Chopin: Prelude cis moll op.45

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Pianojayjay

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Nach langer Zeit mal wieder eine neue Einspielung von mir: Das Stück habe ich gelernt, da war ich halb so alt wie heute, habe es nie wieder gespielt aber in mein Chopin Programm passt es rein. Also komplett neu erarbeitet und gemerkt, wie anspruchsvoll es ist.... Alleine an den ersten vier Takten habe ich wochenlang gefrickelt, an den Fingersätzen, der Melodieführung etc. Jetzt werde ich es paar Wochen liegen lassen und dann erneut spielen, wahrscheinlich wird es dann schon wieder ganz anders klingen....mein erstes Konzert nach halbjähriger Babypause :-)


View: https://www.youtube.com/watch?v=Y01ahMnWgR8
 
Ja, das ist ein sehr komplexes Stück, sehr introvertiert - also die Komposition -.
Zunächst: Ich finde es berückend, mit welchem Atem Du spielst, welch Sinn für das Nachhören, Zeitnehmen, Genießen des Klangs. Das ist wunderbar und wird Chopin sehr gerecht und auch diesem Stück. Gleichwohl ist genau das auch die Crux.
Haben wir einen langen Ton als Melodieton auf dem Klavier, sind wir in der Klemme. Dieser Ton macht immer, ohne Ausnahme ein diminuendo. Das liegt daran, daß das Klavier ein Schlaginstrument ist (gruseliges Wort in dem Zusammenhang...).
Damit die Melodie trotzdem klingen kann, müssen wir ihr alles opfern. Bei Chopin sind das schonmal ausschweifige Achtel - oder Sechzehntelbewegungen der linken Hand. Sie dürfen wie ein glimmender Zauber unter der Melodie liegen. Man weiß gar nicht genau, was geschieht, aber die Linke trägt die Rechte.
Bei Dir ist das anders. Du opferst zuviel der linken Hand. Soll heißen, Du artikulierst die Linke sehr genau, auch Dein Fokus liegt sehr auf der Linken, Du läßt sie nicht gehen. Dabei erstickt die Rechte.
Auch passiert es Dir, das kann man im gleichen Zusammenhang sehen, daß Du am Ende eines Taktes Dich neu sammelst und es entsteht ein Bruch (damit meine ich nicht die bewußt spät gesetzten Momente, die ich wunderschön bei Dir finde). Daraus resultiert, daß die Melodie selber nicht atmen kann, sich nicht steigern kann, nicht erzählen kann. Die Phrasen wirken kurzatmig.
Was tun?
Die Linke nicht so beachten. Schauen, welche Töne links zu einer neuen Harmonie führen, die sind wichtig, die resultierende Harmonie ist nicht wichtig, die erwartet man dann. Hast Du also z.B. gebrochene cis-moll Akkorde, so ist nicht der einzelne Ton wichtig, sondern der Rausch, den die Harmonie bewirkt. Also mit den Fingern leichter sein, mehr vorwärts denken, opfere der Melodie.
Deine Spielweise wird bei den chromatischen Geschichten auf der dritten Seite besonders auffällig. Sie befinden sich noch im Übemodus, jeder Ton wird herausgearbeitet. Nein, lass es gehen und es wird blühen und unter Deinen Händen wunderbar klingen, da bin ich sicher :-).
Das muß man üben wie verrückt;-).
 
:-) Mal schauen wie es beim nächsten mal klingt. Es war gut dass ich mich jetzt mal selber hören konnte. Das mache ich viel zu selten. Ich dachte zuerst, es ist ein kleines Stück, ich wiederhole es kurz. Weit gefehlt! Es hat mich viel Zeit in Anspruch genommen und wird es auch demnächst nochmal. Die Linke muss ich noch etwas mehr zurück nehmen. Wir waren an dem Abend mit dem Instrument auch nicht ganz glücklich, sonst steht dort ein anderer D-Flügel. Das hier war jetzt ein B. Im Januar spiele ich es wieder :-)
 
Ist mir zu schnell gespielt, aber das ist sicherlich Geschmacksache. Vielleicht wolltest Du ja auch möglichst bald wieder nach Hause zu Deinem Sohn;-).

Wünsche viel Freude und Erfolg für die Veranstaltung am Sonntag im Künstlerhaus in München:super:.

Viele Grüße
Christian
 
(1) Ja, das ist ein sehr komplexes Stück, sehr introvertiert - also die Komposition -.
(2) Haben wir einen langen Ton als Melodieton auf dem Klavier, sind wir in der Klemme. Dieser Ton macht immer, ohne Ausnahme ein diminuendo. Das liegt daran, daß das Klavier ein Schlaginstrument ist (gruseliges Wort in dem Zusammenhang...).
Damit die Melodie trotzdem klingen kann, müssen wir ihr alles opfern. :-).
(3) Das muß man üben wie verrückt;-).
@Tastatula
(1) introvertiert wirken einige Abschnitte, insgesamt aber erscheint das Prelude eher improvisatorisch-meditativ - und wunderbar demonstriert Chopin in dieser modulationsreichen Improvisation/Meditation, wie aus aufsteigenden Achtelfiguren eine Melodiefloskel extrahiert werden kann und sogar zu einer kompletten Kantilene entwickelt werden kann: beinahe triumphal wirkt die chromat. Rückung nach B-Dur
(2) exaktamente!!!
(3) …"jeder Jeck ist anders"... ich weiß jetzt nicht, was in diesem Prelude partout geübt werden muss, bestenfalls die Kadenz (die aber auch nicht wirklich schwierig ist) --- bis auf eines, was leider nicht immer vorausgesetzt werden kann: der Pedalgebrauch...

Chopins Pedalvorgaben sind hier beachtlich, denn keinesfalls sollen zu große Pedalflächen entstehen (!) perfekte Pedalisierung (und Melodieführung, wie @Tastatula beschreibt) kann man bei Michelangeli hören
View: https://www.youtube.com/watch?v=cNxYr-qU2w4
und man kann nicht oft genug empfehlen, sich das anzuhören, wenn man das Prelude in Arbeit hat!!! (hilfreich ist auch Debussy als Herausgeber) - nebenbei: Pedalisierung und Melodie herausspielen ist hier umso leichter, je fließender das Tempo ist (Tragfähigkeit der Töne) spielt man das Prelude sehr langsam, wie z.B. Rubinstein, dann entsteht ein völlig anderer Eindruck, weil trotz wunderbarer Spielweise oft die Achtelfiguren fast in den Vordergrund kommen.
 
spielt man das Prelude sehr langsam, wie z.B. Rubinstein, dann entsteht ein völlig anderer Eindruck, weil trotz wunderbarer Spielweise oft die Achtelfiguren fast in den Vordergrund kommen.

Findest Du wirklich, dass das Tempo von Rubinstein sehr langsam ist? Dann höre Dir mal Pogorelich an. Dieses Prélude habe ich erstmals vor bestimmt 30 Jahren mal von ihm gespielt im Fernsehen gesehen/gehört, seither verbinde ich so ein langsames Tempo damit und war z.B. fast erschrocken, als ich die Interpretation von Argerich gehört habe;-).
 
Zuletzt bearbeitet:
Findest Du wirklich, dass das Tempo von Rubinstein sehr langsam ist?
Rubinstein spielte das Prelude deutlich langsamer (eine Minute mehr Dauer) als Michelangeli.
...eine Tempodiskussion erscheint mir nicht zielführend. Alla breve & sostenuto sind dehnbar genug für beweglichere wie auch ruhigere Darstellungen. Davon abgesehen: je langsamer, umso heikler werden lange Melodienoten (jedenfalls am Klavier)
 
[...]Dieses Prélude habe ich erstmals vor bestimmt 30 Jahren mal von ihm gespielt im Fernsehen gesehen/gehört[...];-).

Ich ebenfalls, Chris. :-) ( Pogorelich ) .

M.E.: Pogorelich wie auch ABM haben "einen" Dreh 'raus, es nicht langweilig erscheinen zu lassen!

LG, Olli!

PS / Nachtrag: Wie ich schonmal erwähnte: Ist es nicht eines der schönsten Preludes ?? :-)
 
Ist es nicht eines der schönsten Preludes ??

Ganz falsch: es ist das schönste Prélude!
Da bin ich apodiktisch!
Und zusammen mit Werken wie dem sensationell fein ausgehörten Nocturne op. 62,1ein Beispiel für die unerhörte harmonische Fantasie und Perfektion in vielen späteren Werken Chopins.
Wegen der ungeheuren Anforderungen was Klangfarbe, Linie und Form angeht hab ich das Stück zwar geübt, aber nie gespielt!
 
Ganz falsch: es ist das schönste Prélude!
Da bin ich apodiktisch!
Und zusammen mit Werken wie dem sensationell fein ausgehörten Nocturne op. 62,1ein Beispiel für die unerhörte harmonische Fantasie und Perfektion in vielen späteren Werken Chopins.
Wegen der ungeheuren Anforderungen was Klangfarbe, Linie und Form angeht hab ich das Stück zwar geübt, aber nie gespielt!

Ja, es ist das schönste von allen und ein absolutes Juwel der gesamten Literatur! Es im Konzert zu spielen ist eine ganz große Herausforderung, weil man musikalisch so vieles falsch machen kann. Aber wir lieben doch alle Herausforderungen :super:
 
Ganz falsch: es ist das schönste Prélude!
@Alter Tastendrücker ...sollte mit dem Alter wenn nicht Weisheit, so zumindest Nachsicht sich einstellen?
Op.45 ist zu einer anderen Zeit und in gänzlich anderem Kontext als op.28 entstanden. Als Zyklus ist die typisch romantische Skizze von Chopin musikalisch perfektioniert in der op.28 Sammlung vorgelegt (literarisch deutlich später vielleicht von Turgenev, Aufzeichnungen eines Jägers, in der Malerei Galsworthy) Schumann hat wirklich hellsichtig die außerordentliche Qualität der Preludes erkannt und sehr treffend beschrieben. Die zyklisch angeordneten Skizzen beinhalten tatsächlich improvisatorische skizzenhaftes wie auch - im Zyklus als Kontrast angeordnet - musikalische Dramen en miniature. Phänomenal ist das depressiv-dissonante Lamento in a-moll, und das umso mehr nach dem eröffnenden rauschhaften Wohlklang in C-Dur! Allein die kontrastierende Kombination der ersten beiden Preludes ist ein Geniestreich von nahezu tristaneskem Ausmaß!

Isoliert man einzelne der Preludes op.28 aus ihrem zyklischen Kontext*) dann bestehen durchaus einige der Preludes als einzelne "Klavierstücke" - und damit meine ich nicht nur die zu Recht populären Regentropfen in Des-Dur. Zu Chopins schönsten melodischen Eingebungen, accompagniert mit feinstem Klaviersatz, zählt das As-Dur Prelude mit seinen lohengrinigen (Wagner antizipierenden) Rückungen. Dann das grandios herbe, Cesar Francks Harmonik vorwegnehmende Prelude fis-moll (das vertrackt schwierig ist, Etüdenniveau!). Brahms spröder Klaviersatz wird in g-Moll erfunden! Und dann das furiose Höllenrittfinale in d-moll...

Einigen wir uns so: op.45 kann nicht mit den Miniaturen/Skizzen des op.28 Zyklus verglichen werden. Es liegen mus. Welten zwischen dem späten retrospektiven Meisterwerk und dem zyklischen Geniestreich! Op.45 ist keine romantische Skizze. Op.45 ist eine retrospektive Meditation über das improvisierende, praeludierende Entwickeln einer Kantilene (und damit typisch für Chopins späte Kompositionen) Der Gattungsname täuscht eine nicht vorhandene Vergleichbarkeit vor (op.28 ist halt was anderes als op.45)

Schönstes Prelude?
Das kann ich nicht für mich entscheiden, da hab ich mehrere Kandidaten.

Schwierig zu spielen? ...op.28 enthält hochvirtuose Gemeinheiten auf dem Niveau der Etüden op.10 und op.25 (die Preludes Es-Dur, fis-moll, d-moll könnte man in die beiden Etüdenbände integrieren) - das findet sich in op.45 nicht.

Also apodiktisch das op.45 Prelude zum schönsten küren, das bringe ich nicht übers Herz. (und es spieltechnisch Richtung ultraschwer zu stilisieren, da weigert sich mein praktischer Verstand - spieltechnisch schwierig sieht ganz anders aus)

_______________
*) ich habe jahrzehntelang gebraucht, bis ich den inneren Zusammenhalt dieses Zyklus begriffen habe - mittlerweile verstehe ich das. Und nun ist op.28 mir als perfekter einzigartiger Zyklus so klar wie Kinderszenen, Bilder einer Ausstellung, Kreisleriana und auf verwachsenem Pfad.
 

Also apodiktisch das op.45 Prelude zum schönsten küren, das bringe ich nicht übers Herz. (und es spieltechnisch Richtung ultraschwer zu stilisieren, da weigert sich mein praktischer Verstand - spieltechnisch schwierig sieht ganz anders aus)

Spieltechnisch sind viele aus op. 28 (b-Moll!, ....) viel schwieriger. Ich hatte aber die interpretatorische Gesamtschwierigkeit im Sinn, dies überdies noch subjektiv für mich. Ich finde bestimmte Werke - und op. 45 gehört dazu - in der Kombination von subtilen, sich teilweise wiedersprechenden Anforderungen tendenziell utopisch.
Konkret in diesem Stück:
Viel Zeit um alle harmonischen und melismatischen Wendungen auszuagieren und zügiges Tempo um das Stück nicht in viele schöne Details zu zerlegen ist für mich gegenwärtig (noch) nicht realisierbar!
 
Und nun ist op.28 mir als perfekter einzigartiger Zyklus so klar wie Kinderszenen, Bilder einer Ausstellung, Kreisleriana und auf verwachsenem Pfad.
Es liegt mir fernstens etwas Negatives über den Zyklus der 24 Préludes zu sagen oder zu denken.
Dass es mich - jetzt - eher zu den späten Werken (und einigen der charmanten frühen wie op. 19 oder 22) hinzieht, ist völlig subjektiv. Aber meine noch platonische Liebe u. A. zum cis-Moll Nachzügler tut ja hoffentlich niemandem wirklich weh!
 

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