Das untemperierte Clavier

Bin ich hier etwa der einzige, dem die Einspielungen auf dem Cembalo sehr gefallen? Ich finde beide Stücke nach wie vor absolut faszinierend und empfinde die Klänge auch nicht als unangenehm. Schade, dass das man das nicht so einfach mal selbst nachspielen kann... :cry2:
 
Bin ich hier etwa der einzige, dem die Einspielungen auf dem Cembalo sehr gefallen? Ich finde beide Stücke nach wie vor absolut faszinierend und empfinde die Klänge auch nicht als unangenehm.

Nein, Du bist nicht der einzige!

Schade, dass das man das nicht so einfach mal selbst nachspielen kann...

Warum solltest Du nicht auch Dein Klavier entsprechend stimmen können?
 
Hier mal eingespielt auf keinem Klavier (meinetwegen¹), "Alle meine Entchen", alle meine selbst harmonisierten Entchen sogar, in gleichschwebender Stimmung und in reiner Stimmung (5-limit) zum Vergleich.
Letztere mit ständiger Umstimmung auf den Grundton der aktuellen Harmonie.
Hört ihr einen Unterschied?

¹) Allgemeiner Konsens in einem früheren Thread war, dass ich es nach zwei Jahren Arbeit oder so nicht geschafft hatte, den Klang mit eigenen Mitteln nachzubilden, und seitdem hab ich nichts mehr dran gemacht. Wie auch immer, dass mein Yamaha da rankommt, soll reichen.
 

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Dafür hat das gute Teil ein bisschen wenige Tasten.
Die handelsüblichen zwölf Tasten pro Oktave reichen ja, wenn man sich auf eine Tonart (genauer Tonika) festlegt und auf Harmonien verzichtet. Will man modulieren und Harmonien, muss man den Computer bemühen, hab es ja gestern demonstriert. Von der Machart her ist das natürlich nicht mit Musik zu verwechseln.

Live gespielt ginge das vielleicht allenfalls, indem man mit dem linken Fuß, der meisten nichts zu tun hat außer den Takt zu klopfen, eine zwölfstufige Umstimmpedalmechanik bedient, ähnlich wie bei einer Konzertharfe. Nehmen wir an, die Umstimmung ginge mechanisch gelöst, das würde sicher unmusikalische Geräusche machen. Vom Preis und vom Lernaufwand her muss man aber konstatieren, das lohnt nicht mehr.

Andere klassische Musikkulturen irgendwo weit über unsereiner Tellerrand, Indien etwa, kamen prima mit einer Tonart und ohne Harmonien, dafür mit reingestimmten Instrumenten zurecht. Leider ist heute vieles verpoppt, verwestlicht, global ausbeutbar gemacht.
Wobei die typische Besetzung bei solchen Musikkulturen auch Stimme und Instrument war, perkussive Instrumente dazu (Trommeln, Maultrommel, Rassel), die bleiben hier unberücksichtigt. Und die Stimme(n) können natürlich Harmonien der Musik hinzufügen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da es ja doch ein paar Interessierte hier gab, erlaube ich mir, auf drei neue Stücke hinzuweisen, die ich vor wenigen Tagen aufgenommen und online gestellt habe.

Es handelt sich um drei enharmonische Préludes, die wieder für das gleiche Instrument wie die vorherigen geschrieben sind – das Clavemusicum omnitonum mit 31 Tasten pro Oktave –, wiederum die Möglichkeiten septimaler ("7-limit") Harmonik ausloten, aber doch ganz anders sind: Diesmal ist das Instrument in seiner gewöhnlichen, historischen 31-mitteltönigen Temperatur gestimmt, was bedeutet: mit ziemlich genau 1/4-Komma-mitteltönigen Quinten (der Unterschied ist vernachlässigbar) ergibt sich ein Zirkel mit (quasi) reinen Terzen und (quasi) reinen Naturseptimen. Die reinen Naturseptimen entsprechen (sozusagen enharmonisch verwechselbar) übermäßigen Sexten und können natürlich auch musikalisch in beider Funktion verwendet werden. Folglich entsprechen ebenso etwa verminderte Quarten (z. B. his-e) septimalen Großterzen (9:7, reine Septime C - None E über dem Grundton D), übermäßige Sekunden (z. B. c-dis) septimalen Kleintieren (Quinte C - Septime Es über Grundton F) usw. usf. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten der enharmonischen Verwechslung und auch natürlich der Transponierbarkeit.

Im Einzelnen:

Das erste Stücke kreist um die traditionelle "Wolfsquinte" bzw -quarte (z. B. es-gis), ein unerwünschtes Restintervall in der traditionellen Mitteltönigkeit (als Quinte unbrauchbar), septimal jedoch integrierbar als 21/16. Am elegantesten und unmittelbarsten geht das mit einem 7/4-Akkord, denn das gis über dem es ist logischerweise eine konsonante (temperierte) reine Quart zur Naturseptime cis (es-cis ergibt, wie erwähnt, durch die Temperatur nahezu eine reine Septime).



Das zweite Stück verwendet stark die erwähnte Doppelfunktion der verminderten Quarte, die melodisch als solche, vertikal als None und Septime eines Septnonakkords verstanden werden kann (so z. B. gleich im ersten Akkord). Später kommen auch an Bach-Toccaten gemahnende Progressionen verminderter Akkorde vor, wobei jede Umkehrung des verminderten Septakkords hier natürlich unterschiedlich klingt.



Das dritte Stück verwendet teilweise abstraktere Intervalle, z. B. die doppelt-verminderte Quarte, die u. a. als Differenz von Naturseptime und verminderter Quint (bspw. über dem Grundton F: Ces-Dis(=Septimen-Es) oder als Differenz von Naturseptime und kleiner None (etwa wiederum über dem Grundton F: septimales Es=Dis – Ges) verstanden werden kann.



In allen Stücken kommen auch vertraute Progressionen vor, die durch die Enharmonik neu eingefärbt sind bzw. eine andere Richtung erhalten.

Der Nachteil des Stimmungssystems sind natürlich die schlechten, deutlich zu kleinen Quinten (wie man sie aus der Musik des 17. Jahrhunderts kennt). Die kompositorische Aufgabe kann entsprechend darin bestehen, die schlechten Quinten so zu integrieren, dass sie möglichst wenig auffallen.

Die Noten finden sich unter folgendem Link: http://www.bernardynet.de/werke/DreiPreludes.pdf
 

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