alla breve

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koelnklavier

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26. März 2007
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Hallo Jörg,

in dem Thread von .marcus. über WTK II,5 hast Du folgende Bemerkung fallen lassen:
Als Hinweis möge genügen, daß sogar noch im ersten Satz der Mondscheinsonate ("Adagio sostenuto") mit dem Alla-Breve-Zeichen nicht Halbe gemeint sind, sondern Viertel- statt Achtelgrundschlag.
Wie kommst Du zu dieser Annahme? Ich würde nie ohne Not in einem Adagio die Achtel zur Grundlage meines Pulses machen (es sei denn ich bekäme sonst Schwierigkeiten mit dem Rhythmus). Offensichtlich hast Du da einen Wissensvorsprung. ;)

Um zu erläutern, warum, müßte man einen Aufsatz schreiben über barocke und nachbarocke Notationspraxis, was eine wochenlange Arbeit wäre.
Die Mühe würde sich aber lohnen (zumindest für den Rest der musikalischen Welt).
 
Das würde ich auch gerne wissen, denn ich war auch immer fest davon ausgegangen, dass das de facto 2/2 heißen soll. Das soll aber keine Aufforderung sein, einen seitenlangen Aufsatz zu schreiben; ich denke, das kann man doch sicher auch etwas einfacher herunterbrechen, oder nicht?
 
Denn mal ein paar kurze Hinweise:
Das Zeichen der Brevis bedeutet heute eine Doppelganze. Im Englischen heißt die Ganze Note "Semibreve". So gesehen macht die Bezeichnung Allabreve für 2/2 nicht viel Sinn. Sie ist eine Übertragung alter Notation auf neuere. Diese Übertragung geschah mit immer kleineren Notenwerten, und das Zeichen "c" bedeutete ursprünglich nicht nur den 4/4-Takt, sondern auch den 2/4-Takt. Das Allabreve-Zeichen bedeutete entweder einen schnellen Zweiertakt (2/2), der dann "kleiner" Allabreve-Takt hieß, oder einen Vierertakt (4/2), der dann "großer" Allabreve-Takt hieß. Den großen Allabreve-Takt findet man gelegentlich auch noch in der Musik des 18. Jahrhunderts ("stile antico"). Was im stile antico als 4/2 notiert war, hätte man später nur noch als 4/4 mit halbierten Notenwerten notiert.
Die zunehmende Verkleinerung der Notenwerte führte zur Achtel als Grundschlag ausgerechnet in langsamen Sätzen, während schnelle Sätze meistens ja mit größeren Notenwerten notiert sind -- aber nicht immer: Man findet bei Haydn Allegro-Sätze (Violinkonzert G-dur), die Beethoven als 4/4 notiert hätte mit doppelten Notenwerten, während Haydn sie mit halben Notenwerten als Großtakt notiert, d.h. als 4/4, der als zweimal 4/8 zu denken ist. Und bei Bach findet man so manchen Kadenzschluß, der nicht hinter dem Taktstrich endet, sondern in der Taktmitte -- ein eindeutiger Hinweis darauf, daß hier nicht 4/4, sondern zweimal 4/8 zu denken ist.

Daß in langsamen Sätzen ausschließlich Viertel-Grundschlag zu denken ist, weil ein "c" davorsteht, ist (entschuldige, Wolfgang) Blödsinn. Beethoven hat der Hammerklavier-Sonate Metronom-Zahlen beigefügt, auch dem 4/4-Largo der Fugen-Einleitung. Was schreibt er vor? Viertel = xx? Achtel = xx? Nein, Sechzehntel = 76!
Und die meisten Adagio-Sätze wird man im Achtelgrundschlag denken. Die Grave-Einleitung der Pathétique ist im 4/4 notiert, aber die Schwerpunkte (Vorhalte, Harmonie-Wechsel) sind halbtaktig. Und denjenigen Spieler möchte ich sehen, der bei der 128tel-Novemole in Takt 4 in Vierteln denkt...

Nein, sicher belegen, daß Beethoven mit dem Allabreve-Zeichen Viertel-, statt Achtelgrundschlag gemeint hat, kann ich nicht. Aber anderes macht kaum Sinn.
 
Hallo Jörg,

vielen Dank für Deine umfassenden Ausführungen. Da habe ich ja am Wochenende etwas, worüber ich grübeln kann - in der Hoffnung, danach schlauer zu sein.

Liebe Grüße
Wolfgang
 

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