Fehlerfrei üben/spielen/vorspielen

Als TE erlaube ich mir mal den Faden auf die ursprüngliche Frage zurückzubringen, nämlich:

Wie übt man lange Stücke so, dass man sie (einigermaßen) fehlerfrei spielen kann ?

Folgende Hinweise wurden bisher gegeben:

@Alter Tastendrücker : Der „Fehler-Hände-weg-vom-Klavier“-Reflex muss als Erstes abtrainiert werden. Abschnitte sollen durchgespielt werden egal was passiert. Dabei hilfreich ist Selbstgepräche zu führen über das was gleich zu passieren hat, z.B. „jetzt das Fis“. Dann muss man lernen irgendwann das richtige Tempo zu wählen, welches beim Vorspiel 80-90% langsamer zu wählen ist als man glaubt, weil die natürlichen Metronome beim Vorspiel meist schneller laufen.

@StefanN: Wenn es partout nicht gelingt fehlerfrei zu spielen ist evtl. das Stück zu schwer. Auf keinen Fall „bewusstlos“ durchhecheln in der Vorspielsituation.

@Carnina: Es hilft „Durchspielen“ einfach durch „Durchspielen“ zu üben damit die Konzentrationsleistung über die Strecke erhalten bleibt.

@Cheval blanc, @Carnina, @bernybutterfly, @Albatros2016, @Demian : Der Umgang mit Fehlern muss unbedingt vom Spieler reflektiert und überdacht werden.

@Alter Tastendrücker : Es hängt auch vom Stück ab und damit ob man auf bekannte Muster zurückgreifen kann oder nicht.

@Debösi: Erbarmungslos zählen kann helfen zu vermeiden, dass das Tempo dauernd beschleunigt, das Spiel „nach vorne fällt“ Und damit die Fehlerhäufigkeit ansteigt.

@Demian: Gezielt üben langsamer zu werden.

@StefanN: Stücke im pp spielen und sich dadurch zum Zuhören zwingen.

@Bassplayer: Nach jedem Verspieler die Stelle mehrmals korrekt üben. Durchspielen lernen durch Durchspielen, s. @Carnina

@rolf: Das Üben für den konzertreifen Vortrag findet lange nach dem Üben statt.

Ich danke erstmal allen, die schon ihre Ideen beigetragen haben und wünsche mir, dass einige der anderen Versierten, die noch nicht geantwortet haben evtl. Zeit finden ihre Ideen niederzuschreiben, @chiarina , @Stilblüte, @Rheinkultur und alle anderen, die mir gerade nicht einfallen !?
 
Wie übt man lange Stücke so, dass man sie (einigermaßen) fehlerfrei spielen kann ?
Mir fällt noch was ein.

Bewusst „choreografieren“ also eine Phrase aufwärts z.B. aus einem Bogen. Dass einfach mehr „Beteiligt“ ist als nur eine Muskelgruppe. Oder einatmen aufrichten bewusst schulten fallen lassen und dann neu ansetzen. Solche „choreografischen“ Strukturen retten mich oft wenn ich mich nicht mehr auskenne.

Die linke Hand gesondert üben, meisten haut die Linke einen raus, (war ein Tipp den ich mal bekam und finde es stimmt). Wenn die stabil läuft, passiert weniger und an der spart man gern.

Bewusst auf schwere Zählzeiten rhythmisch üben (bin kein Paradebeispiel) aber das rhythmische Gerüst hilft beim erinnern enorme. Man bildet leichter „chunks“ und es ist im Hirn dann besser strukturiert.


Langsam und Forte üben, mehr „response“ ans Gehirn. Nur pianissimo üben merkt sich das Hirn schlecht, da fehlt die Rückkoppelung. Daher ab und zu langsam mit übertriebener Dynamik oder wirklich rein Forte üben.

Fingersatz checken. Passt der zu einem? Ist er effizient? Wenn man falschen Fingersatz hat den das Hirn nicht kapiert was man da tut finde ich ist das auch immer eine gefahrenstelle.

Langsam üben ohne Noten. Genau beobachten was passiert, herumspüren, reinfühlen, Augen zu.

Ab und zu mal weglegen und mit Noten „neu“ erarbeiten. Hände ab und zu einzeln genau beleuchten. Dann zusammen. Etc.

Und dann Tagesform. Gestern hab ich nur Müll gespielt. Am Abend alles geputzt. Heute sooooooo viel sauberer gespielt. Aber vor dem schlafen gehen alle schweren Stellen langsam und dann viele Strecken ebenfalls langsam mit ganz bewusst hinfühlen…… und auf den Sandmann hoffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein wichtiger Punkt ist noch nicht genannt worden: Das Üben des Vorspielens in der Vorspielsituation. Vor Abschlussprüfungen organisieren viele Student*innen kleinere Vorspiele, oft 5, 6, 7 an der Zahl, um das Vorspielen in der konkreten Ernstfall-Situation zu üben.

Nun könnte man denken: „So weit bin ich doch noch gar nicht…“. Doch, denn wenn man sich nicht den Ruck gibt, passiert das Vorspiel nie. Und genau daran, in dieser Situation, dieser Phase höchster Konzentration. lernt man sehr viel.
 
Durchspielen und sich dabei aufnehmen. Nicht abbrechen. Am Ende Noten nehmen und die Problemstellen einkreisen. Üben, nächster Tag wieder durchspielen, wieder Noten nehmen, einkreisen,üben. Man lernt Problemstellen kennen von denen man nicht wusste dass man sie hat.
 
Wenn man falschen Fingersatz hat den das Hirn nicht kapiert was man da tut finde ich ist das auch immer eine gefahrenstelle.
Hirn, Fingersatz, Satzbau - alles sehr komplizierte Angelegenheiten!

Wenn ich was kapiere (kommt gelegentlich vor, echt), kapiert mein Hirn das dann auch, oder kann es passieren, dass ich und mein Hirn unterschiedlicher Meinung sind? Und wenn letzteres zutreffen sollte: wer ist dann weisungsbefugt?

Das alles ist sehr verwirrend und rätselhaft! ;-)
 
dass ich und mein Hirn unterschiedlicher Meinung sind? Und wenn letzteres zutreffen sollte: wer ist dann weisungsbefugt
Das ist eine ausgesprochen häufige Form der Schizophrenie: mein Hirn sagt "Rauchen ist ungesund, höre auf!", mein Körper sagt "Gibt mir ne Zigarette!"
Oder mein Hirn sagt "Das ist Fis!", mein vierter Finger sagt "F hab ich schon immer gespielt, ich fange jetzt keine neumodischen Fissimatenten an!"
....
In jedem Fall kann man sich ja überlegen, wer in der Regel "weisungsbefugt" ist!
 
@Alter Tastendrücker in deinen instruktiven Beispielen tauchen Hirn und Körper und Ringfinger als handelnde Figuren auf, das macht alles noch verwirrender... ;-)
 

Wie übt man lange Stücke so, dass man sie (einigermaßen) fehlerfrei spielen kann ?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wirklich fehlerfreies Spielen nur mit einem Ausmaß an Übung und entsprechendem zeitlichem Aufwand verbunden ist, den ich nicht investieren kann und will. Ich bin Amateur und mache das nicht beruflich. Dementsprechend fehlt mir einfach die Grundlage von x-tausend Übungsstunden in Kindheit/Jugendzeit/jungem Erwachsenenalter. Daher lebe ich mit meinen Fehlern.

In Live-Konzerten greifen auch studierte Pianisten immer wieder daneben. Das macht sie mir nur sympathischer. :-)

Davon abgesehen habe ich folgende Fehlerquellen bislang bei mir ausgemacht:
- Sobald ich in Gedanken nicht mehr bei der Musik - und hier am besten immer einen Ton oder eine Phrase voraus - bin, sondern über etwas anderes nachdenke (Aufnahmegerät, musikferne Themen, Selbstbeobachtung), dann treffe ich bei schnellen, zu schlecht geübten Stellen gerne die falschen Tasten. Das deckt sich mit den Erkenntnissen aus dem Aufsatz, den @Carnina gepostet hat.
Solange ich im "Flow" bin, klappt es gut mit dem Spielen, aber wehe, ein Störgedanke schiebt sich dazwischen. Dann hapert es mit Läufen etc.
- technisch schwierige Stellen sind immer fehleranfälliger als leichtere Stellen.
- technisch schwierige Stellen, die ich häufig langsam, schnell und in verschiedenen Rhythmen etc. geübt habe, die klappen besser, als wenn ich sie wenig geübt habe.
- Oft liegt das Problem nicht in der Stelle selbst, sondern z.B. in der anderen Hand, die gleichzeitig dazu spielt und die ich noch nie richtig einzeln geübt habe (bzw. bislang rein intuitiv dazu geklimpert habe). Oder das eigentliche Problem liegt in der gleichen Hand, aber eher in den Stellen kurz davor oder danach.
- Morgens oder an freien Tagen mache ich viel weniger Fehler als nach einem anstrengenden Tag.
 
Dementsprechend fehlt mir einfach die Grundlage von x-tausend Übungsstunden in Kindheit/Jugendzeit/jungem Erwachsenenalter. Daher lebe ich mit meinen Fehlern.
An sowas denke ich nicht mehr. Wenn ich mir angucke wie noch 2021 „gespielt“ habe, an all das was man angeblich nicht mehr lernen kann, wenn man nicht als Kind….., Ne aufhören zu grübeln was noch geht, solange man Freude am Tun hat (weil man Amateur ist). Ab und an zurück gucken. Bis dahin genießen. Vielleicht werd ich nie sauber spielen, vielleicht schon 🤷🏼‍♀️ Keine Ahnung. Mir egal, ich tu einfach was ich kann. Weil ich es will. Weil es Freude macht (meistens 😈)
 
Interessanter Faden!

Eine Übungsmethode habe ich bisher vermisst oder übersehen: zumindest mir hilft es sehr, vor einem Auftritt meinen Kram auf verschiedenen Instrumenten vor Leuten zu spielen. Zum Beispiel im Freundeskreis, wenn da irgendwo ein Klavier rumsteht, oder auch in Kirchen oder sonstwo. Gerne darf es auch etwas verstimmt sein und sehr schwer- oder sehr leichtgängige Tastatur. Das härtet ab und verhilft zu mehr Sicherheit - jedenfalls mir geht es so.

Und weiter, es klingt so abgedroschen, aber ich finde, es ist so wahr: solange man beim Vorspiel immer mit den Ohren dabei ist an der Klanggestaltung, der Erwartungshaltung des kommenden Tonflusses, ist man auf der richtigen Spur. Schwierig wird es erst, wenn man mit den Gedanken an der technischen Umsetzung kleben bleibt. Anders ausgedrückt: solange die Gedanken bei der Gestaltung sind, brauche ich mir normalerweise um Verspieler keine Sorgen zu machen. Wenn ich aber mit den Gedanken dabei bin, nicht hängen zu bleiben oder keine Verspieler zu machen beim Auswendigspiel, dann sind kommen eher Verspieler oder andere Fehler. Geht das nur mir so?
 
An sowas denke ich nicht mehr. Wenn ich mir angucke wie noch 2021 „gespielt“ habe, an all das was man angeblich nicht mehr lernen kann, wenn man nicht als Kind….., Ne aufhören zu grübeln was noch geht, solange man Freude am Tun hat (weil man Amateur ist). Ab und an zurück gucken. Bis dahin genießen. Vielleicht werd ich nie sauber spielen, vielleicht schon 🤷🏼‍♀️ Keine Ahnung. Mir egal, ich tu einfach was ich kann. Weil ich es will. Weil es Freude macht (meistens 😈)
@Carnina
Du bist aber auch - und da werden mir wahrscheinlich einige Recht geben - eine Ausnahmeerscheinung, bei der auch im fortgeschrittenen Alter Talent und Fleiß schöne Früchte tragen. Das ist den allermeisten nicht gegeben.
 
Ihr Lieben,
ich habe leider nicht viel Zeit, weil ich gleich in Konzert gehe (nein, nein, keine Klassik, Dire Straits :003: :musik022::musik024:).

Zu deiner Frage "Wie übt man effizient längere Stücke fehlerfrei durchzuspielen ?", lieber @ChristianN, ein paar Punkte:

1. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass im Moment des Spielens keinesfalls der Fokus auf dem Wunsch nach Fehlerfreiheit liegt, sondern auf der Musik und deiner persönlichen musikalischen Aussage. Kurz gesagt: fehlerfrei zu spielen sollte dir im Moment des Spielens vollkommen wurscht sein.

Das ist natürlich quasi die Quadratur des Kreises :003:, aber so ist es. Bist du in der Musik, führt dich deine Klangvorstellung, dein Innerstes und die Wahrscheinlichkeit richtiger Töne steigt exponentiell! :))

2. Beim Üben allerdings kann man schon einiges machen, um möglichst sicher zu werden, das ist z.B.

a) Von Wenig nach Viel. Erst einmal mit zwei Bildern anfangen, also das ganze Stück in Abschnitte unterteilen, die du dann wiederholst. Also Promenade + Gnomus + Übergang zur Promenade. Dann Gnomus + Promenade + Übergang zu Schloss. Und so weiter. Klappt das gut, Abschnitte erweitern.

b) Sehr wichtig der Tipp von @Alter Tastendrücker, den Schluss des einen und den Anfang des nächsten Stücks zu üben.

c) das ganze Stück in verschiedenen Tempi durchspielen, fehlerhafte Stellen rausgreifen, üben.

d) Welche Stellen sind denn fehlerhaft? Sind es immer dieselben oder immer andere? Woran liegt es deiner Meinung nach, dass du dich an diesen Stellen verspielst? Sind sie besonders schwer oder besonders leicht (manchmal entspannt man sich nach einer schweren Stelle und schwupps verspielt man sich an völlig leichten Stellen, weil die Konzentration nachgelassen hat)?

e) Stichwort Differenzielles Lernen! Erstens sehr variabel üben, indem du Töne, Stimmen u.a. weglässt (kannst du das überall?), das harmonische Gerüst spielen kannst, die Dynamik mal ganz anders machst oder übertreibst etc.. Zweitens dass du es dir schwerer machst durch Anforderungen, die dich zwingen, flexibel auf Situationen zu reagieren. Also mal mit ganz niedrigem oder erhöhtem Klavierstuhl üben, "blind" spielen (sowieso gute Übestrategie), nur nach rechts oder links gucken, dabei reden, auf verschiedenen Instrumenten, in verschiedenen Räumen spielen ..... . Das kommt aus dem Leistungssport, die Sportler trainieren so, den Basketball beispielsweise aus allen möglichen Positionen in den Korb zu werfen. Das vielleicht nicht am ganzen Stück machen (könnte anstrengend werden :D), aber ggf. in Punkt a) einbauen.

f) Das ganze Stück mal ohne Emotionen durchspielen, quasi als Beobachter, nur auf Gelöstheit und einen guten Sitz achten. Oft geht man in seiner Körperhaltung nach vorne bei bestimmten Stellen und macht es sich so doppelt schwer. Bewusst zurücksetzen wäre dann die Qual der Wahl.

g) Das Stück durchspielen und bestimmte Abschnitte dabei nur mental spielen, danach ohne jede Stockung wieder einsetzen (generell ist mentales Üben auch sehr geeignet).

h) Voraussetzung ist natürlich, dass du jedes Bild sehr sicher beherrschst. Wenn da noch Baustellen sind, an denen du denkst "Mal sehen, ob es klappt", ist Fehlerlosigkeit schlicht nicht möglich.

i) Das Stück weglegen - oft stellt sich Fehlerlosigkeit erst später ein (s. @rolf).

j) Geduld mit sich selbst haben :007::003:

k) Viel vorspielen, Training des Ziels

3. Ich frage mich ja, ob man überhaupt solch ein Ziel anvisieren sollte. Ich hatte dieses Ziel noch nie. :004: Ich war und bin immer unzufrieden mit dem Klang, der Realisation, mit etwas, was ich nicht verstanden habe/verstehe ... . Für mich sind Verspieler keine Fehler und ich wundere mich manchmal, warum auf diese Verspielerfreiheit so viel Wert gelegt wird, aber "Fehler" in Klang, Timing, Artikulation, Phrasierung etc. nicht so viel stören. Ich meine immer, dass der Fokus auf der musikalischen Gestaltung und dem dazu nötigen sehr variablen Üben, das zum Verständnis des Stücks und seiner Strukturen führt, auch eine akzeptable Fast-Fehlerfreiheit beinhaltet. Es sei denn, das Stück ist zu schwer. Wenn man ein langes Stück im Schwierigkeitsgrad "Oberstes mögliches Level" spielt, kann es etwas oder länger dauern, bis man es zur eigenen Zufriedenheit aufführen kann.

Dabei viel Glück und Erfolg wünscht

chiarina
 
Das wage ich zu bezweifeln. Denn wissen tust man das hinterher, nachdem man Fleiß in den Ring geworfen hat. Und der ist nunmal wie bei allem das um und auf. Wer aber vorher schon davon ausgeht, dass sich dieser nicht lohnt zu investieren, woher soll er dann wissen was für ihn möglich wäre?

Das einzige was bei sowas meiner Meinung nach stimmen muss ist, die Einstellung. Man darf nicht davon ausgehen dass es zu Ziel xyz führt. Wenn man aber nichts erwartet und einfach Freude am machen hat, verliert man nichts wenn man das bestmögliche tut. Und dann kann man irgendwann für sich Bilanz ziehen. Klavier ist das einzige was ich bisher rein um der Sache selbst Willen getan habe. Noch nie war Mir das „wofür“ sooo egal. „Halt so“. Wie schade wäre es wenn man dann einen Rücksack mitschleppen müsste von dem man nicht mal weis ob’s der eigene ist.
 

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