Allgemeiner Frust - was mache ich verkehrt?

  • Ersteller des Themas Ralph_hh
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@Ralph_hh
Ich hatte meine erste Krise nach zwei Jahren. Da habe ich gemerkt, dass es ähnlich war, wie von Dir beschrieben: Ich lernte Stücke. Eins nach dem anderen. Sonst gefühlt nix. Ich habe daraufhin den KL gewechselt und dem neuen in der ersten Stunde gesagt: "Ich will nicht Stücke lernen, ich will Klavier spielen lernen." Ok, manchmal frage ich mich schon, ob das der richtige Weg war, wenn ich sehe, was hier teilweise von Leuten, die wesentlich kürzer Klavier spielen als ich, an Stücken gespielt wird.
Ich bin geneigt, einem eventuellen neuen KL genau das gleiche zu sagen. Mein alter KL hat mich Stücke lernen lassen, der Rest blieb gefühlt auf der Strecke. (naja, auch nicht alles, ich hab schon auch eine Menge gelernt...) Ich habe nur ein bisschen Angst, dass da aus Mangel an schönen Stücken die Erfolgserlebnisse fehlen, die einen bei der Stange halten...
 
Ich Erkenne da vom Notenbild auf Anhieb nichts.
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, kannst Du Harmonien auf dem Klavier als Klang und Griff wahrnehmen, aber als Punkte auf dem Papier sagen sie Dir: "Ja, hallo! Wir sind Noten, aber wir sagen Dir nicht, welche Harmonien wir sind!"
Wenn das so ist, versuche Dich mal im Schreiben.
Du nimmst einen Dreiklang und kehrst ihn um, auf dem Papier. Durch stete Wiederholung der unterschiedlichsten Harmonien, erkennst Du bald die optischen Unterschiede der verschiedenen Umkehrungen - so berühren sich alle Noten in der Grundstellung, beim Sextakkord ist zwischen zweiter und oberer Note ein Platz, beim Quartsextakkord zwischen der ersten und zweiten.
Dann spielst Du diese Freunde natürlich auch. Hast Du so etwas mal gemacht?
Wenn ich ein Stück, wie z.B. einen Chopinwalzer spiele, dann weiß ich sofort, wo ich mich befinde, nur wenn der gute Komponist durch fiese enharmonische Verwandlungen die Akkorde verschleiert, dann muss ich tiefer graben und mich fragen: Wen hat der gute Mann denn da gemeint...
 
@Ralph_hh , wenn es dir was bringt, mir geht's nicht anders. Ich bin total mies darin, Harmonien auf Anhieb zu erkennen. Das Forum ist in der Hinsicht schon ziemlich einschüchternd :blöd:
 
Möchtest Du Stücke lernen oder Klavierspielen? ;-) Da gibt es auf dem langen Weg jede Menge Erfolgserlebnisse, die nichts damit zu tun haben, ein Stück vorspielreif erarbeitet zu haben.
Erzähl mal ein bisschen, was ihr im Unterricht macht und was du übst, wenn es keine konkreten Stücke sind. Und was machst du mit dem Gelernten?
 
Erzähl mal ein bisschen, was ihr im Unterricht macht und was du übst, wenn es keine konkreten Stücke sind.
Ich übe konkrete Stücke. Aber ich übe dabei nicht nur die Stücke, sondern ich lerne auch an den Stücken.

Was wir im Unterricht so machen, ist nicht so schnell erklärt. Ich habe das hier schon gelegentlich geschrieben, vielleicht finde ich da noch einen der Beiträge, den ich dann verlinken könnte. Auf die Schnell einfach mal ein paar Stichworte ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Korrektheit oder sinnvolle Reihenfolge: Singen, Klatschen, Tanzen (verweigere ich aber meistens), nach Gehör spielen, Solmisation inkl. Handzeichen, Musiktheorie (am konkreten Stück, nie losgelöst), "Nachkomponieren", "Dirigieren", Improvisieren (gerne auch "im Dialog", dabei KL am Klavier, ich am Flügel). Musikgeschichte (auch immer am konkreten Stück, gerne auch was zur Biographie des Komponisten), Körperübungen, Übetechniken, Gehörschulung (ich bin da sooo schlecht...).

Manchmal habe ich das Gefühl, es ist eher "Musikunterricht mit Klavier" als "Klavierunterricht".

Mein KL vertritt die Ansicht, Klavierspielen lernt man nicht, indem man nur Klavier spielt.

Aber wie gesagt: Das schützt mich alles auch nicht vor Frust-Phasen in denen es gefühlt sogar rückwärts geht. Aber für nennenswerte Fortschritte übe ich auch einfach zu wenig und leider immer noch nicht konsequent so, wie ich sollte.

PS: Wir hatten diese Gespräch miteinander übrigens schon mal. ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @Ralph_hh

Ich habe ja auch vor 4 Jahren als Späteinsteiger mit 42 angefangen und kann deinen Frust gut verstehen. Ich habe praktisch diesselben Probleme: So gut wie nichts bleibt von erlernten Stücken und neue zu lernen, dauert so lange, dass kaum Zeit für Repertoirepflege bleibt. Ich übe nur so 30min jeden Tag, bin aber nicht so weit gekommen wie du, eher so bis Henle 3/4.

Ähnlich wie du habe ich aber auch den Eindruck, dass das Problem primär mentaler Natur ist und darin besteht, dass ich mich an eher zu schwere Stücke dran mache und zu wenig verstehe, was darin abläuft.

Mein aktuelles Stück ist das kleine Präludium in D-Dur von Bach. Ein wirklich schönes kleines Stück, denkt man, und das sieht von Länge und Notensatz machbar aus. Nach einer netto Übezeit von rund 8 Wochen bin ich gefrustet, weil ich zwar einzelne Passagen oder auch mal 3/4 des Stücks flüssig spielen kann und auch schön gestalten, aber nie das Ganze zweimal durchgehend "fehlerfrei". Nach so langem Üben am selben Stück ist zudem das meiste ins Muskelgedächtnis gewandert durch die vielen Wiederholungen - dann habe ich mental zwar mehr Kapazität frei, um auf die Gestaltung der Stimmen zu achten - doch wehe, ein Finger verrutscht mal und ich stehe besonders mit der linken auf der falschen Taste. Dann bin ich raus. Spiele ich dagegen das ganze Stück langsam und mit Blick auf die Noten statt nach Muskelgedächtnis, so geht das ziemlich gut und fehlerfrei, irgendwann lässt aber die hohe nötige Konzentration nach und ich mache auch Fehler (bin dann aber nicht raus, weil ich genau weiss, wo ich bin.)

Kurzum, der Aufwand/Anspruch ist offensichtlich zu gross und meine nette KL meinte nach meinem Vorspielmurks, ich solle das Stück mal "eine Weile Ruhe lassen". Das frustet natürlich, weil ich das doch können will und es nicht völlig unmöglich erscheint mit ein bisschen mehr Übung. Aber sie hat wohl völlig recht, es bringt so nix, sich daran abzumühen. Schlussendlich war es eben doch schon zu schwer und musikalisch komplex.

Gehe ich dagegen an leichtere Sachen, so merke ich durchaus, dass ich gerade auch die letzten 1-2 Jahre massive Fortschritte gemacht habe.

Letzthin habe ich mir ein altes Buch mit leichten Arrangements von Heumann hervorgenommen. Und siehe da, einige alte Stücke konnte ich schon im ersten Anlauf und langsam ganz ordentlich spielen und ich merkte, dass ich die mit 2-3h üben wohl wieder drin hätte, wo ich beim ersten Erlernen 4-6 Wochen gebraucht hatte. Und auch komplett neue Stücke gelingen schon leidlich in der ersten halben Stunde bzw. erscheinen machbar in 1-2 Wochen statt 4-6 Wochen.

Da kommen dann Hasenbeins "Chunks" ins Spiel, weil ich bei diesen leicht arrangierten Stücken viele rhythmische wie meldische Figuren sogleich erkenne... Die Standard C-Dur Arpeggios zu spielen, muss ich meiner linken Hand nicht mehr erklären und bindet kaum mentale Aufmerksamkeit.

Es geht also voran, der Frust für den trotzdem immer etwas über-ambitionierten Spätanfänger ist halt, dass man nach 4 Jahren erst leichte Heumann-Sachen gut meistern kann und nicht "leichte" Stücke von Bach.
 
Das ist die Crux: Erwachsene wollen (verständlicherweise) interessante, "erwachsene" Stücke spielen.

Da gibt es aber nur wenige, die auch einfach sind.

Einfach sind in aller Regel Anfänger- und Kinderstücke sowie doofe Simpel-Arrangements oder TEY-Gedudel. So was mag man als gebildeter Erwachsener nicht gerne hören, also mag man es auch nicht spielen.

Zwickmühle, auch für die KL!
 
Es ist nicht nur das Ohr, das leidet, sondern auch das Ego des Erwachsenen... ist für Kinder wohl musikalisch wie auch vom Ego-Anspruch her viel einfacher.
 
Ach, das zarte Ego der Erwachsenen! Früher hieß es ganz selbstverständlich: Per aspera ad astra. Heutzutage muß alles und „alles direkt“ gefallen, damit man sich auch wohlfühlt. Wer kochen lernen will, muß sich auch mit der Mühsal des Zweibelschneidens auseinandersetzen. Das ist beim Klavierspielen nicht anders.
 
Vieles, was @Tonsee und @Ralph_hh beschreiben, kenne ich aus eigener Erfahrung.
Ich brauche auch sehr lange, bis ich mir ein Stück erarbeitet habe bzw. bin ich mit Stücken, die ich im Unterricht nach Maßgabe des KL abgeschlossen habe, noch nicht zufrieden und übe immer mal wieder daran (deshalb habe ich ziemlich viele Stücke parallel in Arbeit.. das brauche ich irgendwie, das macht mir Spaß).
Ich versuche, zu ergründen, warum mir eine bestimmte Phrase nicht zufriedenstellend gelingt und komme nicht alleine dahinter (gerade mehrere Wochen ohne KL..).
Auch neige/neigte ich dazu, mir zu schwere Stücke zu suchen, die ich wieder zurückstellen musste. Diese Erfahrung finde ich aber nicht so schlecht! Wenn ich selbst merke, dass es zu schwer ist, weil ich es klanglich nicht umsetzen kann und dadurch merke, dass mir noch Technik fehlt, dann kann ich leichter akzeptieren, dass ich eben etwas leichtere Stücke suchen sollte.
Ich bin sicher, dass die lange Erarbeitung neuer Stücke bei mir auch mit falschem, sprich wenig Sinn machendem Üben zusammenhängt.
Ich versuche gerade, anders zu üben, dabei berücksichtige ich vielerlei Tipps und Anregungen aus verschiedenen Quellen: hier aus dem Foren-Archiv, Lektüre wie Kratzert und Bernstein, Franz-Titscher-Videos und - (danke ans Vorkramen kürzlich) - den sog. "Online-Chang".
Und siehe da: Es klappt besser, schneller zu klanglich und technisch passablen Teilergebnissen zu kommen!:chr03:
 

Der Vergleich mit dem Kochen ist nett, er veranschaulicht, was bei Kochen anders ist. Ich koche seit ca 30 Jahren selbst (bin 50). Ich habe ein bestimmtes Gericht Jahre nicht gekocht, ein kurzer Blick ins Rezept und los gehts. Da muss ich nicht einzeln nachlesen, wie man jetzt die Zwiebel hackt. Das gelingt mir beim Klavier nicht. Ein Blick in alte Noten und... Fehlanzeige.

Ich habe auf dem Klavier unstreitbar Riesen Fortschritte gemacht. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht, nach 4 Jahren täglich eine Stunde üben und musikalischen Vorkenntnissen. Was bei mir den Frust ausmacht, ist, dass ich nichts ... angesammelt habe. Schwer, das zu beschreiben.

Ich habe jetzt mal den Walzer h-moll von Chopin wieder rausgekramt. Den konnte ich mal gut und er ist nach zwei Tagen üben auch wieder halbwegs machbar. Aber es ist nicht so, dass ich vorgestern die Noten aufgeschlagen hätte und losgespielt hätte. Ich hab jetzt mal angefangen, das Stück ein bisschen theoretisch auseinanderzunehmen, mir all die Akkorde rauszusuchen und aufzuschreiben - h--moll, e-moll, fis-Dur... Später ist da offenbar ein kleiner Teil in a-moll und D-Dur, das werde ich mal mit dem KL analysieren, bin gespannt, was er dazu meint. Das Ding ist, zu wissen, dass da jetzt ein Fis Dur Sept Akkord kommt, hilft mir nicht spontan weiter. Da ist bei mir eher sowas wie "ah, da kommt jetzt der Akkord mit den drei schwarzen Tasten". Das Interesse, was da passiert, ist da, aber ich merke nicht, dass mir das hilft...

Immerhin merke ich, dass die meisten Akkorde da dann doch inzwischen relativ schnell als Muster erkannt werden und nicht als Einzelnoten. Allerdings erst, wenn der erste "entziffert ist", der sich dann ja oft wiederholt. Bis dann weiter im Text die Akkorde aufbauend auf dem a im Bass anfangen statt auf dem fis, da bin ich immer irritiert, weil das Bild ähnlich ist, aber eine Linie weiter oben und bei Noten wie dem g' im Bass mit all den Hilfslinien bin ich dann erstmal am stoppen und lesen.

Die Anregung, mal wieder alte, einfachere Stücke rauskramen hat mich immerhin dazu bewegt, die letzten zwei Tage mal wieder mit Freude am Instrument zu sitzen.:026:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab Angst vor der Antwort alá "Wenn Du das willst, hättest Du mit 5 anfangen müssen und jeden Tag 4 Stunden üben, die berühmten 10.000 Stunden zusammen kriegen"...

Ich habe nur ein bisschen Angst, dass da aus Mangel an schönen Stücken die Erfolgserlebnisse fehlen, die einen bei der Stange halten...

Es gibt da so einen Satz: "Angst verhindert nicht den Tod, sie verhindert das Leben!" Dass Angst durchaus ihren Sinn hat streite ich nicht ab, in diesem Zusammenhang klingt mir das jedoch mehr nach einer Flucht. Weil man vielleicht doch nicht ganz einsehen will, was weiter oben so treffend formuliert worden ist:

Es geht also voran, der Frust für den trotzdem immer etwas über-ambitionierten Spätanfänger ist halt, dass man nach 4 Jahren erst leichte Heumann-Sachen gut meistern kann und nicht "leichte" Stücke von Bach.

Ich spiele noch gar keine vier Jahre. Meine erste Motivationskrise steht noch aus (dass sie kommen wird, ist mir klar). Ich hoffe sehr, dass ich das Problem, mir zu schwere Stücke auszusuchen, das ich bis jetzt nicht hatte, auch in Zukunft nicht haben werde. Es war von Anfang an nicht mein Ziel, irgendwelche komplizierten Stücke spielen zu können. Ich fühle mich am wohlsten, wenn die Stücke so einfach sind, dass ich noch genug Konzentration dafür habe, sie schön klingen zu lassen. Auch einfache Stücke klingen schön, wenn sie mit Leichtigkeit und unverkrampft gespielt werden können. Für mich zumindest! Und lieber spiel' ich ein Stück weniger und lass' mir dafür mehr Zeit.

Die Anregung, mal wieder alte, einfachere Stücke rauskramen hat mich immerhin dazu bewegt, die letzten zwei Tage mal wieder mit Freude am Instrument zu sitzen.:026:

👍👍👍 Das ist doch schon einmal richtig toll! Und darüber hinaus ist es hilfreich, wenn man eines meiner liebsten Zitate, ja ein Lebensmotto, das hier erwähnt worden ist, wirklich verstanden hat. Es gilt für alles im Leben:


Ich wünsch' dir, dass dieser Motivationskrise ein Sprung nach vorne folgt. Denn jeder Krise kann man auch was Positives abgewinnen ... so man denn möchte!
 
Vieles, was @Tonsee und @Ralph_hh beschreiben, kenne ich aus eigener Erfahrung.
Ich brauche auch sehr lange, bis ich mir ein Stück erarbeitet habe bzw. bin ich mit Stücken, die ich im Unterricht nach Maßgabe des KL abgeschlossen habe, noch nicht zufrieden und übe immer mal wieder daran (deshalb habe ich ziemlich viele Stücke parallel in Arbeit.. das brauche ich irgendwie, das macht mir Spaß).
Ich versuche, zu ergründen, warum mir eine bestimmte Phrase nicht zufriedenstellend gelingt und komme nicht alleine dahinter (gerade mehrere Wochen ohne KL..).
Auch neige/neigte ich dazu, mir zu schwere Stücke zu suchen, die ich wieder zurückstellen musste. Diese Erfahrung finde ich aber nicht so schlecht! Wenn ich selbst merke, dass es zu schwer ist, weil ich es klanglich nicht umsetzen kann und dadurch merke, dass mir noch Technik fehlt, dann kann ich leichter akzeptieren, dass ich eben etwas leichtere Stücke suchen sollte.
Ich bin sicher, dass die lange Erarbeitung neuer Stücke bei mir auch mit falschem, sprich wenig Sinn machendem Üben zusammenhängt.
Ich versuche gerade, anders zu üben, dabei berücksichtige ich vielerlei Tipps und Anregungen aus verschiedenen Quellen: hier aus dem Foren-Archiv, Lektüre wie Kratzert und Bernstein, Franz-Titscher-Videos und - (danke ans Vorkramen kürzlich) - den sog. "Online-Chang".
Und siehe da: Es klappt besser, schneller zu klanglich und technisch passablen Teilergebnissen zu kommen!:chr03:
Zitat: 'Und siehe da: Es klappt besser, schneller zu klanglich und technisch passablen Teilergebnissen zu kommen!'

Ich finde deine Einstellung sehr gut und du wirst sicher Fortschritte machen. Viel Erfolg. Du bist auf dem richtigen Weg und wenn ein Stein zum Stolperstein wird, dann kannst ihn entweder wegkicken oder elegant ausweichen.
 
Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass das Lernen weniger effizient ist für mich, einen Späteinsteiger, als für ein Kind. Das hat nur zum Teil mit dem im Kindesalter sich schneller entwickelnden Zentralnervensystem zu tun. Laut der Wissenschaft braucht ein Erwachsener mehr Stunden im Jahr, um den gleichen Fortschritt zu erzielen, als ein Kind. Aber auch bei dem summiert sich das auf zehntausend Stunden im Jahr, will es Chancen haben auf große Bühnen und Publiken in samtenen Sesseln.

Der Späteinsteiger hat ja noch andere Beschäftigungen, Freud oder Pflicht, die seine Aufmerksamkeit fordern und das Verwehren derselben objektiv härtere Konsequenzen hätte als ne elterliche Ermahnung. Da hab ich insofern noch Glück, bei mir sind es nur andere Fächer eines autodidaktischen Musikstudiums mit selbstgebasteltem Lehrplan (Musikinformatik/-synthese, Instrumentenkunde, Musiktheorie), groß anderen Beschäftigungen neben der Erwerbsarbeit fröhn ich zur Zeit nicht.

Repertoirepflege ist mühsam, das sage ich, während sich meines auf eine Eigenkomposition beschränkt, die auf eine Seite passt. Jede Übezeit muss man neben den Hausaufgaben eben noch mit dem Repertoire zubringen. Der Anteil an der Übezeit pro Woche kann vielleicht etwas abnehmen in Abhängigkeit davon, wie gut das Stück sitzt, wie viele Fehler sich wieder einschleichen, nachdem das Stück doch mal ein, zwei Übezeiten beiseite gelegt wurde.

Frust, der stetig an der wöchentlichen Übezeit knabbert, kann auch bedingt sein durch organisatorische Rahmenbedingungen.

Mein Frust rührt daher, dass ich seit mehr als einem Jahr mit meinem Lehrer Video-Unterricht via Messenger habe. Corona hatte nur insofern daran Anteil, als es seine Schüler daran gewöhnt hatte, ohne dass es tatsächlich seine Schuld gewesen wäre. Ohne diese Eingewöhnung hätte ich wohl wahrscheinlicher gekündigt. Wie auch immer, ich war bei den gescheiterten Verhandlungen mit seinem Vermieter nicht dabei, kann seine Beteuerung, es sei nicht seine Schuld, nur so hinnehmen. Wie wohl dem Schüler so fremde Interna eigentlich nichts angehen, er muss sich nur entscheiden: Dranbleiben oder anderen Lehrer suchen. Der sich als KKL nach den hiesigen Kriterien entpuppen könnte. Da sollte man sich die Kündigung eines kompetenten Lehrers schon überlegen.

Komisch: Er sagt, via Online-Unterricht kämen wir schneller voran und er empfiehlt das weiterzuführen. Verdammt, Einspruch euer Ehren. Ich hab die durchaus nicht stabile Netzverbindung zu ihm satt, auch stört mich, dass ich mir alles selbst kopieren muss, Noten und so. Und von dem Klanggenuss, den ein akustisches Instrument mir macht, welches ich mir zu leisten nicht in der Lage war bisher, zehre ich eine ganze Woche.
 
Mein Frust rührt daher, dass ich seit mehr als einem Jahr mit meinem Lehrer Video-Unterricht via Messenger habe. [...]
Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass das Lernen weniger effizient ist für mich, einen Späteinsteiger, als für ein Kind. Das hat nur zum Teil mit dem im Kindesalter sich schneller entwickelnden Zentralnervensystem zu tun. Laut der Wissenschaft braucht ein Erwachsener mehr Stunden im Jahr, um den gleichen Fortschritt zu erzielen, als ein Kind. Aber auch bei dem summiert sich das auf zehntausend Stunden im Jahr, will es Chancen haben auf große Bühnen und Publiken in samtenen Sesseln.


Mein Frust rührt daher, dass ich seit mehr als einem Jahr mit meinem Lehrer Video-Unterricht via Messenger habe. [...]
Muß man sich auch nicht freiwillig antun. Der Lockdown ist längst vorbei...
Meine Musikschule hat auch gemeint, sie machen das jetzt online und ich hätte das jetzt mitzumachen und wenn nicht wenigstens trotzdem zu zahlen. Nunja, Vertragsänderungen bedürfen der Zustimmung beider Parteien... Ich hab das online versucht, aber das hat so gar nicht geklappt, ich kann weder den PC zum Klavier noch das Klavier zum PC tragen, mit Handy war das nichts und Latenz in der Leitung tat ihr übriges. Ich hatte dann 3 Monate gar keinen Unterricht, was ich sehr bedauert habe. Wenn Dich das so frustet, dann hör auf und such dir was anderes, bevor dir das den Spaß am Klavier gänzlich vermiest. Wäre schade drum.
Ich weiß, wovon ich spreche. ;-)
 
Naja, jetzt ist ja Licht am Ende des Tunnels, bald ist wieder Präsenzunterricht, das ist allerdings etwas verdunkelt durch Omikron.

Abgesehen von den Verbindungsabbrüchen, die vielleicht jede fünfte Unterrichtsstunde gestört haben, bin ich weitergekommen und bin gespannt, wie anders sich ein echter Flügel anfühlt, so mit Druckpunkt und Hammerschwung.
 
Laut der Wissenschaft braucht ein Erwachsener mehr Stunden im Jahr, um den gleichen Fortschritt zu erzielen, als ein Kind. Aber auch bei dem summiert sich das auf zehntausend Stunden im Jahr, will es Chancen haben auf große Bühnen und Publiken in samtenen Sesseln.


:015::konfus::denken:

Das muss sich wohl um ein Kind in einem Paralleluniversum mit anderer Zeiteinteilung handeln. :-D;-)
 
:015::konfus::denken:

Das muss sich wohl um ein Kind in einem Paralleluniversum mit anderer Zeiteinteilung handeln. :-D;-)
Ja, was kann ich dafür, dass der Tag offiziell nur vierundzwanzig Stunden hat. Will man einmal auf den Bühnen der Welt stehen, muss man eben hin und wieder auch die Uhren der Welt anhalten, ohne dass es wer merkt. Alles Faulenzer und Taugenichtse hier, Angsthasen, die sich davor fürchten, beim Rückwärtsgehen über die eignen Beine zu stolpern.¹ ;-)

Oh, dann werde ich mir den Herrn Altenmüller noch mal zu Gemüte führen. 10000h im ganzen Menschenleben waren es nicht, da war schon ne pro-Einheit dazu. Ist am Ende auch egal. Was ich sagen wollte: Was ich aus seinen Vorträgen mitnahm, war, Für einen Späteinsteiger ist es unmöglich, das versäumte aufzuholen, das Zeitfenster des Turbolernens, das für Kinder offenstand, wieder aufzureißen, nachdem es sich einmal zu ist.

Etwas Frust gehört dazu. Frust sind die Sporen unseres Ehrgeizes.


¹) Ich oute mich mal als Romantiker, auf meine Literaturvorlage hinzuweisen: Michael Endes "Momo" – auch für Erwachsene lesenswert.
 
Oh, dann werde ich mir den Herrn Altenmüller noch mal zu Gemüte führen. 10000h im ganzen Menschenleben waren es nicht, da war schon ne pro-Einheit dazu.
Die "10.000-Stunden-Regel" soll einen Eindruck vermitteln, dass angehende Profimusiker von früher Kindheit an bis zum Beginn eines Instrumentalstudiums bereits annähernd 10.000 Stunden geübt haben.
 

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