Chopin - Nocturne cis-moll

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11. Apr. 2007
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Ich habe heute spontan zwei Aufnahmen dieses Nocturne gemacht und ich möchte mich gerne etwas mit euch darüber austauschen.

Meine erste Aufnahme ist sehr ruhig, in sich gekehrt. Ich glaube, wenn man nicht in der richtigen Stimmung ist, schläft man als Zuhörer wahrscheinlich ein. Aber als ich das Stück so gespielt habe, hat es mir auch gefallen.

Meine zweite Aufnahme ist deutlich extrovertierter. Die dynamischen Schwankungen sind stärker und das Tempo habe ich ziemlich frei genommen.

Nun bitte ich um eure Meinungen. Welche Aufnahme gefällt euch besser und warum?

Außerdem gibt es da im Mittelteil eine "poco piu mosso"-Stelle mit der ich irgendwie nicht so viel anfangen kann. Wahrscheinlich hört man das auf der Aufnahme :rolleyes: ... Wenn mir die jemand näher bringen kann?!

marcus
 
Ist das auf E-Piano gespielt? Ich höre nämlich keine Unterschiede in der Dynamik. Das ist nämlich der Punkt, der mir bei bei den Aufnahmen nicht gefällt.

Irgendwo nach 1 Minute oder so kommt dieser typische Akkordsturz, wie es Chopin in seinen Nocturnen macht. Ich würde diesen Sturz nach unten mit einem echten Sturz vergleichen ;). Also stell mir mal vor du fällst eine Klippe runter. Das Tempo muss also zunächst langsam, dann immer schneller und schneller werden bis du unten aufprallst. Aber bevor du auf den letzten Ton aufprallst, hälst du dich doch noch zurück und lässt den Zuhörer überraschen. So würde ich diese Stelle spielen. Eigentlich hast du dir das glaube ich auch so gedacht, aber es könnte noch ein bisschen gleitender sein, wie eine Feder. Bei der ersten Aufnahme ist dir das besser gelungen.

Etwas später kommt das heitere, fröhliche Thema. Ich würde das schneller spielen. So, als ob man zu diesem Thema tanzen könnte. Ich würde es mehr von dem, was vorher kam absetzen. Das sich wiederholende Thema in Moll ebenfalls in dem Tempo, allerdings nicht mehr heiter, sondern eher lebendig, aber nicht die angegebene Dynamik überschreitend!

Das in der Mitte, wo es immer langsamer wird, darfst du nicht langweilig machen. Es soll zwar immer langsamer werden, aber nicht schon 50 Takte vorher, nicht dass der Zuhörer einschläft, obwohl es ja damit sein Ziel als Nachtstück erreicht ;). Ich würd erst sehr langsam werden, wo die Töne nach oben gehen.

Wenn es dir dein Instrument erlaubt, dann spiel auch die linke Hand bei lauteren Stellen lauter.

Das am Ende da wo es hoch und runter geht, hast du sehr gut gespielt. Aber auch hier würde ich dir raten, bevor du auf den Boden fällst, halte dich zurück, damit erzielst du einen überraschenden Effekt beim Zuhörer.

Das Ende würde ich noch langsamer spielen (also ganz kurz vor dem Ende). Der letzte Ton muss einen erfüllenden Charakter haben. Deswegen sollte dieser, meiner Meinung nach, besonders hinausgezögert werden. Man erwartet den letzten Ton, man fragt und fragt sich, wann er endlich kommt, und dann plötzlich: Acha, da ist er! :D

Aber ansonsten fand ich das Thema ganz gut gespielt, sind eher Kleinigkeiten, die mich stören.
 
Ist das auf E-Piano gespielt? Ich höre nämlich keine Unterschiede in der Dynamik. Das ist nämlich der Punkt, der mir bei bei den Aufnahmen nicht gefällt.
Es stimmt schon, dass die Aufnahmen wegen dem E-Piano und der Aufnahmetechnik nicht besonders große Kontraste in Sachen Dynamik bieten, aber gar keine Unterschiede in der Dynamik?!
Z.B. bei der Stelle wo erst ff steht und im übernächsten Takt ppp muss dir doch ein dynamischer Unterschied aufgefallen sein. Zugegeben habe ich das ff eher als forte aufgefasst, aber ich höre da dynamische Veränderung.
Am Wochenende habe ich leider so gut wie keine Zeit, aber danach werde ich mich mal um eine dynamisch stärker differenzierte Einspielung bemühen.

Zitat von ubik:
Das in der Mitte, wo es immer langsamer wird, darfst du nicht langweilig machen. Es soll zwar immer langsamer werden, aber nicht schon 50 Takte vorher, nicht dass der Zuhörer einschläft, obwohl es ja damit sein Ziel als Nachtstück erreicht . Ich würd erst sehr langsam werden, wo die Töne nach oben gehen.
Ich nehme an, du meinst mit der Stelle "wo die Töne nach oben gehen", die zwei Takte Adagio. Vor dieser Stelle kommt erst das "poco piu mosso" und dann ein rallentando, das in die zwei Takte Adagio führt. Wo genau war ich jetzt deiner Meinung nach zu langsam? (Am besten Taktangabe)
Ich finde, dass ich es eigentlich so gespielt habe, wie es da steht, aber, wie gesagt, die Stelle ist mir etwas suspekt.

Werde deine Vorschläge aber überdenken und ggf. ausprobieren.

marcus
 
Hm, wenn ich die Noten hätte, würde ichs dir zeigen. Aber ich meine die Stelle, wo das Stück in der Mitte anhält.
 
Ja, das sind die zwei Takte Adagio.

Übrigens hört man, wenn man die Lautstärke etwas aufdreht, ein ganz fieses Geräusch. Kann mir jemand sagen, wie ich das wegkriegen kann?
 
(Die Taktzahlen können zu Deiner Ausgabe differieren)

Erst einmal Kompliment. Ich habe Deine Aufnahmen mit Interesse durchgehört und dann auch noch die Noten zu Rate gezogen. Auf dieser Ebene ist es nämlich eine Freude, in die details zu gehen. Soviel vorweg. Weil das Schöne selbsterklärend ist, verliert man darüber häufig weniger Worte. Hingegen die Reibungspunkte einen größeren Erklärungsbedarf erfordern.

Aufnahme 1:

Das Stück könnte gewinnen, wenn Du nicht die Viertel empfindest, sondern wenn du den Takt alla breve auffaßt. der Unterschied. Wenn du in Vierteln denkst, hast Du einen Taktakzent und einen Nebenakzent auf dem dritten Pulsschlag. Wenn du die Halben als Puls empfindest, hat Du nur einen Taktschwerpunkt und einen leichten zweiten Pulsschlag.

T 1: (Intro) rhythmisch präziser spielen.
Triller laufen schön und flüssig. ich würde sie etwas langsamer beginnen und dann beschleunigen.

T 5: Bist du sicher, daß cis3 ein zweites Mal angeschlagen wird?

T 13: Zu dem Abstieg hat ubik ja schon alles gesagt.

T 14/15: Ich habe den Eindruck, du schleppst hier ein wenig. Die Musik tritt jedenfalls unangenehm auf der Stelle.

T 24: Die Triolen könnten ein wenig flüssiger (wirklich nur minimal schneller) laufen.

T 25/26: Achte darauf, daß Du die Punktierungen nicht zu scharf nimmst. Sie klingen an zwei Stellen fast schon wie Doppelpunktierungen.

T 31-41: Du hast hier ein deutlich langsameres Tempo.
(In meiner Ausgabe ist der ganze Teil als 3/4-Takt notiert. Ich meine mich aber zu erinnern, auch andere polymetrische Notierungen gesehen zu haben.)
Die Viertelpausen zu Taktbeginn hältst Du nicht lang genug aus, dadurch gerät der Puls aus den Fugen.
Ich würde mit dem rallentando wirklich erst im T 40 beginnen, sonst reißt der Spannungsbogen ab. - Ähnliches gilt für auch den Schluß. (Auf der Autobahn gibt es die Hinweistafeln "Ausfahrt nach 1000 m". Es gibt Autofahrer, die jetzt schon zur Freude aller Nachfolgenden abbremsen und in den zweiten Gang runterschalten.)

T 55-58: Daß du die zweite Takthälfte verlangsamen mußt, liegt in der Komposition begründet. Ich würde aber in der ersten Takthälfte das Ursprungstempo beibehalten.

Aufnahme 2:

Der musikalische Fluß ist besser spürbar. Allerdings solltest du nicht so stark im tempo schwanken. Die beiden Takthälften sind manchmal arg verschieden.

Die Triller rollen in dieser Version viel natürlicher. Und die Girlanden gegen Ende klingen allerliebst.

Im Detail gilt aber durchaus das, was ich zu Aufnahme 1 geschrieben habe.
 
Erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, zu den beiden Aufnahmen so differenziert Stellung zu nehmen.
Wie gesagt war ich am Wochenende nicht da, sodass ich erst jetzt etwas dazu sagen kann.

Zitat von koelnklavier:
Das Stück könnte gewinnen, wenn Du nicht die Viertel empfindest, sondern wenn du den Takt alla breve auffaßt
Ist bei dir das "alla breve" in den Noten vermerkt? Bei mir nämlich nicht. Trotzdem werde ich das mal ausprobieren.

Ja, das habe ich leider vernachlässigt, weil ich die Melodie etwas hevorheben wollte ... :-(

Die Viertelpausen zu Taktbeginn hältst Du nicht lang genug aus, dadurch gerät der Puls aus den Fugen.
Ich weiß nicht, welche Viertelpause du meinst. Bei mir sind in diesem Abschnitt, der im 3/4-Takt steht, immer nur in einer Hand Pausen. Eigentlich spielt eine Hand immer etwas :confused:
Wie verstehst du denn die Tempo- und Dynamikgestaltung in diesem Abschnitt? Bei mir steht dort "poco piu mosso" also etwas bewegter. Wobei man aber immer leiser werden soll bis zum rallentando (pp), und schließlich noch langsamer und leiser (Adagio,morendo,ppp). Ich finde es sehr schwer über 13 Takte hinweg vom p(!) ausgehend immer leiser zu werden.

Wenn ich das richtig sehe, hat dir Aufnahme 2 besser gefallen, wobei ich es aber mit den Temposchwankungen etwas übertrieben habe.

Die Triller rollen in dieser Version viel natürlicher
Apropos Triller. In Takt 9 muss man auf dem dis'' trillern. Ich habe das nur durch furchtbare Verrenkung des Handgelenks einigermaßen hinbekommen. Hast du einen Trick, wie man den besser hinkriegen kann?

Nochmals danke für deine Beurteilung!

Gruß

marcus
 
Ist bei dir das "alla breve" in den Noten vermerkt? Bei mir nämlich nicht. Trotzdem werde ich das mal ausprobieren.
Nein, ist es in der Tat nicht. Ich empfinde es aber trotzdem so. [Chopin im Forum wird mich wahrscheinlich wieder in der Luft zerreißen.]

Ich weiß nicht, welche Viertelpause du meinst. Bei mir sind in diesem Abschnitt, der im 3/4-Takt steht, immer nur in einer Hand Pausen.
Ich meine die Viertelpausen in der rechten Hand.

Bei mir steht dort "poco piu mosso" also etwas bewegter.
Henle, UE und Könemann schreiben nichts von "poco piu mosso".
Zur Dynamik: Ich würde das "piano" nicht zu leise anlegen, damit Du genügend Luft nach unten hast. Nach dem "dim.", also nach der ersten Hälfte ruhig noch einmal etwas Lautstärke zugeben, damit du das "rallentando" gestalten kannst. (Aber mit dem "rall." nicht zu früh anfangen.)

In Takt 9 muss man auf dem dis'' trillern. Ich habe das nur durch furchtbare Verrenkung des Handgelenks einigermaßen hinbekommen. Hast du einen Trick, wie man den besser hinkriegen kann?
Ich nehme den Vorschlag cis2-dis2 mit 2-3, gehe mit dem Daumen auf e2 und trillere dann mit 1-3 (Daumen also auf e2, dritter Finger auf dis2). Kapiert?
 
Die Sache mit den Viertelpausen ist etwas vertrackt. Wahrscheinlich weil ich hier eine ganz andere Ausgabe dieses Nocturne habe.
Bei mir ist in diesem Abschnitt für die rechte Hand überhaupt keine Stimme eingetragen (außer ganz am Anfang ein dis'', das über 4 Schläge lang gehalten werden soll).

Also wenn du in diesem Abschnitt keine andere Tempoanweisung hast, behälst du einfach das Anfangstempo bei?!
Was steht da überhaupt in deiner Ausgabe? Bei mir steht am Anfang: "Lento con grand espressione". Wobei ich persönlich das Stück etwas schneller als Lento empfinde (jedenfalls im Vergleich zu dem Nocturne op.48 no.1)

marcus
 
Bei mir ist in diesem Abschnitt für die rechte Hand überhaupt keine Stimme eingetragen (außer ganz am Anfang ein dis'', das über 4 Schläge lang gehalten werden soll).
Spielst Du diesen Abschnitt etwa nur mit der linken Hand? Das Pianistenleben ist schon schwer genug, mach es Dir also nicht noch schwerer!


Also wenn du in diesem Abschnitt keine andere Tempoanweisung hast, behältst du einfach das Anfangstempo bei?! Was steht da überhaupt in deiner Ausgabe? Bei mir steht am Anfang: "Lento con grand espressione". Wobei ich persönlich das Stück etwas schneller als Lento empfinde (jedenfalls im Vergleich zu dem Nocturne op.48 no.1)
"Lento" heißt langsam, aber glaubst Du, Chopin hat sich 1841 um eine Vortragsanweisung von 1830 geschert. Ob ein Pulsmaß langsam oder schnell wirkt, hängt sehr stark von dem ab, womit Du Dich die Zeit vorher beschäftigt hast. Ich denke, ihm ging es eher um die Beschreibung einer Stimmung als um ein eindeutig metronomisch fixiertes Maß.

In meinen Augen (besser gesagt: Ohren) sind die Nocturnes für Klavier komponierte Arien, Konkurrenzprodukte zu dem, was Bellini und Donizetti für die Stars der Opernhäuser geschrieben haben. (Das sinnfälligste Beispiel finde ich das H-Dur-Nocturne op. 32,1.) Und in diesem Sinne sollte man auch der Pianist hier in der Tempofrage verfahren: souverän, frei, aber verantwortungsbewußt. Die Frage ist nicht: "Wie machst Du es?" sondern: "Wie klingt es stimmig und überzeugend?"

Wünsch Dir nächste Weihnachten eine "vernünftige" Ausgabe der Nocturnes: Die neue kritische Urtextausgabe von Ekier bei PWM ist sehr schön (es fehlen aber meines Wissens) die nachgelassenen und apokryphen Stücke); die Ausgaben aus den Verlagen Könemann, Henle, UE sind vom Notentext her gleichermaßen zuverlässig, die Paderewski-Ausgabe kenne ich leider nicht so gut. Interessant ist natürlich auch die "instruktive" Ausgabe von Alfred Cortot mit zahlreichen Vorschlägen zur Gestaltung und technischen Bewältigung.
 
Im Prinzip stimme ich dir voll zu, wobei es mir eigentlich nicht darum ging zu fragen "wie machst du es?". Aber da es von diesem Nocturne offenbar mehrere verschiedene Versionen gibt, hab ich mich gefragt, ob auch die Tempoanweisungen auseinandergehen. Du hattest ja bespw. das "poco piu mosso" im Mittelteil nicht stehen.

Dann nur noch eine kurze abschließende Frage, weils gerade so gut passt:
Ist der zweite Teil des oben erwähnten Nocturne op.48 nr.1, also das "doppio movimento" viel schwerer als der erste Teil?
Ich habe da im Moment schwere Bedenken, ob das so einfach wird, wie ich mir das erst gedacht habe. :???:

marcus
 

Dann nur noch eine kurze abschließende Frage, weils gerade so gut passt:
Ist der zweite Teil des oben erwähnten Nocturne op.48 nr.1, also das "doppio movimento" viel schwerer als der erste Teil?
Ich habe da im Moment schwere Bedenken, ob das so einfach wird, wie ich mir das erst gedacht habe. :???:

marcus

Ich spiel das Stück gerade, bin aber erst beim poco piu lento-Teil. In paar Wochen kann ich dir dann bescheid sagen! :) Denke aber auch, dass die Stelle am schwierigsten werden wird, ansonsten fand ich das Nocturne bisher recht einfach zu spielen.
 

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