man sogar ein Zertifikat.

Soll ich dir was sagen? (Liebe Familie Blüthner, ich mag euch, aber bitte jetzt mal weghören) Ein "Arbeitsnachweis" = Video (=Zertifikat) von dir ist mir viel lieber. Hab ich mehr Vertrauen. Vom Ergebnis ganz zu schweigen.

LG, Sesam
 
Ach, was ich noch fragen wollte: Hast du eigentlich den Klang mal ohne Aliquot Saiten getestet? Oder hast du die Aliquot auch gleich vor dem Hochstimmen bezogen?
 
Hallo Michael!

Ich arbeite mich noch durch den Faden... Zum ersten Video ein Kommentar und eine Frage:

Der Bereich zwischen d und fis (also ca. die 4. bis 8 Note auf dem Hauptsteg) hört sich mir irgendwie etwas nasal an (mir fällt grad kein besseres Wort ein) - vor allem das e, z.B. zwischen 16:20-16:50 im Video. Der Klang erinnert mich fast an Hammerklavier oder sogar Cembalo. Ich weiß nicht, ob zu dem Zeitpunkt ggf. mit una corda gespielt wird; ich vermute aber: nein. Falls ich dort gänzlich falsch liege, oder die Aufnahme/Wiedergabe ggf. mit hineinspielt (ich verwende allerdings relativ wertige Kopfhörer am Schläpptop), halte ich auch gern den Mund. Nun sah ich aber, dass du gerade am Anfang des Hauptstegs verschiedene Typen Paulello-Draht verwendet hast (zumindest sah ich Typ 0 auf Größe 20, dann bei 19,5-19 den Übergang auf Typ 1 und unterhalb 18,5 Typ M), und überlegte, ob du zur Mensur und dem entsprechenden klanglichen Ergebnis etwas sagen kannst?

Vielen Dank für das mühevoll editierte Video!

Gruß,
Mark
 
Hallo Michael!

Ich arbeite mich noch durch den Faden... Zum ersten Video ein Kommentar und eine Frage:

Der Bereich zwischen d und fis (also ca. die 4. bis 8 Note auf dem Hauptsteg) hört sich mir irgendwie etwas nasal an (mir fällt grad kein besseres Wort ein) - vor allem das e, z.B. zwischen 16:20-16:50 im Video. Der Klang erinnert mich fast an Hammerklavier oder sogar Cembalo. Ich weiß nicht, ob zu dem Zeitpunkt ggf. mit una corda gespielt wird; ich vermute aber: nein. Falls ich dort gänzlich falsch liege, oder die Aufnahme/Wiedergabe ggf. mit hineinspielt (ich verwende allerdings relativ wertige Kopfhörer am Schläpptop), halte ich auch gern den Mund. Nun sah ich aber, dass du gerade am Anfang des Hauptstegs verschiedene Typen Paulello-Draht verwendet hast (zumindest sah ich Typ 0 auf Größe 20, dann bei 19,5-19 den Übergang auf Typ 1 und unterhalb 18,5 Typ M), und überlegte, ob du zur Mensur und dem entsprechenden klanglichen Ergebnis etwas sagen kannst?

Vielen Dank für das mühevoll editierte Video!

Gruß,
Mark
Hallo Mark,

Ich habe die Mensur nach Paulellos Mensurtabelle berechnet. Er hat auch eine fertige Blüthner-Tabelle, welche sich in dem Bereich nicht unterscheidet. Allerdings war das nicht das Modell, welches bis a4 geht und daher hab ich es einfach neu berechnet.
Grundsätzlich wollte den Flügel ja noch regulieren und intonieren, weil ich mir ein paar Änderungen bewusst bin, die sich aus dem anderen Material ergeben. Sesam wollte aber zunächst das Ergebnis so hören. Deshalb habe ich gar nichts intoniert, nur ein paar Regulationsschwierigkeiten ausgebessert... Die Hämmer haben leichte Rillen, welche von den vorigen Saiten stammen. Ich habe also noch Handlungsspielraum, was den Klang angeht.

LG
Michael
 

Hier muss ich widersprechen:

Die modernen Wirbel haben ein Feingewinde mit gleichmäßiger Steigung.
Der Wirbel sitzt im Stimmstock wie die Schraube in einer Mutter.
Wird der Wirbel im Uhrzeigersinn gedreht, zieht er sich im gleichem Maße tiefer in den Stimmstock, wie er herauskommt, wenn er gegen den Uhrzeigersinn gedreht wird.


Zitat von klaviermacher:
Im Gegensatz zur heutigen Machart ist er fester, wenn man ihn gegen den Uhrzeigersinn herausdrehen will.

Das ist richtig und kommt daher, dass die Gewindesteigung ungleichmäßiger und viel steiler ist und das Gewinde des Nagels bereits nach einer viertel Umdrehung nicht mehr in das Gewinde passt, das sich in das Holz gedrückt hat.
Drehe mal eine Schraube mit Zollgewinde durch eine metrische Mutter, das sitzt schön fest.;-)

Der Feileneffekt beim Drehen und damit der Abtrag des Holzes ist bei diesen alten Stimmnägeln viel höher, gerade beim Umbesaiten, wenn man den Wirbel mehrere Umdrehungen herausdrehen muss.

Diese Stimmnägel waren nicht dazu gedacht, jemals wieder herausgedreht zu werden, daher auch die alte Bezeichnung Stimmnägel und nicht Stimmwirbel.

Der Halt im Holz ist umso besser, je rauer die Oberfläche und je steiler das Gewinde ist.
Ideal gegen Verdrehung gesichert wäre ein Wirbel mit Längsriefen. ;-)

Ich finde die neueren Wirbel mit gedrehtem Feingewinde (die es auch schon die letzten 100 Jahren gibt) in allen Punkten vorteilhafter.
 
Hier muss ich widersprechen:

Die modernen Wirbel haben ein Feingewinde mit gleichmäßiger Steigung.
Der Wirbel sitzt im Stimmstock wie die Schraube in einer Mutter.
Wird der Wirbel im Uhrzeigersinn gedreht, zieht er sich im gleichem Maße tiefer in den Stimmstock, wie er herauskommt, wenn er gegen den Uhrzeigersinn gedreht wird.




Das ist richtig und kommt daher, dass die Gewindesteigung ungleichmäßiger und viel steiler ist und das Gewinde des Nagels bereits nach einer viertel Umdrehung nicht mehr in das Gewinde passt, das sich in das Holz gedrückt hat.
Drehe mal eine Schraube mit Zollgewinde durch eine metrische Mutter, das sitzt schön fest.;-)

Der Feileneffekt beim Drehen und damit der Abtrag des Holzes ist bei diesen alten Stimmnägeln viel höher, gerade beim Umbesaiten, wenn man den Wirbel mehrere Umdrehungen herausdrehen muss.

Diese Stimmnägel waren nicht dazu gedacht, jemals wieder herausgedreht zu werden, daher auch die alte Bezeichnung Stimmnägel und nicht Stimmwirbel.

Der Halt im Holz ist umso besser, je rauer die Oberfläche und je steiler das Gewinde ist.
Ideal gegen Verdrehung gesichert wäre ein Wirbel mit Längsriefen. ;-)

Ich finde die neueren Wirbel mit gedrehtem Feingewinde (die es auch schon die letzten 100 Jahren gibt) in allen Punkten vorteilhafter.
Du hast es zunächst genauer erklärt, warum der Stimmnagel besseren halt hat. Mit der Ansicht, dass sich das Material weniger abträgt stehe ich unter Kollegen aber nicht alleine da... Würde ein moderner Wirbel rein gedreht und nicht geschlagen, stimme ich Dir zu, aber er wird geschlagen und damit nimmt er mehr vom Material weg.
Ich finde die alte Version besser. :-)

LG
Michael

Hat sonst noch wer bemerkt, was am alten Stimmnagel anders ist? (ich denke es steht noch nicht in den Antworten)
 

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