Art but fair: Umfrage zu Arbeitsbedingungen

Stilblüte

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Voilà:

http://umfrage.artbutfair.org/

Es geht darum, wie man als Künstler behandelt wird, was man für Situationen antrifft, ob eine Art Gütesiegel für Veranstalter, eine Selbstverpflichtung, Gewerkschaft o.ä. die Bedingungen verbessern könnte - oder wenn nicht, warum nicht.
 
Haben wir ja nicht, ich habe die Umfrage sogar mitgemacht. Allerdings kann ich meinen Laden dicht machen, wenn ich versuche diese natürlich völlig berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Die Veranstalter von Konzertreihen lachen mich aus, wenn ich solche Forderungen stelle. Und Leute, die es für weniger machen stehen ohnehin immer Schlange. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man wandelt. Für Kultur ist leider immer weniger Geld vorhanden, das ist ein Abwärtstrend, der sich seit vielen Jahren fortsetzt. Deine Signatur drückt es unmissverständlich aus ;-)
 
Ja, ich hab auch sowas ähnliches angekreuzt. Aber auch das ist ja eine Botschaft. Man soll ja nicht angeben, dass man irgendeinen Codex einhält, sondern, ob man ihn einhält, einhalten kann, oder nicht und warum nicht etc. Mit sich daraus ergebenden entsprechenden Angaben und Zahlen kann man ja dann argumentieren.
 
Auch wenn ich das Ziel von "art but fair" nach art-gerechter Entlohnung des Künstlers ohne Einschränkung befürworte, so befremdet mich bei der Diskussion (wie auch bei dieser Umfrage), daß der Konzertveranstalter immer als Buhmann herhalten muß, der den armen Künstler ausbeutet. Gerade die nicht-subventionierte "freien Szene" funktioniert auf Seiten der Künstler und der Veranstalter vielfach nach dem Prinzip der Selbstausbeutung. Selbst wenn der Veranstalter für sich selbst keinen Gewinn erwirtschaften will (Stichwort "Gemeinnützigkeit"), so kann er dem Künstler nur das bezahlen, was das Publikum zuvor als Eintritt oder Spende gegeben hat. Das System krankt also nicht immer am "bösen" Willen des Veranstalters, sondern vor allem auch an der mangelnden Bereitschaft des Publikums, für die Kunst einen angemessenen Beitrag zu leisten.

Wohlgemerkt: ich rede hier nicht von den ausverkauften Hochglanz-Veranstaltungen, wenn Lang-Lang in der Philharmopnie spielt. Da geben die Leute gerne dreistellige Beträge aus. Aber alles, was nicht Hochglanz ist, soll wohlfeil, wohlmöglich noch "für ümmesönst" sein.

(NB: Wobei mal zu überlegen wäre, ob nicht auch der subventionierte Kulturbetrieb die Mentalität des Bildungsbürgers verdorben hat - ähnlich wie die umsonst-Mentalität im Internet. Aber das ist ein allzu weites Feld.)
 
(NB: Wobei mal zu überlegen wäre, ob nicht auch der subventionierte Kulturbetrieb die Mentalität des Bildungsbürgers verdorben hat - ähnlich wie die umsonst-Mentalität im Internet. Aber das ist ein allzu weites Feld.)

Ich weiß nicht. Zumindest in München unterscheiden sich die Eintrittspreise der subventionierten Veranstaltungen (z.B. der Münchener Philharmoniker) nicht gravierend von den Eintrittspreisen der freien Veranstalter (Winderstein, Lenz, Bell'Arte etc.). Aber die Philharmoniker können es sich weitaus besser leisten, auch mal Repertoire abseits des Mainstreams zu spielen (sie haben nämlich Abonnenten, die trotzdem kommen) oder günstige Kinder- und Jugendkonzerte anzubieten.

Bei den Gastorchestern der freien Veranstalter gibt es hier pro Saison mindestens 5 mal pro Jahr das Tschaikowsky-Konzert, 5 mal das dritte Rachmaninoff-Konzert und dazu jeweils eine Dvorak- oder Tschaikowsky-Sinfonie zu hören. Würde man die Subventionen abschaffen, wäre das in erster Linie eine Katastrophe fürs Repertoire.

LG, Mick
 
Zumindest in München unterscheiden sich die Eintrittspreise der subventionierten Veranstaltungen (z.B. der Münchener Philharmoniker) nicht gravierend von den Eintrittspreisen der freien Veranstalter (Winderstein, Lenz, Bell'Arte etc.)
Es ist aber dann so, dass sich die Preise der "Freien Szene" an denen der subventionierten Veranstalter orientieren, weil man sonst befürchten muss, Marktanteile zu verlieren aufgrund der fehlenden Bereitschaft, eben mehr für die Eintrittskarten zu bezahlen. Eine vergleichbare Konstellation erwartet diejenigen Personen, die Musikunterricht erteilen. Nicht subventionierte Anbieter (Freie Musikschulen) müssten drastisch höhere Gebühren als eine (subventionierte) städtische oder kommunale Einrichtung erheben, um in vergleichbarem Umfang kostendeckend oder gar gewinnbringend arbeiten zu können. In der Praxis trauen sich das aber allenfalls die bestens etablierten Anbieter, die es sich leisten können, manche "Kunden" wegen ungenügender "Leistungsbereitschaft" abzulehnen. Viele andere hingegen stimmen zähneknirschend prekären Arbeitsbedingungen zu, weil sie nicht noch weitere Marktanteile an jene Billiganbieter verlieren möchte, die den Job für noch weniger Geld erledigen.

Das System krankt also nicht immer am "bösen" Willen des Veranstalters, sondern vor allem auch an der mangelnden Bereitschaft des Publikums, für die Kunst einen angemessenen Beitrag zu leisten.
Eine sehr wichtige These.

Die sehr begrenzte Bereitschaft, für Kultur angemessen Geld auszugeben, findet man auch in Kreisen, die sich durchaus selbst mit dem Musizieren befassen. Da könnte ich zum wiederholten Male das Gesangvereins-Beispiel bemühen: Etablierte Chöre und Gesangvereine marschieren mit kopierten Notenblättern auf das Konzertpodium, weil man nicht bereit ist, die Notenausgaben käuflich zu erwerben. Wer wie in meinem Falle seit vielen Jahren solche Chöre leitet, kennt sehr bald die wirtschaftliche Verfassung der meisten Chormitglieder. Es handelt sich größtenteils um bürgerliche bis mehr als gutbürgerliche Kreise, die in ihrem sonstigen Leben wahrlich keine Not leiden. Einerseits aufgrund der fünften Urlaubsreise im laufenden Jahr kurz vor dem Konzert den Proben fernbleiben und wegen fünf Euro Unkostenbeteiligung bei einem auswärtigen Chorfest ein Riesengeschrei veranstalten - das passt zwar nicht zusammen, aber sehr wohl ins Bild: Es genügt die Androhung des Vereinsaustritts, damit einem keiner an die "Besitzstände" geht.

Auftraggeber sind nicht gleich Auftraggeber: Auffallend oft gestalten sich Honorarverhandlungen gerade mit zahlungskräftigen Geschäftspartnern (oft der "neureichen Sorte" zugehörig) ziemlich mühsam. Im Zweifelsfall wird dann schon mal auf die Kontakte zu preisgünstigeren Kollegen verwiesen... - denn wie heißt es in rheinischen Landen so schön: "Häwwe kütt von halde", da man ja vom Geldausgeben nicht reich wird. Und kirchlichen Auftraggebern sollte man auch nicht zu forsch begegnen, wenn man nicht an das zwanzigste Kapitel der Apostelgeschichte erinnert werden will, wonach Geben seliger denn Nehmen sei.

LG von Rheinkultur
 

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