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Immer wieder begegnet es mir, dass lernende Menschen mit hochgezogenem Kehlkopf und Schultern denken, bei einer Etüde (oder auch anderen schnellen Sätzen) sei es das oberste Gebot, unbedingt möglichst schnell das angestrebte Tempo zu erreichen.
Das führt regelmässig zu verkrampftem Üben, Schaum vorm Mund und Stress in der Seele.
Und genau das üben sie dann:
Stress.
Niemals wird ein solches Stück dann schön klingen!
Gerade die Burgmülleretüden haben den ungeheuren Vorteil, dass das Augenmerk primär bei ganz anderen Parametern liegen sollte:
Artikulation, Dynamik (Unterschiede in beiden Händen), Stimmführung. Für mich sind das Musiketüden.
Das Tempo ist absolut sekundär und stellt sich von ganz alleine ein, wenn man die Stücke choreographisch richtig gelernt hat.
Keine der o.a. Aufnahmen gefällt mir. Sie beziehen sich überwiegend auf die Velozität und akkurates Spiel.
Wenn man einen klaren Bach sieht, dann interessiert einen nicht die Fliessgeschwindigkeit, sondern das Glitzern, das Mäandern, die Farben.
Ich habe Tastatulas Beitrag gelikt, weil ich dieselbe Erfahrung gemacht habe. Stellt man das Tempo an allererste Stelle bei einer Etüde, stellt sich beim Spieler/Schüler enormer Stress ein. Dieser führt unweigerlich zu "verkrampftem Üben, Schaum vorm Mund und Stress in der Seele" (Zitat Tastatula). "Schaum vorm Mund" ist hier ein Symbol für ein Pferd, das halb zu Tode geritten wurde und eben Schaum vorm Mund hat (s. Mazeppa - okay, Pferd war wirklich tot...). Ich bin mir absolut sicher, dass @Tastatula diesen Ausdruck genau so in Bezug auf den möglichen und häufig erlebten Riesenstress beim Schüler gemeint hat und nicht in irgendeiner Weise bezogen auf @QNo!
Wenn man eine Etüde spielt, kann diese ganz besonders bei Schülern, die nicht professionell Klavier spielen/studieren, ganz unterschiedlichen Zwecken dienen. Bei dieser Etüde ist die Herausforderung zunächst, die drei (!) Stimmen dynamisch differenziert zu spielen. Hauptstimme ist die Mittelstimme (Viertel), die schön phrasiert hervorgehoben wird (Daumenmelodie). Die Triolen müssen deutlich leiser als die Mittelstimme erklingen - und das in einer Hand. Welche Bewegung nimmt man zur Realisierung? Klar - Ellipsen. Die Daumenmelodie wird durch ein Senken des Arms umgesetzt, dann muss der Arm sofort megaleicht werden, damit die Triolen sanft vor sich hinplätschern. Die linke Hand spielt auch pp.
Diese Dinge zu lernen und das dabei entstehende Klangerlebnis zu genießen, kann sehr viel wichtiger sein als das Tempo 176 zu erreichen! Ganz schlimm ist es, wenn das Tempo erreicht ist, das Stück aber undifferenziert, hölzern und stresserfüllt klingt. Mit falschen Bewegungen und abgeschalteten Ohr.
Darauf wollte Tastatula mit ihrem Post hinweisen.
Liebe Grüße
chiarina

