Die richtige Schülerin / der richtige Lehrer?

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Redi

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14. Juni 2008
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Hallo zusammen,

ich unterrichte jetzt seit etwa drei Jahren Anfänger auf privater Basis in Klavier, habe aber kein eigentliches Lehrdiplom (bin nur langjähriger Schüler). Da ich jeweils nur im Internet inseriert habe, sind meine Schüler meist vom Alter her zwischen 30 und 40.

Jedenfalls habe ich seit kurzem eine neue Schülerin, die (vor etwa 20 Jahren) Klavierunterricht gehabt hat und seither eigentlich nur noch auswendig so ein paar Stücke (z.B. den Klavierlehrer-Schreck "Für Elise") spielen kann, die zwischenzeitlich aber sehr unpräzise sind und nur noch "so ungefähr" stimmen.

Nun hat die Schülerin den Wunsch geäussert bekannte Stücke (Lieder; z.B. von den Beatles oder irgendwelche finnischen Weihnachtslieder) zu spielen. Da sie aber nur Noten für die Singstimme hat möchte sie die linke Hand (anhand der Akkord-Angaben) dazu improvisieren. Da ich selbst das nie gemacht habe, habe ich ihr auch klar gesagt, dass ich das nicht könne. Nun wollte ich hier erfahrene Klavierlehrer fragen, ob so ein "Wunsch" überhaupt "Standard" und auf ihrem Niveau bereits möglich ist.

Wie würded ihr in meinem Falle vorgehen? Soll ich sie einfach an einen "Jazzer" weiterverweisen oder würded ihr das einfach ablehnen, weil noch zu früh? Improvisiert ihr mit eueren Schülern auch? (also tonal)

Etwas allgemeiner noch die Frage: Wie handhabt ihr das mit der Auswahl der Stücke? Eigentlich mache ich normalerweise Klavierschulen, die einen Aufbau haben (die David Carr-Glover-Reihe finde ich noch gut), aber was, wenn ein Schüler plötzlich bestimmte Stücke spielen will, die noch zu schwierig sind? Gebt ihr generell einfach eine Auswahl an Stücken vor, die vom Schwierigeitsgrad her in Frage kommen oder macht ihr "offenes Wunschkonzert"?
 
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Hallo Redi,

Menschen das Klavierspiel beizubringen kann eine freudensreiche Angelegenheit sein und seinen eigenen Horizont erweitern. "Dieses Buch ist meinen Schülern gewidmet, von denen ich alles lernte", so fängt u.a. ein berühmtes Harmonielehre-Buch an, und es entspricht sicherlich der Wahrheit: Man lernt nie aus und lernt durch lehren mit.

Klavier spielen lehren ist jedoch eine sehr komplexe Angelegenheit, die in aller Regel eine breitgefächerte Ausbildung in Musikhochschulen verlangt, und weiterhin die tägliche Bereitschaft, immer wieder neu dazuzulernen (auch von seinen Schülern).

Die freie, stilgerechte Liedbegleitung anhand von gegebener Melodiestimme (oder noch einfacher: Akkorden) gehört zu den Elementarfähigkeiten, die ich meinen Schülern bereits in den ersten Stunden vermittel, denn gerade Anfänger werden dies benötigen, ("hey, da is ja ein Klavier. Kann xy nicht Klavier spielen? Ach.. xy, spiel uns doch mal was vor!") vor allem da sie noch kein (konzertreifes) Repertoire auswendig spielen können. Und es lassen sich so perfekt auch direkt bestimmte Aspekte des prima-vista-Spiels, der Harmonielehre und Gehörbildung spielerisch aneignen.

So ein Wunsch ist nicht nur Standard, es sollte meiner Meinung nach aufgrund der vielfaltigen Synergie-Effekte bereits zu Beginn begonnen werden, Lieder zu harmonisieren und Begleitschemata anzuwenden, vor allem weil es so unglaublich viel Spaß macht, immer wieder neue Sachen auszuprobieren - macht viel mehr Spaß als das Erarbeiten nach Klavierschulen. Es gehört einfach zu den elemantarsten, mit den wirklich einfachsten Sachen beim Klavierspiel. Deinen Schülern solltest du aber trotzdem ein Buch/Arbeitsblätter zu Hand geben, in denen die Improvisation von Begleitungen oder die Harmonisierung von Liedern erklärt wird. (natürlich beginnt man zu Beginn mit I-IV-V...). Ein Jazzer wäre mit so einer Aufgabe unterfordert. ;)

Ich bin jemand, der nie nein sagt, vor allem wenn Schüler eigene Wünsche haben. Ist das Stück zu schwierig, suche ich andere Wege. Zum Beispiel arrangier ich das Stück so, dass es für den Schüler zu spielen ist. So ist die Freude groß (die des Schülers, ich reg mich dann meistens innerlich nur über mein schlechtes Arrangement auf...) und der Schüler verliert den Spaß am Klavierspiel nicht, was vor allem zu Beginn äußerst wichtig ist...


Viel Erfolg beim Unterrichten,
bilde dich so gut und so oft du nur kannst weiter, wenn du jemandem selbst bilden willst!

Max


P.S.: Kannst du mir (z.B. per PM) schreiben, wieviel Geld du für eine Unterrichtsstunde verlangst?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Tinte,
danke erstmal für deine ausführliche Antwort! Es erstaunt mich nun etwas, weil ich - wie ich geschrieben habe - jahrelang Klavierunterricht (auch bei einem namhaften) hatte und wir nie auch nur annähernd etwas improvisiert haben. Es lief eigentlich bei allen Lehrern immer nach dem Schema "Lied auswählen - einüben - vorspielen - korrigieren - neu einüben, etc." ab, entsprechend hören meine Fähigkeiten zur "Liedbegleitung zu einer Melodiestimme (oder Akkorden)" bei Albertibässen oder einfachen Dreiklängen auf.

"Die freie, stilgerechte Liedbegleitung anhand von gegebener Melodiestimme (oder noch einfacher: Akkorden) gehört zu den Elementarfähigkeiten, die ich meinen Schülern bereits in den ersten Stunden vermittel"

--> Kann das sonst noch ein Lehrer bestätigen?
 
Ich finde auch, dass das etwas elementares ist.
Man kann nicht sagen, eine Schülerin wäre nicht weit genug, um sowas zu lernen.

Wenn du das selber nicht kannst, solltest du sie an einen anderen Lehrer verweisen.
 
Die freie, stilgerechte Liedbegleitung anhand von gegebener Melodiestimme (oder noch einfacher: Akkorden) gehört zu den Elementarfähigkeiten, die ich meinen Schülern bereits in den ersten Stunden vermittel,

Das würde mich näher interessieren.

Freie stilgerechte Liedbegleitung - Wie macht man das?
Wie vermittelt man das an Klavieranfänger?
Gibts da spezielle Übungen?
Wie findet der Schüler die richtigen Griffe?
Geht das ohne Vorkenntnisse?
 
Hi Tinte!

Ich beginne auch von der ersten Klavierstunde an mit Begleitimprovisationen zu verschiedenen Liedern (auch verschiedene Stilrichtungen). Aber: ich mache mir durchaus einige Späße damit, die Lieder nicht stilgerecht zu begleiten!!
;)

Ein Rock'n Roll unter Hänschenklein oder Kling Glöckchen ist sehr erheiternd genau so wie Albertibässe unter "Unfaithful" von Rihanna oder Earth Song von MJ (obwohl der in einem schönen Satz schon fast wie ein Schubert-Impromtus klingen kann!).

Wer das nicht kann sollte die Schülerin weiter verweisen.

Bei Erwachsenen bestimmt immer der Kunde die Auswahl der Stücke. Komme ich an meine Grenzen (gehobene Jazz-Harmonielehre) gibt es dafür Spezialagenten.

Alles Liebe

Viola
 

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