"Der Sänger des Pianisten!"

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Alter Tastendrücker

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31. Aug. 2018
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Hallo, es gab hier einen Faden, der etwas ausgeartet ist, zur Schwäche des vierten und fünften Fingers. Beim Vierten ist das anatomisch bedingt nicht komplett falsch. Aber der Fünfte darf nicht schwach sein. Ein Pianist bei dem ich Mal einen Kurs besuchte bezeichnete den Fünften der rechten Hand sogar als den Sänger der Pianisten!
Was tut Ihr für den Fünften rechts. Zur Kräftigung/Stabilisierung/Stütze/... ?
 

So ist es! Und das ist eine der größten Herausforderungen verbunden mit den Fähigkeiten, verschiedene Lautstärken in einer Hand klanglich umsetzen zu können.

Im Notenbild eines Klaviersatzes sind Akkorde vertikal dargestellt. Das verführt zum wesentlichen Denken und Hören in Griffen. Vier Töne - ein Griff, aha, alles paletti.

Leider nein. :D In Akkorden sind sehr oft horizontale Linien versteckt (Stimmen). Häufig spielt der 5. Finger die Melodie und die anderen Akkordtöne begleiten diese Melodie. Die Melodie wird lauter gespielt (= singen) als die sie begleitenden weiteren Akkordtöne und so ist aufgrund dieser sehr notwendigen klanglichen und dynamischen Differenzierung viel mehr das Problem, verschiedene Lautstärken in einer Hand spielen zu können als irgendwelche Trainingseinheiten für den 5. Finger.

Einfache Übungen dazu trainieren die Stützkraft des 5. Fingers nebenher, legen aber den Fokus auf das Wesentliche: die Entwicklung einer solchen differenzierten Klangvorstellung und deren Umsetzung auf das Instrument.

Später dann werden Akkorde immer differenzierter klanglich umgesetzt (spiele ich den Grundton lauter oder will ich die Terz herausheben, wie färbe ich den Klang und was muss ich dazu tun....). Einer, den ich extrem bewundere für seine klangliche Differenzierungsfähigkeit, ist Leon Fleisher. :)

Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz des Armes, der notwendig ist, damit der 5. Finger singen kann.

Liebe Grüße

chiarina
 
Eben.

1. Man muss audiomotorisch spielen, das heißt, das Ohr (sowohl die innere Klangvorstellung als auch das, was man hört und worauf man dann reagiert) muss die Führungsinstanz sein, aufgrund derer die Bewegung stattfindet bzw. diese oder jene Qualität und Ausprägung hat.

2. "Singen" bedeutet: Über größere Bögen schlüssig miteinander verbundene Klangfolgen, die nicht "perkussiv", sondern "atmend" und strömend-legato wirken (das heißt, man hat trotz der beim Klavier natürlich unvermeidlichen "Anschlags" jedes Tones das Gefühl einer ununterbrochenen, wellenförmigen Folge statt "Einzeltönen" oder unabsichtlicher Unterbrechungen des Flusses durch unabsichtlich herausstechende Einzelereignisse). Dabei auch deutliches Auf und Ab von Dynamik - gleichmäßige Dynamik wirkt nie "singend".
Dies kann nur dann realisiert werden, wenn Bewegungen integriert sind, das heißt, die zentralen, großen, körpermittelpunktsnahen Muskeln in der Hierarchie am höchsten sind und die periphereren, kleineren Muskeln in ihren Bewegungen den zentraleren Muskeln nach- bzw. untergeordnet sind. Isoliertes Bewegen von Fingern kann daher niemals zu "Singen" führen, da kann man sich noch so totüben.

Daher ist klar: Mit dem 5. Finger (wie auch den anderen Fingern) niemals nach der nächsten Taste "langen", sondern ihn stets als Verlängerung des Arms betrachten. Horizontale Wegstrecken, insbesondere in Links-Rechts-Richtung, werden stets vom (Ober- bzw. ganzen) Arm zurückgelegt, nicht aber durch Abspreizen von Fingern. Und der Finger macht auch keine eigenen, gesonderten Anschlagsbewegungen ("Hämmerchen"). Diese prononcierten Bewegungen primär im Fingergrundgelenk kommen zwar vor (auch hier sind ja heutzutage Youtube-Videos von Klaviervirtuosen Beweis genug), aber nur in schnellen Tonfolgen, bei denen die kleinsten rhythmischen Einheiten nicht durch Anschlagschwünge von Oberarm, Unterarm oder Hand erzeugt werden können. Auch übertreiben manche Pianisten, selbst welche von Weltrang, diese Fingerbewegungen unnötig (Jarrett, Gould...), während Pianisten mit wahrhaft effektiver, physiologisch günstiger Technik wie Rubinstein, Gieseking oder Herbie Hancock die Finger nur wenig auf und ab bewegen.
 
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Finde bei michelangelo sieht das alles wie "nix"aus. Glaub wären Pianisten technisch klassifiziert, wäre er einer mit dem höchsten Wirkungsgrad.
 
Finde bei michelangelo sieht das alles wie "nix"aus. Glaub wären Pianisten technisch klassifiziert, wäre er einer mit dem höchsten Wirkungsgrad.
Bei Michelangelo ist doch der Zeigefinger viel wichtiger als der kleine Finger? :heilig:
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Erschaffung_Adams

Abgesehen davon: Danke für diesen Thread, vor allem für die Beschreibungen von @hasenbein und @chiarina . Dank des seltsamen Threadtitels bin ich hier nur zufällig reingestolpert, aber ich habs bis jetzt nicht bereut. Melodien am Klavier zuverlässig zum Singen zu bringen ist leider auch eines meiner größeren Probleme, von daher lese ich hier gerne mit.
 
Arturo Benedetti Michelangeli:puh: jetzt kenne ich den kompletten Namen :-D sollte weniger mit dem Handy tippseln:schweigen:
 
ABM, war schon klar, aber die pittoreske Abschweifen war doch nett!
 
Auch übertreiben manche Pianisten ... diese Fingerbewegungen unnötig (Jarrett, Gould...)
ja, stimmt. Die hätten eigentlich mal bei dir Unterricht nehmen sollen...
Unglücklicherweise sind sie berühmt geworden, bevor du auch nur den Hauch einer Chance hattest, ihnen die Wahrheit zu verklickern.:-D

Übrigens finde ich das Beüben der Einzelfinger sehr sinnvoll, aber nicht im Sinne von Krafttraining. @Tastendrücker
 
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Auch übertreiben manche Pianisten, selbst welche von Weltrang, diese Fingerbewegungen unnötig (Jarrett, Gould...)
Das Word "unnötig" stört mich hier auch. Keine Frage - seine spieltechnischen Eigenarten haben Gould körperliche Probleme bereitet, aber Goulds Klang kriegt man wohl eher nicht mit Rubinsteins Technik hin. Und wer weiß, ob es dann nicht auch "nur" zum Klavierlehrer gereicht hätte, wenn er technisch mit dem Strom geschwommen wäre.
Ich finde nachvollziehbar, was ihr hier immer und immer wieder predigt und wenn ich wählen dürfte, hätte ich auch lieber Kissins Technik als die von Gould, aber ich bin sehr froh, dass es ihn und auch Horowitz gab, und die spielten und klingen nunmal anders.
 
aber ich bin sehr froh, dass es ihn und auch Horowitz gab
Ich auch. Langweiler am Klavier gibt es wahrlich genug. Es gibt beim klassischen Gesang auch diese Behauptung, die "richtige" Technik zu kennen. Und wenn man die erstmal drauf hätte, könne man ja alles damit machen. Wer's glaubt... hab' noch keine Klassiktante gehört, die wie Janis Joplin oder Aretha Franklin klingt (und von den Onkels klingt keiner wie Tom Waits oder Ozzy Osburne). Stattdessen klingen die alle gleich. Und wenn die sich an Popmusik versuchen, wird es meist ziemlich peinlich.

Der langen Rede kurzer Sinn: wer gut spielt, hat Recht.
 
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Es gibt beim klassischen Gesang auch diese Behauptung, die "richtige" Technik zu kennen. Und wenn man die erstmal drauf hätte, könne man ja alles damit machen.

Komisch, meine Lehrerin für klassischen Gesang hat das nie behauptet.
Und wenn ich mich recht entsinne, mein Klavierlehrer (Opernsänger) auch nicht.
Hmmmm ....

Grüße
Häretiker
 
Man kann auch gut spielen und sich trotzdem den Körper verhunzen. Dann hat man zwar Recht, aber nur rein musikalisch, und nutzen tut es einem obendrein gar nichts mehr, wenn man mit 35 ein paar Bandscheibenvorfälle hat und mit 40 Fokale Dystonie.
 
Man kann auch gut spielen und sich trotzdem den Körper verhunzen. Dann hat man zwar Recht, aber nur rein musikalisch, und nutzen tut es einem obendrein gar nichts mehr, wenn man mit 35 ein paar Bandscheibenvorfälle hat und mit 40 Fokale Dystonie.
Eine komische Vorstellung von Nutzen in diesem Zusammenhang.
Du meinst also, wir hätten vielleicht eine bessere Welt, wenn wir einen körperlich unversehrten, rüstig greisen Glenn Gould hätten, von dem außerhalb der kanadischen Provinz noch niemand jemals etwas gehört hätte? Sein Psychoanalytiker hätte sicher auch mehr verdient.
Und gilt das eigentlich auch für Rockmusik? Die gäbe es dann wohl auch nicht. Macht nichts, André Rieu ist sicherlich noch eine Weile intakt.
Es geht hier doch nicht um's recht haben! Gould hat Millionen von Menschen etwas gegeben, ihr Leben bereichert. Und die Behauptung, etwas an Goulds Fingerbewegungen sei unnötig, ist einfach Mist. Der Klang wäre doch nicht derselbe.
Versuche doch zum Beispiel mal, in dein aktuelles Übungsstück schön viele "unnötige" Bewegungen einzubauen und erkläre mir dann, dass sich der Klang dadurch nicht im geringsten ändert. Klappt das?
 
Dann hat man zwar Recht, aber nur rein musikalisch
"nur" ist gut. Die Musik ist ja auch das Unwichtigste am Klavierspiel. ;-)
Rubinstein hat zwar immer hübsch gerade gesessen, aber wozu? Mich hat er gelangweilt. Außerdem ist es m.W. reine Spekulation, daß Glenn Gould sich kaputtgespielt hat. Oder hat er das jemals gesagt? Per Ferndiagnose so etwas zu behaupten, nur weil einem seine Technik mißfällt, ist doch gewagt. Ich habe auch einen lahmen Arm, aber das kommt definitiv nicht vom Klavierspielen. Wer will, kann sowas natürlich immer behaupten.
 
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Rubinstein hat zwar immer hübsch gerade gesessen, aber wozu? Mich hat er gelangweilt.

Grrrh! Einen meiner Lieblingspianisten als langweilig denunzieren!! Geht gar nich!!
ABER was machen Globalrelativierer, die Glenn Gould', Rubinstein UND noch zig weitere Pianisten lieben!?!?
Und Horowitz wurde für seine völlig verkorkste Technik noch nicht mal mit vorzeitigem Tode bestraft!?
Was soll nur aus dieser Welt noch werden!?
 
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