Auswendig oder vom Blatt

  • Ersteller des Themas sadagio
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Es soll ja Leute geben, die ihre innere Klangvorstellung unmittelbar auf ein Instrument, z.B. Klavier, übertragen können. 1) Stimmt das wirklich? Ich kann es nicht, liegt das 2.) daran, dass man womöglich das abolute Gehör dafür benötigt, welches mir fehlt?
Würde mich interessieren, wie du das siehst.

Das ist - solange Du innerhalb Deiner Möglichkeiten bleibst - ohne weiteres möglich mit einem "normalen", also relativen Gehör. Wer eine Melodie nachsingen kann, kann sie im Prinzip doch auch nachspielen, oder? Um das Ganze dann mühelos ablaufen zu lassen, muss man es schon üben bzw. je besser das Hintergrundwissen in Gehörbildung ist, desto leichter wird es. Beispiel: wenn Du Dich ans Klavier setzt und ein typisches Volkslied (Dreiklangsbrechungen und Durchgangstöne etc.) spontan spielen willst, wird Dir das schnell gelingen. Versuchst Du hingegen, ein Stück mit mehreren Stimmen zu spielen, wird es eben schon schwieriger und erfordert einfach Übung.
Ich sehe eigentlich nur eine Einschränkung: manche Kinder können nichts nachsingen und "brummen" immer den gleichen Ton. Ich habe mich gefragt, ob da etwas mit der Tonhöhenerkennung nicht stimmt oder ob die Kontrolle über die Stimmbänder fehlt. Die spielen dann auch auf Saiteninstrumenten jenseits von gut und böse. Also da würde ich schon ein Problem sehen, ich kann mir vorstellen, dass diese Menschen Schwierigkeiten hätten, Melodien nachzuspielen. Genaues kann ich dazu aber nicht sagen.
Also nein, dafür braucht man kein absolutes Gehör.
 
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Ich sehe eigentlich nur eine Einschränkung: manche Kinder können nichts nachsingen und "brummen" immer den gleichen Ton. Ich habe mich gefragt, ob da etwas mit der Tonhöhenerkennung nicht stimmt oder ob die Kontrolle über die Stimmbänder fehlt. Die spielen dann auch auf Saiteninstrumenten jenseits von gut und böse. Also da würde ich schon ein Problem sehen, ich kann mir vorstellen, dass diese Menschen Schwierigkeiten hätten, Melodien nachzuspielen.
Es gibt beides.
- Kinder, die "brummen", weil ihre Koordination der Stimme und des mus. Gehörs noch nicht funktioniert. Das Gehör selbst kann aber dabei sehr gut sein und keine Probleme beim Suchen von Melodien am Klavier bereiten.
Unter den "Brummern" gibt es
a) solche, die selbst merken, dass sie die Töne nicht treffen
b) und solche, die es nicht merken, da es bei ihnen im Kopf richtig klingt, sie aber die eigene Stimme nicht richtig wahrnehmen.
- Kinder, die noch kein gutes Gehör entwickelt haben (noch nicht einmal eine Höhenveränderung um eine Terz als solche wahrnehmen)
- nicht zuletzt Kinder, die zwar gut singen, sich aber mit der Orientierung am Klavier noch schwer tun. Oft wissen sie selbst nicht, ob sie jetzt gerade "nach oben" oder "nach unten" singen, wie soll man dann die richtigen Tasten suchen können.

Für all diese Varianten gibt es Stimm-, Sing- und andere Gehörübungen, und in den meisten Fällen wird es besser :-)
 
Ich würde sagen: natürlich :super: Ein ganz einfaches Beispiel: Stell Dir die ersten drei Töne einer Durtonleiter vor, wie sie aufwärts und abwärts gespielt werden, z.B. c-d-e-d-c

Jetzt setzt Du dich ans Klavier und kannst sie nachspielen und überprüfen, ob sie deiner Vorstellung entsprechen.
Wichtig ist wahrscheinlich, das man sich bewusst ist, was man innerlich hört (bzw. glaubt zu hören :-D) - sozusagen eine verschärfte Stufe der regulären Gehörbildung.

Ja, da kann ich auch voll zustimmen, vorausgesetzt ich habe mir kurz zuvor einen Referenzton (z.b. 440 Hz) gemerkt. Dann würde ich das auch hinkriegen. Aber völlig aus dem nichts, ohne Referenz wird es schon schwer (für mich) die Anfangsnote sicher zu treffen.
Ich dachte aber weniger an solche Übungen zur Schulung des Gehörs, sondern an kleine Kompositionen oder Songs, gehört -> gespielt. Das schaffe ich nicht, bzw. erst nach einigen Fehlgriffen. Wobei ich wenigstens die Fehlgriffe (falsche Töne oder Akkorde) sofort als solche erkenne, immerhin.:denken:
 
@jauchzerle Das, was ich beschrieb, funktioniert beim Auswendigspielen genauso. Versuch doch, beim Spielen (zunächst keine schnellen Passagen) die manuelle Vorstellung der nächsten Griffe/Melodiestückchen mit einem bestimmten Fingersatz in Verbindung zu bringen. Meistens muss man ja nur an einigen Stellen auf einen bestimmten Finger achten, der Rest läuft dann mit Selbstverständlichkeit.
Ja, meine KL und ich haben beschlossen, dass das aktuelle Stück auswändig gehen muss, weil für mich in diesem irren Rhythmus einfach nicht ohne Krampf im Hirn ablesbar.
Sie hat mir tatsächlich nach dreimal lesen die Noten weggenommen!! Der Knaller war ... es ging! Die Zählerei, der Rhytmus ...
Mal sehen wie weit ich komme.
 
@jauchzerle,
Du stellst Dir das Spielen nach einer inneren Klangvorstellung (wie es @Musikanna beschrieben hat) zu "idealisiert" vor, was Dich anscheinend demotiviert. Es ist nicht so, dass ein Stück einfach anhand der Noten sofort und ganz von alleine vor Deinem inneren Ohr erscheint. Das ist ein jahrelanger Prozess (Dirigenten können das wohl am besten ...) und je komplexer die Stücke werden, desto schwieriger ist es, beim Aufbau einer Klangvorstellung völlig auf das Instrument zu verzichten. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass selbst Komponisten ihre Werke am Instrument auf die reale Klanglichkeit hin überprüfen. (Es scheinen wohl nicht alle so "gut" zu sein wie der taube Beethoven oder Richard Strauss, der sagte, er könne alles (Frühstück im Freien, Wasser auf den Felsen, etc.) als Musik komponieren.)
Das klingt doch schon viel hoffnungsvoller ;-)
Du entwickelst die Klangvorstellung beim Spielen aus den Noten heraus. Es ist also ein Wechselspiel aus Noten lesen, Spielen, Zuhören, Klangvorstellung entwickeln, Verbesserung des Spielens aus dem Vergleich mit der Vorstellung heraus, Zuhören, Verbesserung der Klangvorstellung durch Ideen, die beim Zuhören entstehen. Es ist wie ein Rückkopplungskreis. Je fortgeschrittener Du wirst, desto schneller, feiner und reifer werden sich Deine Vorstellungen entwickeln.

Deine Beschreibung klingt, als würdest Du beim Üben sofort alles richtig machen wollen: Fingersätze, Phrasierung, Ausdruck, Artikulation etc..
Kannst Du komplett !vergessen!, solange sich das jeweilige Stück nicht mehrere Niveaus unter Deinem aktuellen Niveau bewegt.
Daher musst Du vor allem mit Dir geduldig sein, denn Du kannst unmöglich alle Probleme gleichzeitig lösen.
Erwischt!! Ich bin da so ein bisschen eine gespaltene Persönlichkeit. Und meine KL bedient hier meine Detailverliebtheit total. Ich habe Ehrgeiz, ich bin pedantisch, ich habe Geduld! Kein Widerspruch in sich - auch wenn ich beim Üben fluche wie ein Bierkutscher :girl:Ich will möglichst gut sein und das möglichst schnell, lüg mir aber nicht in die Tasche. Es braucht Zeit. Mein Temperament hilft mir den Stress, den die Noten verursachen (kein Witz) abzubauen. Ich habe früher (weil Heimorgel so läppisch leicht war) nur nach Gehör gespielt. Dabei hab ich sehr aufmerksam die Noten studiert und hatte irgenwann eine irrationale Angst entwickelt als Notenanalphabet aufzufliegen. Bescheuert, ja! Ich versuche das gerade abzubauen, indem ich ganz bewusst und mit Nachdruck Noten lese. Das macht mir aber das Spielen schwer, weil ich mich selber nicht mehr höre und die Musik nicht spüre ... wie soll ich da noch an Fingersätze denken???
Bezüglich des Problems, dass Du immer wieder andere Fingersätze "erwischst":
Vielleicht "schleifst" Du sie zu wenig oder falsch ein?
Du kannst versuchen, Dich selber zu beobachten, um Dir die Frage zu beantworten, wie sich ein Fingersatz bei Dir am besten einbrennt. Deine Beschreibungen sprechen dafür, dass Du schneller spielst, als Dein Gehirn "vorausschauend" planen kann und/oder zu wenig auf die gleiche Weise wiederholst. Kannst ja mal spaßeshalber Deine Wiederholungen einer bestimmten problematischen Stelle an drei aufeinander folgenden Tagen zählen. Kannst Du daraus irgendwelche Schlüsse für Dich ziehen?
Nach Gehör passt die Geschwindigkeit, nach Noten bin ich für mein Gehirn zu schnell. Das hast Du ziemlich super erkannt. Nur, was von beidem trainiere ich jetzt?
Kann ja mal vergleichshalber sagen, was ich an mir so beobachtet habe:
- das Tempo, in dem ich schleifen muss ist umso niedriger, je komplexer die Stelle ist und reicht bis ultralangsam, wenn sie mich an die Grenzen meiner Möglichkeiten führt.
- die Wiederholungszahl, die ich in gleicher Weise !Bewegungsausführung korrekt?! akkumulieren muss ist umso höher, je komplexer die Stelle ist und reicht bis exorbitant, wenn die Stelle mich an die Grenzen meiner Möglichkeiten führt.


Binsenweisheiten? Jepp ...

Aber das konsequent durchzuziehen, ist gar nicht leicht.
[/QUOTE]
Kann ich 1:1 so unterschreiben.
Liebe Herzton ... ich danke dir für diesen unglaublich hilfreichen und guten Beitrag.
 
@sadagio: Aber völlig aus dem nichts, ohne Referenz wird es schon schwer (für mich) die Anfangsnote sicher zu treffen.

Genau, das ist ganz normal, weil Du kein absolutes Gehör hast. Du kannst nur hören "die Töne eins bis vier entsprechen den ersten/letzten vier Tönen einer Dur/Moll/pentatonischen/chromatischen (etc.) Tonleiter/Dreiklang/Vierklang" oder Du hörst "zuerst eine kleine Terz rauf, dann eine große Septime runter, dann eine übermäßige Quinte rauf, dann eine Prime etc.", also Tonintervalle.
Die spontane zügige Umsetzung am Klavier braucht Übung und Dirigenten können dies nicht "von Natur aus", sondern haben diese Fähigkeit in vielen Jahren erworben (unter Voraussetzung einer wohl angeborenen und in der Kindheit geförderten, ausgeprägten Musikalität, ohne die sicher niemand den mühsamen Weg, sich solch schwierige Fähigkeiten anzueignen, gehen würde).
Den Anfangston muss man sich geben lassen oder eben am Klavier kurz suchen. Das ist ganz normal und nur für Leute mit absolutem Gehör unverständlich. Auch Dirigenten ohne absolutes Gehör "suchen" den Ton. Da sie aber die ungefähre Tonlage aus Erfahrung sehr sicher erkennen können (sind also schnell "in der Nähe des gesuchten Tons") und superschnell transponieren, merkst Du es unter Umständen nicht. Nicht vergessen: dahinter steht ein ganzes Leben incl. Kindheit und Jugend voller Beschäftigung mit Musik. Jemand, der Dir aus dem Stand heraus, ohne hinzusehen, den Ton in jeder Lage genau und immer richtig benennt bzw. vorspielt, hat ein absolutes Gehör.
 
@Musikanna, da ich keinerlei pädagogische Erfahrungen habe und keinen Kontakt zu Kindern, finde ich Deine Ausführungen sehr überraschend! Ist es neu, dass man durch gezielte Übungen Brummer zum Singen erzieht? In meiner Kindheit wurden die Brummer so ziemlich als hoffnungslose Fälle "abgestempelt".
Aber Dein Beitrag hat mich getröstet: es gibt also auch für die Brummer Hoffnung!
Wenn es Dir nicht zu aufwendig ist, würde ich mich über die Beschreibung einer solchen Übung gegen die falsche Wahrnehmung der eigenen Stimme freuen.

LG.
 
@Herzton
So neu kann es nicht sein. Mein Studium liegt nun fast 30 Jahre zurück, und das sind Dinge, die damals vermittelt wurden. Ich schaue mal, wann ich Zeit habe, Dir ein paar Übungen etwas ausfühlicher zu beschreiben, ok?
LG Anna
 

In meiner Kindheit wurden die Brummer so ziemlich als hoffnungslose Fälle "abgestempelt".

Was mit der Grund ist, warum diese Menschen häufig nur sehr negative Erinnerungen ans aktive Singen oder Musizieren haben und sehr lange gar nicht ausprobieren, was sie können. Für individuelle Förderung ist im Klassenverband oft gar keine Zeit.
:konfus:

Das ist aber ein anderes Thema. Wobei ich es aus meiner Praxis mit Erwachsenen durchaus bestätigen kann, dass in vielen "Brummern" eine brauchbare Singstimme schlummert.
 

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