Akkordfrage

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11. Apr. 2007
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Hallo liebe Jazzer,

ich habe vor einiger Zeit ein ausnotiertes Jazz-Stück namens "Red Devil" angefangen und bin nun am Schluss auf einen Akkord gestoßen, der mir sehr seltsam vorkommt.
Ich komme nun aus der klassischen Ecke und frage mich, ob ich bloß kein Gespür für Jazz habe oder ob der Akkord einfach falsch notiert ist :)

Grundtonart ist As-Dur, an der abschließenden Kadenz steht folgende Progression:
Leider beherrsche ich die Jazzschreibweise nicht; ich hoffe, wir verstehen uns trotzdem ;)

Ab/C - X - bb - Es7 - Ab (das "bb" soll b-Moll heißen, wie schreibt man das richtig???)

Der Akkord X besteht nun von unten nach oben gelesen aus den Tönen: Bb-b-Ab'-d''-e'' (in klassischer Schreibweise B-h-as'-d''-e'')

Kann es sein, dass hier ein Auflösungszeichen vergessen wurde und eigentlich ein chromatischer Bassdurchgang (C-B-Bb) gedacht war?

lg marcus
 
Wie heißt denn die Akkordbezeichnung, die bei diesem Akkord steht?

B Moll kann auf verschiedene Arten geschrieben werden. Meistens schreibt man im Jazz entweder Bb- oder Bbmin. Stehen die Akkorde wirklich so da, wie du sie aufgeschrieben hast? Eigentlich steht bei Jazzakkorden immer eine 7, maj, min,dim etc. dabei. So kurz dargestellt Akkorde habe ich bis jetzt glaube ich noch nie in einem Leadsheet gesehen
 
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Hallo liebe Jazzer,

ich habe vor einiger Zeit ein ausnotiertes Jazz-Stück namens "Red Devil" angefangen und bin nun am Schluss auf einen Akkord gestoßen, der mir sehr seltsam vorkommt.
Ich komme nun aus der klassischen Ecke und frage mich, ob ich bloß kein Gespür für Jazz habe oder ob der Akkord einfach falsch notiert ist :)

Grundtonart ist As-Dur, an der abschließenden Kadenz steht folgende Progression:
Leider beherrsche ich die Jazzschreibweise nicht; ich hoffe, wir verstehen uns trotzdem ;)

Ab/C - X - bb - Es7 - Ab (das "bb" soll b-Moll heißen, wie schreibt man das richtig???)

Der Akkord X besteht nun von unten nach oben gelesen aus den Tönen: Bb-b-Ab'-d''-e'' (in klassischer Schreibweise B-h-as'-d''-e'')

Kann es sein, dass hier ein Auflösungszeichen vergessen wurde und eigentlich ein chromatischer Bassdurchgang (C-B-Bb) gedacht war?

lg marcus

Hi,

|| Ab/C Bb7b9/#11 | Bb-7 Eb7 | Abma7 etc.

wäre mein Vorschlag.

Der Akkord Bb7b9/#11 hat DD Funktion und seine Auflösung zur Dominante Eb7 wird durch einen interpolierten II-7 (in diesem Falle ist das der Akkord BeMollsieben = Bb-7) hinausgezögert.

Akkordaufbau von oben nach unten:

e'' = Tension #11
d'' = Durterz
ab' = kleine Sept
cb = Tension b9
Bb = Grundton

Die Hauptspannung des Voicings entsteht durch das b9 Intervall zwischen Grundton und Tension b9. Außerdem unterschreitet die Lage der Tension b9 das L.I.L. (=low intervall limit). Dadurch entsteht zusätzlich Spannung.
Alles andere ist "harmlos", außer dem extremen Spacing, will heißen die Gegensätzlichkeit zwischen großer Sekunde zwischen Durterz und Tension #11 in den beiden Oberstimmen und den anderen großen Intervallen in diesem Voicing. Normalerweise nennt man das "schlechtes spacing", aber es kann natürlich gerade wegen seiner "Schrägheit" so gesetzt wurden sein.

V7/V7 (alias DD) nimmt gerne auch mal MM4 anstatt Mixo als Chordscale. Der Standard "Take The A Train" hat dieser "Marotte" in Takt 5 ein Denkmal gesetzt. :D Diese Art der Chordscale-Wahl für V7/V7 kam im Be-Bop auf und hat sich seitdem vermehrt durchgesetzt.
Ein weiterer Standard der die #11 von V7/V7 im Thema hat ist "Donna Lee".

Bei dem Akkord in Deinem Beispiel kommt allerdings noch Tension b9 hinzu, insofern hier als Chordscale MM4 nicht in Betracht kommt. Hier würde man sich wohl eher für die HT-GT Scale entscheiden.

LG
Fred
 
Hallo Marcus,

ich bin zwar jazzinteressiert, habe aber nicht so wirklich viel Ahnung von der dafür erforderlichen Musiktheorie. Ich habe gerade mal in der umfangreichen Keyboardakkordtabelle meines Sohnes nachgeschaut und die von dir genannte Tonfolge als zur Tonart As-Dur gehörigen Akkord nicht gefunden.:D

Allerdings erinnere ich mich, dass es im Netz eine Seite des Barpianisten Helmut Sterr gibt, auf der ganz viel zu Jazz, Barpiano, der dazugehörigen Musiktheorie und dergleichen erklärt wird. Dort gibt es auch ein tool mit Namen virtual piano cords, mit dem man, glaube ich Akkorde identifizieren kann. Ich weiß leider (noch) nicht, wie man hier ein Linkverweis einbaut, aber suche dir mal die Seite und dann die Rubrik, unter der auf Jazzakkorde bzw. virtual piano cords verwiesen wird, dann könntest du es finden.

Ich hoffe diese "Info" ist für dich hilfreich.:p


Beste Grüße

Debbie digitalis
 
Wie heißt denn die Akkordbezeichnung, die bei diesem Akkord steht?
Das Stück ist komplett ausnotiert, deswegen gibt es keine Akkordbezeichnungen :)
Inwieweit dieses Stück ohne das essentielle Improvisationselement noch Jazz ist, lasse ich andere entscheiden.

Wenn man für b-Moll "Bb" schreibt, wie schreibt man dann für B-Dur? Ich dachte das wäre "Bb".

@Fred: Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung. Also doch ein Akkord, der wohl besonders "jazzy" ist, denn in klassischer Literatur habe ich soetwas noch nie gesehen :)
Sehr interessant finde ich auch deine Bemerkung zum L.I.L. Wieder was gelernt!

@Debbie digitalis: Danke für die Seite. Links kannst du entweder direkt in den Beitrag kopieren oder du markierst erst ein Wort/Satz/o.ä., klickst dann in der oberen Leiste auf dieses Symbol mit dem Globus und da gibst du dann die URL ein :)

lg marcus
 
@marcus. In der englischen bzw. internationalen Jazznotation gibt es kein H das heißt dort B und unser B heißt dort Bb (B flat).

Man schreib für B-Moll nicht nur Bb, sondern es muss das Minuszeichen (-), oder min, oder mi, dahinter stehen. Sonst wäre es Dur.


Falls du H-Moll gemeint hast, das würde B- bzw. Bmi, Bmin geschrieben.
Falls du B-Moll gemeint hast, das würde Bb- bzw. Bbmi, Bbmin geschrieben.

H-Dur würde B (mit Akkordzusatz z.B. maj7, 7, etc.) geschrieben
B-Dur würde Bb (mit Akkordzusatz) geschrieben.

Ich finde die englische Schreibweis auch besser. Weil sie dem Alphabeth entspricht: A, B, C, D, E, F, G.......

Schau mal hier: Akkordschreibweisen im Jazz . Auf dieser Seite kannst du sehen, welche verschiedene Schreibweisen es im Jazz für den gleichen Akkord gibt. Leider waren die Jazzer früher sehr ungenau, daher resultieren diese vielen verschiedenen Schreibweisen.

Im Jazz hast du es eigentlich immer mit mindestens einem 4-Klang zu tun, also bis zur 7. Die 9/11/13 geben dem Akkord noch eine bestimmte Färbung oder Reibung, die sehr interessant und ungewöhnlich sein kann.


Mir ist noch was eingefallen. Aebersold Jazz Info Das ist die Seite von Aebersold. Wenn du oben in der blauen Leiste auf "Free Jazz" gehst, öffnet sich ein Auswahlmenü mit jeder Menge Information zu Jazz Theorie und Praxis. Da sind richtig gute PDF Files bei, wo viel Wissen gebündelt zusammen getragen wurde. Ist allerdings alles in englisch.
 
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Sehr interessant finde ich auch deine Bemerkung zum L.I.L. Wieder was gelernt!
Hi,
dabei ist mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe mich in diesem Moment in der Oktave geirrt. Tb9 kann bis zum kleinen f noch durchaus transparent klingen. Es ist also kein L.I.L. Verstoss in diesem Voicing.
Dass Tension b9 in diesem Voicing in tieferer Lage als die beiden Guidetones ab und d zu liegen kommt, ist allerdings ungewöhnlich.

Zur Tonbezeichnung der 3 Be`s in englisch bb, b# oder b wäre zu sagen:
Don`t be flat, don`t be sharp, just be natural. ;)

@ Hi Mos,

der Vierklang ist nicht Grundvoraussetzung in der Jazzharmonik. Dreiklänge, diese vor allem auch in ihren Umkehrungen, haben ebenso Anwendung.
 
Hi,
dabei ist mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe mich in diesem Moment in der Oktave geirrt. Tb9 kann bis zum kleinen f noch durchaus transparent klingen. Es ist also kein L.I.L. Verstoss in diesem Voicing.
Dass Tension b9 in diesem Voicing in tieferer Lage als die beiden Guidetones ab und d zu liegen kommt, ist allerdings ungewöhnlich.
Inwiefern ist denn das L.I.L. festgelegt? Also gibt es da richtige Tabellen oder ist eine Sache, die jeder Jazzer einfach durch Erfahrung im Ohr hat?

Meinst du mit "bis zum kleinen f" z.b. das Intervall E-f ? Also das kleine f als höchsten Ton?

lg marcus
 
Inwiefern ist denn das L.I.L. festgelegt? Also gibt es da richtige Tabellen oder ist eine Sache, die jeder Jazzer einfach durch Erfahrung im Ohr hat?

Das hat rein akkustische Gründe.
Was denkst Du, wie tief kann eine Dur-Terz noch verständlich klingen? Ist A c# der Grenzpunkt? Da gibt es eine Grenze nach unten für alle Intervalle außer Prime und Oktave. Die Quinte verträgt auch rechte tiefe Lagen.
Sicher ist die Grenze schwimmend und Instrumentation kann da auch eventuell mit einwirken.
Es geht dabei vor allem um Transparenz. In modernen Jazz-Arragements wird oft bewußt gegen L.I.L. verstoßen, um so einen speziellen Effekt zu erzielen.


Meinst du mit "bis zum kleinen f" z.b. das Intervall E-f ? Also das kleine f als höchsten Ton?
Ja genau.
 

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