Blattspiel-Training für REINE Konzerttätigkeit hilfreich?

Joh

Joh

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Hallo zusammen,

ein Thema, dass mich immer mal wieder beschäftigt: Blattspiel.
In diesem Faden soll es nicht darum gehen, wie man das am besten lernt, sondern ob es für jemanden, der NUR konzertiert, und das natürlich auswendig, unbedingt notwendig ist, gut zu können.

Natürlich hat es Vorteile (Kammermusik macht weniger Arbeit, leichte Werke kann man einfach spielen, Begleitung in Kirchen / Chören ist schnell möglich etc. etc.). Das Problem, was ich habe: es braucht jeden Tag Zeit und Training, was ich lieber für meine Konzertvorbereitung nütze.

Ich frage mich trotzdem, in wie weit es helfen kann beim Vortrag auswendiger Stücke (mehr Sicherheit? schnellere Sicherheit? Gehirn wird leistungsfähiger etc.)

Was meint Ihr?

PS.: Auf das Argument, man könnte das Stück schneller lernen, kann ich gleich antworten: ich lerne alles sofort auswendig, und zwar in kleinen Abschnitten erst lesen, dann weglegen / reflektieren und spielen. Nach ein paar Tagen kann ich es.
 
Ich frage mich trotzdem, in wie weit es helfen kann beim Vortrag auswendiger Stücke (mehr Sicherheit? schnellere Sicherheit? Gehirn wird leistungsfähiger etc.)
... da gibt es doch zwei nicht ganz unerhebliche Unterschiede:
- beim auswendigen konzertieren ist man nicht auf Noten angewiesen, das Blattspiel hingegen ist ohne Noten irgendwie gaga... ;-):-D
- überhaupt ist auswendig irgendwie was anderes als prima vista

Das vortragen auswendiger Stücke (normale Solo-Konzertsituation) wird von der Fähigkeit gut oder nicht gut prima vista spielen zu können in keiner Weise beeinflusst. Das sind zwei verschiedene Baustellen.
 
H
PS.: Auf das Argument, man könnte das Stück schneller lernen, kann ich gleich antworten: ich lerne alles sofort auswendig, und zwar in kleinen Abschnitten erst lesen, dann weglegen / reflektieren und spielen. Nach ein paar Tagen kann ich es.

In der Gesamtfrage steckt - nach dem was ich so beobachtet habe in den letzten Tagen - ein wenig "Eile" und..."Rechtfertigungs-Drang.."

..da würde ich es etwas ruhiger mit angehen lassen, joh..

Denn bedenke, dass geübte Prima Vista-Spieler sagen könnten:

"Sosooo, Du kannst es also "nach ein paar Tagen" ? Ich kanns nach 1 Mal spielen."

Und nach 3 Mal spielen spiel ichs auch im Konzert vor.

Der Unterschied ist, wie man lernt. Wir hatten schonmal bestimmte Pianisten, nämlich speziell Petri und Gieseking, besprochen: Die brauchten nichtmal ein Klavier, sondern spielten im Kopf prima vista, und dann abends im Konzert das Werk am Instrument. Petri "blätterte geistig um", er hatte die Fähigkeit, dies sogar abhängig von der Edition zu tun, und beide waren in der Lage, beliebige, auch die schwierigsten, Werke auf diese Weise auswendig zu lernen. Es waren hervorragende Prima Vista-Spieler, gekoppelt mit einer einzigartigen visuellen Merkfähigkeit.

Beide waren Profis. Für Amateure gilt Ähnliches. Wer sehr gute Prima Vista-Fähigkeiten hat, nutzt sie selbstverständlich. Und könnte Konzerte auch ohne Auswendiglernen spielen.

Dazu noch eins, wo wir grad beim Thema sind:

Die etwas "lappige" Definition "Blattspiel", die manche aus bestimmten Gründen mit "Prima Vista" gleichsetzen wollen, hat sowohl für das ERSTE Spielen, als auch für WEITERE DURCHGÄNGE Gültigkeit. Dies ergibt sich aus den Definitionen so bekannt und recherchierbar, sowie aus den Aussagen Libermanns.

Noten stehen auf einem Blatt - und werden von dort gespielt. => Blattspiel.

NUR ERSTES MAL: => PrimaVista. Zusätzlich noch dazu beachten: "Audiation / True sight reading / true sight playing", also weitere Definitionen aus dem englischen Sprachraum.

LG, Olli
 
Zuletzt bearbeitet:
Fuer mich sind das wie fuer Rolf zwei verschiedene Baustellen: Im Konzert will ich etwas "Gereiftes" vortragen. Dazu gehoert ja nicht nur irgendwie die Noten gelernt zu haben, sondern das Stueck moeglichst auch verstanden zu haben. Natuerlich gibt es verschiedene Grade des Verstehens, aber ich will es nicht am Vormittag das erste Mal kennenlernen/hoeren und am Abend vortragen. Sicher, wenn man es schon lang kennt, ohne es selbst gespielt zu haben, mag das im Prinzip gehen, das liegt aber eben in jedermanns eigener Verantwortung. Richtig gut werden Stuecke aber erst, nachdem man eine gewisse Zeit mit ihnen "gelebt" hat. Ich denke, dass die verbreitete Praxis bei Mozart etc. praktisch "prima vista"-Konzerte zu veranstalten auch daran liegt, dass er sich und seinen Stil natuerlich genauestens kannte. Besonders viel Zeit brauche ich fuer "neue Komponisten", mit denen ich wenig Erfahrung habe. Ich will ja auch dessen andere Werke kennen lernen, seinen Stil kennen lernen. Ich musz naechstes Jahr im Fruehjahr z.B. C. Francks Violinsonate begleiten: Dies finde ich ziemlich schwierig, da ich den Stil Francks nicht gut kenne, die Sonate nicht verstehe, es ist einfach viel Arbeit (Mick hat wohl auch ziemlichen Aufwand fuer das Stueck getrieben und kann das wahrscheinlich bestaetigen, er koennte mir sicher helfen, denke ich ;-): Die Form ist kompliziert, vieles ist nicht einfach zu gestalten (wieviel Pedal, Rubati, Tempowechsel, Arpeggierungen usw., Kontaktaufnahme mit dem Solisten...) abgesehen von nicht zu unterschaetzenden manuellen Schwierigkeiten).
Prima vista ist einfach etwas anderes, man versucht, die wesentlichen Merkmale zu erfassen und das Stueck kennenzulernen. Aber auch gutes Primavista-spiel ersetzt ja nicht die intensive Beschaeftigung mit dem Stueck. Dafuer ist eher ein gutes Gedaechtnis noetig, ein gutes inneres Ohr, Analysefaehigkeit, Kenntnis anderer Kompositionen und des Stils des Komponisten. Dies hilft dem Primavista-spiel, umgekehrt hilft das Primavistaspiel auch der Analysefaehigkeit und des Kennenlernens des Stils, aber ich sehe nicht, dasz man deswegen im Konzert "weniger Fehler" machte. Das ist irgendwie nicht der springende Punkt.
Jannis
 
Ich persönlich kann sehr gut von Blatt spielen, auch unbekannte Werke. Es hilft mir zu erkennen ob mir ein Stück liegt oder eher nicht. Wenn ich beschließe es zu lernen, dann gehe ich aber mit aller Gründlichkeit vor!
 
Das vortragen auswendiger Stücke (normale Solo-Konzertsituation) wird von der Fähigkeit gut oder nicht gut prima vista spielen zu können in keiner Weise beeinflusst. Das sind zwei verschiedene Baustellen.
Ein sehr versierter Prima-Vista-Spieler hat Vorteile beim Einstieg in ein neues Projekt - er erlangt einen schnellen Überblick über das Projekt und kann beurteilen, an welchen Stellen es kniffliger als sonst wird. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr als das.

Die eigentliche Arbeit zur Erreichung einer podiumstauglichen Qualität beginnt aber gerade mal ab diesem Zeitpunkt. Wer sich dann schon oder wenig später bereits vor einem Publikum präsentiert, darf sich nicht darüber beschweren, wenn dieses ihn hinsichtlich der pianistischen Qualitäten auf der Rangliste ziemlich weit hinten einsortiert. Die Relation zwischen Aufwand und Resultat interessiert niemanden, sondern nur der möglichst hohe Qualitätsstandard auf einem mit solistischen Akteuren völlig überlaufenen Marktsegment - egal, ob dieser nach sechs Stunden oder sechs Monaten Einstudierungszeit erreicht ist.

Beides, sowohl das Vom-Blatt-Spiel als auch das solistische Konzertieren mit erarbeiteter und gereifter Literatur, findet zu zwei ganz unterschiedlichen Zeitpunkten statt, die in der Regel viele Wochen, wenn nicht Monate, auseinander liegen. Auf die Ausgangsfrage bezogen demnach ein klares Nein - es sei denn, jemand kreiert eine Spezialdisziplin: Konzertieren mit möglichst knapper Einstudierungszeit. Diese wäre vergleichbar mit dem einstigen "Stundenlied" beim Meisterchorsingen früherer Zeiten: Ein Pflichtstück ist innerhalb von sechzig Minuten einzustudieren und anschließend sofort vorzutragen. Dieser Vortragsteil ist meines Wissens nach inzwischen bei Chorwettbewerben nicht mehr vorgesehen. Frage an die Experten: Gibt es einen solchen noch bei Wettbewerben für Pianisten?

LG von Rheinkultur
 
Zumindest sowas in der Art: Probespiel für eine Solorepetitoren-Stelle, wobei da die Vorbereitungszeit ganz wegfällt. :angst:
Nun ja, eine Blattspiel-Aufgabe wird an manchen Hochschulen bei Aufnahmeprüfungen schon noch gestellt. Nicht gänzlich verkehrt: Gerade Berufsanfänger kommen nicht selten als Einspringer zum Einsatz. Vorbereitungszeit ist dann oftmals knapp bemessen. Wer dann die Nerven behält, empfiehlt sich durchaus für Folge-Engagements unter günstigeren Bedingungen. Alles in der Berufspraxis erlebte Realität - nur die Harten kommen in den Garten...!

Allerdings übt ein Solorepetitor im Theaterbereich einen gänzlich anders gearteten Pianistenberuf aus, auch wenn die pianistischen Fertigkeiten vieler Spezialisten durchaus solistisches Format haben können.

LG von Rheinkultur
 
Das vortragen auswendiger Stücke (normale Solo-Konzertsituation) wird von der Fähigkeit gut oder nicht gut prima vista spielen zu können in keiner Weise beeinflusst. Das sind zwei verschiedene Baustellen.

Das meinte ich eigentlich nicht. Mir geht es nicht um den guten Prima-Vista-Vortrag, sondern um das Blattspieltraining an sich, welches sich in das tägliche Üben miteingliedern sollte / oder nicht.
Meine eigentliche Frage bezog sich eher auf gedächtnis- und hirntechnische Vorteile - ich habe manchmal das Gefühl, das da schon Teile des Gehirns von beiden Spielarten betroffen sind.

Ein sehr versierter Prima-Vista-Spieler hat Vorteile beim Einstieg in ein neues Projekt - er erlangt einen schnellen Überblick über das Projekt und kann beurteilen, an welchen Stellen es kniffliger als sonst wird. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr als das.

Kann ich nachvollziehen. Es soll ja auch Leute geben, die den musikalischen Sinn und Geist eines Werkes sofort beim ersten Mal spielen komplett erfassen.
 
Das meinte ich eigentlich nicht. Mir geht es nicht um den guten Prima-Vista-Vortrag, sondern um das Blattspieltraining an sich, welches sich in das tägliche Üben miteingliedern sollte / oder nicht.
Meine eigentliche Frage bezog sich eher auf gedächtnis- und hirntechnische Vorteile - ich habe manchmal das Gefühl, das da schon Teile des Gehirns von beiden Spielarten betroffen sind.
mal so betrachtet:
stell dir jemanden vor, der technisch und musikalisch sehr gut spielen, und der obendrein beim notenlesen sofort der Klang erfassen kann (also detaillierte Klangvorstellung plus manuelle Befähigung) - so jemand wird auch recht gut vom Blatt spielen können und darüber nicht weiter nachdenken, und ebensowenig ist es da nötig, sich den Kopf über "Hirn-jogging" etc. zu zerbrechen.

was das Gedächtnis betrifft: wer große umfangreiche Sachen einstudieren kann und diese dann ohne Noten spielen kann (auswendig), muss der sich Sorgen über sein Gedächtnis machen??...

also Blattspiel oder irgendeine Technikspezialität unter dem Aspekt des "Hirntrainings" zu betreiben, halte ich für einen abwegigen Ansatz (denn das führt nicht in die Musik hinein)
 
@Rheinkultur
In Würzburg musste ich zur AP etwas (einfaches) vom Blatt spielen und in der Zwischenprüfung ein Stück in ca. 30 Minuten einstudieren und Vorspielen.

Außerdem weiß ich, dass es einen Klavierwettbewerb in Schulpraktischem Klavierspiel gibt, da ist auch Blattspiel dabei soweit ich weiß. Findet man leicht, bin gerade zu faul zum suchen.

@Joh
Manche haben das Gegenteilige Problem von dir: Sie spielen so gut vom Blatt, dass sie gar nicht genau wissen, wie man sich etwas ernsthaft und genau erarbeitet. Wenn sie dann noch gut auswendig lernen haben die gespielten Stücke alle eben diese Qualität - Vom Blatt gespielt und auswendig gelernt.
Ideal ist natürlich, wenn man die Stücke schnell erfasst und dann so lange daran übt, bis sie wirklich gut klingen.
Daran arbeite ich................. :o)
 

Also ich habe nochmal genau drüber nachgedacht, was beim Blattspieltraining eigentlich trainiert wird:
- vorrauschauendes Spiel
- schnelles Umsetzen von den Noten zum Klavier
- Ruhe bewahren, auch wenn das Stück neu und damit etwas unsicher ist

Ich könnte mir schon vorstellen, dass auch beim konzertieren diese Fähigkeiten von Nutzen sind und dass die gleichen Hirnareale dafür benötigt werden, sprich:
- vorausdenkendes Spiel (-> Fehler vorraussehen / vermeiden)
- schnelles Abrufen von Inhalten aus dem Gedächtnis zum Klavier (Fotografisches Gedächtnis, Theoriegedächtnis, motorisches Gedächtnis usw.)
- Souveränes und ruhiges Spiel, auch wenn das Stück noch nicht ganz ins Unterbewusstsein gelangt ist (Stück noch frisch, da erst kürzlich gelernt)

Bitte korrigiert mich, wenn ich daneben liege, aber es könnte doch was dran sein und ein Nutzen des Einen für das Andere vorhanden sein?
 
@Joh: Du kannst mich erschlagen, aber ich glaube, dass die beiden Dinge meilenweit voneinander entfernt sind. Blattspielübung brauchst Du zum Blattspielen, Auswendiglernen zum Auswendigspielen...
Ich bin zwar noch Äonen von Deinen Fähigkeiten entfernt, lerne allerdings alles halbwegs zügig auswendig, habe aber schon diverse Blattspielversuche unternommen mit dem (evtl. vorläufigen) Ergebnis, dass irgendwie vollkommen unterschiedliche Hirnregionen gebraucht werden. Es war wie verhext. Die Sachen, die ich dauernd vom Blatt spielte, auch oft, gingen nicht auswendig, dafür musste ich ganz anders vorgehen.
Nützlich ist ein gutes Blattspiel schon, aber nur, wenn man es als solches auch braucht.

Unqualifizierte Grüße
Klavirus
 
Außerdem weiß ich, dass es einen Klavierwettbewerb in Schulpraktischem Klavierspiel gibt, da ist auch Blattspiel dabei soweit ich weiß. Findet man leicht, bin gerade zu faul zum suchen.
Der ist es auch:
http://www.schupra-wettbewerb.de/ausschreibung/12-bundeswettbewerb-2014/

Aber auch hier ist ein Berufsbild abseits der vom Fragesteller erwähnten "reinen Konzerttätigkeit" angesprochen.

Ich glaube, das ist der größte Fehler, den man machen kann.
Es ging um das "Voraussehen von Fehlern", das hier als "selbsterfüllende Prophezeiung" ein Scheitern begünstigt:
http://www.lebenshilfe-abc.de/selbsterfuell-prophezeiung.html

LG von Rheinkultur
 
Also ich habe nochmal genau drüber nachgedacht, was beim Blattspieltraining eigentlich trainiert wird:
- vorrauschauendes Spiel
- schnelles Umsetzen von den Noten zum Klavier
- Ruhe bewahren, auch wenn das Stück neu und damit etwas unsicher ist

Ich könnte mir schon vorstellen, dass auch beim konzertieren diese Fähigkeiten von Nutzen sind und dass die gleichen Hirnareale dafür benötigt werden, sprich:
- vorausdenkendes Spiel (-> Fehler vorraussehen / vermeiden)
- schnelles Abrufen von Inhalten aus dem Gedächtnis zum Klavier (Fotografisches Gedächtnis, Theoriegedächtnis, motorisches Gedächtnis usw.)
- Souveränes und ruhiges Spiel, auch wenn das Stück noch nicht ganz ins Unterbewusstsein gelangt ist (Stück noch frisch, da erst kürzlich gelernt)

Bitte korrigiert mich, wenn ich daneben liege, aber es könnte doch was dran sein und ein Nutzen des Einen für das Andere vorhanden sein?

Es gibt natuerlich eine Faehigkeit, die einem beim Erlernen von Stuecken enorm hilft: Schon beim Lesen einer Partitur einen sehr genauen Hoereindruck haben. Es gibt Leute, bei denen das hervorragend funktioniert. Dies hilft sowohl fuer das Blattspiel als auch das Einueben der Stuecke. Trotzdem muss man hinterher eine Interpretation erarbeiten.
Irgendwie klingen mir Deine Argumente, Joh, zu "sportlich". Im Konzert soll Musik herauskommen, das Publikum im guten Sinne unterhalten werden, ihm etwas mitgeteilt werden. Aus Deiner Argumentation klingt mir einfach zu viel Streben nach "Notenperfektion". Die "Fast-Notenperfektion" (wir wissen alle, dass sie nie zu hundert Prozent erreicht werden kann), ist natuerlich Voraussetzung, dass ein Stueck nicht entstellt wird. Das Verstehen und Erfassen, das Voraussetzung fuer einen kuenstlerisch gelungenen, lebendingen Vortrag ist, stellt einfach eine andere Arbeit dar. Manchmal tut sich einiges, wenn man das Stueck weglegt und andere Literatur des Komponisten liest/hoert/spielt. Ja, insofern mag ja Blattspiel helfen, aber nicht fuer den "sportlichen" Teil. Schnelle Laeufe werden beim Blattspiel in den wenigsten Faellen wirklich geschmeidig, alle Toene in Akkorden sind oft nicht genau gleichzeitig angeschlagen etc., d.h. die Klangqualitaet ist oft nicht befriedigend: Das Piano nicht samtig genug, das Forte zu hart usw.. In der Hinsicht kostet zumindest mich der "sportliche" Aspekt Zeit. Was hilft mir da gutes Prima-Vista Spiel? Genau dieses langsame Ueben auf Klangqualitaet gibt mir aber in der Konzertsituation die Sicherheit, nicht irgendeine Methode vermeintlich vorausschauender Fehlervermeidung, vielmehr das wirklich "Am-Klang-Sein", "Sich-Selbst-Zuhoeren". In der Konzertsituation kam ich der Notenperfektion immer am naechsten, wenn das Stueck lang genug auch in maeszigem Tempo auf Klangqualitaet gearbeitet war. Ob die Interpretation dann wirklich auf den Punkt gebracht war, ist noch eine andere Sache.
Meiner Meinung nach hilft Improvisationsgabe vielmehr in der Konzertsituation als Blattspielkenntnisse. Dann kann man sich wie Rubinstein in Moskau ueber irgendeine Gedaechtnisluecke retten. Aber mit Blattspiel? Wenn selbst bei photographischem Gedaechtnis das Notenblatt aus dem Kopf ist, was mache ich dann im Konzert? Dann kann ich nur improvisieren!
 
Noch ein Gedanke (zwar aus Laienhafter Sicht):
Mit guten prima vista Fähigkeiten kann man sich einen breiteren Überblick über Literatur außerhalb des eigenen Repetoirs verschaffen. Ich kann mir gut vorstellen, daß es auch das Spiel des eigenen Repetoirs bereichert, wenn man viele andere Stücke des gleichen Komponisten, der gleichen Epoche/Stils, der Vorbilder kennt und mal gespielt hat.
 
Danke für eure Stellungnahmen,
natürlich war mein Grundgedanke etwas sportlich. Ich bin eben ständig auf der Suche nach Schwächen in meinem Klavierspiel und Lösungen, auch vielleicht ersteinmal weit hergeholte Lösungen.
 
Zu "Schwaechen in deinem Klavierspiel", Joh, Du meinst wohl hauptsaechlich "sportliche" Schwaechen im Sinne der Notenperfektheit in diesem Zusammenhang.
Horowitz hat einmal gesagt: "I don't want perfection". Das hat sich auf eventuelle kleine Notenungenauigkeiten in einer gerade erfolgten Aufnahme bezogen, wenn ich mich richtig des Filmes erinnere. Es kam ihm eben auf anderes, Wichtigeres an.
Ein anderer konzertierender Pianist, dem bestimmt keine mangelnde Notenperfektion vorgeworfen werden kann, ist Rachmaninov. Angeblich ging er manchmal verstoert aus seinen Konzerten und hat gemurmelt: "Ich habe am Punkt vorbeigespielt". Anscheinend war er auch nicht umzustimmen, wenn man ihm sagte, dasz er wunderbar und "ohne Fehler" gespielt habe. Auch hier: Er suchte die fuer diesen Konzertmoment richtige Aussage. Ich verstehe in diesem Zusammenhang auch Celibidaches Abneigung gegen Aufnahmen. Es ist nicht einfach, den von Rachmaninov erstrebten "Punkt" auf einer CD einzufangen. Es kommt auf die Atmosphaere im Saal an, was vorher gespielt wurde etc.. Es gibt manchmal diese magischen Momente, bei denen das "Tastendruecken" und eventuell kleine Imperfektionen nebensaechlich werden. Wie ein handgeknuepfter Teppich eben die kleinen Unregelmaessigkeiten und Fehler aufweist. Sie duerfen nicht dominieren, aber allzu perfekt ist nur noch langweilig. Trotzdem soll das keine Aufforderung zum Falsch-Spielen sein, vielmehr will ich damit sagen, dasz ich den Focus auf folgendes zu legen versuche: Klangqualitaet, Rhythmus, Puls, Interpretationskonzept.
Blattspiel brauche ich zur eigenen Information, insofern hilft es bei "Interpretationskonzept", aber nicht in der direkten Konzertsituation.
Viel Spasz beim Erarbeiten der Programme,
Jannis
 

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