Was macht musikalisch reicher, ein Komponist oder ein Interpret zu sein

Aleko

Aleko

Dabei seit
15. Jan. 2010
Beiträge
583
Reaktionen
33
Hallo,
Ich beschäftige mich seit kurzem mit Komponieren einer einfachen Sonatine. Während des Prozesses wird immer deutlicher, wie unfähig ich eigentlich im Vergleich zu den großen Genies bin. Natürlich ist es erst mein zweiter Komponierversuch und ich beschäftige mich mit der Musik erst seit cirka 2 Jahren, dennoch ahne ich langsam, dass ich wohl kein genialer Komponist bin :) - ich könnte fast heulen an dieser Stelle, ehrlich. Aber eventuell tut sich noch was...

Und da stellt sich natürlich die Frage, ob ein Komponist zu sein aus musikalischer Sicht wirklich das Non Plus Ultra ist. Schließlich beschäftigt sich ein Komponist die meiste Zeit mit seinen Kompositionen und hat viel weniger Möglichkeiten die genialen Schöpfungen anderer Kollegen zu erforschen. Ein Pianist (oder sagen wir mal ein Interpret) ist da viel freier und erlebt dementsprechend auch viel mehr.

Ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt, das Thema ist nicht so leicht in Worte zu fassen. Also ganz konkret gefragt: Horowitz oder Beethoven? Wer hat musikalisch mehr erlebt, wessen musikalische Welt war reicher, vollkommener? Ist es aus musikalischer Sicht vollkommener Horowitz oder Beethoven gewesen zu sein (von Taubheit etc. natürlich abgesehen).

Gruß
 
hallo,

ich glaube nicht, dass sich Deine Frage beantworten lässt.

Aber ich bin sicher, dass die Komponisten sich immer mit den Werken ihrer Vorgänger und Zeitgenossen auseinandergesetzt haben, dass sie darin also gegenüber den Interpreten keinen Kenntnismangel hatten (Chopin schriebt doch: "man muss unendlich viel studieren" - und mit viel meinte er Musik)

Also nur eine salomonische Antwort:
am besten hatten es vielleicht die, die beides waren - z.B. Liszt (Komponist und Pianist)

Gruß, Rolf
 
--- Was ist besser, Apfel oder Birne? :mrgreen:

Das ist ja so ähnlich, wie wenn du fragst obs besser ist, Architekt oder Dekorateur zu sein... ein leeres Haus interessiert keinen, da will keiner Einziehen, selbst wenn der Architekt noch so tolle Ideen im Kopf hat. Aber ein Dekorateur hat natürlich nicts zu tun, wenns kein Zimmer zum dekorieren gib.
Oder vergleichen wirs mit einem Film - ohne Drehbuch kein Film, aber ohne Schauspieler auch kein Film!!
Ein Komponist ist nichts bzw. hat nichts, wenn seine Musik nicht aufgeführt wird, sie muss also in irgendeiner Weise publikumstauglich sein.

Es ist natürlich bewundernswert, wenn ein Herr Bach vielstimmige Fugen komponiert, die sowas von "mathematisch bewundernswert" sind und selbst bei mangelndem Verständnis einfach toll klingen, oder wenn ein Herr Chopin oder Rachmaninov oder Schubert uns in musikalische und menschliche Abgründe blicken lässt, die man mit anderen Medien nie erfassen könnte.
Aber wems nicht gegeben ist, dem ists nunmal nicht gegeben, der muss sich mit "Sonatinen" wie du schreibst begnügen, und das ist eher die Mehrheit.
Ein Pianist verdient aber auch große Bewunderung, wenn er wirklich im Stande ist, den Inhalt, die Aussage, Intention der Musik bis ins letzte zu durchdringen einerseits und es auch noch zu schaffen, dies dem Publikum durch die Spielweise verständlich zu machen andererseits.
Denn es braucht dafür schon ein großes musikalisches Verständnis, Hintergrundwissen und so weiter, aus einem Notentext dieses unendlich viel mehr an Inhalt logisch herauszulesen, als drinsteht.
Die meisten Leser mussten vermutlich in der Schule mal ein Gedicht analysieren, und vor allem bei manchen expressionistischen GEdichten oder noch verrückteren Epochen (Dadaismus und was es da so feines gibt) ist das ab und zu echt schwierig.
Als beispiel sei mal die Todesfuge von Paul Celan genannt. Wer das bis ins letzte Detail sinnvoll interpretieren kann, der hat schon einiges drauf...;)
 
Ich frage mich manchmal, ob und wie Komponisten, Dichter, Maler - kurz: Künstler ihre eigenen Werke interpretieren.

Besagte Todesfuge zum Beispiel: schon als Schüler habe ich mich gefragt: was, und in wieviel Detail, hat Celan sich bei exakt dieser Wortwahl und Form überhaupt gedacht? Mein Deutschlehrer damals in der Zehnten empfand offensichtlich eine große Genugtuung daran, uns ein Gedicht vorzulesen, das eigentlich niemand so recht verstehen konnte. "DAS ist Kunst," sagte er mit erhabener Stimme, ohne uns so recht erklären zu können, warum.

Ob es nun "besser" ist, schaffender oder interpretierender Künstler zu sein - vielleicht will der Begriff "besser" in diesem Zusammenhang erstmal geklärt sein?

Ciao,
Mark
 
gerade chopin hasste fasst sämtliche musik außer seiner , und villeicht der ovn liszt.

na na ... was an Kompositionen von Liszt bis 1848 vorlag, hatte Chopin nicht besonders geschätzt; auch war er seinen Kollegen seiner Generation gegenüber eher ablehnend, mochte nur einzelne Werke von Berlioz, Mendelssohn, Schumann, Alkan - - dagegen schätzte er Bach und Mozart am meisten, auch italienische Opern.

...du übertreibst da ein wenig: Chopin war abseits der Musik ein Pariser Dandy des 19. Jh., kein heutiger Punk :D

Gruß, Rolf

p.s. mäßige Deine Ausdrucksweise mittels einer Korrektur - sonst landet Dein Beitrag womöglich wegen unangemessener Vokabeln im Recycling...
 
Hallo!
Freut mich, dass sich einige wenige gemeldet haben! Ich muss gestehen, dass der Titel des Fadens eher unglücklich gewählt worden ist und wirkt daher etwas kindisch. Das Thema finde ich allerdings ziemlich tiefgründig. Vielleicht kann ein Admin den Titel in "Was macht musikalisch reicher, ein Komponist oder ein Interpret zu sein" ändern, so fände ich ihn treffender.

Den Vergleich von Stillblüte mit Äpfeln und Birnen finde ich nicht so treffend. Jeder ist in der Lage sowohl Äpfel als auch Birnen zu kosten. Genauso ist jeder in der Lage Komponieren und Interpretieren zu kosten! Aber wie die Geschichte zeigt, bestimmt das Maß der Fähigkeit, ob man nun beim Komponieren oder beim Interpretieren bleibt (ausnahmsweise geht auch beides). Mit Äpfeln und Birnen wird dies NUR durch persönlichen Geschmack bestimmt. Zwei Beispiele:

1. Sviatoslav Richter (ohne Anspruch auf Vollständigkeit des Zitats): "Ich habe aufgehört zu komponieren, weil es ohne mich genug schlechte Musik komponiert wird".
2. Vladimir Horowitz. Es gibt auf youtube ein wunderbares Video, wo der alte Horowitz Studioaufnahmen macht. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke er hatte das öffentliche Spielen zu dem Zeitpunkt schon aufgegeben. Er spielt etwas von Bach und am Ende sagt der Aufnahmeleiter, dass er wunderschön gespielt hat. Es ist dabei sehr klar zu erkennen, dass sich Horowitz über seine fabelhafte Interpretation bewusst und mit ihr auch zufrieden ist, aber es fühlt ihn offenbar nicht GANZ aus, deswegen seine Antwort: "But I didn't compose it". Horowitz wollte auch ein Komponist werden, hatte aber das Talent dazu nicht, das sagt er in einem seiner früheren Interviews.

Was mir bei den Komponisten in dieser Hinsicht ein wenig Sorge bereitet, ist die eigene Welt, in der jeder Komponist lebt. Komponisten wie Prokofiev oder Skriabin (der ja als Pianist ausschließlich seine eigenen Werke aufführte) haben einen unverwechselbaren Stil geschaffen und dabei vieles von der Musik anderer abgelehnt.

Womöglich steckt die Antwort wirklich darin, beides zu können. Dann aber wohl er so wie Liszt, der mal so ein Klavierkonzert von Grieg vom Blatt spielt oder Rachmaninoff (der war ja noch ein Dirigent!!): He could hear a piece of music, even a symphony, then play it back the next day, the next year, or a decade after that. Siloti would give him a long and demanding piece to learn, such as Brahms' Variations and Fugue on a Theme by Handel. Two days later Rachmaninoff would play it "with complete artistic finish."

Gruß
 
Guten Abend, Aleko!

Deine Frage irritiert mich - ich glaube, sie ist falsch gestellt.
Von Musik beschenkt (und dadurch reich) werden alle Musikliebenden -
Komponisten, Interpreten und Zuhörer.

Was ich aber bei Dir erspüre, das ist eine zaghafte Freude am Komponieren,
und von der solltest Du Dich leiten lassen - egal wohin sie Dich treibt.

Zum Komponieren gehört zweierlei: ein fast kindlicher Spieltrieb,
die Lust, mit Tönen zu arbeiten, Neugier, Entdeckerfreude einerseits -
und andererseits eine große Lern- und damit auch Leidensbereitschaft.
Wer weiß, ob Deine Sonatine nicht besser ist, als Du ihr zugestehst?
Aber Du verspürst ein produktives Mißvergnügen an Deinem Werk,
weil Du höhere Ansprüche an Dich stellst - und das ist gut so.
Laß Dich von Fehlern nicht entmutigen. Aus seinen Fehlern zu lernen
ist das beste, was einem passieren kann.
Laß Dich von Deinen musikalischen Vorbildern nicht lähmen, im Gegenteil,
rück ihnen auf die Pelle, schau Dir ab, wie sie ein bestimmtes Problem lösen,
hab den Mut, sie zu imitieren - daran lernt man unendlich viel.

Und selbst wenn Du merken solltest, daß Dir zum Komponieren etwas fehlt,
dann war's bestimmt nicht vergebens, es wenigstens versucht zu haben.
Denn Du wirst die Musik, die Du am Klavier spielst oder im Konzert hörst,
vielleicht mit anderen Augen sehen und mit anderen Ohren hören,
weil Du einen Einblick in den Schaffensprozeß bekommen hast.

Herzliche Grüße,

Christoph
 
Den Vergleich von Stillblüte mit Äpfeln und Birnen finde ich nicht so treffend. Jeder ist in der Lage sowohl Äpfel als auch Birnen zu kosten. Genauso ist jeder in der Lage Komponieren und Interpretieren zu kosten!
(...)
Was mir bei den Komponisten in dieser Hinsicht ein wenig Sorge bereitet, ist die eigene Welt, in der jeder Komponist lebt. Komponisten wie Prokofiev oder Skriabin (der ja als Pianist ausschließlich seine eigenen Werke aufführte) haben einen unverwechselbaren Stil geschaffen und dabei vieles von der Musik anderer abgelehnt.

hallo,

mir liegt an Fakten, wenn es um die großen Komponisten geht - deswegen muss ich Dir in der Sache widersprechen:
Skrjabin hatte bei seiner Abschlußprüfung als Pianist Liszts Don Giovanni Reminiszenzen gespielt und die Bestnote erhalten (das gelingt heute auch nur sehr wenigen)
Prokovev hatte in seiner Pianistenprüfung die Tannhäuser Ouvertüre Transkription von Liszt gespielt (das gelingt heute noch weniger Aspiranten!)
Zumindest die beiden, wie auch Rachmaninov, beherrschten und kannten sogar die ultravirtuose Literatur.

Ansonsten: lass Dir durch den Kopf gehen, was Gomez Dir zu bedenken gegeben hat! Das ist eine ganz wunderbare Anregung!!!

herzliche Grüße, Rolf
 
Und selbst wenn Du merken solltest, daß Dir zum Komponieren etwas fehlt,
dann war's bestimmt nicht vergebens, es wenigstens versucht zu haben.
Denn Du wirst die Musik, die Du am Klavier spielst oder im Konzert hörst,
vielleicht mit anderen Augen sehen und mit anderen Ohren hören,
weil Du einen Einblick in den Schaffensprozeß bekommen hast.

absolut wunderbar

Mehr ist dazu nicht zu sagen - mehr geht nicht.

Ganz herzlichen Dank!!!

Rolf
 
Das ist doch klar, dass Scriabin als Abschlussprüfung was anderes als sein eigenes Werk gespielt hat. Warum sollte das auch anders gewesen sein? Bei Auftritten aber als etablierter Komponist, hat er nur seine Werke gespielt.

Mit Sicherheit hat Gomez recht! Und daraus will auch gar keinen Hehl machen :) Deswegen präsentiere ich euch meine kleine Sonatine im anderen Faden und würde gerne wissen, ob man dazu überhaupt was sagen kann ;)
 

Das ist doch klar, dass Scriabin als Abschlussprüfung was anderes als sein eigenes Werk gespielt hat. Warum sollte das auch anders gewesen sein? Bei Auftritten aber als etablierter Komponist, hat er nur seine Werke gespielt.
;)

hallo,

bitte verzeih mir, dass ich Deinen Text mit einer Hervorhebung von mir zitiere (dergleichen gilt nämlich seit neuestem als verpönt in diesem Forum) - ich habe das aber getan, weil ich Dich auf etwas aufmerksam machen will:
als der junge Skrjabin bei seiner Abschlußprüfung - die er mit einer Goldmedaille bestand - Liszts "Reminiszences de Don Juan" spielte, hatte er eines der schwierigsten und virtuosesten Werke der Klavierliteratur gewählt. Ich würde darüber nicht einfach nonchalant hinweg gehen, denn es zeigt, dass sich Skajabin schon früh mit den schlimmsten/schwierigsten Sachen befasst hatte - und: dass er sie konnte!! Nicht anders Prokovev, dessen Wahl in Sachen romantisches Pflichtstück auf die grausamste Zumutung an zwei Hände aus dieser Zeit fiel: tatsächlich toppt die Tannhäuser Ouvertüre sogar Petrouchka.

Die beiden hatten das drauf und wussten, was sie machten. Und was sie konnten, auch als Pianisten, verdient nach meiner Ansicht keinen Smiley a la ;).

Nebenbei: Prokovev hatte es durchgesetzt, dass er neben der Tannhäuser Ouvertüre auch aus seinen eigenen Sachen spielte!! Kann man nachlesen, ist bezeugt.

Genug ----- Gomez´ Beitrag/Empfehlung: das ist super, lass es Dir durch den Kopf gehen.

Ob Du die Noten Deiner Sonatine als pdf posten könntest? Ich konnte, wie Gomez, auch nichts mit Deinen Links anfangen - da tat sich nichts.

Gruß, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es geht mir nicht darum den Faden wieder nach oben zu schieben, weil es ja alles schon gesagt und geklärt wurde, soweit es ging.
Ich habe mir bloß schon wieder das Doku mit Horowitz auf youtube angesehen und muss es mit euch einfach teilen :) Bitte, die die es noch nicht gesehen haben, seht euch alle 12 Teile an!

http://www.youtube.com/watch?v=zA2OTKvOdL0 - hier fängt es an!

Die Kommentare von Horowitz zu Rachmaninoff als Pianist, Komponist, Dirigent, bester Freund und eine wunderbare Persönlichkeit (was ich persönlich in seiner Musik sowieso nachspüre) berühren mich zutiefst! Diese zwei Menschen waren wirklich verwandt! As they say it: you can see it in his eyes, wenn Horowitz darüber erzählt. Horowitz, Rachmaninoff und seine Musik und diese Freundschaft zwischen den beiden, das alles öffnet für mich neue emotionale Welten, die Menschlichkeit erschließt sich mir in diesem Moment. Ich habe dabei das zerbrechliche Gefühl, von dem ich denke, es könnte womöglich modernen Menschen mit all ihrer Coolness verloren gehen!!!

Lasst uns Menschen bleiben - mehr fällt mir im Moment irgendwie nicht ein!

Danke
 
lieber Aleko,

ein super Beitrag!

ein wunderbarer Link!

und was Du selber dazu sagst: Bravo!!!!!

Ich kann dem nichts hinzufügen, nur bestätigen!

herzliche Grüße,
Rolf
 
Diese zwei Menschen waren wirklich verwandt! As they say it: you can see it in his eyes, wenn Horowitz darüber erzählt. Horowitz, Rachmaninoff und seine Musik und diese Freundschaft zwischen den beiden, das alles öffnet für mich neue emotionale Welten, die Menschlichkeit erschließt sich mir in diesem Moment. Ich habe dabei das zerbrechliche Gefühl, von dem ich denke, es könnte womöglich modernen Menschen mit all ihrer Coolness verloren gehen!!!

Lasst uns Menschen bleiben - mehr fällt mir im Moment irgendwie nicht ein!

Danke

ein wirklich schöner Beitrag, der zu Herzen geht.

Auch Neuhaus schreibt in seinem berühmten Buch, dass über das gemeinsame Musizieren menschliche Verbindungen entstehen, die einzigartig sind und wohl mit das Schönste ist, was Menschen miteinander verbinden kann.

Und ich hoffe sehr, dass uns diese Fähigkeiten trotz der hippen Coolness erhalten bleiben.
 

Zurück
Top Bottom