Chopin, Prelude cis-Moll (Op. 45)

C

Chaireas

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12. Juli 2023
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Eine Aufnahme des solitären Prelude in cis-Moll, das Chopin 1941 in Nohant komponiert hat. Mit diesem Stück kann man sich immer wieder beschäftigen und neue Nuancen / Möglichkeiten entdecken hinsichtlich Dynamik, Pedal, Tempo, etc. Wenn ich es in einem Jahr spiele, klingt es sicher wieder etwas anders…

Edit: vielleicht war es auch 1841, da bin ich mir nicht so sicher :-)
 
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Ich kannte das Stück bisher nicht. Es ist nicht so leicht zu gestalten! Vor allem der recht gleichförmige erste Teil braucht viel Fantasie, um lebendig zu werden. Dementsprechend gefällt mir dein Spiel im zweiten Teil auch deutlich besser als im ersten Teil (bis ca. 2:30). Versuche doch hier mal, jede harmonische Wendung, jede melodische Linie, jede formale Zäsur richtig intensiv auszukosten. Im zweiten Teil machst du das, dort bietet die Komposition das aber auch schon durch ihre Struktur viel stärker an. Ich stelle mir selbst vor, wie ich das spielen würde, und da ist die Grenze zum Kitschigen, zum Übertriebenen im ersten Teil schnell überschritten. Es ist wirklich nicht einfach, den ersten Teil des Stücks überzeugend rüberzubringen. Da ist es sinnvoll, auszuprobieren, genau hinzuhören, und vor allem sich nicht zu schnell auf eine Interpretation festzulegen.
 
Ich wusste gar nicht, dass Chopin während des 2. Weltkriegs so langweilige Stücke komponiert hat.
 
Ich wusste gar nicht, dass Chopin während des 2. Weltkriegs so langweilige Stücke komponiert hat.
Wirklich? -

Lieber Chaireas,

du hast nicht explizit um Feedback gebeten, aber hör dir mal Rubinsteins Aufnahme an.

Du hörst nach meinem Empfinden sehr oft im Zickzack, begleitende Achtel - Melodie - begleitende Achtel - Melodie .... . Sehr viel schöner und klarer gestaltet wäre aber, wenn du auf die Melodie hörst (roter Faden), sie phrasierst und die Achtel dahinein als die Melodie färbenden Klangteppich integrierst. Die Achtel niemals einzeln hören und denken, sie sind oft zu laut und agogisch zu starr. Die Melodie in den Pausen weiter denken, innerlich hören.

Wenn du dann noch in der Melodie viel mehr singst - der 5. Finger gilt als der Sänger des Pianisten -, den Melodietönen im Klangverlauf zuhörst (nicht nur auf die Anschläge hören, sondern hören, wie die Töne nach dem Anschlag leiser werden und wie sie vor allem durch die Achtel links immer wieder anders klingen (Chamäleon), die vielen Vorhalte hörst .... dann wird's richtig gut! :))

Dabei viel Freude und Erfolg!

Liebe Grüße

chiarina
 
Das ist eines der genialsten Stücke von Chopin, sozusagen der Gegenentwurf zur Berceuse (op. 57 keine harmonische Bewegung maximale Variation der Figuren, op. 45 maximale Modulationstätigkeit fast immer die gleichen Figurationen.)
Jede Harmonie braucht eine eigene Farbe! Es ist sehr schwer die kaleidoskopische Farbigkeit der Harmonien und einen Bogen über das ganze Stück zugleich zu gestalten.

Ein technischer Hinweis: die Kadenz in Achteldoppelgriffen kann ruhiger bleiben und die Doppelgriffe müssen präzise zusammen angeschlagen werden, da gibt es noch einige Arbeit zu verrichten. Der Höhepunkt danach braucht Zeit!
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Abend!
Erst einmal vielen Dank für das Einstellen der Aufnahme. Ich habe mich mit dem Stück heute erstmals intensiver beschäftigt. Hier möchte ich lediglich einen Link beisteuern. In gewisser Weise scheint mir das im Video Dargebotene ein Gegenentwurf zu Deiner Interpretation zu sein. Sehr langsam, sehr „suchend“, vielleicht etwas stark den impressionistischen Charakter betonend.
Aber was weiß ich schon….
Wenn man sich das anschauen/ -hören mag, muss man zu ertragen oder ignorieren bereit sein:
- die auf dem Instrument drapierte Büste des Komponisten
- unzählige Kerzen
- Knistern von Kaminfeuer (oder ist es der Stuhl oder die Wirbelsäule?)
- einen Vergleich des Prelude mit einer eher uninspirierten eigenen Improvisation des Pianisten
Genug „disclaimed“, vielleicht hat ja die Eine oder der Andere (man kann auch elegant gendern, @Henry) Spaß an einer weiteren Interpretation.
Schönen Abend!
Andus
Und hier nun der Link (wie Mails ohne Anhänge schicken):
 
Vielen Dank für die bisherigen Reaktionen, Anmerkungen, Hinweise...! Für mich sehr hilfreich, da ich mit der Aufnahme selbst nicht recht glücklich bin. Es ist sehr schwer, eine überzeugende Interpretation dieses Prelude hinzubekommen. Das Stück wird von vielen Pianisten recht unterschiedlich interpretiert und ehrlich gesagt gibt es immer etwas, das mir nicht zusagt (zu viel Rubato, zu "ätherisch", zu starke Kontraste, zu schnell / zu langsam,...). Selbst bei Rubinstein :-) Den Zugang über die Klangfarben der Modulationen finde ich am vielversprechendsten!
 
Du schreibst es selbst - Du hast Dich noch nicht für eine Interpretation entschieden und das hört man.
Die fehlende Intention für die Melodie.
Bei Rubinstein höre ich in der Folge Tiefe, Leichtigkeit, Herrlichkeit, Suche, Zweifel.
Zu guter Letzt muss es für Dich passen - Deine Emotion dazu zu zeigen.

Meine Laien 2cents
 
Vielen Dank für die bisherigen Reaktionen, Anmerkungen, Hinweise...! Für mich sehr hilfreich, da ich mit der Aufnahme selbst nicht recht glücklich bin. Es ist sehr schwer, eine überzeugende Interpretation dieses Prelude hinzubekommen. Das Stück wird von vielen Pianisten recht unterschiedlich interpretiert und ehrlich gesagt gibt es immer etwas, das mir nicht zusagt (zu viel Rubato, zu "ätherisch", zu starke Kontraste, zu schnell / zu langsam,...). Selbst bei Rubinstein :-) Den Zugang über die Klangfarben der Modulationen finde ich am vielversprechendsten!
Lieber Chaireas,

ich erzähle im Unterricht öfters davon, dass ein Stück im Moment des Spielens auf einer imaginären Bühne erklingt, hinter dieser Bühne aber ein Vorhang verläuft, hinter dem viele, viele musikalische Ereignisse und Parameter ablaufen, die das Stück ausmachen. Je mehr wir diese Dinge hören, je mehr wir beim Erarbeiten des Stücks wahrnehmen, je mehr wir erfahren und erleben, desto tiefgründiger, bewegender und intensiver wird unsere Interpretation sein. Unsere Aufgabe ist also, beim Üben diese Dinge hören zu lernen und zu reflektieren, die Umsetzung aufs Instrument erfolgt im besten Fall nebenbei.

Was erklingt denn "hinter dem Vorhang"?

1. Einmal die melodischen Strukturen, die horizontalen Linien und Stimmen, die man genauestens kennen sollte. Dazu gehört auch das Wissen um die Form und den Aufbau des Stücks vom Großen zum Kleinen hin. Die Herausforderung in diesem Stück besteht darin, die melodischen Bögen weit zu spannen und genau zu wissen, welche Töne der Melodie zu einer Phrase gehören, wie diese aufgebaut ist und phrasiert wird. Die Pausen verleiten gern zu "Löchern" und Brüchen. Phrasierung bedeutet einmal, Aufbau, Länge und Struktur der Phrasen zu kennen, quasi eine musikalische Interpunktion mit Kommata, Punkten etc. zu setzen, und zum zweiten diese zu gestalten. Wo spiele ich hin, wo spannt/entspannt sich die Phrase? Hier könnte man sich auch die Melodie als Arie vorstellen, in deren Pausen der Sopran atmet.

Kannst du die Melodie (nicht die rechte Hand, sondern nur die Oberstimme) der einzelnen Phrasen mit freiem Fingersatz ohne Probleme auswendig spielen oder singen/summen? Weißt du, wie die Phrasen zueinander stehen, wie lang einer Phrase ist (ruhig mal Takte zählen), welche Phrase mehr Spannung hat, welche weniger, wo es Überraschungen gibt, weil man anderes erwartet? Nach meinem Empfinden - bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege -, konzentrierst du dich im Stück zu sehr auf die Achtel. Den Fokus mal völlig zu verändern auf die melodische Struktur, wäre sehr wichtig aus meiner Sicht. Übrigens würdest du dann vermutlich auch hören, dass die aufsteigenden Achtel z.B. in Takt 7 in die Mittelstimme der rechten Hand (Vorhalt dis'') münden. Dieser Vorhalt löst sich im cis'' auf und dieses cis'' wird dann leiser und nicht lauter gespielt.

2. Hinter dem Vorhang erklingt auch das harmonische Gerüst, der harmonische Verlauf. Auch er sollte untersucht werden. Zum Beispiel, indem du nur die einzelnen Harmonien als Kadenz spielst. Oder indem du eine Harmonie zunächst als Akkord, dann wie notiert spielst und hörst, dass die Harmonie schon durch die ersten drei Achtel gebildet wird, dass sie mit den weiteren Achteln quasi von selbst weiterschwingt. Die Achtel klingen zu einzeln aus meiner Sicht, natürlich haben auch sie eine melodische Linie, vor allem mit den Vorhalten, aber sie kommen aus dem Ganzen, sie bilden ein Ganzes.

3. Die Harmonien färben aber auch die Melodie (vertikales Hören). Es hilft, sich mal im Zeitlupentempo einen Takt vorzunehmen und zu hören, wie ein langer Melodieton durch verschiedene begleitende Achtel immer wieder anders klingt. Es ist ein feiner und tiefgründiger immerwährender Dialog der Farben und Töne.

4. Takt/Metrum: Ich bin mir nicht sicher, ob du wirklich alla breve oder doch Viertel denkst. Der Alla Breve führt auf jeden Fall auch dazu, die Achtel nicht einzeln, sondern im Fluss zu denken und zu hören.

5. Es gibt noch viele andere Parameter wie Dynamik, Artikulation, Tempo ... . Es lohnt sich, nach dem Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit (Gerhard Mantel) den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit immer nur auf ein Element, auf einen Parameter zu richten und so das Stück von allen möglichen und möglichst vielfältigen Seiten zu erfahren. Sie vereinen sich später und führen dazu, dass du dir sicherer bist in deinen Entscheidungen und deiner Interpretation. Du hast auch viel mehr Möglichkeiten.

Ich habe mich noch einmal in die Diskussion eingeklinkt, weil ich es schade finden würde, wenn du dich "nur" auf die harmonischen Färbungen konzentrieren würdest. Ich meine, du kannst an diesem Stück deine Fähigkeit, intensiver zu hören, sehr gut schulen. Es würde sich sehr lohnen, denn du bringst schon viel mit! :001:

Liebe Grüße

chiarina
 

Ganz herzlichen Dank, chiarina, dass du dir soviel Mühe gegeben hast, deine Gedanken und Herangehensweise so detailliert aufzuschreiben! Das sollte man fast irgendwo anpinnen - auf diese strukturierte Weise kann man ja ganz viele Stücke angehen. Und völlige Zustimmung - da muss am Ende alles stimmig sein, nicht nur die Klangfarben, sondern die Melodie, der rhythmische Fluss, die ganze Architektur... aus irgendeinem Grund ist das bei diesem Prelude besonders anspruchsvoll.

Aber was für eine fantastische Aufnahme von Michelangeli, Alter Tastendrücker! Warum kannte ich die noch nicht! Er muss unglaublich viel Zeit in dieses Stück investiert haben, um es auf diesem Niveau zu spielen, mit allen kleinen Details und Nuancen. Ganz klar eine der besten Klavieraufnahmen.
 
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