"Ich weiß zwar nicht genau, was du damit sagen willst...", sagte Wu Wei.
Stimmt, war ein schlechter Beitrag. Ich wollte eigentlich nur dem Eindruck vorbeugen, ich würde, weil ich als erster von Zwischenknochelmuskeln sprach, die Anatomie für den Schlüssel zum Klavierspiel halten. Zwar glaube ich, daß gewisse Bewegungs- und Haltungsvorstellungen nützlich und notwendig sind, aber die lassen sich auch anders als mit Wörtern aus dem Anatomiebuch erläutern.
Zwar hast du, Wu Wei, recht damit, daß eine differenzierte Terminologie hilft, wenn man derartige Fragen nur verbal verhandeln kann, und Wissen kann nie schaden. Ob jedes Wissen auch nützen kann, ist eine andere Frage. In Ceslaw Mareks "Lehre des Klavierspiels" lese ich: "Der Obergrätenmuskel (musculus supraspinatus) ist Synergist des Deltamuskels. Er abduziert den Arm." Wo genau der Obergrätenmuskel sich in meinem edlen Körper befindet, weiß ich nicht, weiß aber sehr wohl, daß nicht dieses Wissensdefizit dafür verantwortlich war, wenn ich schlecht gespielt hatte, und daß ich keinen Deut besser gespielt hätte, wenn ich es gewußt hätte. Falls man aus verbalen Darstellungen überhaupt etwas übers Klavierspiel lernen kann, dann nicht aus solcher, die neben dem Obergrätenmuskel den Untergrätenmuskel, den kleinen Rundmuskel, den Unterschulterblattmuskel, den Hakenarmmuskel u.a. erläutert. Niemand, der im Alltag eine natürliche, zweckmäßige Bewegung vollführt, denkt je darüber nach, welchen Muskel er gerade dafür benutzt. Jeder kann radfahren, hat als lernendes Kind damit aber erst mal seine Schwierigkeiten gehabt. Irgendwann kann man's, ohne je zu wissen, warum: Man entwickelt durch Übung ein Gefühl für Körperbalance und kann schließlich sich nur noch auf den Fahrradweg und das Ziel konzentrieren. Würde man darüber nachdenken, warum man es nun kann, würde man wahrscheinlich gegen den nächsten Laternenpfahl prallen.
Das soll -- natürlich -- kein Einwand gegen das Wissen um zweckmäßige Bewegungen und Haltungen sein, deren Training unabdingbar ist, und was Snowdrop sagt, ist alles richtig. Aber ob dabei der "musculus pronator teres" und/oder der "musculus pronator quadratus" gerade aktiv sind, ist doch jedem Klavierspieler ziemlich wurscht und wenig hilfreich.
Das Gleichnis vom Tausendfüßer ist insofern falsch, als der ja laufen konnte und es erst nicht mehr konnte, als er gefragt wurde, wie er das macht. Beim Übenden ist es wohl eher umgekehrt, denn der kann etwas nicht und möchte wissen, wie er's lernen könnte. Der Schüler aber, der dazu vom Lehrer mit einem Anatomiebuch nach Hause geschickt würde und dem Rat, er solle das erst einmal studieren, scheint mir schlecht beraten. Schließlich kann man auch musikalisches Denken, musikalische Vorstellung, differenziertes Hören nicht dadurch erklären, daß man die Hardware des Hirns erläutert (die eh immer noch nicht vollständig verstanden ist), obwohl die Frage, wie unser Hirn funktioniert, natürlich hochinteressant ist.