"Aus den Fingern spielen"

M

Manu77

Guest
Hallo an alle :)

Ich bin inzwischen 40 Jahre alt und habe mir vor ca. 3 Jahren ein Klavier gekauft und wieder mit Klavierunterricht begonnen. Meine Lehrerin hat dann relativ schnell gesagt, dass es ein grundsätzliches Problem mit meiner Technik gebe und ich 2 Schritte rückwärts machen müsse. Sie meinte, ich würde nicht aus den Fingern spielen sondern aus dem Arm "drücken" bei zu steifem Handgelenk und Ellenbogen. Das sei wohl ein verbreitetes Problem.
Als Jugendlicher hatte ich schon mal Unterricht, der war aber qualitativ nicht sehr gut und es ging nie um Technik. Damals konnte ich z.B. das Fantasie-Impromptu von Chopin hinpfuschen, aber es klang nie wirklich schön.
Die Umstellung ist ziemlich hart für mich, weil ich anfangs kaum gemerkt habe, dass ich "drücke". So langsam fällt ein bisschen der Groschen. Kurioserweise merke ich am ehesten, was es bedeutet "aus den Fingern" zu spielen, wenn ich mich wie Glenn Gould hinsetze, mit tiefem Ellenbogen und hohem Handgelenk, da bleibt einem ja nichts anderes übrig, als aus den Fingern zu spielen :) Das mache ich aber immer nur kurz, um ein Gespür für die Finger zu kriegen, meine KL meint, das funktioniere nur bei GG, das sei generell nicht empfehlenswert.
Ich muss zugeben, mein Spiel ist klanglich besser geworden, aber an das Impromptu traue ich mich noch nicht wieder ran, weil meine linke Hand bei hohem Tempo verkrampft. Meine KL meint aber, ich sei auf dem richtigen Weg.
Hat jemand von euch vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht und Tipps, wie ich vermeide, im Handgelenk oder Ellenbogen fest zu werden? Die Tendenz ist schon noch da.
Ich habe das ins Anfänger-Forum gepackt, weil ich mich technisch noch eher zu den Anfängern zähle, auch wenn ich hauptsächlich Stücke spiele, die bei Henle zwischen 4 & 6 geratet sind.
 
"Aus den Fingern spielen" ist genauso falsch und zur Behebung des Problems festgehaltener Arm- und Handgelenke kontraproduktiv.

Leider ist zu argwöhnen, dass Deine Lehrerin auch nicht die erforderlichen didaktisch-methodischen Werkzeuge parat hat.

Vorsicht, sonst treibst Du den Teufel mit dem Beelzebub aus und denkst irgendwann "naja, ich bin vermutlich doch zu alt oder zu unbegabt oder übe zu wenig" oder so was.

LG,
Hasenbein
 
Der Begriff "aus den Fingern" macht mich zwar auch stutzig, aber von außen kann man nicht beurteilen, wie die KL den Begriff individuell einsetzt.
at jemand von euch vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht
Bei mir war es umgekehrt: Nach mehr als 30 Jahren "autodidaktischem" Herumgeklimpere hieß es in der ersten Stunde: Mehr aus dem Arm! Mit Armgewicht! Viel zu viel aus den Fingern! Verkrampfen tue ich vor Allem rechts (Arm, Schulter, Handgelenk, Finger, alles...).
Begrifflich konnte ich mit "Armgewicht" überhaupt nix anfangen, bis er mir an einer Tischplatte zeigte, was er meinte. Da habe ich es sofort verstanden. Nur die Umstellung zieht sich jetzt schon Jahre erfolglos hin. :coolguy:
 
Meine KL möchte auch nicht, dass ich den Arm schlaff hängen lasse und alles nur aus den Fingern spiele, aber sie meint, mein Tasten-Kontakt sei nicht gut und es müsse einfach mehr aus den Fingern kommen bei freien Arm- und Handgelenken, ich habe das vielleicht nicht ganz glücklich ausgedrückt. Gerade bei hohem Tempo falle ich oft in mein altes Muster und mache Handgelenk und Ellenbogen fest und dann ist's dahin mit den unabhängigen Fingerchen. Bestimmt fünf mal pro Klavierstunde kommt von ihr der Hinweis, dass ich jetzt schon wieder "drücke" :-(
 
Der Tastenkontakt wird ja nicht besser, wenn man "aus den Fingern" spielt, im Gegenteil.
Für guten Tastenkontakt ist u.a. das durchlässige Handgelenk entscheidend, da dann der Arm die erforderlichen "zusammenfassenden Bewegungen" machen kann, welche Linie, Phrase und Rhythmus formen, während die Fingerspitzen an den Tasten dranbleiben können.

Und "unabhängig" müssen Finger auch nicht sein.
Sondern auf die richtige Weise in den Gesamt-Spielapparat und Gesamt-Bewegungsablauf integriert.

Natürlich fühlt Ihr Schüler Euch ratlos bis verzweifelt, das verstehe ich gut. Weil Eure Lehrer auch keine Ahnung haben und Euch irgendwelchen nicht nur nicht hilfreichen, sondern sogar irreleitenden und schadenden Kram erzählen, und Ihr seid natürlich nicht kompetent, um das zu durchschauen, sondern schiebt es auf Euch...
 
Ratlos bis verzweifelt trifft es schon manchmal :-|
Danke für die offenen Worte!
 
Weil Eure Lehrer auch keine Ahnung haben und Euch irgendwelchen nicht nur nicht hilfreichen, sondern sogar irreleitenden und schadenden Kram erzählen, und Ihr seid natürlich nicht kompetent, um das zu durchschauen, sondern schiebt es auf Euch...
Der daraus vom Schüler abgeleitete Glaubenssatz könnte lauten: Der Lehrer muss es als Experte ja wissen und können. Demnach bin ich zu unmusikalisch und/oder zu doof dazu. Bleibt nur zu hoffen, dass man beizeiten aus dem physikalischen Teufelskreis ausbricht, demzufolge jeder Druck stets Gegendruck erzeugen müsse... .

Alles Gute und LG von Rheinkultur
 
Tja, stellt sich nur die Frage, wie erkennt der unbedarfte Laie einen entsprechend guten Lehrer...?
Ich glaube, das wurde hier irgendwo schon mal ausgiebig diskutiert
 
wie erkennt der unbedarfte Laie einen entsprechend guten Lehrer...

Wenn er bei entsprechendem Übepensum überzeugende Ergebnisse erzielt? :-)

Der umgekehrte Weg ist einfacher, wie hier gezeigt. Einige Stichworte lassen sofort stutzen. ;-) "Mehr aus den Fingern spielen" klingt irritierend. Die meisten Lernenden bekommen routinemäßig eher das Gegenteil ("mehr aus dem Arm, mehr aus dem ganzen Körper") zu hören.

Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass es bei der Kommunikation Missverständnisse gab. Der erste Schritt für @Manu77 wäre m. E., die Probleme offen anzusprechen. Vielleicht ist bei Dir der Bereich oberhalb der Finger (Handgelenk, Unterarm, Ellenbogen, Schulter) insgesamt starr, und Die Lehrkraft dachte, Dir mit diesem Hinweis die zugänglichste Metapher geliefert zu haben. Das scheint nicht zuzutreffen. Sprich es an, lass es Dir zeigen, lass Dich ggf filmen!
 
Hallo Barratt,
die Kommunikation ist tatsächlich nicht immer ganz einfach, meine KL ist keine Deutsch-Muttersprachlerin. Aber es stimmt, beim linken Arm werden bei mir Handgelenk und Ellenbogen zu starr und dann ist der Tastenkontakt nicht gut. Dieses Problem bezeichet die KL dann mit "Drücken".
Es ist nur wirklich nicht so leicht, das zu beheben, oft merke ich gar nicht, wenn ich im Ellenbogen fest werde. Aber ich arbeite daran :)
Der Tipp mit dem Filmen ist gut, komischerweise habe ich da noch gar nicht dran gedacht ...
 
Vielleicht sollte man hier die Lehrerin anders verstehen. Sie kämpft gegen die Gewohnheit des Schülers zu "drücken", sprich wahrscheinlich unelastisch den ganzen Arm für jeden Ton bei steifem Handgelenk und steifen Finger zu mobilisieren. Sie will Lockerheit in den Fingern, die dann auch motorische Anteile aus Rotation und Armgewicht usw. in richtigem Verhältnis bei lockerem Handgelenk in Töne "perlen"lässt, statt verkrampften Drückens. Da sie dies aber nicht verbal ausdrücken kann/ zu vermitteln vermag, spricht sie wahrscheinlich von dem omniösen "aus den Fingern" spielen .

Edit: sehe gerade, ist sinngemäß das gleiche, was Barratt gerade ausführte:girl:, naja doppelt gemoppelt hält besser!:-D
 

Ich glaube, da liegst du ziemlich richtig, Ellizza. Und ein Kampf ist es wirklich manchmal!
Wie gesagt, wirklich unverkrampft fühlt es sich nur an, wenn ich mich wie Glenn Gould hinsetze, aber so kann und will ich dauerhaft nicht spielen, das bringt ja auch wieder andere Probleme mit sich.
Unterrichtest du auch selbst? Hast du einen Tipp, wie man die Arm-Verkrampfung vielleicht nach und nach lösen kann? LG Manu

Noch was fällt mir gerade ein: Ein Freund von mir meinte, seine KL hätte ihm früher gesagt, Tennis und Klavier vertragen sich nicht so gut. Ist da vielleicht was dran? Könnte daher der krampfige Arm kommen? Ich bin allerdings Rechtshänder und benutze den linken Arm nur bei der beidhändigen Rückhand. Gibt es von euch Klavier-Profis welche, die auch Tennis spielen?
 
Könnte daher der krampfige Arm kommen? Ich bin allerdings Rechtshänder und benutze den linken Arm nur bei der beidhändigen Rückhand. Gibt es von euch Klavier-Proxxx..Klimperer welche, die auch Tennis spielen?
Es spricht dagegen, dass Du Rechtshänderin bist und links verkrampfst. Bei mir genau so: Linkshänder, Jahrzehnte Tennis gespielt, aber verkrampfen tue ich vor allem rechts. Daraus könnte man eher schließen, dass Tennis gut ist und trainierte Körperpartien von Hause aus lockerer sind.
 
Links-oder Rechtshänder zu sein hat nichts mit Training zu tun. Da man mit der dominanten Hand bessere Kontrolle hat und sich viel natürlicher bewegen kann, ist man da natürlich weniger verkrampft. Das muss man der anderen Hand erst mehr oder weniger mühsam beibringen.
 
Es ist nur wirklich nicht so leicht, das zu beheben, oft merke ich gar nicht, wenn ich im Ellenbogen fest werde. Aber ich arbeite daran :)

:super: Was anderes bleibt Dir auch nicht übrig. :lol:

Du solltest Dir bewusst sein, dass dieses "Problem" bei Erwachsenen am Anfang alles andere als ungewöhnlich ist. Es scheint so zu sein, dass Deine KL womöglich über kein ausreichend großes Repertoire an "Metaphern" verfügt (manche Leute können das grundsätzlich nicht so gut, in einer Fremdsprache wird es nicht einfacher). Lass es Dir doch einfach vormachen. Wenn es sein muss, vereinbare einige Einheiten "betreutes Üben"*. Mir bringt es immer sehr viel, wenn ich es vorgemacht bekomme. Imitation ist die ursprünglichste Form des Lernens. ;-)Nicht wirklich intellektuell, aber vielleicht gerade deshalb so wirksam. :zunge:


* Betreutes Üben: Eine grausame Sache für die Lehrkraft, für Lernende aber ungemein zielführend. Ich habe mich z. B. anfangs bei Oktav-Doppelgriffen in die Tasten gekrallt. Meine Lehrerin saß insgesamt sechs Stunden in Folge mit Argusaugen an meiner Seite und mahnte im wesentlichen nichts anderes als "Locker! locker! Du machst Dich schon wieder fest! Locker!" und hat es auch immer wieder vorgemacht (sonst hätte ich ja auch eine Kassette laufen lassen können). Und manchmal gab sie positives Feedback (noch wichtiger, deshalb klappt´s auch nicht mit der Kassette:-)). Das ganze Prozedere an nur 2 (in Worten: zwei) Zeilen einer Etüde, die genau dies zum Thema hat. Es war sicher qualvoll für sie, aber sie hat auch gesagt, dass es nicht den mindesten Sinn ergebe weiterzumachen, ehe das Problem nicht behoben ist.

So, und danach funktionierte es RECHTS (bin Rechtshänder). LINKS ist dann noch mal ein anderes Thema, aber man weiß dann wenigstens, wie man sich den Bewegungsablauf erarbeiten muss/kann.
 
die Kommunikation ist tatsächlich nicht immer ganz einfach, meine KL ist keine Deutsch-Muttersprachlerin.
Haben wir möglicherweise die gleiche KLin? :konfus: Meine sagt mir auch, dass ich "aus den Fingern" spielen soll. Wobei ich mit dem Begriff schon was anfangen kann mittlerweile, dass ich mit "aus den Fingern spielen"-Methode meinen Arm eher mehr links und rechts bewege und mein Handgelenk mehr gerade halte. Das hilft bei den Läufen besonders gut.

Außerdem, wenn du FI spielen willst, spiele es einfach. Tempo kannst du auch später steigern. :super:
 
Der Begriff "aus den Fingern" macht mich zwar auch stutzig, aber von außen kann man nicht beurteilen, wie die KL den Begriff individuell einsetzt.
Auf meiner Prelude-Einspielung in der Zeit 1:13 schlage ich die Taste mit dem 4. Finger aus dem Arm. Das tue ich auch unbemerkt mit anderen Fingern. Das ist das, was meine KLin meint. Ich muss sagen, das funktioniert auf jeden Fall besser mit "aus den Fingern." :-)
 
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