Letztendlich wird ein Stück sowieso motorisch in den Händen gespeichert sein. Es ist dann nur die Frage, ob man die Noten braucht, um dies Abzurufen oder ob man es auch ohne kann. Nach einem kurzen Blackout kann einem wohl selbst mit Noten der Wiedereinstieg schwerfallen, wenn man nie versucht hat, inmitten von Passagen einzusteigen, das ist in meinen Augen kein entscheidender Punkt, mit Noten zu spielen. Wenn man dann plötzlich an Positionen das Spiel wiederaufnehmen muss, an dem man den Fingersatz gar nicht im Kopf hat, könnte es selbst mit den Noten vor einem schwer fallen, das Spiel an dieser Position wiederaufzunehmen.
Ich denke, es ist in jedem Fall ratsam, ein Stück auswendig zu lernen. Neben dem rein motorischen Lernen (was letztendlich eh stattfindet) kann man so viel mehr machen:
- Die einzelnen Notennamen auswendig lernen
- Funktionen suchen (z.B. C-Dur-Akkord, g-moll-Arpeggio etc.)
- Das Notenbild bildlich abspeichern
- Das Stück in Abschnitte gliedern und lernen, an jedem Abschnitt starten zu können (Fingersatz bewusst mitlernen)
- Die Tasten bewusst merken (Tastatur-Gedächtnis, wohl das üblichste) und das Stück mental spielen
Je mehr vom Stück man auswendig kann (und das kommt ja automatisch früher oder später), desto größer die Gefahr, daß man nicht mehr aufmerksam mitliest und da, wo man doch die Noten braucht, nicht mehr weiß, wo man ist.
Das hängt wohl von der Lernmethode ab. Wenn man das Stück wirklich nur oberflächlich in Abschnitte einteilt, diese spielt und dabei auswendig lernt und am Ende zusammenhängt, drückt man vielleicht die richtigen Tasten zur richtigen Zeit... aber wenn daraus Musik werden soll, muss man sich intensiver mit den Noten beschäftigen, alle Vortragsanweisungen (Dynamik etc.) auswendig lernen und beachten und das Stück auch im Gesamten sehen.
Das hat aber meiner Meinung nach nicht direkt etwas mit dem Auswendiglernen zu tun.
Also warum auswendig lernen?
Bei technisch sehr anspruchsvollen Stücken (schwere Sprünge), bei denen der Blick auf die Klaviatur quasi unvermeidlich ist, würde das Spiel vom Blatt alles vermutlich nur erschweren. Wenn man wirklich auf die Noten, dann auf die Klaviatur schauen muss, dann diesen Sprung bewältigen und daraus noch Musik machen will... solange das Ergebnis stimmt, soll's mir egal sein, aber ich schätze es als leichter ein, stets bei den Tasten zu bleiben, bewusst die Tasten als Mittel zu benutzen und nicht den Umweg über die Noten zu gehen.
Mehr gibt es übrigens
hier noch (ja, der Chang... :D). Aber insgesamt hört sich das nicht schlecht an, finde ich:
- Schnelleres lernen schwerer Stücke
- Verlangsamung des altersbedingten Verfalls des Gehirns durch intensive Benutzung
- 100% Konzentration auf die Musik (ich sehe die Noten immer als Umweg, wenn nicht bewusst, dann vermutlich unbewusst)
Dazu kommt (wie bereits erwähnt) noch, dass man nicht von den Noten abhängig ist. Wenn es ein paar schwer auswendig zu lernende Stücke gibt, die man vom Blatt spielt, halte ich das nicht für tragisch (sind dann wahrscheinlich auch nicht die persönlichen Lieblinge, da bei denen die Musik eigentlich schon so im Ohr sein müsste, dass das Auswendiglernen kein Problem darstellen sollte). Aber den Großteil des eigenen Repertoires stets vortragen zu können, zu jeder Zeit, wenn ein Tasteninstrument zur Verfügung steht, sollte doch allein schon die Mühe wert sein (was heißt Mühe, bei Chang kann man ja nachlesen, dass man dadurch letztendlich Zeit spart).
Was mir manchmal viel wichtiger ist... wie intensiv sollte man auf die Tasten schauen? Stört der "Umweg" über die Tasten das Musikempfinden, weil man die Musik zu stark mit den Tasten verknüpft, anstatt sich einfach geistig und körperlich dem Klavier zuzuwenden?