Anschlagstechnik

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sita

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Hasenbein hat in einem anderen Thread folgenden Text zitiert:

Man bekommt einen vollen schönen Ton auch durch Hebelwirkung hin. Das ist die Anschlagsart, die ich bevorzuge. “Handgelenksschwung” nenne ich das. Ich weiß nicht, ob es dafür einen offiziellen Namen gibt. Man hält das Handgelenk recht tief und durch einen kurzen Impuls schnellt es nach oben. Durch diese Bewegung wird die Taste angeschlagen. Das Handgelenk wird sofort wieder entspannt (die Taste aber dabei nicht losgelassen).

Er hat weiter ausgeführt, dies sei "Mist".

Ich bin nun etwas verunsichert, weil ich mir durchaus auch Stellen vorspielen kann, in denen ich so wie beschrieben spiele. Sicherlich nicht bei einem Lauf. Aber eine Stelle, bei der mehrere Akkorde hintereinander gespielt werden, würde ich diese evtl. auch so ähnlich spielen. Im Detail hängt es von vielen Faktoren ab. Ist das völliger Unsinn? Ich beschreib den Vorgang mal mit meinen Worten, vielleicht liegt der Untschied nur im Detail:

Die Hand liegt entspannt mit leichtem Armgewicht auf der Klaviatur, die Finger greifen den Akkord. Durch kurzes Anspannen der Finger und einen kleinen Impuls im Handgelenk wird der Akkord gespielt, der Arm bleibt entspannt und gibt nur durch seine Massenträgheit einen Widerstand. Nach dem Anschlag werden die Finger sofort wieder entspannt, evtl. der nächste Akkord vorbereitet. In der Regel verlassen die Finger dabei leicht die Klaviatur.
 
Mein ganz spontanen Gedanken dazu:

Ich finde es immer sehr schwierig, Beschreibungen zum Anschlag, treffend und verbindlich gut zu formulieren.
Mich stört im Zitat die etwas schwammige Formulierung "recht tief", was heißt denn recht tief? Das kann bei jeder Hand, jedes Klavierspielers bisschen anders aussehen. "schnellst es nach oben", wie schnell? Impuls ist ja auch kein festgelegter Begriff, wie schnell ein Impuls sein muss. Ich kann einen Impuls geben(?) der den Ton sehr kurz und scharf klingen lässt, aber wie beschrieben einen vollen und schönen Ton (schön ist ja auch subjektiv) zu bekommen, gehört auch wieder ein bisschen mehr dazu, als reine Technik. "Durch diese Bewegung wird die Tase angeschlagen" nicht nur durch diese Bewegung...

Hast du einen Klavierlehrer? Der kann dir hoffentlich sicher anhand deines Spiels sofort sagen wie treffend und Richtig oder falsch du deine Beschreibung umsetzt oder was du daran ändern könntest. Ich finde deine Beschreibung eigentlich völlig in Ordnung, da wird es vielleicht wen geben der das ein oder andere auszusetzten hat und es werden sich vielleicht wieder die Geister scheiden, vielleicht. Denn wie du sagst liegt der Unterschied im Detail, man könnte auch noch weiter ins Detail gehen und darüber disskutieren wann welche Sehne und welches Gelenk wie aktiviert werden muss, mit welchem "Gewicht" und mit welchem "Schwung". Das fände ich persönlich, würde mir zu weit gehen, es gibt Wissenschaftler die sich damit beschäftigen, hätte aber gerad kein Beispiel. Aber es ist auch eben eine Beschreibung und da assoziiert jeder etwas bisschen anderes unter Begriffen wie Impuls, Schwung und Gewicht. Als ich das Zitat gesehen habe und so wie es geschrieben wurde, habe ich mir unter Schwung wirklich mehr Schwung vorgestellt, als es tatsächlich nötig wäre, einfach weil es mir schwer fällt solche Beschreibungen als Anleitungen oder ähnliches zu betrachten, was sie wohlmöglich garnicht sein soll. Da sollte man am Besten einen vertrauenswürdigen Klavierlehrer haben, der es einen zeigt und natürlich sollte man auch lernen sich selbst besser zu verstehen und ein Gespür für seinen Anschlag entwickeln, dabei hilft ein Lehrer ungemein. Ich glaube auch nicht, dass es eine universelle Anschlagtechnik gibt, die für jede Person gleichermaßen so umzusetzten ist, sicherlich gibt es wichtige Grundgedanken, aber jeder bringt auch etwas eigenes mit.
 
Die Hand liegt entspannt mit leichtem Armgewicht auf der Klaviatur, die Finger greifen den Akkord. Durch kurzes Anspannen der Finger und einen kleinen Impuls im Handgelenk wird der Akkord gespielt, der Arm bleibt entspannt und gibt nur durch seine Massenträgheit einen Widerstand
Genau so hat mir mein KL das Spielen mit Armgewicht erklärt. Man legt die Hand locker auf den Tisch, mit Handballen. Dann hebt man den Handballen nach oben (Impuls im Handgelenk) -> Damit hebt man den Arm an und es entsteht ein leichter Druck zwischen Fingerspitzen und Tischplatte. Macht man das auf der Tastatur, geht der Arm nicht nach oben sondern die Tasten nach unten. Das Ganze kann man auch mit einzelnen Fingern machen.

Das ist aber sicher nur eine von vielen Techniken (ich habe in 9 Monaten Unterricht bereits 3 verschiedene gezeigt bekommen...je nach Bedarf). Ich sehe das wie Chopin: Das zu beschreiben, ist schwer, schriftlich schnell missverständlich und auch sehr individuell.
 
Im Zitat wird der Eindruck erweckt, nur durch einen Handgelenksschwung würde der Ton voller und schöner. Wieso sollte das aber so sein? Und wie erreicht man überhaupt Unterschiede in Klang und Fülle?

Logische Antwort: durch den Einsatz des Armes, mit dem viel mehr Masse mit einer Vielzahl von Hebeln bewegt werden kann. Der Finger als Hebel würde niemals ausreichen, um ein lebendiges, differenziertes Klangbild zu erreichen. Mit dem Arm, dem Körper, haben wir viel mehr Masse zur Verfügung, die mit den längeren Hebeln sehr fein dosiert werden kann (mit einem langen Hebel kann man viel mehr Nuancen "zaubern" als mit einem kurzen).

Also geht es auch beim vorliegenden Ziel eines volleren Tons um den Einsatz von Armgewicht. Und das erreicht man, indem man den Arm wie bei der Kuppelstange einer Dampflok nach vorn bewegt. Da die Fingerkuppe aber an ihrem Platz bleibt, wird logischerweise der Weg verkürzt und das Handgelenk geht hoch. Der ursächliche Impuls liegt aber in der Schubbewegung des Arms aus dem Schultergelenk nach vorne und nicht in der Handgelenksbewegung nach oben! Zudem soll im Zitat das Handgelenk durch einen kurzen Impuls nach oben "schnellen" und auch noch aus einer recht tiefen Position. Ich weiß nicht, was nun "recht tief" hier sein soll, aber bewegt man das Handgelenk zu tief, gibt es eine unangenehme Spannung. Aus der normalen Spielposition reicht. Wenn man dann allerdings das Armgewicht so einsetzt, dass das Handgelenk mit einem kurzen Impuls nach oben schnellt, bedeutet das, dass die Taste recht schnell angeschlagen wird. Damit bekommt man nicht den vollen, schönen Ton hin, der hier das Ziel ist. Eher wird so eine bestimmte Form des staccato gespielt. Will man einen vollen Ton, bewegt man den Arm keinesfalls zu schnell, sondern eher langsam nach vorn, auch das Handgelenk geht dabei langsam hoch, wobei auch die innere Vorstellung eines bereits vorausgehörten vollen Tons wichtig ist.

Liebe Grüße

chiarina
 
Vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten! Ich bin nun ein bisschen beruhigter und denke erstmal nicht, dass ich etwas ganz grundsätzlich falsch mache. Ich weiß nicht, ob ich mein Spiel tatsächlich in Chiarinas Beschreibung wieder finde. Aber wie ihr schon sagt, es ist auch schwer zu beschreiben.

Ich habe einen KL, war mir aber grad nicht sicher, ob er nicht genau so einer unsinnigen Technik aufsitzt, wie es evtl. die Erstellerin des Originalzitats tut, die auch KLin ist.
 
Ich weiß nicht, ob ich mein Spiel tatsächlich in Chiarinas Beschreibung wieder finde. Aber wie ihr schon sagt, es ist auch schwer zu beschreiben.

Liebe sita,

hier siehst du die Bewegung und hörst den entsprechenden Klang:

Chopin Nocturne F Minor Op 55 F Major Op 15 Live Lisitsa - YouTube (erster Ton der Melodie, nicht verschrecken lassen von der Werbung am Anfang)

http://www.youtube.com/watch?v=tV5U8kVYS88

Rubinstein - Chopin Nocturne D-flat major, Op.27 No.2 NEW VIDEO part.3 - YouTube (auf die ersten Töne rechts achten)

Liebe Grüße

chiarina
 
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