Blues lernen

  • Ersteller des Themas xXanonymXx
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Dabei hat er doch in seinem Miet-Haus einen tollen Steinway im Adlerdesign stehen ...
 
Ich stänkere nicht, sondern ich kann, was ich sage, begründen.

Obiges Bluesbeispiel von pppetc (das hatte er auch vor Jahren hier schon eingestellt) trifft zwar den Ausdruck von Blues in der Tat gut.

Auch dass der Blues nicht in tempo ist, sondern rubato, ist nichts Kritisierenswertes, das gibt's, ist üblich, alles ok.

Aber wer mal wirklich hinhört (und nicht nur so oberflächlich "yeah, voll bluesig" wahrnimmt), hört, dass einfach gar kein Groove-Gefühl zu erkennen ist. Man denkt an einigen Stellen, jetzt könnte was Rhythmisches kommen, dann purzelt es aber wieder nur durcheinander. Es sind einfach zu viele Töne timingmäßig nicht da, wo sie hinmüßten. Kein wirklicher "Flow".

Stefan wird vermutlich sagen, er habe es ja auch gar nicht anders gewollt - aber man merkt (ich habe schon genug Leute unterrichtet, um diese Aussage wagen zu können), dass er wahrscheinlich zu einem richtigen Groove nur sehr begrenzt in der Lage wäre.

Bei guten Blues-Spielern hingegen scheint der Groove auch im Rubatospiel immer wieder durch.

Ich sage nur, was ich einem Spieler, der zu mir zum Unterricht käme und mir so vorspielen würde wie auf dieser Aufnahme, so ähnlich auch sagen würde.
 
Ok, Hasi, das kann ich gut nachvollziehen.
 
Micha, daran musste ich auch denken. :-D
 
Bei guten Blues-Spielern hingegen scheint der Groove auch im Rubatospiel immer wieder durch.

Danke! Und das ist der Unterschied zwischen Schwarz und weiß. Der eine versucht's. Der andere hat's.

Und das beste daran ist, wenn du einen Schwarzen nach nach seinem Groove Schema fragst, sagt er dir: "wtf what?? Hey..., i just do it!" *zitat Lord Bishop (persönlich nach einer Session!!)
 

So sprach pppetc von s I.C.H.
 
Blues und Swing haben definitiv nichts mit Genetik zu tun. Man wird damit nicht geboren und man muss nicht schwarz sein um ES zu haben.

Es ist ganz simpel eine Frage der Prägung und Erziehung. Wenn jemand von klein auf öfter mal an afroamerikanischen Gottesdiensten teilnimmt und dort beim mitsingen und mitklatschen von einer Gemeinde unterstützt wird, die genau so aufgewachsen ist, und wenn zu hause auch eher traditionelle afroamerikanische Musik gepflegt wurde, dann tut man sich natürlich auch mit dem Blues wesentlich leichter, als der durchschnittliche Europäer.

Ein bei Geburt nach New Orleans adoptiertes usbekisches Albinokind wird sich sicher ähnlich entwickeln wie seine Dortigen Kumpels.

Bei den erfolgreichen europäischen Jazzern, die auch in USA als Jazzer wahrgenommen werden, hat fast immer mindestens ein Elternteil den Spross von klein auf mit Jazz eingelullt sei es am Instrument oder von Platten. Prägung....
 
Hallo xXanonymxX,

auch mir gefällt Blues bzw. Boogie wie in luca Sestac spielt. Der Weg dorthin ist für Dich nach 7 Jahren Klavier sicher leichter als für mich bei 4 Jahren. Luca Sestac empfielt auch meine Lieblings-Noten die Hefte von Martha Mier "Jazz , Rags & Blues" . Es gibt meines Wissens 5 Hefte, ich habe 3 davon. Darin sind einige schöne Blues-Stücke. Z. B. in Heft 1 Don't wanna Leave you Blues, Ol' Rockin' chair Blues , in Heft 2 Clarinet Blues, Slippin' Around oder in Heft 3 Persistent Rhytm und Low C Boogie. Bei You-Tube findest Du viele Beispiele dieser Stücke, die anscheined in Amerika sehr beliebt sind. Ich habe sehr viel Spaß bei diesen Stücken und hoffe, dass es Dir genau so geht.
Viele Grüße
 
hi,

habe in einem Schulbuch ein oder 2 Zitate gefunden zum "Blues":

Zitat 1:

Der Blues spricht aus, was der Farbige [ Anm. Olli: angepasster Begriff, da ursprünglicher Begriff nicht so pol. corr. ist ] in seinem Alltag erlebt: Armut und Not, Naturkatastrophen, Todesfälle, Liebe und Untreue, soziale Ungerechtigkeiten, Rassendiskriminierung. "Die Blues sind Lieder der Verzweiflung", sagt die Gospel-Sängerin Mahalia Jackson. "Jeder, der den Blues singt, ist in einer tiefen Höhle und ruft um Hilfe."

Viele Blues weisen die gleiche harmonische und formale Anlage auf: Das 12-taktige Blues-Schema. Für die Melodik sind die "blue notes" charakteristisch: ihrem afrikanischen Ursprung nach "neutrale" Intervalle, die im Blues als kleine Terz, kleine Septime und verminderte Quint in die Dur-Harmonik eingefügt werden.

( Folgt: Noten r. und l. Hand des 12-taktigen Schemas anh. d. Beisp.: C-C-C-C7-F-F-C-C-G-F-C-C , sowie C-Tonleiter mit 3 blue notes "es", "ges", und "b" . )

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Zitat 2:

Blütezeit des Blues: Wie das Spiritual bereits während der Sklavenzeit weit verbreitet. Seit etwa 1870 Aufspaltung in ländlichen ( "archaischen" ) und städtischen ( "klassischen, überwiegend 12-taktigen ) Blues. Blütezeit in den 20er und 30er Jahren.

Hauptvertreter des Blues: Ma Rainey, Bessie Smith, H. Ledbetter ( genannt Leadbelly ), Big Bill Broonzy, Louis Armstrong.

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Zitat 3: Louis Armstrong zu Verhältnissen in New Orleans:

"Die James Alley ( im Stadtteil Storyville ) lag mitten im sog. "Schlachtfeld", auf dem sich die Rowdies herumprügelten und aus dem Hinterhalt übereinander herfielen...da wimmelte es von frommen Kirchgängern, Bankrotteuren, Spielern, kleinen Zuhältern, Dieben, Prostituierten und Schwärmen von Kindern. Da gab es bars, "saloons", Cabaretts und sog. "honky tonks", übel beleumdete Tanz-Cabarets, in denen vor allem die utersten Schichten der schwarzen Bevölkerung verkehrten...[...]

Storyville! Ein schönes Leben hatte ich dort! An allen Straßenecken hörte ich Musik, und was für Musik! [...]

[ Es folgen ausführliche Darstellungen zu Jazz-Stilen, Graphiken von mus. Verläufen so mit Kurven, Betonungen und Linien und Rhythmusgruppen und so - das führt hier zu weit, denk ich. ]

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Dass nur Farbige ( Schwarze ) gut Blues spielen und grooven können, halte ich allerdings für eine gewagte Annahme, denn es gibt auch Mischlinge / Kreolen ( wie etwa Gottschalk, und mit Sicherheit auch Weiße ), die daheim solche ( und übrigens noch wesentlich vielfältigere, NICHT direkt dem Blues zuzuschreibende ) musikalischen und rhythmischen Elemente von Kind auf hörten bzw. auch vorgesungen bekamen und in sich aufsaugten, und bereits zu frühestem Beginn der Sklavenzeit gab es bereits Plätze, Straßen und öfftl. Räume, an denen Schwarze ihre importierten rhythmischen und melodie-Erfahrungen in zumindest zeitlich begrenztem Rahmen ausleben konnten. ( Siehe z.B. Congo Square, ein Wochenend-Versammlungsplatz für schwarze Sklaven, Kreolen, usw. ).

Grob abgesteckt von:

Olli, mit LG!
 
Leutz, es hängt NICHT mit der Hautfarbe zusammen!

Ob ich gut grooven kann oder nicht, hängt zusammen damit, wie ich sozialisiert bin, welche Faktoren in meiner musikalischen Entwicklung die größte Rolle spielen, wie gut ich körperlich koordiniert bin (bzw. inwieweit ich mich "verkrampft" und unausgeglichen bewege oder nicht) und ob ich Dinge spiele, die ich WIRKLICH beherrsche und nicht nur so 80%.

Das heißt:

- wenn ich von klein auf von grooviger Musik umgeben bin (ob nur von Medien hörend oder live gespielt erlebend), dann ist klar, dass ich dann potentiell besser selber groovig empfinden kann als wenn ich meinetwegen in einem Schlagerhaushalt, einem Stampfrockhaushalt oder einem Streichquartette-&Co.-Haushalt aufgewachsen bin.

- wenn Rhythmus in meinem Musikunterricht eine vordringliche Rolle spielt, dann sind ganz klar erheblich bessere Voraussetzungen zum "Groovig-Werden" gegeben, als wenn ich z.B. notenbuchstabierend Klavier lerne (wie es leider allzu oft der Fall ist - "im Prinzip kann ich es spielen, nur überhaupt noch nicht 'flüssig', dafür werde ich noch ein paar Wochen brauchen") oder permanent irgendwie rubatierend softe romantische Klavierstücke spiele.

- wenn mein Körper sich (oft auch aus psychischen Gründen) unfrei, unrund, blockiert, angespannt, verkrampft bewegt, ist kein Groove möglich. Man muss selbstsicher, angstfrei, mit Spaß und ohne Hemmungen (die sich zwangsläufig auch körperlich manifestieren) agieren, um groovig zu musizieren, und man muss - bewusst oder unbewusst-instinktiv - wissen, wie man den Körper integriert, ausbalanciert und frei-durchlässig gebraucht.

- wenn ich ein Stück nicht WIRKLICH draufhabe, das heißt, an bestimmten Stellen noch kein selbstverständlich-"automatischer" Bewegungsfluss vorhanden ist, dann ist es klar, dass es dort nicht grooven kann. Das wird gerne mal übersehen, dass Beherrschung des Materials einer DER Faktoren ist!
Auch spielt in diesem Zusammenhang natürlich eine Rolle, ob man sich wirklich zweckmäßiger Mittel bedient, denn wenn man z.B. einen ungünstigen Fingersatz benutzt, der es erforderlich macht, eine "awkward" Bewegung zu machen, die den geschmeidigen Fluss zerstört bzw. eine Stelle unnötig erschwert, dann kann man sich evtl. totüben, es groovt aber immer noch nicht.

Ihr könnt Euch ja selber überlegen, inwieweit der eine oder andere Punkt auf Menschen, die meinetwegen in einer "Black Community" aufgewachsen sind, zutrifft, was die scheinbare "Überlegenheit" Farbiger in Sachen Rhythmus erklären würde...
 
grooven hat auch mit Abweichung von Regeln zu tun.Es ist schliesslich ein Gefühl.Wenn ich jetzt aber gelernt habe Notenschrift akribisch umzusetzen dann fällt es natürlich schwer loszulassen und das Spiel laufen zu lassen . Wenn ich mir diese Präzision dann auch noch durch Jahrelanges Üben verinnerlicht habe , dann muss ich beim "grooven" das genaue Gegenteil von dem tun, was ich mir in vielen Jahren antrainiert habe .
Dieses Gefühl, eine "falsche Note , ungeneaue Tempi o.ä. " zu spielen kommt da ganz schnell auf und man fühlt sich dann ganz schnell unsicher und gehemmt.
Ich bin mir aber ganz sicher, das man diese ganz andere Art zu spielen lernen kann, man muss halt nur umdenken und sich von dem "klassischen Korsett" lösen.Das Spiel halt auf den Kopf stellen und vom Kopf auf Bauch schalten.Und keine Angst vor "Fehlern " haben, die man nur selber empfindet.
Es ist wie beim Erlernen einer neuen Sprache....
Funktioniert übrigends auch anders herum. Es gibt da eine wunderbare Aufnahme von Benny Goodman wie er ein Klarinettenkonzert spielt - da merkt man auch, dass er das "grooven" drin hat und dass er Schwierigkeiten hat ein klassisches Stück schriftgetreu umzusetzen....
 
Es gibt kein "schriftgetreues Umsetzen".

Es gibt nur Falschverstehen dessen, was ein Notentext vorgibt bzw. überhaupt vorgeben kann. Und ein Nichtwissen, auf welches Real-World-Phänomen Symbole auf einem Stück Papier hindeuten könnten.

Wer "schriftgetreu umzusetzen" versucht, wird immer wie ein schlechtes MIDI-File klingen. Unweigerlich.
 
grooven hat auch mit Abweichung von Regeln zu tun.Es ist schliesslich ein Gefühl.
Mesdames,
es ehrt euch, hier die Relevanz des Gefühls zu erwähnen.
Aber ihr beiden - liebe Ursua, liebe Suleika - als Novizinnen in diesem sehr speziellen Kloster, dessen Abt, Prälat und Hoher Herr Magister Hasenbein ist, geziemt es euch anfangs nur, erstmal devot zu schweigen und des Meister Worte zu verehren. Bedenkt, die Probleme sind so ungeheuerlicher Natur, dass sie vom Abt nur in sprachlich polyglotter Weise angedeutet werden können: ER spricht ja nicht von der realen Welt (wie schnöde wäre das auch) sondern gemahnt an die real world. Ergo Mesdames empfiehlt es sich, statt vom Gefühle vom feeling zu handeln, und dies gilt es nicht etwa zu verstehen, sondern zu understanden.
Und weil das großen Spaß macht, kann Latein ebenfalls nicht schaden: difficile est saturam non scribere

...ja, das war jetzt eine kleine Fopperei in Richtung Hasi :-D:-D
 

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