Wiedereingliederungsstunde

Stilblüte

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Liebe Clavios,folgendes:

Ich habe einen erwachsenen Klavierschüler, einst sehr motiviert, doch dann ging die Stilblüte ein Jahr ins Ausland und unterdessen ist er ein bisschen versumpft, weil der Ersatzlehrer nicht genehm war...:floet:
Er hat jetzt über den Sommer gar nicht gespielt und ist in seinem ersten "Tief", und nächsten Montag hab ich ihn zu einer Klavierstunde überredet. Er möchte natürlich auch gerne weitermachen, hat nur im Moment nicht so die Motivation.
Die Überlegung ist nun, was ich am besten mit ihm in dieser Stunde mache. Ich dachte an einen Mix aus allem, um sich wieder zu aklimatisieren. Ein paar alte Stücke spielen, ein bisschen pentatonisch improvisieren, ein bisschen Gehörbildung (was einfaches, was er noch können müsste), vielleicht spiel ich ihm was vor, eventuell ein paar Fingerübungen, die wir uns ausdenken?
Sonst noch Ideen?

besten Gruß, Stilblüte
 
Liebe Blüte,

es ist nicht ganz einfach, ohne deinen Schüler zu kennen, die Frage zu beantworten, aber es kann viel Spaß machen, vierhändig vom Blatt zu spielen. Ich weiß nicht, wie fortgeschritten dein Schüler ist, aber es gibt ja sehr leichte Literatur im 5-Ton-Raum, die schön klingt. Um wieder rein zu kommen, könnte ein Bestandteil auch grundsätzlich das Blattspiel sein. Dabei wiederholt man von selbst Notenlesen, Rhythmus ... und hat schnell Erfolge. Improvisationen können mit Ostinati u.ä. auch abseits von Pentatonik gut klingen, wobei man auch zu zweit improvisieren kann. Dann sollte aber auch ein Stück, dass seinen Geschmack genau trifft und leichter ist als sein letztes bei dir, nicht fehlen (wobei es sein kann, dass er vielleicht momentan noch keins erarbeiten will) . Am besten eines, dass mit wenig Arbeit schon gut klingt und bei dem Erfolge schnell hörbar sind. Lass ihn, wenn er das will, eines aussuchen aus einer von dir vorab getroffenen Auswahl. Das entsprechende Stück könnte man dann auf verschiedene Weise einführen ( improvisatorisch, er könnte Strukturen erkennen, die Entwicklung beschreiben .... ). Du kannst auch gezielt mit ihm üben, um ihm diese mögliche Hürde zu erleichtern. Wichtig ist abzuklären, was vergessen wurde, und diese Lücken zu schließen.

Ich nehme an, ihr habt schon über seine Frustration gesprochen, wenn nicht, frage ihn, wie es ihm im letzten Jahr ergangen ist, wieso seine Motivation im Keller ist und was er sich wünscht. Höre ihm zu und mache ihm, falls er aufhören will, den Vorschlag, dem Klavierspiel mal vier Wochen eine Chance zu geben. Aufhören kann er immer noch. :p Hab also einen ganzen Topf an Möglichkeiten parat, achte aber sehr auf ihn und überfrachte die Stunde nicht - vielleicht braucht er auch erst mal dich, um Dampf abzulassen. Versuche, mit ihm gemeinsam herauszufinden, was er möchte, und ermuntere ihn, es einfach zu probieren, ohne sich unter Druck zu setzen und morsdmäßig was von sich zu erwarten.

Wie die Stunde verlaufen wird, kannst du im Vorfeld nicht planen, sondern das wird von dem bestimmt, wie dein Schüler sich verhält, was und welche Wünsche er äußert. Der Topf an Möglichkeiten kann aber, wie gesagt, schön gefüllt sein und du selbst hast ja schon schöne Ideen genannt.

Viel Glück und liebe Grüße

chiarina
 
Er hat jetzt über den Sommer gar nicht gespielt und ist in seinem ersten "Tief", und nächsten Montag hab ich ihn zu einer Klavierstunde überredet. Er möchte natürlich auch gerne weitermachen, hat nur im Moment nicht so die Motivation.
Sowohl Deine als auch chiarinas Überlegungen können durchaus wieder Interesse und Motivation wecken. Gerne bleibe ich aber zunächst beim Grundsätzlichen: Du schreibst, er habe "über den Sommer gar nicht gespielt", also wochenlang keine Taste mehr angerührt. Womit hat er sich dann stattdessen beschäftigt? Denn irgendwie muss er die vielen Stunden ja ausgefüllt haben. Der Schüler war "einst sehr motiviert"? Dann braucht man als Lehrkraft nur ausfindig zu machen, was in ihm seinerzeit die nötige Motivation geweckt hat. Wenn der "Ersatzlehrer nicht genehm" war, kann das fachliche oder persönliche Gründe haben - oder eine Kombination aus beidem. Hat sich die Interessenlage des Schülers gewandelt? Möchte er eigentlich andere Literatur spielen und die Lehrkraft stößt vermittlungstechnisch an ihre Grenzen?

Fragen über Fragen, weil eine Ferndiagnose eben recht vermessen ist, solange man den Schüler gar nicht persönlich kennt. Eine Anregung abschließend: Keine Scheu vor neuen Aufgabenstellungen. Viele Motivationskrisen beruhen darauf, sich auf abgespielte und langweilig gewordene Standardliteratur zu beschränken. Als Chorleiter kann ich von solchen Erfahrungen geradezu ein Lied singen - wer da kein Motivationskünstler ist...!

LG und frohes Schaffen wünscht
Rheinkultur
 
Hallo Stilblüte, ich würde wahrscheinlich eine Generalwiederholung machen, von vorn, bis etwa zu dem Punkt, wo er zuletzt war. Die anfänglichen Übungen werden noch klappen, das allein motiviert vielleicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass im Prinzip motivierte Schüler durch ihr Vergessen und Nachlassen in Pausenzeiten Motivation einbüßen. Sie haben Frustrationen durch Lücken: also alles komprimiert wiederholen in den ersten Wochen. Dazu Fingerübungen, versteht sich. Um die nicht groß üben zu müssen, ruhig welche aus Hanon Nr. 1-20. Dann würde ich nochmals danach fragen, was er spielen möchte, welches Genre. Sollte er von der Klassik abrücken wollen, bieten sich ja dann die Hefte von Marta Mier an, die schnell zum Erfolg führen und didaktisch-methodisch nicht schlecht durchdacht sind, vor allem bei den Bänden"Jazz, Rag und Blues". Und wenn dort der Überdruss entsteht, kann man auch wieder Klassik unterrichten, ...;-)
 
;-) ja, ja, an Hanon scheiden sich die Geister, die unendliche Diskussion...nehmen wir Hanon als Platzhalter für jedewede Fingerübungen, die Geläufigkeit fördern.
Ich warte jetzt nur auf den Rat, die musikalische Dimension gleich zu integrieren, und doch eher die Revolutionsetüde einzusetzen...;-)
 
Die "Geläufigkeit", wie Du sie zu nennen beliebst, wird nicht durch "Fingerübungen" gefördert.
 
;-) ja, ja, an Hanon scheiden sich die Geister, die unendliche Diskussion...nehmen wir Hanon als Platzhalter für jedewede Fingerübungen, die Geläufigkeit fördern.
Ich warte jetzt nur auf den Rat, die musikalische Dimension gleich zu integrieren, und doch eher die Revolutionsetüde einzusetzen...;-)

Och gott, da gibts sicher welche, die diese Hanon, Czerny usw. - Etüden nicht mögen. Zumindest auf Wikipedia. ( Sie mögen auch andere Dinge nicht, wie man entnehmen könnte, falls Wiki-Text den Tatsachen entspräche. Da muss man ja immer vorsichtig sein. ) Gegen die Revolutionsetüde haben diese Leute aber sicher nichts ;) ...

Zitat aus Walter Gieseking :

Grundlage von Giesekings Technik war die von Karl Leimer entwickelte und von Gieseking weiter ausgebaute Methode („Leimer-Gieseking“). Merkmale dieser Methode sind: Relaxation (Entspannung der Muskeln), Gedächtnistraining durch Lernen des Notentextes ohne Instrument, Erziehung des Gehörs durch höchste Konzentration beim Üben, Verbannung von geistlosem Drill und unbedingtes Festhalten an der Notation. Einbeziehen des gesamten Armes beim Spiel (Gewichtsspiel), aber auch konventionelle Ausbildung der Finger, allerdings ohne die in der älteren Klaviermethodik oft zu beobachtende Starrheit und Verkrampfung. Technik wird nur in Verbindung mit dem Studium von Originalwerken entwickelt, also keine eigenen Fingerübungen bzw. Etüden. Einzelheiten im Technischen: Unterarmrollung statt Daumenuntersatz bei Tonleitern und gebrochenen Akkorden, Verzicht auf Fingerwechsel bei repetierten Noten.

;) LG, Olli !
 
Also, lustigerweise hat meine Vorgängerin dem Schüler Hanon kopiert :D Und er fands doof. Von mir aus wäre ich darauf auch nie gekommen. Wenn ein Schüler das aber unbedingt machen wollte, würd ichs auch mit ihm versuchen. Man kann daran schon etwas lernen, wenn man richtig übt, z.B. echtes Legatospiel (wenn man sie sehr langsam spielt), Differenzierung zw. rechts und links, Gleichmäßigkeit und so weiter. Allerdings braucht man dazu kein Hanon, das kann man überall lernen, und bei Hanon ists halt zufällig grad besonders langweilig.

Heute war die zweite Stunde. Er hat also gleich weiteren Klavierunterricht gewollt :)
In der letzten Stunde haben wir erst ein bisschen erzählt, über alles mögliche und auch den Klavierunterricht, wir haben (einfache) Gehörbildung gemacht, Terzen, Oktaven und Septimen hören, wir haben vierhändig auf schwarzen Tasten improvisiert und ein paar seiner alten Stücke angespielt und etwas damit gearbeitet, die er selbst schonmal wieder angeschaut hatte. Dann gabs noch schön Hausaufgaben, sonst weiß man ja nichts mit sich anzufangen.

Heute: Ca. eine halbe Stunde lang nach Gehör etwas vorspielen / nachspielen, was dann zu einem kleinen Achttakter ergänzt wurde, den er dann am Ende spielen konnte (C-Dur Fünftonraum, war schwer genug). Dann gabs den Auftrag, das ganze mit links mit c1 und g, später h zu begleiten. Er hat rausgefunden, wie!
((Da fällt mir ein - am Schluss der Stunde wollte ich ihn nochmal fragen, ob er das Stück noch im Ohr und den Fingern hat. Vergessen...tja))
Danach ganz normaler Unterricht mit verschiedenen Stücken, Vorbereitung neues Stück usw.
Ich denk, ich hab ihn wieder und er sich auch.
 

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