alla breve

Flapsig gesprochen ist es ja geradezu das Wesen der Betonung, forciert zu sein. Es gibt zwar wahrscheilich prägnantere Beispiele als die Liedzeile, aber noch einmal können wir sie wohl noch - etwas launisch - verwursten:

Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Und legt sich nicht etwa.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Keinen anderen.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Nicht etwa herauf.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Zielen kann er gut.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Den Typen neben mir kann er, scheint's, nicht leiden.)
Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß. (Glück gehabt. Am Kopf bin ich kitzlig.)

Das ist schon klar, daß die Betonung zu einer Bedeutungsverschiebung verwendet werden kann. Nur steht das ganze ja in einem Kontext und limitiert somit die Möglichkeiten.

Kommt ein Vogerl geflogen,
setzt sich nieder auf den Fuß,

ist für mich eine schlichte Aufzählung von sukzessiven Ereignissen, ebenso könnte man fortfahren mit

putzt sich das Gefieder,
und fliegt wieder weg.

Die Betonung des Fußes finde ich in diesem Zusammenhang unnatürlich.

LG, PP
 
Nach dem Keulenhieb:
d) auf dem Plattfuß :D

Nach der Revanche für den Keulenhieb...
023.gif


e) auf gar keinem mehr?! :shock:
 
So, ich versuch's noch einmal. Im wesentlichen stimmt das Ergebnis mit dem ersten Versuch überein; ein paar Details sind verlorengegangen, ein paar dazugekommen.

(...) wie es z.B. Distler bei Weihnachts- und Kirchenliedern gemacht hat.
Damit befassen wir uns dann in so 10-11 Monaten. :D

Und da ist es völlig klar, dass sich "nieder auf mein" harmonisch in der Dominante bewegt. "mein" ist sogar in diesem Kontext die None, die sich einen Ganzton tiefer in die Quinte der Tonika auflöst. Wir haben also in diesem Takt harmonisch einen Dominantseptnonenakkord und der hat eine viel höhere Spannung als die diese Spannung auflösende Tonika auf "Fuß".
Jetzt mal konkret pariert (und mich damit angreifbar gemacht, aber seis drum wenn es der Sache dient): Wenn ich aber nun das Lied nicht mit T D T - T D T unterlege, sondern in der ersten Hälfte sowas wie T S D verwende, zieht das Argument nicht mehr so. Es sind dafür noch nicht einmal großartige Verrenkungen nötig. (Sp statt S wäre auch charmant – da müßte ich noch nicht mal zusätzliche Töne erfinden. :cool:)

Ich habe derartige Varianten auch am Klavier nachvollzogen, bekam als Ergebnis lediglich Sophisterei (WWSD*): Ich kann für beide Auffassungen eine gleichermaßen plausible Version spielen, die die jeweilige Überzeugung stützt.
Vielleicht läßt sich das ja noch vertiefen, "Vogel mit Variationen" sozusagen. (Haltet mich aber bitte auf, sollte ich mich zu sehr hinreißen lassen. Spätestens wenn ich mit 'ner Zwölftonreihe unterm Arm daherkomme, ist jegliche Gewaltanwendung gerechtfertigt.:D)

Interessant ist aber, wie unterschiedlich doch offensichtlich diese Melodie gehört wird. Ich höre bei dieser Art von Musik immer das harmonische "Gerüst" mit, das von der Melodie nicht getrennt werden kann wie die zwei Seiten einer Medaille. Um zu hören, wie ich und vermutlich auch PP es hören, könntet ihr die Melodie mal mit Akkorden unterlegt spielen, vielleicht wird es dann klarer.
Hier schummelst Du aber ein wenig: Ich wollte ja gerade infragestellen, daß die Melodie die vorgegebene Harmonisierung so eindeutig erzwingt. (Also nicht: Buhuu, ich kann mir keine Harmonien vorstellen, aber ihr müßt, buhuhuu, Verständnis für mich haben und auch auf die Akkorde verzichten, jawollja! :D) Aber bloß weil da jemand ein C7 hinschreibt, muß ich das ja noch lange nicht einfach so glauben...

Interessant ist aber, wie unterschiedlich doch offensichtlich diese Melodie gehört wird.
(...)
Die Offenheit der Melodie, die ihr bei "Fuß" empfindet und weshalb ihr dort gern mehr betonen würdet, liegt also daran, dass dort die (höhere) Quinte der Tonika verwendet wird und nicht wie am Schluss der (tiefere) Grundton.
Insbesondere hier gehst Du meines Erachtens nach fehl. (Das wäre ja genau so ein Fall von "Tenorintelligenz"...Mist, keine Grinseköppe mehr...) Denn bei dieser Variantenbildung:
Leichter fällt die Betonung des -c, wenn man die Note davor abändert und nicht -d singt, sondern auf dem -g bleibt.
empfinde ich im Gegensatz zum Orignal (mit dem Sprung zum d) die (aufsteigende!) Quarte zum c ganz klar als Entspannung. Nix mit leichterfallen.

Es kann natürlich sein, daß ich hier komplett daneben liege und der armen, unschuldigen Volksliedmelodie etwas aufzwinge, das sie überhaupt nicht möchte. :grinsekoppnachwahl:




(*) What would Sokrates do?
 
Das ist schon klar, daß die Betonung zu einer Bedeutungsverschiebung verwendet werden kann. Nur steht das ganze ja in einem Kontext und limitiert somit die Möglichkeiten.

Kommt ein Vogerl geflogen,
setzt sich nieder auf den Fuß,

ist für mich eine schlichte Aufzählung von sukzessiven Ereignissen, ebenso könnte man fortfahren mit

putzt sich das Gefieder,
und fliegt wieder weg.

Die Betonung des Fußes finde ich in diesem Zusammenhang unnatürlich.

LG, PP
Ein konkreter Einwand zuerst (abgesehen davon, daß die Fortschreibungen nicht so recht in Dein unterstelltes Betonungsmuster passen wollen): Mir kommt es normalerweise eher unnatürlich vor, wenn in einem Satz gerade das betont wird, was sich aus dem Zusammenhang ergibt. (Politiker, zum Beispiel, können das ausgesprochen gut: "In Europa lebten 2011 dreitausend Kolibris, für 2012 werden zehntausend geschätzt.(*)" Sowas beschert mir geradezu körperliche Qualen.) Und daß sich ein Vogel niedersetzt, ist doch einigermaßen natürlich. (Ein größenwahnsinniger Vogel hätte sich vielleicht heraufgesetzt, aber die sich daraus ergebende Textvariante konnte offenbar keine größere Popularität erringen und spielt daher im kulturellen Gedächtnis keine Rolle mehr. :D) Das gewählte Ziel hingegen läßt sich beim besten Willen nicht aus dem vorhergehenden Text ableiten. (Ob, wie Manha meinte, die Wahl überrascht oder nicht, ist allerdings für diese Betrachtung irrelevant.)

Mein zweiter Einwand zielt etwas allgemeiner auf die Frage, wie natürlich eine Phrasierung ist, die sich durch periodische Wiederholung praktisch minimaler Muster ergibt. Das folgende Video hatte ich schon vor einigen Jahren gesehen, fiel mir aber vorhin erst wieder ein: Ira Glass on Storytelling, part 3 of 4 (Nach ca. drei Minuten wird es spannend.)
(Vielleicht wäre die Diskussion ja abgekürzt worden, hätte ich mich dessen früher entsonnen. Andererseits hätte ich mich dann wohl niemals mit der Frage beschäftigt, ob man das Lied vom Vogerl nun mit zwei oder drei Akkorden begleiten solle.)

(*) Der Satz sollte absichtlich vom Thema hinreichend entfernten Unfug beinhalten, um klar als Beispiel erkennbar zu sein. Mir ist erst nach der Niederschrift aufgefallen, daß er doch wieder von Vögeln handelt... Ich hoffe Du verzeihst die gelegentlichen Flapsig- und Unsachlichkeiten, die sich in meine Argumentation mischen. Mir geht es ganz und gar nicht darum, irgendeinen der Beteiligten zu veralbern, die Diskussion braucht aber eben auch nicht solch eine Verbissenheit entwickeln, wie mach neuralgische Themen hier im Forum.
 
Jetzt mal konkret pariert (und mich damit angreifbar gemacht, aber seis drum wenn es der Sache dient): Wenn ich aber nun das Lied nicht mit T D T - T D T unterlege, sondern in der ersten Hälfte sowas wie T S D verwende, zieht das Argument nicht mehr so. Es sind dafür noch nicht einmal großartige Verrenkungen nötig. (Sp statt S wäre auch charmant – da müßte ich noch nicht mal zusätzliche Töne erfinden. )

Ich habe derartige Varianten auch am Klavier nachvollzogen, bekam als Ergebnis lediglich Sophisterei (WWSD*): Ich kann für beide Auffassungen eine gleichermaßen plausible Version spielen, die die jeweilige Überzeugung stützt.

So, nachdem mein Besuch für heute abgesagt hat, kann es hier ein bisserl weitergehen. ;)

Das Lied, von dem wir hier sprechen ist ein Gassenhauer aus dem frühen 19. Jahrhundert, diese Art von Liedern hat ein ganz einfaches Schema und der Komponist wollte hier sicher nicht mit den Erwartungen der Zuhörer spielen. Das c'' im 4. Takt schreit geradezu nach der Tonika.

Hier noch ein Klaviersatz der dem Original des Stücks von Wenzel Müller wahrscheinlich am nächsten kommt. (Die Info, daß Müller das Lied nicht komponiert hat stimmt so nicht, es stammt zwar nicht aus dem erwähnten Singspiel, sehr wohl aber von ihm.)

Vielleicht läßt sich das ja noch vertiefen, "Vogel mit Variationen" sozusagen. (Haltet mich aber bitte auf, sollte ich mich zu sehr hinreißen lassen. Spätestens wenn ich mit 'ner Zwölftonreihe unterm Arm daherkomme, ist jegliche Gewaltanwendung gerechtfertigt.)

Kannst ja da weitermachen, wo Siegfried Ochs aufgehört hat. :D

empfinde ich im Gegensatz zum Orignal (mit dem Sprung zum d) die (aufsteigende!) Quarte zum c ganz klar als Entspannung. Nix mit leichterfallen.

Ich habe nie gesagt, daß es richtig ist, die Betonung dort zu ändern, sondern, daß es leichter fällt es so zu singen. Vielleicht hängt das ja auch damit zusammen, daß ich 7 Jahre im Einzugsgebiet von 3 Krankenhäusern gewohnt habe. :razz:

LG, PP
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ein konkreter Einwand zuerst (abgesehen davon, daß die Fortschreibungen nicht so recht in Dein unterstelltes Betonungsmuster passen wollen):

Ach das Betonungsmuster paßt schon, worauf ich hinauswollte, wenn ein Satz neutral ausgesprochen wird, ganz ohne Absicht, irgendetwas besonderes hervorheben zu wollen, wird im Deutschen normalerweise das Prädikat betont.

In der ersten Zeile, "Kommt ein Vogerl geflogen", ist bereits die Satzstellung ein Anzeichen dafür, daß das Vogerl betont wird, denn sonst würde es ja heißen "Ein Vogerl kommt geflogen" und die Betonung läge auf dem "kommen". Wenn ich im nächsten Satz "nieder" betone, hebe ich nicht hervor, daß es sich niedersetzt, sondern ich betone ganz natürlich das "nieder" als den betonten Teil des Verbes niedersetzen - es ist also die ganz neutrale Intonation eines normalen Aussagesatzes.

(Vielleicht wäre die Diskussion ja abgekürzt worden, hätte ich mich dessen früher entsonnen.

Aber nein, ganz sicher nicht! :razz:

Ich hoffe Du verzeihst die gelegentlichen Flapsig- und Unsachlichkeiten, die sich in meine Argumentation mischen.

Aber klar doch, sonst dürft' ich dich ja auch nicht mehr sekkieren! Apropos sekkieren, mein KL hat mir gestern den weiteren Umgang mit Hornisten verboten! :o :D:D

LG, PP
 
Das Lied, von dem wir hier sprechen ist ein Gassenhauer aus dem frühen 19. Jahrhundert, diese Art von Liedern hat ein ganz einfaches Schema und der Komponist wollte hier sicher nicht mit den Erwartungen der Zuhörer spielen. Das c'' im 4. Takt schreit geradezu nach der Tonika.
Da wollte ich auch gar nicht unterstellen, sondern lediglich darauf hinweisen, daß sich aus der Melodie ohne weiteres verschieden Harmonien ableiten und begründen lassen. Entscheidend ist doch, wie sich diese Varianten einordnen lassen - da führt aber ebenfalls keine der beiden Möglichkeiten in eine Sackgasse. Es kann aber sein, daß mich das c einfach nicht laut genug gerufen hat, oder ich einfach die Quittung dafür bekomme, in meinem musikalischen Leben die Gassenhauerkunde sträflich vernachlässigt zu haben. :D

Hier noch ein Klaviersatz der dem Original des Stücks von Wenzel Müller wahrscheinlich am nächsten kommt. (Die Info, daß Müller das Lied nicht komponiert hat stimmt so nicht, es stammt zwar nicht aus dem erwähnten Singspiel, sehr wohl aber von ihm.)
Vielen Dank für den Link. Es gibt da ja (abgesehen von der Tonart - sowas schockt mich nicht) ein paar Abweichungen zum Notenbeispiel, das Du anfangs verwendet hattest. Möglicherweise erlären diese auch unsere Meinungsverschiedenheiten.

Chiarina hatte ja darauf hingewiesen, sie würde das harmonische Gerüst stets (eindeutig?) mithören. Für mich motiviert die Melodie aber eben (vorerst) keine eindeutigen Harmonien. Möglicherweise sorgt Ihr für Eindeutigkeit in dem Ihr Euch entweder auf die vorgegebenen Akkordsymbole verlaßt (:twisted:), oder Eurer Kenntnis von "Struktur und Interpretation von Gassenhauern des 19. Jahrhunderts" vertraut. :D

Ansonsten bleibt nur noch, den weiteren Melodieverlauf zu verfolgen. Und da "höre" ich (wie ich schon geschrieben hatte) den Übergang von dritten zum vierten Takt in der zuerst angeführten Fassung (offenbar im Gegensatz zu Euch) als Halbschluß (S-D).
Interessanterweise findet sich im zweiten Notenbeispiel zunächst einmal kein Quintsprung am Ende des dritten Taktes, womit allein sich, wie schon beschrieben, mein "erhören" Eurer Lesart angleicht. Zudem endet in dieser Fassung die Phrase auf einem anderen Zielton, der in der Tat die Auflösung in die Tonika erzwingt. In dieser Form ist die Melodie also tatsächlich harmonisch eindeutig.

Das hatte ich nun während der ganzen Debatte erfolgreich verdrängt (auch wenn es mir durchaus bekannt war). In diese Richtung hätte ich aber auch gar nicht gehen wollen. Allerdings ist das ja immerhin ganz gut gemacht. (Vor einiger Zeit hatte ich ein Video gesehen - wahrscheinlich durch einen Link in diesem Forum -, wo der Flohwalzer mehr schlecht als recht in verschiedene Kompositionen gewürgt wurde. Da lob' ich mir doch Tom Lehrer.)

Ich habe nie gesagt, daß es richtig ist, die Betonung dort zu ändern, sondern, daß es leichter fällt es so zu singen.
Ersteres wollte ich Dir auch gar nicht unterstellen. Und daß es bei einem isolierten(!) Intervall leichter fällt, den höheren Ton stärker zu betonen als den unteren, ist auch ein relativ lange bekanntes und akzeptiertes Phänomen. Ich bin aber immer noch überzeugt, daß der melodische und harmonische Kontext dies im Einzelfall ebenfalls beeinflußt (und unter Umständen auch umkehren kann).
 
Liebe Leute,

entschuldigt bitte einen kleinen Zwischenruf:

vielleicht könnte Euere interessante Diskussion dadurch gewinnen, daß ihr die Analyseebenen ein wenig schärfer auseinanderhieltet, nämlich (1) die Informationsstruktur der Sätze (`Satzmelodie'), also Topik und Fokus. PP hat z.B. völlig recht damit, daß die invertierte Wortstellung "Kommt ein Vogerl..." den Fokus auf das Federvieh legt: es handelt sich um einen sog. `präsentativen' Satz des Typs `Es war einmal ein König und eine Königin'. Daß theoretisch andere pragmatische Strukturen möglich sind, hilft der Diskussion nicht weiter. (2) Wortakzent und Versakzent: daß beide irgendwie miteinander "harmonieren müssen" ist nichts weiter als ein Postulat, und die Geschichte der europ. Dichtung ist voll von Gegenbeispielen. (3) Melodie, Takt und Metrik. Ein populäre (`Gassenhauer') Melodie berechtigt nicht zur Annahme, daß das zugrundeliegende Metrum auch simpel sei, und das Vorliegen eines Dreivierteltakts nicht zu der Annahme, daß eine triadische metrische Struktur zugrundeliegt. Im vorliegenden Beispiel ist das Metrum nicht volkstümlich und korrespondiert nicht mit dem Takt (mehr soogi need ...;))

Grüße,

Friedrich
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

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