"Aus den Fingern spielen"

Tja, stellt sich nur die Frage, wie erkennt der unbedarfte Laie einen entsprechend guten Lehrer...?
Ich glaube, das wurde hier irgendwo schon mal ausgiebig diskutiert
Da gibt es schon einige Fäden zu dieser und ähnlichen Fragen, z.B.:
https://www.clavio.de/threads/wie-findet-man-den-richtigen-klavierlehrer.9199/#post-154295

Ich glaube, dass der Normalo das erst erkennt, wenn er selbst Fortgeschrittener/Halbprofi ist. :cry2:
Sich informieren kann er im Internet-Zeitalter schon viel früher. Tritt die Lehrkraft öffentlich auf? Sind Ausbildungserfolge bei den eigenen Schülern dokumentiert? Ist der Lehrer Mitglied eines Berufsverbands und/oder anderweitig in der Branche vernetzt? Tauscht er sich mit anderen Kollegen aus? Gilt die Lehrkraft auf bestimmten Gebieten als Spezialist und/oder marktführend? Ist eine eigene Handschrift und ein individuell ausgerichtetes Unterrichtskonzept erkennbar oder machen da alle so ziemlich das Gleiche? Kann sie auf Nachfrage personelle Alternativen anbieten, etwa Spezialisten mit fachlichen Schwerpunkten benennen, die sie selbst nicht im Angebot hat?

Und so weiter und so fort. Es trifft absolut nicht zu, dass man stets die Katze im Sack kaufen muss, wenn man bislang "nicht vom Fach" war. In praktisch jeder Fachrichtung gibt es bessere und schlechtere Anbieter, ist halt so.

Stimmt die Mehrzahl der KLs sind einfach sehr schlecht, auch meiner Erfahrung nach. :dizzy:
Ist die so fortgesetzt negativ? Ein ganzer Berufsstand voll mit Leuten, die nichts oder nur wenig taugen? Es gibt auch die umgekehrte Variante: Nirgendwo hat sich der gewünschte Erfolg eingestellt und schuld daran waren immer die anderen. Überspitzt ausgedrückt: Wenn ich zu faul zu regelmäßigem Üben bin, liegt das an der Lehrkraft, weil sie mich nicht zu disziplinierterem Verhalten zu motivieren vermag. Kritiker mögen erforschen, an welchem Punkt sie innerhalb dieses Spannungsfeldes stehen.

LG von Rheinkultur
 
Ein ganzer Berufsstand voll mit Leuten, die nichts oder nur wenig taugen? Es gibt auch die umgekehrte Variante: Nirgendwo hat sich der gewünschte Erfolg eingestellt und schuld daran waren immer die anderen. Überspitzt ausgedrückt: Wenn ich zu faul zu regelmäßigem Üben bin, liegt das an der Lehrkraft, weil sie mich nicht zu disziplinierterem Verhalten zu motivieren vermag. Kritiker mögen erforschen, an welchem Punkt sie innerhalb dieses Spannungsfeldes stehen.

LG von Rheinkultur

Also mein Beitrag war ja im Zusammenhang zu Hasenbeins Kritik an den KLs geschrieben, und deshalb überspitzt geschrieben. Richtig aber ist, dass 1998 als ich begann, ich die Leistung meiner KLin nicht einschätzen konnte. Es ist mir erst später klar geworden, dass sie nicht besonders gut weil planlos war. Meine 2. war noch schlechter, da habe ich es aber relativ schnell bemerkt. Meine anderen 3 waren ok bis gut, da ich die schlechten schon aussieben konnte.

Letztendlich habe ich mich eher an "kostengünstigem" Klavierunterricht orientiert (hier in der Schweiz ca. 60 CHF pro 60 min). Dafür bekommt man aber nunmal nicht die "besten". Ich kann jetzt einigermassen beurteilen, ob mich ein KL voranbringt, zumindest die ganz schlechten aussortieren. Dazu habe ich aber mind. 10 Jahre Erfahrung gebraucht.
 
Zuletzt bearbeitet:

Der Begriff „Armgewicht“ taucht in verschiedenen Themen immer wieder auf und ich habe mich schon öfter gefragt, was damit gemeint ist.

Dieses Video



beantwortet meine Frage nach dem Armgewicht. Aber: Kann man - so lässt mich das Video vermuten - nur dann mit Armgewicht spielen, wenn man die Handgelenke anhebt? Und wer mit flachen Handgelenken spielt, kann sein Armgewicht nicht nutzen?
 
Leg mal Deine Hand ganz flach auf den Tisch. Und jetzt hebst Du das Handgelenk ca. 5 mm, so dass nur noch die Fingerkuppen den Tisch berühren und der Arm auf ihnen ruht. Das Handgelenk ist immer noch flach und der "Hebel" reicht locker aus, um eine Taste bis nach unten zu bewegen. Wäre die Tischplatte eine Klaviatur, würde sich nicht das Handgelenk nach oben sondern die Fingerkuppen/Tasten nach unten bewegen, nur aus dem Armgewicht heraus. Die Finger selber machen gar nix außer locker bleiben.

Genau so wurde mir das "Armgewicht" erklärt, also mit einem völlig anderen Ansatz als in dem verlinkten Video bei min 1:36. Allerdings sieht man an der rechten Hand (gerade beim 5. Finger) ab Minute 9:03 sehr gut, wie ich das erklärt bekommen habe.
 
Zuletzt bearbeitet:

Meinst Du wirklich 5 mm? Das ist doch – meinem Verständnis nach - ein für das Armgewicht zu vernachlässigender Abstand/“Höhenunterschied“.

Was im Video gezeigt wird ist aber ein hohes Handgelenk das ein geschmeidiges Auf und Ab der Hand ermöglicht.

Ich habe bis vor einem halben Jahr meist mit flachem/tiefem Handgelenk gespielt und dachte, dass dieses Anheben des Handgelenks beim Spielen „russische Schule“ sei (weil ich es öfter bei Russinnen bzw. Pianist*Innen aus Nachbarländern sehe). Aber seit Monaten beobachte ich mich immer öfter, dass ich mehr und mehr so spiele, wie es im Video gezeigt wird. Es ist einfach passiert und die Hände und Handgelenke fühlen sich herrlich locker an (und wieder verstehe ich was mit „durchlässig“ gemeint ist).

Vorhin ist etwas interessantes passiert: Ich habe ein Präludium von Skrjabin gespielt und besonders auf diese Wellenbewegung der Hände geachtet (und Armgewicht gefühlt). Und auf einmal hat sich meine linke Hand in einen anderen Fingersatz gesenkt – in einen einfacheren und klanglich besseren! Den habe ich sofort notiert.
:-) :super:
 

Meinst Du wirklich 5 mm? Das ist doch – meinem Verständnis nach - ein für das Armgewicht zu vernachlässigender Abstand/“Höhenunterschied“.
Wenn Du nur mit Armgewicht spielst, reicht das völlig. Was im Video gezeigt wird, ist die Ausnutzung von Gravitation. Da wird ja zusätzlich das Gewicht fallen gelassen, wenn ich das richtig verstehe.
Ich bin mir sicher dass beide Ansätze richtig sind und sich ergänzen (und noch viele andere), aber es muss von einem Lehrer verständlich gezeigt und individuell auf den Schüler angepasst und beständig kontrolliert werden. Meiner Meinung nach scheitert genau bei solchen Punkten der Autodidaktisimus. :-)
 
Meiner Meinung nach scheitert genau bei solchen Punkten der Autodidaktisimus.

Die einen scheitern daran, ich habe das Spielen mit Armgewicht erst vor einigen Monaten autodidaktisch kennengelernt (ohne zu wissen, was ich da mache und dass es Spielen mit Armgewicht ist - es ist auf einmal einfach passiert). Mir ist (besonders bei Milhauds "Lent") aufgefallen, dass ich immer öfter beim Spielen die Handgelenke angehoben habe. Das Wort „Armgewicht“ kannte ich bisher nur aus dem ein oder anderen Clavio-Thema. Was ich da seit Monaten an den Tasten mache, habe ich erst verstanden, nachdem ich das von Ellizza verlinkte Video angeschaut habe.

So zu spielen fühlt sich toll an! Es führt nicht nur zu entspannten Händen und Handgelenken (die bei mir lange Zeit zu fest waren), sondern diese Spielweise wirkt auch mental positiv auf mich.
:-) :super:
 
Also das gefällt mir hier bei euch, so viel Input in so kurzer Zeit!!
Allerdings verunsichert mich manches auch etwas.
Graham Fitch zeigt in dem Grundlagen-Video, dass er (selbstverständlich! - zumindest kommt es so rüber) bei der Pathétique die Oktav-Tremolo (nennt man das so?) in der linken Hand aus der Arm-Rotation spielt. Das war mir zum Beispiel nicht klar. Da gibt es wohl wirklich einige Missverständnisse mit meiner KL. Ich dachte, das muss hauptsächlich aus den Fingern kommen und nur so könnte ich im Idealfall größtmögliche Kontrolle erzielen. Hm. Aus der Arm-Rotation ist es eigentlich viel leichter :)
Vielleicht kann mir jemand von euch sagen, ob man dann bei Schuberts Moment Musiceaux No. 3 bei der linken Hand zu Beginn das f-c-f auch mit Rotations-Unterstützung spielen sollte/darf? Das wäre für mich auch angenehmer als nur aus den Fingern.
Sorry, wenn ich euch als Nachhilfe-Lehrer missbrauche, aber ich habe nur 14-tägig Unterricht und evtl. hat meine KL da auch komische Ansichten oder ich verstehe sie einfach falsch ...
 
Gestern Abend habe ich darüber nachgedacht, warum ich das Thema "Armgewicht" erst durch Clavio kennengelernt habe. Die Stücke, welche ich spiele, bewegen sich meist im Andante-Tempo und erfordern vielleicht weniger (oder kein?) Armgewicht. Und was ich da seit einigen Monaten immer öfter mache (Handgelenk anheben, "Wellenbewegung" im Handgelenk) ist eventuell etwas anderes.

Ist das Spielen mit Armgewicht abhängig von der Geschwindigkeit der Stücke? Oder hat es eher etwas mit dem Klang zu tun? Ein Forte erfordert vermutlich mehr Armgewicht, als pp. Oder könnte es sein, dass man wegen bestimmter patho-physiologischer Gegebenheiten nicht mit Armgewicht spielen sollte (wobei ich mir das eigentlich nicht vorstellen kann)?
 
Ich habe bis vor einem halben Jahr meist mit flachem/tiefem Handgelenk gespielt und dachte, dass dieses Anheben des Handgelenks beim Spielen „russische Schule“ sei (weil ich es öfter bei Russinnen bzw. Pianist*Innen aus Nachbarländern sehe). Aber seit Monaten beobachte ich mich immer öfter, dass ich mehr und mehr so spiele, wie es im Video gezeigt wird. Es ist einfach passiert und die Hände und Handgelenke fühlen sich herrlich locker an (und wieder verstehe ich was mit „durchlässig“ gemeint ist).

ich sofort notiert

Das hört sich gut an! Ich würde an deiner Stelle nochmal 1 Stunde Klavierunterricht nehmen und die Körperhaltung kontrollieren und ggf. korrigieren lassen.

Der Versuch, das Thema Armgewicht nur über theoretische Betrachtung umzusetzen, würde bei scheitern. Ich brauche praktische Anleitung und vor allem ein Feedback.
 
Ich bin mir sicher dass beide Ansätze richtig sind und sich ergänzen (und noch viele andere), aber es muss von einem Lehrer verständlich gezeigt und individuell auf den Schüler angepasst und beständig kontrolliert werden. Meiner Meinung nach scheitert genau bei solchen Punkten der Autodidaktisimus.
Nein, denn selbst mit Lehrer muss der Groschen beim Schüler fallen. Und leider kann der Lehrer bei manchen Schülern vergebens erklären. Dagegen ein Aha Erlebnis kann auch ohne Lehrer erfolgen, wenn man sich mit dem Problem und Antworten dazu in Medien (einschließlich gedrucktem) beschäftigt.

Zu den von mir geposteten Videos, die Steinway Videos finde ich besonders gut, wenden sich aber ausdrücklich nicht an Anfänger, wie man aus der ausgewählten Beispielliteratur ja leicht ersehen kann. Auf der anderen Seite kann es manch einen beruhigen, dass da draußen viele Fortgeschrittene offenbar diese Art Nachhilfe nötig haben, da bewusst es ihnen nie gelehrt worden ist. Dass sie es oft doch richtig machen, hat mit der eigenen natürlichen Auffassungsgabe zu tun. Es ist wie beim Lernen in der Schule, es wird einem gesagt, was zu lernen sei, aber nicht wie. Die einen Schüler entwickeln selbst Methoden und sind erfolgreich, die anderen eben nicht (was natürlich auch eine Frage der Intelligenz ist).

Das letzte Video hatte ich zum Thema Armgewicht gesucht, und ist nur eine Herangehensweise, also ich habe es nicht gepostet weil es non plus ultra wäre. Und zum Handgelenk, man muss natürlich sich rein physikalisch klar werden woher denn überhaupt die Kraft für einen Anschlag kommt, und die Fallhöhe bei Ausnutzung nur der Gravitation muss ja irgendwie erzeugt werden. Da spielt sicher auch im Anteil die Möglichkeit durch Ellbogenbewegung den Unterarm leicht zu erhöhen oder eben gravitation und muskelkraft in Kombination anzuwenden. Nur mal so als Anregung zum sehr komplexen Bewegungsablauf eines variantenreichen Anschlags.
 
Mal andersherum.
Disclaimer, wie immer, ich bin kein Klavierlehrer, nur eine mittlerweile etwas fortgeschrittene Anfängerin.

Normalerweise bewegt man sich im Alltag doch auch zweckmäßig. Sprich: Unverkrampft, pragmatisch, zielorientiert, ohne sich dabei über die Stellung der einzelnen Gelenke jederzeit bewusst Rechenschaft abzulegen. Sogar beim Sport, eigentlich das Highlight der Bewegungskunst, trainiert man Bewegungsökonomie! Alles was man tut, ist darauf ausgelegt, es möglichst unaufwändig tun zu können, um Zeit-, Kraft- und Aufmerksamkeitskapazitäten für Wichtigeres frei zu haben.

So artifiziell das Bespielen eines Instruments grundsätzlich auch sein mag - gerade das Klavier ist im Vergleich mit Geige, Querflöte & Co. ein vorbildlich ergonomisches Instrument. Viel anstrengender fürs Hirn als für den Körper. Die Wellenbewegung der Handgelenke entsteht eigentlich automatisch, wenn man sich auch im Alltag zweckmäßig bewegt. Ebenso die Führung der Hand aus Ellenbogen und Schulter heraus. Ist doch einfacher, als mit den Fingern rumzuwurschteln - oder gar den schweren Arm mit der Fingerkraft zu bewegen statt umgekehrt. Das alles ist kein Selbstzweck, sondern die pragmatische Nutzung der Schwerkraft und außerdem die Grundlage von allem anderen. Mithin wichtiger als die richtigen Tasten im richtigen Augenblick "runterzudrücken". Deshalb irritiert die Anleitung "aus den Fingern spielen" zunächst. Ich bin mir fast sicher, die Lehrerin meint das Richtige, drückt sich aber komisch aus und was ankommt, ist etwas Anderes (was genau, wissen wir nicht, aber offenbar blieb genau diese Anleitung hängen). Deshalb: Das Gespräch suchen, es gibt da ein Kommunikationsproblem.

Ich will nicht wieder mit Abläufen im Gehirn anfangen, weil nicht wenige davon genervt sind. :lol: Kinder bewegen sich in aller Regel von Natur aus zweckmäßig, oder zumindest integrieren sie zweckmäßige Bewegungen (falls sie nicht von selbst drauf kommen und sie sie gezeigt bekommen müssen) "spielend leicht", ganz ohne Bewusstseinsaufwand. Je älter der Mensch wird, desto schwerer tut er sich damit. Nicht alle tun sich gleich schwer, nota bene, aber diejenigen, die sich als Erwachsene weniger schwertun, haben entweder Glück ("Talent") oder verfügen über ein breitgestreutes Arsenal bereits angeeigneter Bewegungsabläufe. Stichworte: Basalganglien/Kleinhirn.

Worum geht es im klassischen Unterricht bzw. was ist die wichtigste Aufgabe eines Klavierlehrers oder einer Klavierlehrerin? Zu kontrollieren, ob aus Versehen "falsche Töne" gespielt werden, ob die Polyrhythmik immer noch hakelt? Das merkt man meistens selbst, manches muss man erklärt bekommen, aber dann weiß man es, fertig, dafür bedarf es keines regelmäßigen Unterrichts. Vor allem geht es im Klavierunterricht m. E. um die immerwährende Beobachtung und Optimierung der Bewegungsabläufe - DIE müssen richtig vermittelt werden, sei es durch Vormachen, Metaphern, Berühren bzw. alles zusammen. Alles andere kann man sich zur Not auch irgendwie selbst erarbeiten. Die Bewegungsabläufe müssen irgendwie so erklärt werden, dass Lernende sie UMSETZEN können. Wenn sie es nicht können, muss man es halt noch mal irgendwie anders vermitteln.

Wenn @Marlene nach jahrelangem Unterricht erst in einer Phase der Unterrichtsfreiheit plötzlich zu den natürlichen und zweckmäßigen Bewegungen findet, klingt das zunächst verblüffend. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es nicht am vorherigen "schlechten Unterricht" liegt. Womöglich führt das wiederholt beschriebene Empfinden von "Freiheit" dazu, dass sie endlich rauslassen kann, was längst verinnerlicht, aber bislang irgendwie blockiert wurde.:-)
 
@Barratt
Mich persönlich nerven NervenGeschichten nur wenn der Nerv getroffen ist (klemmt).
Ansonsten eins der spannendsten Kapitel überhaupt. Immer her damit, und fürs Seniorenhirn bitte oft genug. :-D

LG Barbara
 

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