Wie alles begann und Fragen zu einem Trautwein Oberdämpfer

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squroot12

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16. Okt. 2011
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Hallo zusammen,

Alles fing letzes Jahr mit einem wenig gespielten Pfeiffer Klavier Bj. ca. 1925-1928 an, das als Geschenk an den Verein meiner Mutter von einem Klavierbauer gestimmt und spielbar gemacht werden sollte.
Daraus wurde aber nichts, da die veranschlagten Kosten von anfänglich 400 Euro immer weiter nach oben korrigiert wurden und endlich auf 2400 Euro stiegen, nachdem die Mechanik zur Begutachtung ausgebaut war und die Liste der als nötig erachteten Reperaturmaßnahmen auf eine Komplettüberholung (das ganze Programm) hinauslief.
Der Verein winkte ab, weil sich schon ein E-Piano als Dauerleihgabe eingefunden hatte.

So kam das auf 250 Euro geschätze Stück schwergängig und verstimmt in meine Hände,- also in die eines kompletten Laien in Sachen Klavierbau und Klavierspiel.

Spätestens aber als das Klavier mit der Stimmsoftware TuneIt in mehreren Durchgängen auf einen Kammerton von 432 Hz gestimmt war, und die Mechanik laienhaft, nämlich durch andauerndes Bewegen aller beweglichen Teile wieder spielbar gemacht war, war ich von dem Klang nur noch begeistert und verbrachte viele Stunden an den Tasten.

Intonation und Regulation waren Begriffe, die ich noch gar nicht kannte. Deren Kenntnis war, von den schwergängigen Achsen einmal abgesehen, bei dem ansonsten soliden Zustand des Pfeiffers auch nicht weiter notwendig.
Dämpfer und Hammerköpfe waren entgegen der Ansage des Klavierbauers in Ordnung.
Genausowenig mussten Stimmwirbel ersetzt werden. Es hält die Stimmung.


In Gestalt eines alten Trautwein Oberdämpfers , Bj. ca. 1890, bot sich nun vor einigen Wochen, die Gelegenheit, Klavier zu spielen, auch ohne Elternbesuch.
Wie alt das Stück war und dass es ein Oberdämpfer war, sah ich bei der Besichtigung.
Die einschlägige Meinung zum Oberdämpfer war mir bekannt.
Trotzdem konnte ich nicht nein sagen.
Vielleicht war es der Klavierentzug. Jedenfalls reizte es mich , und es war nicht zuletzt der Klang, der mir positiv auffiel. Viel Nachhall zwar, aber voll und rund. Wie ein richtiges Klavier, nicht das, was man als Oberdämpfersound im Netz hören kann.

Der momentane Zustand ist so, dass es eigeschränkt spielbar ist.
Gestimmt wird es wöchentlich auf 432Hz ;)
Die Hämmer wurden justiert , so dass sie die Saiten voll treffen.
Die vorgefundenen Dämpfer wurden belassen, ausgerichtet und justiert. Wahrscheinlich könnte neuer Dämpferfilz die Dämpfung verstärken.
Die stellenweise abgeplatteten Hammerköpfe wurden abgezogen und, weil ich den samtigen Klang des Pfeiffers im Ohr hatte, mit der Nadel vorsichtig nachintoniert. Lieber zuwenig als zuviel.
Die Mechanik ist leichtgängig, stellenweise mit allzuviel Achsspiel, dem mit einer Neuachsung nachgegangen werden könnte. Auch an den vielgespielten Tasten könnte neu garniert werden.

Das größte Manko zur Zeit aber ist, wie kaum anders zu erwarten, die Stimmhaltung.
Der Stimmstock ist im Kern wohl aus Rotbuche, hinten mit dem Rahmen, vorn mit einer 7,5mm dünnen Schicht einer anderen Holzart quer verleimt.
An dieser vorderen Aufleimung konnte ich nach Absprengung des Deckels am oberen Rand des Stimmstocks eine schräge, ca. 10cm lange, maximal 3mm weite Ablösung feststellen, die inzwischen mit kaltflüssigem Hautleim behoben wurde.
Das hat den Wirbelsitz in diesem Bereich immerhin verbessert.
10 der Wirbel, die sich besonders leicht verstimmten wurden testweise durch solche ersetzt, die 0,1mm stärker sind. Das bringt eine spürbare Verbesserung.

Bevor ich aber damit voreilig weitermache, stellen sich mir einige Fragen:

Die Wackelkandidaten unter den Wirbeln scheinen in einer Bohrung zu sitzen, die in der ein oder ander Form, gelegentlich leicht oval, aufgeweitet ist. An verborgene Risse im Stimmstock will ich dabei erst einmal gar nicht denken.
Die Wirbel sind unter den Saitenzug jedenfalls nicht gekippt.

- Müsste man nun nicht erst einmal für ein zylindrisches neues Bohrloch sorgen ?
Das Übermaß des neuen Stimmwirbels würde sich dann nach diesem Bohrdurchmesser richten nicht nach der Dicke des alten Wirbels.
- Wie groß sollte das Übermaß gewählt werden?
- Würde es unabhängig davon Sinn machen, das alte Bohrloch tiefer bis ins hinter den Stimmstock liegende Weichholz zu bohren und entsprechend längere Wirbel einzuschlagen ? Besserer Hebel, mehr Reibung ergo bessere Simmhaltung.
Dies auch im Hinblick auf etwaige verborgene Risse.

Eine ander Sorge betrifft die Besaitung.
Natürlich könnte man einen Wirbeltausch mit einer Neubesaitung kombinieren, wenn man denn wüsste, dass am Ende ein stimmhaltiges Klavier zustande kommt.
Auch ohne Umsaitung stellt sich mir die Frage nach einem Saitenersatz, falls doch einmal eine Saite bricht.
Kann man die Saiten dieses Uraltklaviers durch modernen Draht der gleichen Stärke einfach ersetzen? Oder sollte es so etwas wie Pure Sound sein?
Wo kann man überhaupt Klaviersaiten nicht kiloweise sondern als Meterware beziehen?
Der örtliche Klavierbauer hier hat meine Nachfragen beim Tag der offenen Werkstatt mit der Antwort quittiert, dass Klavierbauerer nicht umsonst in dreieinhalb Jahren gelernt werden muss.
Also da eher nicht.

Besten Dank im voraus,

Georg
 
... Der örtliche Klavierbauer hier hat meine Nachfragen beim Tag der offenen Werkstatt mit der Antwort quittiert ...

Hallo Georg, willkommen hier!
Dann frag doch andere... na, tust du ja gerade. Offensichtlich hasst du dir reichlich Kenntnisse angeeignet. Also nur Mut, hier gibt es einige Selbermacher!

Gleich werden sich bestimmt viele hier melden und nach und nach alle deine Fragen beantworten.

Gruß
Martin
 
Das größte Manko zur Zeit aber ist, wie kaum anders zu erwarten, die Stimmhaltung.
Der Stimmstock ist im Kern wohl aus Rotbuche, hinten mit dem Rahmen, vorn mit einer 7,5mm dünnen Schicht einer anderen Holzart quer verleimt.
An dieser vorderen Aufleimung konnte ich nach Absprengung des Deckels am oberen Rand des Stimmstocks eine schräge, ca. 10cm lange, maximal 3mm weite Ablösung feststellen, die inzwischen mit kaltflüssigem Hautleim behoben wurde.
Das hat den Wirbelsitz in diesem Bereich immerhin verbessert.
10 der Wirbel, die sich besonders leicht verstimmten wurden testweise durch solche ersetzt, die 0,1mm stärker sind. Das bringt eine spürbare Verbesserung.

Georg

Hallo Georg,

kannst du vielleicht einmal ein paar Bilder von dem Klavier und insbesondere der Schäden einstellen?

LG
Patrick
 
Hallo Georg,

kannst du vielleicht einmal ein paar Bilder von dem Klavier und insbesondere der Schäden einstellen?

LG
Patrick

Zufällig gibt es noch ein Bild vom alten Zustand, mit dem ich mir gelegentlich einen Rat beim Klavierbauer holen wollte.
vor-der-Leimung.jpg

Da mit Hautleim zu leimen war und alles reversibel war, entschloss ich mich aber kurzerhand für einen minimal invasiven Reparaturversuch ohne die Wirbel auszubauen. Die gründliche Variante hätte ja bedeutet, dass vorerst nicht mehr gespielt hätte werden können. Vorerst oder auf länger.
Deswegen wurde die Druckplatte hergestellt, unter die vor dem Zusammenzwingen noch schmale Vierkantholzstreifen mit Aussparungen für die Saiten gelegt wurden.
Der auch in kaltem Zustand flüssige Leim wurde vor den Einfüllen in den Spalt noch erwärmt, um ihn dünnflüssiger zu machen.


Anpressplatte.jpg

Natürlich hätte es mich schon interessiert, wie der Stimmstock hinter der Verleimung aussieht. Die Leimung selbst scheint ganz gut zu halten.
Die alten Wirbel wurden irgendwann, warum auch immer mit Silberbronze, wie man es für Ofenrohre kennt, eingepinselt. Die blauen Punkte markieren die nächsten Wechselkandidaten.

nach-der-Leimung.jpg

Die selbe Stelle nach der Leimung. Man sieht auch einige der probeweise neu eingeschlagenen Wirbel.
Die Wirbel in der Leimungszone halten jetzt erstaunlich gut. Sie sind zwar mit dem Leim in Berührung gekommen, lassen sich aber alle mit einem kurzen Knacken losdrehen.
Vielleicht ist dieser Leim ja der einzig wahre Wirbelfestiger.;)
Einen Versuch wird es wert sein.

Schönen Abend,
Georg
 

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