Was ist hier richtig - Kreuz oder B?

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Habe mal eine Frage an die Musiktheorie-Experten.

In folgendem Ausschnitt aus meinem Gesangschoral (hier als Klavierauszug) habe ich rot eingekringelt, wo ich unschlüssig bin, ob im 1. Fall die Notierung mit "gis" richtig ist oder "as", im 2. Fall, ob "dis" richtig ist oder "es".

Ich kenne die Faustregel, dass im Zweifelsfall bei absteigender Chromatik ein b-Vorzeichen genommen werden sollte, und bei aufsteigender Chromatik ein #-Vorzeichen. In diesem Fall hier ist es aber so, dass die D-Dur-Fuge im 2. Themeneinsatz in A-Dur mündet, also da würde ein "gis" auf die folgende Tonart A-Dur hindeuten...

Was meint ihr?
 
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Das gis könnte Terz von E-dur oder Quint von cis-moll sein, also ist das Kreuz richtig.

Das dis ist Terz von H-dur, also ist das Kreuz da ebenfalls richtig.

Daß man bei chromatischen Abwärts-Tonleitern b-Vorzeichen benutzt, wenn es sich um reine Durchgangsnoten handelt, widerspricht dem nicht.
 
Ich würde es auch so lassen.
Im zweiten Fall ist es ganz klar: E-Dur, dann H-Dur, dann E7 und dann A. Fis+Es würde auf g-Moll/G-Dur hindeuten...
 
Herzlichen Dank an euch beide, Haydnspaß und rappy! Dann habe ich es aus dem Bauchgefühl heraus richtig geschrieben. Mir wäre es nur manchmal lieber, ich könnte ab und zu die Birne mitbenutzen dabei. :rolleyes:
 
Es ist eindeutig so richtig, wie du es notiert hast. As und es wären harmonischer Blödsinn. Die Regel, daß Chromatik abwärts mit b und aufwärts mit # zu notieren sei, ist eh nicht allgemeingültig, also eigentlich falsch, auch wenn sie bisweilen richtig sein kann. Was man notiert, hängt vom harmonischen Zusammenhang ab, nicht von Auf- oder Abwärtsbewegung. Man sollte einfach aufhören, diese unsinnige Regel zu lehren.
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Jörg Gedan
http://www.pian-e-forte.de
 
Es ist eindeutig so richtig, wie du es notiert hast. As und es wären harmonischer Blödsinn. Die Regel, daß Chromatik abwärts mit b und aufwärts mit # zu notieren sei, ist eh nicht allgemeingültig, also eigentlich falsch, auch wenn sie bisweilen richtig sein kann. Was man notiert, hängt vom harmonischen Zusammenhang ab, nicht von Auf- oder Abwärtsbewegung. Man sollte einfach aufhören, diese unsinnige Regel zu lehren.
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Jörg Gedan
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Ich denke mal, diese Regel hat ihre Berechtigung z.B. in chromatischen Läufen, wo eben nicht jeder Ton eindeutig im tonalen Zusammenhang steht. Bei wirklich atonaler Musik funktioniert sie auch ganz gut.
 
Ich hatte oben, lieber Guendola, geschrieben, die Regel sei nicht allgemeingültig. Manchmal kann sie zufällig auch stimmen. Allerdings stimmt sie fast nie, und bei Tönen, die in einem bestimmten harmonischen Zusammenhang stehen, ist sie höherer Blödsinn, weil deren Schreibweise nicht von Auf- oder Abwärtsbewegung abhängt -- das ist vereinfachendes Schulwissen und entbehrlich.

Zitat aus dem Brockhaus-Riemann (dort unter dem Stichwort "Orthographie"):
"So kann z.B. die Regel, daß chromatische Töne bei steigender Melodie als Stammtonerhöhungen, bei fallender als Stammtonerniedrigungen zu notieren sind, durchbrochen werden, wenn der vertikale Zusammenhang eine andere Lesart nahelegt (s. nachstehende Beispiele von Mozart)..."
[folgt Beispiel 1: Sonate KV 283, aufsteigend mit G-dur-Vorzeichnung d-es(!)-e-f-fis-g-gis-a-b(!)-h-c-cis-d
Beispiel 2: Sonate KV 284, fallend mit D-dur-Vorzeichnung h-ais(!)-a-gis(!)-g-fis
Bei beiden Beispielen ist eigentlich wurscht, ob sie fallen oder steigen, man würde sie in beiden Fällen gleich notieren.]

Halbherzig an dieser Erklärung ist die Formulierung "KANN durchbrochen werden", sie wird nämlich immer durchbrochen, die Notierung hängt immer vom vertikalen Zusammenhang ab (gemeint ist vom harmonischen Zusammenhang, also davon, welcher Akkord dazu erklingt oder dazu zu denken ist). Bei atonaler Musik wär's egal, aber chromatische Tonleitern kommen überwiegend in tonaler Musik vor. Es scheint, die Regel wurde, ohne Einsicht in harmonische Zusammenhänge, einmal formuliert und das, was man tatsächlich vorfindet, wenn man bei Mozart nachschaut, durchbricht sie immer. In Wahrheit ist das kein Durchbrechen der Regel, sondern die Regel ist falsch. Ein Beispiel, das in C-dur-Vorzeichnung abwärts c-h-b-a-as-g-ges-f-e-es-d-des-c notiert, mag man vielleicht finden können, wird man aber lange suchen müssen.
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Jörg Gedan
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Halbherzig an dieser Erklärung ist die Formulierung "KANN durchbrochen werden", sie wird nämlich immer durchbrochen, die Notierung hängt immer vom vertikalen Zusammenhang ab (gemeint ist vom harmonischen Zusammenhang, also davon, welcher Akkord dazu erklingt oder dazu zu denken ist).

Leider bin ich in Musiktheorie eine ziemliche Niete, obwohl ich mir eigentlich gerne Stücke ausdenke, allerdings mehr nach Gefühl und Gehör, als dass ich diffizilere 4-stimmige Akkorde exakt benennen könnte (seufz).
Daher meine Frage dazu:
Wenn ich mich quasi immer weiter im Quintenzirkel fortbewege bei den gedachten Harmonien, die man dieser Chromatik unterstellt, sollte man dann nicht lieber konsequenterweise bei dem gleichen Vorzeichentyp bleiben, egal ob sich bei der Tonart dann 6 oder 8 oder 10 Vorzeichen ergäben (ist ja eh nur fiktiv, man spielt ja nur den einen Ton), oder sollte man enharmonisch verwechseln, sobald die Tonart den "unteren Punkt" des Quintenzirkels erreichzt hat, wodurch sich der Vorzeichentyp ändert? Was dann bedeuten würde, dass sich B's und Kreuze nicht so munter mischen würden (wohlgemerkt, natürlich nur, wenn man sich bei den gedachten Harmonien in einer Richtung im Quintenzirkel bewegt und nicht die Richtung wechselt mit "Nulldurchgang" bei C-Dur/a-moll)?
 
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Man wird immer möglichst tonleiter-eigen notieren, d.h. die Töne, die zur Tonart gehören, lassen, wie sie sind, in Es-dur aus einem Es also kaum ein Dis machen. Wie man die übrigen tonleiterfremden Töne notiert, ist meist abhängig davon, wie man den harmonischen Zusammenhang zu verstehen hat oder wie es einfacher zu schreiben und zu lesen ist.
Schaut man sich an, wie Chopin die chromatische Abwärts-Terzentonleiter im letzten Prélude (op. 28/24, T. 55f) schreibt, findet man ein Gemisch aus verschiedenen "Regeln", aber findet die Regel, daß abwärts mit Erniedrigungen zu schreiben sei, nicht bestätigt. Stattdessen schreibt Chopin so, daß kleine Terzen Terzen bleiben und nicht zu übermäßigen Sekunden werden. Der im Quintenzirkel am weitesten unten stehende Ton ist hier ein Des, das eigentlich besser als Cis zu schreiben wäre, denn Des ist viel zu weit vom harmonischen Zusammenhang entfernt; der im Quintenzirkel am weitesten oben stehende Ton ist ein Dis. Man findet also Des und Dis, obendrein Es statt Dis und Cis statt Des in derselben Abwärts-Tonleiter.
 
Schaut man sich an, wie Chopin die chromatische Abwärts-Terzentonleiter im letzten Prélude (op. 28/24, T. 55f) schreibt, findet man ein Gemisch aus verschiedenen "Regeln", aber findet die Regel, daß abwärts mit Erniedrigungen zu schreiben sei, nicht bestätigt. Stattdessen schreibt Chopin so, daß kleine Terzen Terzen bleiben und nicht zu übermäßigen Sekunden werden.

Interessantes Beispiel, danke für den Hinweis darauf!

Dass man bei chromatischen Terzenläufen so schreibt, daß schon allein optisch Terzen Terzen bleiben, leuchtet mir ein.

Was mich beim Beispiel wundert: Die Begleitung der linken Hand hat über die beiden Takte hinweg die gleiche Harmonie, also müßte man annehmen, wenn ein chromatischer Lauf da ist über knapp 3 Oktaven, dann sollte sich dasselbe Vorzeichen in jeder Oktave wiederfinden. Bei Chopin ist in Takt 56 in der dritten Oktave cis/ais notiert, wo er in den beiden Oktaven davor des/b notierte. Da aber die Harmoniegrundlage der linken Hand gleich ist, und sich nach der Stelle in der 3. Oktave danach auch nix ändert, wundert es mich, dass er da anders schrieb. Also jedenfalls die Begründung des Notierens entsprechend des harmonischen Zusammenhangs sehe an dieser Stelle nicht gegeben, aber es ist auch eine Ausnahme - ansonsten wiederholt sich alles jede Oktave.

Das hat für mich den Beigeschmack der Beliebigkeit (oder einfach nur Schreibfehler?), so interpretiere ich auch deinen Kommentar bzgl. des Gemischs verschiedener "Regeln", die Chopin anwandte ...
 
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hallo zusammen,
oh es gibt noch krassere "Verrücktheiten":
eines der kompliziertesten Beispiele der radikal chromatisierten spätromantischen Harmonik findet sich im 2. Aufzug (jaja, der schreibt Aufzug des Vorhangs, nicht Paternoster :) für Akt) der "Walküre" von Wagner; diese Harmonik entzieht sich der "Funktionsharmonik", aber sie ist natürlich nicht atonal oder so. Also das Beispiel:
-das Orchester moduliert sich in enigmatischen Dissonanzen (die teils wie Konsonanzen gehört werden) in die Moll-Variante der Subdominante von Des-Dur, also nach "ges-Moll".
-in diesem Moment setzt die Solostimme (Sopran) ein, und siehe (nicht höre!!) da: der Sopran ist in fis-Moll (drei Kreuze) notiert, das Orchester in Des-Dur bzw. mit b-Zeichen in ges-Moll
ok, man könnte sagen: da wirds halt enharmonisch umgedeutet, weil irgendwann müsste man zu viele Doppel- oder gar imaginäre Dreifachzeichen schreiben (klar: wenn man endlos Quinten aufwärts denkt, wirds sonderbar: fis-cis-gis-dis-ais-eis-his-fisis...)
---braucht Musik eigentlich "bürokratische" Regeln? wenn ja, dann wäre unglaublich vieles, was Beethoven, Chopin, Liszt u.a. notiert haben, schlichtweg falsch oder unsinnig (crescendo innerhalb eines einmal angschlagenen langen Akkords, d-eis-a als Vorhaltakkord zu Des-7 hört sich wie d-Moll an isses aber nicht, Eis-Dur-7 usw.) - manchmal werden Abweichungen von Stufen gezeigt: in diesem Fall wäre in C-Dur g-fis-f-e-d-c richtig, weil man die doppeldominantische erhöhte IV. Stufe klarmacht, will man dasselbe aber chromatisch verstanden wissen, dann natürlich d-ges-f etc.
vieles ist in der Notation mehrdeutig - ist auch gut so, finde ich ---- und wir am Klavier haben es doch leicht damit: uns genügen 12 Tasten, ob da eine nun Doppel-b oder gigis heißt - das macht uns nix! :) :)
Gruß,
Rolf
 

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