Hallo,
ich habe Schüler, die sich als Anfänger einige Monate alleine Stücke mittels Youtube-Tutorials angelernt haben.
Jetzt ist die Frage: wie soll man mit denen weitermachen? Sie können leider weder Notenlesen noch sonst was. Bei Anfängerstücken sind sie schnell frustriert, schwerere Sachen sind sie nicht in der Lage zu spielen.
Gruß, Flip
Lieber Flip,
ich würde mit ihnen als Erstes ein Gespräch führen ( das hast du sicher schon gemacht, aber ich weiß ja nicht, wie). Da muss es m.E. darum gehen, welche Ziele sie haben, was sie wollen und
warum sie sich bei dir angemeldet haben.
Wollen sie überhaupt Noten lernen und fähig sein, Stücke auch ohne visuelle oder auditive Vorgabe zu erlernen oder reicht es ihnen, so weiter zu machen wie vorher und nur ein paar technische Grundlagen zu bekommen. Welche Richtung wollen sie spielen, Rock/Pop oder Klassik etc.? Möchten sie das Instrument beherrschen lernen, also auch Übungen machen, wieviel Zeit wollen sie täglich etwa investieren?
Die Grundfrage ist also: wollen sie wirklich lernen, was du ihnen anbietest oder meinen nur die Elten, sie müssten das lernen etc. etc.?
Man muss ja nicht Noten lesen lernen, man kann ja auch munter weiter so machen wie vorher. Dann aber nochmals die Frage: warum sind sie zu dir gekommen? Was wollen sie bei dir lernen?
Erst wenn diese Frage gründlich geklärt ist ( vielleicht müssen sich auch die Schüler darüber erst mal Gedanken machen :p ), kann man reagieren und gegebenfalls Kompromisse finden.
Ich verwende zum Notenlesen immer einen "Notenturm" ( so nenne ich ihn). Ich meine nämlich, dass man nicht sofort alle Noten können muss, sondern erst mal Orientierungsnoten reichen. Das sind für mich im Violinschlüssel die c1,c2,c3, die sich freundlicherweise im Bassschlüssel in c1,c,C spiegeln. Dann nehme ich noch im Violinschlüssel (G-Schlüssel) die g1 und g2, die sich wiederum im Bassschlüssel (F-Schlüssel) in f,F spiegeln. Das geht meist ruckzuck und so muss man nicht mir irgendwelchen Totalanfängerstückchen mit beiden Daumen auf c1 anfangen (ich nehme ja auch an, die Schüler sind schon in etwas jugendlicherem Alter).
Die Auswahl der Stücke richtet sich dann danach, welche Richtung sie spielen wollen. Am besten leichte Stücke, die nach was klingen und recht einfach strukturiert sind. Wenn sie tatsächlich in die klassische Richtung gehen wollten, woran ich aber meine Zweifel habe, könnte man auch Kabalewski op. 39, "Leichte Stücke für Kinder" nehmen. Keine Klavierschule, meine ich.
Improvisation, vierhändig spielen, kleine Kompositionen aufschreiben, eventuell sogar zwei von denen in einem Teil der Stunde zusammen unterrichten, können motivieren. Vielleicht auch, dass sie sich die Stücke, die sie auf YT sich beigebracht haben, mal als Notenbild anschauen (Gestalten erkennen, vom Groben ins Feine). Auch klare Abmachungen, z.B. dass man mal zwei Wochen durchhält, jeden Tag übt und dann mal schaut, können sinnvoll sein.
Wenn die aber nicht wollen, kann man nichts machen.
Liebe Grüße
chiarina