Warum spielen Pianisten so schnell?

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Länger Länger
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Was ich immer wieder feststelle ist, dass die meisten Klavierspieler, Amateure einfach zu schnell spielen. Auch wenn man sich die Videos bei YouTube ansieht sind die Feedbacks meist oft gleich: "Too Fast! Play it more slowly"

Hab ich mit dieser Beobachtung Recht? Woran liegts dass viele Klavierspieler einfach zu schnell spielen? Weil sie dadurch beweisen wollen wie toll sie spielen könne, weil Geschwindigkeit gleich gesetzt wird mit Können?

Nachdem ich das Zoom H4 Portable Audioaufnahmesystem mit 2 eingebauten Stereomikrofonen und 2 zusätlichen Mikrofoneingängen mit Phantomspeisung im Einsatz habe (letztere benutze ich aber nicht sondern nur die 2 integrierten Stereomikrofone), merke ich auch, dass selbst wenn ich schon langsam spiele, ich immer noch zu schnell bin. Also muss ich noch langsamer spielen.
 
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Sabri
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Oft ist es doch so, dass wenn man vorspielt bzw. aufnimmt, die Finger ungewollt (!) schneller laufen als man eigentlich möchte.
Ich kenne sehr viele, bei denen das so ist (Aufregung?).

Also liegt es wohl in den meisten Fällen nicht daran, dass man etwas "beweisen" möchte.
 
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Länger Länger
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ja, aber WARUM laufen sie schneller? die Finger?
 
killmymatrix
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Weil man aufgeregt ist, das Herz schneller schlägt, die Reaktionen schneller, unkontrollierter werden. Und somit vermutlich auch die Finger schneller werden, weil das Gehirn sie nicht mehr unter Kontrolle hat.

Abgesehen davon gibt's natürlich wirklich noch die Kaliber, die bewusst schnell spielen, z.T. eben viel zu schnell. Tja, also nichts gegen Geschwindigkeit, aber bei manchen Stücken kann man noch so sehr auf die musikalische Gestaltung achten, irgendwann muss einem doch die Musik sagen, dass noch mehr Geschwindigkeit falsch ist.

Extra etwas langsamer für die Zuhörer zu spielen, halte ich nicht für richtig, nur damit diese es problemlos verstehen können. Man spielt nicht für Zuhörer, sondern für die Musik. Und oft versteht man beim ersten Hören eben nicht alles, aber manche Musik ist eben so komplex gedacht.

Soviel dazu... meine Gedanken... :D

Edit: Glenn Gould... ein Spezialfall... fast immer, denke ich. Er hat offenbar eine Auffassung zur Musik die völlig anders ist als die der meisten Menschen. Aber immer wieder interessant...
 
ubik
ubik
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Eigentlich finde ich das gar nicht grauenvoll. Er spielt doch komplett fehlerfrei, das Tempo geht natürlich auf Kosten der Musikalität, aber nicht auf Kosten der Fingerfertigkeit. Eigentlich sehr erstaunlich. Was natürlich für Gould typisch ist, ist die Akzentuierung. Die verfehlt er selbstverständlich nicht ;) Aber etwas zu viel Pedal? Oder liegt das jetzt daran, dass das so schnell ist, dass es so wirkt, dass er mit zu viel Pedal spielt?
 
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Hacon
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Ja super, erstaunlich, wie schnell er spielen kann. Da hat aber Cziffra dann doch die Nase vorn.
Ich finde, das nimmt dem Hauptthema halt die ganze Spannung weg.
Für mich ist da keine Seele mehr drin.
 
Stilblüte
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Wenn man sich auf höchstem Terrain bewegt und Technik kein Problem mehr darstellt, gilt vermutlich: Je schneller, desto leichter.
Denn je schneller etwas gespielt wird, desto weniger differenziert kann das Publikum zuhören - und desto ungenauer muss der Pianist spielen. Sich weniger Gedanken bezüglich Interpretation und Genauigkeit der Abstufungen machen.

Ich will das jetzt natürlich keinem Pianisten unterstellen - aber neben den Argumenten, pure Virtuosität zu zeigen oder die Stücke bezgl der Interpretation besonders schnell zu spielen ist das noch ein "Nebeneffekt".

Für mich die besten Beispiele sind hier Op. 25,2 von Chopin und der bekannte Hummelflug.
Beide Stücke sind besonders beliebt um sie in möglichst wenig Sekunden runterzuhämmern, am besten mit durchgetretenem Pedal.
Das ahnungslose Publikum ist wegen der unglaublichen Fingerfertigkeit begeistert, aber wirklich schön klingt das für mich auf keinen Fall.
 
Haydnspaß
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Zum Glück hab ich wenigstens dieses Problem nicht :p
 
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rappy
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Wobei man bei Glenn Gould sagen muss, dass er sein Tempo immer absolut unter Kontrolle hat. Es geht absolut nichts verloren, was er in langsamem Tempo besser zur Geltung bränge.
Ich hab noch nie Gould gehört, wie er sich durch eine Passage wegen zu schnellem Tempo oberflächlich durchgewurschtelt hat bzw. Nuancen hat fallen gelassen.
 
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J. Gedan
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Naja, Gould ist natürlich nicht auf Ecstasy, im Gegenteil, er hat zeit seines Lebens viel Valium geschluckt. Das Gould-Beispiel ist eine intellektuell getroffene Entscheidung von jemandem, der's kann und überzeugend darzustellen in der Lage ist. Ob's zuu schnell, weiß ich gar nicht einmal, es ist "presto agitato", und genau das hat Beethoven als Spielvorschrift angegeben: "Presto" heißt "eilig", und "agitato" heißt "aufgeregt" -- wörtlicher als Gould und gekonnter kann man dem doch nicht mehr genügen.
Aber es gibt auch noch Gould's Einspielung der Appassionata. Niemand spielt das so langsam, wie Gould es tat. Das lag aber nicht am Valium, sondern wiederum an intellektueller Entscheidung, die darin bestand zu zeigen, wie dumm das Stück ist. Ob er recht hatte, lassen wir lieber dahingestellt; daß er mit bewundernswerter Akkuratesse ebenso langsam wie schnell spielen konnte, beweist es immerhin.

Das Beispiel mit dem zweiten Satz der Pathétique ist einfach nur Dokumentation dilettantischer Dummheit oder Satire. Wenn's Satire sein soll, ist es aber auch nicht soo lustig. Pianistisch ist es einfach nur ungekonnt und taugt nicht als Beispiel für den allgemeinen Hang zu überzogenen Tempi. Im Gegenteil: Wenn man so spielt, wie hier gespielt wird, sollte man besser noch schneller spielen, damit die Grausamkeit eher vorüber ist.
 

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Länger Länger
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Das Problem ist auch bei mir, dass wenn ich ein Stück schnell übe und folglich schnell spiele, dann kann ich es schwerlich wieder verlangsamen, weil ich dann irgendwie "ganz raus" komme. Daher sollte man sicherlich in verschiedenen Geschwindkeiten üben, was ja kein Geheimnis ist.
Im ultimativen und von niemanden in Frage zu stellenden Klavierlehrwerk, dem "OnlineChang":lol: steht ja auch, dass man mit der doppelten Geschwindigkeit üben sollte, als man das Stück letzlich spielt, besonders die schweren Stellen. Dann sollte man langsamer werden und letztlich mit dem Tempo spielen und varieren und den Ausdruck formen.

Doch die Frage ist:

Ist langsam spielen schwieriger,
weil man sich nicht mehr auf den Automatismus
des Handgedächtnisses verlassen kann?

Und was würde passieren, wenn man den Hummelflug
extrem langsam spielen würde?
 
killmymatrix
killmymatrix
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Ist langsam spielen schwieriger,
weil man sich nicht mehr auf den Automatismus
des Handgedächtnisses verlassen kann?


Dafür müsste man aber schon sehr langsam spielen. Wobei man wohl entweder die Noten vor sich oder das Stück so gut auswendig gelernt hat, dass man sich nicht auf das Handgedächtnis verlassen muss (gerade bei langsamen Stücken ist gutes Auswendiglernen sehr wichtig, da schnelleres Spiel ja weniger Chancen lässt, das Handgedächtnis zu verlieren). Andernfalls ist man selber Schuld, wenn man rauskommt, weil einen das Handgedächtnis im Stich lässt (wenn man Faktoren wie Aufregung außer Acht lässt).

Und was würde passieren, wenn man den Hummelflug
extrem langsam spielen würde?

Das wäre wohl eines dieser Stücke, die schnell gespielt werden müssen, um ihre beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Klar, auch langsam würde es vermutlich interessant klingen, aber das war wohl nicht die Intention des Komponisten.

Um langsamer zu werden, könnte es helfen, sich einfach nur auf die Musik zu konzentrieren. Auf die Schönheit jedes einzelnen Klangs, ihn wirken lassen, das Stück wirklich mal ganz langsam und intensiv wahrnehmen. Kann richtig entspannend sein... gerade abends oder spät nachts. :)
 
klavigen
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Wurschtelei

Wobei man bei Glenn Gould sagen muss, dass er sein Tempo immer absolut unter Kontrolle hat. Es geht absolut nichts verloren, was er in langsamem Tempo besser zur Geltung bränge.
Ich hab noch nie Gould gehört, wie er sich durch eine Passage wegen zu schnellem Tempo oberflächlich durchgewurschtelt hat bzw. Nuancen hat fallen gelassen.

Gerade bei der ersten Stelle in Gis-dur, also nach den aufsteigenden Arpeggio Raketen, ist wirklich nicht mehr alles genau. Die Repetitionen mit dem hohen gis sind in der Tat ungenau plaziert und rutschen zeitweise zusammen. Hier hat er nicht mehr die volle Beherrschung des Tempos. Das hat er nur bei den Arpeggien.
Über weite Strecken nimmt er ja das Tempo gehörig raus und kommt zu vernünftigeren Resultaten. Dies mag damit zusammenhängen, dass Gould eben nicht der richtige Interpret für Beethoven ist. An anderen Stellen in Interviews hat er sich ja auch über Banalitäten in seinen Kompositionen ausgelassen. Das muss man einfach hinnehmen.

die schönen 4 stimmigen Sequenzen, die jeweils mit einem tiefen Achtel eingeleitet werden, halte ich auch für dynamisch ziemlich misslungen.

Diese Aufführung stellt für mich ein Ärgernis dar, welches ich sicher nie mehr anhöre. Es schmälert nicht seine sonstigen Verdienste, sondern zeigt, dass auch Genies partiell mal irren.
 
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Hacon
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Aber es gibt auch noch Gould's Einspielung der Appassionata. Niemand spielt das so langsam, wie Gould es tat. Das lag aber nicht am Valium, sondern wiederum an intellektueller Entscheidung, die darin bestand zu zeigen, wie dumm das Stück ist.
Gould soll soll ja auch mal ein Klavierkonzert von Grieg fehlerlos vom Blatt gespielt haben, um zu beweisen, wie niedrig die Qualität des Stücks war.

Ein ander Mal hat er wohl ein Stück von Bach extrem langsam eingespielt, nur um die Kritiker in die Pfanne zu hauen.

Das Beispiel mit dem zweiten Satz der Pathétique ist einfach nur Dokumentation dilettantischer Dummheit oder Satire. Wenn's Satire sein soll, ist es aber auch nicht soo lustig. Pianistisch ist es einfach nur ungekonnt und taugt nicht als Beispiel für den allgemeinen Hang zu überzogenen Tempi. Im Gegenteil: Wenn man so spielt, wie hier gespielt wird, sollte man besser noch schneller spielen, damit die Grausamkeit eher vorüber ist.
Das war einfach nur ein Klavierschüler, der das Stück nicht im Geringsten verstanden hat.
 
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matw1216
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Das Problem ist auch bei mir, dass wenn ich ein Stück schnell übe und folglich schnell spiele, dann kann ich es schwerlich wieder verlangsamen, weil ich dann irgendwie "ganz raus" komme. Daher sollte man sicherlich in verschiedenen Geschwindkeiten üben, was ja kein Geheimnis ist.
Im ultimativen und von niemanden in Frage zu stellenden Klavierlehrwerk, dem "OnlineChang":lol: steht ja auch, dass man mit der doppelten Geschwindigkeit üben sollte, als man das Stück letzlich spielt, besonders die schweren Stellen. Dann sollte man langsamer werden und letztlich mit dem Tempo spielen und varieren und den Ausdruck formen.

Doch die Frage ist:

Ist langsam spielen schwieriger,
weil man sich nicht mehr auf den Automatismus
des Handgedächtnisses verlassen kann?

Und was würde passieren, wenn man den Hummelflug
extrem langsam spielen würde?




Ist bei mir genausso.
Ich habe aber bemerkt, dass man trainieren kann, das es leichter geht, die Stücke ungewohnt langsam zu spielen. Ich habe zum Beispiel nach dem ich das Fantaisie-Impromptu von Chopin auswendig und in relativ schnellem Tempo zu spielen gelernt habe, wieder einmal versucht, es extrem langsam zu spielen (auch um einige Fehler auszumerzen). Das erste Mal, war es wirklich schwer, die Finger gingen wie von alleine zu schnell.Beim 3. Mal gings aber schon ganz normal, ich hatte die volle Kontrolle.
Und als ich es jetzt (2 Wochen später) nocheinmal versucht habe extrem langasm zu spielen, hatte ich schon beim 1. Mal keine Probleme.


MfG
Mathias
 
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Emma
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Also ich kannte Glenn Gould bisher nicht, aber ich mag auf dem Klavier eigentlich alle schnellen Stücke, wahrscheinlich weil ich selbst noch "lahm wie eine Schnecke" bin, daher fand ich es natürlich einfach klasse, aber ich hab ja auch keinen Vergleich mit "wie es sich anhören müsste". Fühle mich hier schon echt wie ein neugeborenes Küken, aber ich hoffe das ändert sich irgendwann. Ich höre mir bei "you tube" so einiges an, bin beeindruckt und auch frustriert (wenn 5-jährige Mädels Chopin spielen). Und mir dämmert immer mehr: Da tun sich fremde Welten auf, anders als ich dachte, aber ich bin froh, dass ich den Anfang gemacht habe.
 
ubik
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Weil man aufgeregt ist, das Herz schneller schlägt, die Reaktionen schneller, unkontrollierter werden. Und somit vermutlich auch die Finger schneller werden, weil das Gehirn sie nicht mehr unter Kontrolle hat.

Hm, würde mich mal interessieren, wie man das bei Vorspielen verhindern kann. Das gleiche Problem hab ich manchmal auch. Dann ist mein Puls auf 200 Schläge die Minute und dementsprechend hört sich das Stück dann auch an.
 

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