Warum kein Lehrer?

Hi Rheinkultur,

Ich empfinde die Beträge von Barratt gegenüber Hartz-IV-Kindern als arrogant und voller Vorurteile, und habe volles Verständnis dafür, dass Rastaman sich dagegen wehrt.

Rastaman betreibt hier im Forum seit Wochen sein Billdungsbürger-Bashing und greift ein paar Forenuser permanent persönlich an. Barratts Reaktion kommt nicht aus dem Nichts. ;-)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hi jk82,

Angenommen, es gibt ein soziales Orchesterprojekt für benachteiligte Kinder. Lehrer unterrichten ehrenamtlich Geige, Kindergeigen wurden gespendet. Weißt Du, warum Hartz-IV-Kinder trotzdem Schwierigkeiten haben, zum Unterricht zu kommen, selbst wenn sie fleißig und hochmotiviert sind?

Natürlich weiß ich das - es liegt dann am Desinteresse ihrer Eltern. Ich habe keine Lösung für diese Benachteiligung. Aber du hast sie auch nicht!

Davon abgesehen hat das wenig mit Hartz-IV zu tun. Es gibt engagierte und um ihre Kinder bemühte Hartz-IV-Eltern, so wie es stinkreiche Eltern gibt, die ihre Kinder zu seelischen Krüppeln erziehen. Was ist wohl schlimmer?
 
Was Du schreibst, impliziert, dass man mal eben seinen Charakter ändern kann und sich Eigenschaften selber zulegt. Das hat besagter Staatsmann wohl gemeint und das ist Blödsinn.

Willst Du damit andeuten, dass man es einfach so hinnehmen soll, wenn sich jemand wie ein Arschloch aufführt? Oder noch krasser: wenn jemand zum Mörder wird, dann kann er grundsätzlich nichts dazu – es ist halt eine charakterliche Schwäche, die man erdulden muss?
 
vielleicht könnte irgendwer mal den Genotyp und Phänotyp erklären, bitte. Und die gegenseitigen Einflussgrößen. Ich hab leider weder Zeit noch Lust dazu.
 
Leut, was soll die Erbsenzählerei. Wir wissen alle, was H. Schmidt damit ausdrücken wollte.
 
Natürlich weiß ich das - es liegt dann am Desinteresse ihrer Eltern. Ich habe keine Lösung für diese Benachteiligung. Aber du hast sie auch nicht!

Davon abgesehen hat das wenig mit Hartz-IV zu tun. Es gibt engagierte und um ihre Kinder bemühte Hartz-IV-Eltern, so wie es stinkreiche Eltern gibt, die ihre Kinder zu seelischen Krüppeln erziehen. Was ist wohl schlimmer?

Hi jk82,

Es liegt dran, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter noch nicht alleine zum Unterricht kommen können, wenn der Unterrichtsort nicht in der Nähe ist. Wenn die Mutter jede Woche für das Kind und für sich selbst Busfahrkarten kaufen muss, ist das in vielen Fällen zu teuer.

Kinder können auch nicht einfach für sich selbst das Geld verdienen (indem sie Konzerte spielen), weil das Einkommen der Kinder zum Gesamteinkommen der Familie gehört, das bedeutet, dass wenn Kinder was verdienen, wird Hartz-IV der Familie gekürzt.

Natürlich gibt es Lösungen, nämlich, dass das Projekt auch die Fahrtkosten zur Verfügung stellt. An solche Kosten denkt man aber oft erst, wenn man selbst am Projekt beteiligt ist. Und dann schüttelt man über die Hürden nur den Kopf.
 
Hi jk82,

Es liegt dran, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter noch nicht alleine zum Unterricht kommen können, wenn der Unterrichtsort nicht in der Nähe ist. Wenn die Mutter jede Woche für das Kind und für sich selbst Busfahrkarten kaufen muss, ist das in vielen Fällen zu teuer.

Kinder können auch nicht einfach für sich selbst das Geld verdienen (indem sie Konzerte spielen), weil das Einkommen der Kinder zum Gesamteinkommen der Familie gehört, das bedeutet, dass wenn Kinder was verdienen, wird Hartz-IV der Familie gekürzt.

Natürlich gibt es Lösungen, nämlich, dass das Projekt auch die Fahrtkosten zur Verfügung stellt. An solche Kosten denkt man aber oft erst, wenn man selbst am Projekt beteiligt ist. Und dann schüttelt man über die Hürden nur den Kopf.

In München gibt es ein Sozialticket - für 28,- Euro im Monat können Bedürftige in der ganzen Stadt alle öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Kinder fahren kostenlos mit. Da man ohnehin ab und zu fahren muss (zum Einkaufen, zum Arzt, aufs Amt etc.), lohnt sich das für Familien mit Kindern in jedem Fall. Ich weiß nicht, wie es in anderen Städten ist, aber in München zählt dieses Argument schon mal nicht.
 
In München gibt es ein Sozialticket - für 28,- Euro im Monat können Bedürftige in der ganzen Stadt alle öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Kinder fahren kostenlos mit. Da man ohnehin ab und zu fahren muss (zum Einkaufen, zum Arzt, aufs Amt etc.) lohnt sich das für beinahe jeden und für Familien mit Kindern in jedem Fall. Ich weiß nicht, wie es in anderen Städten ist, aber in München zählt dises Argument schon mal nicht.

Das ist echt super. Nicht so toll ist, wie teuer ein Ticket ist wenn man mal einfach so in die Stadt kommt.
Ich denke mir jedes mal - WTF - ich will doch keinen Anteilsschein am Bus kaufen, ich will nur zum Flughafen fahren.
Umso erstaunter bin ich über die 28 Euro...das ist ja im Verhältnis zur Einzelfahrt sehr wenig.
 
Hi jk82,

Wo ich das Projekt mitorganisiert habe, waren die Tickets nicht so günstig, die Mutter hätte für sich und das Kind ca. 50 Euro oder mehr im Monat zahlen müssen, je nachdem wo sie wohnte. Das ist nicht wenig, insbesondere wenn man sonst die Tickets nicht braucht.

Dein Beispiel mit München zeigt doch, dass die Politik durchaus was machen kann, indem man z.B. Sozialtickets zu sozialen Preisen anbietet.
 
Hi jk82,

Es liegt dran, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter noch nicht alleine zum Unterricht kommen können, wenn der Unterrichtsort nicht in der Nähe ist. Wenn die Mutter jede Woche für das Kind und für sich selbst Busfahrkarten kaufen muss, ist das in vielen Fällen zu teuer.

Kinder können auch nicht einfach für sich selbst das Geld verdienen (indem sie Konzerte spielen), weil das Einkommen der Kinder zum Gesamteinkommen der Familie gehört, das bedeutet, dass wenn Kinder was verdienen, wird Hartz-IV der Familie gekürzt.

Natürlich gibt es Lösungen, nämlich, dass das Projekt auch die Fahrtkosten zur Verfügung stellt. An solche Kosten denkt man aber oft erst, wenn man selbst am Projekt beteiligt ist. Und dann schüttelt man über die Hürden nur den Kopf.
Großstädte haben oft für sozial benachteiligte z.Beine spezielle Monatskarte mit unentgeltlichen Mitnahmerecht für Kinder etwa für den öffentlichen Nahverkehr! z.B. http://www.kvb-koeln.de/german/tari...inzeln2.mod/inc.download.php&downDokument=873 (Kölnpassinhaber haben sogar noch mehr Ermässigung)

Ebenfalls sind die Kosten an der Musikschule halbierbar:
(3) Eine Ermäßigung der Unterrichts- und Instrumentengebühr in Höhe von 50% wird Personen sowie deren im Haushalt lebenden minderjährigen Kinder gewährt, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII oder Leistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) erhalten. Die Ermäßigung erhalten auch Köln-PassInhaber. Der Nachweis muss bei der Anmeldung bzw. eine Woche vor Beginn eines neuen Unterrichtsabschnittes der Rheinischen Musikschule vorliegen. Verspätet übersandte Nachweise werden ab dem Monat des Posteinganges bei der Gebührenberechnung berücksichtigt.
http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/rheinische-musikschule/gebuehren-und-tarife

Es bleibt immer die Frage, wo werden die Schwerpunkte gesetzt. Also eher eine Bildungsfrage der Eltern als eine Finanzierungsfrage.......Und da Kinder sich nicht die Eltern aussuchen können, wird es nie gleiche Startbedingungen für Kinder geben. (Genauso wie im Normalfall sich niemand aussuchen kann, in welchem Nationalstaat er leben muss.) Allerdings gibt es immer Kinder, die sehr wohl ihre Interessen durchsetzen und selbstständig z.B. eine Musikschule suchen und anschließend die Eltern oder dritte überzeugen, sie zu unterstützen....
 

Wenn Rastaman Klavier spielt, gehoert er selbst unweigerlich zum "Bildungsbuergertum", ob er nun von HartzIV lebt oder nicht, ist unerheblich. Es gibt auch ein "verarmtes Bildungsbuergertum". Wenn ich zehn Millionen im Jahr verdiene, aber nur was von Banken verstehe gehoere ich eben nicht zum Bildungsbuergertum. Die 10 Millionen "retten" das dann auch nicht. Man sieht viele "Proleten" in leitenden Positionen. Manchmal ist das sogar problematisch, da diese Personen sich ungeheuer "nach oben gekaempft" haben und kein Verstaendnis fuer Leute haben, die das aus gesundheitlichen oder familiaeren Gruenden nicht koennen oder auch eben nicht diesen Ehrgeiz besitzen, Karriere zu machen. Es fehlt da manchmal am "Ueberblick", was Mensch sein und Leben in all seiner Vielfaeltigkeit ueberhaupt bedeutet.
Ich habe ueberhaupt kein Verstaendnis fuer Leute, die anderen nicht auf der finanziellen Sonnenseite Gelandeten daran selbst die Schuld geben. Industriegellschaften scheinen einfach durch die extreme Arbeitsteilung per se "Arbeitslose" zu produzieren. Wer nun zu den Ungluecklichen gehoert, ist aber in den meisten Faellen durch Zufaelle bestimmt: Krankheiten, Pflegefaelle in der Familie, gescheiterte Unternehmen im familiaeren Umfeld, aber auch einfach nur Pech, zur falschen Zeit mit der falschen Ausbildung fertig geworden zu sein. Die Gruende sind so vielfaeltig wie sich die Biographie jedes einzelnen eben von anderen unterscheidet.

Umso besser, moeglichst alle an Kultur teilhaben zu lassen, das ist ungeheuer wichtig fuer unsere Gesellschaft, unser "Menschsein".

Natuerlich ist Klavierunterricht teuer, fuer manche auch zu teuer, fuer die Klavierlehrer leider oft eine geringe Einnahme. Hat einer dreiszig Schueler, zu je 45 Minuten und jeder bezahlt 100 Euro/Monat, dann kommt man auf brutto 36000 Euro im Jahr. Das waere schon ein Haufen Arbeit aber im Vergleich zu dem schwierigen Studium und vergleichbaren Stellen eben auch "kein Haufen" Geld.
Trotzdem frage ich mich, ob der Grund vieler Erwachsener nicht im Preis sondern eben in einer anderen "Erwartung" liegt: Man will nicht wieder Schueler sein, der Dinge "falsch" macht, fuer die er dann gemaszregelt wird. Man will einfach seinen musikalischen Traeumen in etwas aktiverer From als nur CDs hoeren nachhaengen. Vielleicht ist diese These falsch, aber leider haben die Autodidakten hier das nicht weiter beleuchtet.

Viele Gruesze,
Jannis
 
(3) Eine Ermäßigung der Unterrichts- und Instrumentengebühr in Höhe von 50% wird Personen sowie deren im Haushalt lebenden minderjährigen Kinder gewährt, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII oder Leistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) erhalten.

Es bleibt immer die Frage, wo werden die Schwerpunkte gesetzt.
Beim SGB XII oder II (wenn also Anspruch auf 50 % Ermäßigung besteht) ist das setzen der Schwerpunkte recht einfach: Ausgaben für Musikinstrumente, Klavierunterricht und anderen Luxus: 0 Euro. Zur Ermittlung des Regelbedarfs wird zunächst der statistische Warenkorb (Verbraucherstichprobe) der "unteren Einkommensgruppen" herangezogen, viel "Kultur" ist da eh nicht drin. Anschließend werden "unnötige" Ausgaben (Klaviere, privater Musikunterricht und solches Gedöns) aus der Berechnung komplett gestrichen, um die Pauschale weiter zu reduzieren. Für Kinder werden dann vom Erwachsenenbedarf nochmal altersabhängig pauschal 30-70 % abgezogen (der Bedarf von Kindern wird nicht getrennt ermittelt).

Mit so einem 50 % Rabatt für Zielgruppen, die keinen Cent übrig haben, gibt man sich einen sozialen Anstrich, ohne tatsächlich Anmeldungen befürchten zu müssen. Gleichzeitig verweigert solche Ermäßigungen der leicht darüberliegenden unteren Einkommensgruppe, die auch keine 100 € pro Monat aufbringen kann, aber bereits kommunale Steuern und Gebühren zahlen und damit staatliche Musikschulen wie diese mitsubventionieren darf. Als Gewinner geht die obere Mittelschicht mit genug frei verfügbarem Einkommen hervor, die dann netterweise Einzelbetreuung zum nicht marktgerechten Schnäppchenpreis erhält.
 
Trotzdem frage ich mich, ob der Grund vieler Erwachsener nicht im Preis sondern eben in einer anderen "Erwartung" liegt: Man will nicht wieder Schueler sein, der Dinge "falsch" macht, fuer die er dann gemaszregelt wird. Man will einfach seinen musikalischen Traeumen in etwas aktiverer From als nur CDs hoeren nachhaengen.

Das halte ich auch für sehr wahrscheinlich. :-)

Um gern noch mal mit Missverständnissen aufzuräumen: Es ist unzulässig zu glauben, ich habe etwas "gegen sozial abgehängte Kinder". Das ist sogar völlig absurd, wie könnte man etwas gegen Leute haben, die als Kinder logischerweise unschuldig in eine prekäre Situation hineingeboren werden.

Wenn ich fortgesetzt von jemandem angepöbelt werde, dem ich nichts getan habe und über dessen Beweggründe man nur spekulieren kann, ist dies ebenso unzulässig.
 
Sind wir nicht in diesem Forum, weil wir eine gemeinsame Leidenschaft haben? So ein Streit über mehrere Themen hinweg nützt doch keinem etwas. :-)
 
Beim SGB XII oder II (wenn also Anspruch auf 50 % Ermäßigung besteht) ist das setzen der Schwerpunkte recht einfach: Ausgaben für Musikinstrumente, Klavierunterricht und anderen Luxus: 0 Euro. Zur Ermittlung des Regelbedarfs wird zunächst der statistische Warenkorb (Verbraucherstichprobe) der "unteren Einkommensgruppen" herangezogen, viel "Kultur" ist da eh nicht drin. Anschließend werden "unnötige" Ausgaben (Klaviere, privater Musikunterricht und solches Gedöns) aus der Berechnung komplett gestrichen, um die Pauschale weiter zu reduzieren. Für Kinder werden dann vom Erwachsenenbedarf nochmal altersabhängig pauschal 30-70 % abgezogen (der Bedarf von Kindern wird nicht getrennt ermittelt).

Mit so einem 50 % Rabatt für Zielgruppen, die keinen Cent übrig haben, gibt man sich einen sozialen Anstrich, ohne tatsächlich Anmeldungen befürchten zu müssen. Gleichzeitig verweigert solche Ermäßigungen der leicht darüberliegenden unteren Einkommensgruppe, die auch keine 100 € pro Monat aufbringen kann, aber bereits kommunale Steuern und Gebühren zahlen und damit staatliche Musikschulen wie diese mitsubventionieren darf. Als Gewinner geht die obere Mittelschicht mit genug frei verfügbarem Einkommen hervor, die dann netterweise Einzelbetreuung zum nicht marktgerechten Schnäppchenpreis erhält.
Das ist mit Verlaub Blödsinn. Ich kenne genug Alleinerziehende, die für ihre Kinder alles ermöglichen, obwohl sie von Sozialhilfe leben. Es reicht doch immer nur nicht, wenn man eben nicht die Ansprüche der Kinder topp setzt, sondern sich selbst. Nur das Haushalten will eben auch durchdacht sein, und da fängt doch schon die MIsere an.

Sozialhilfe ist außerdem niemals als Dauereinrichtung gedacht. Leute, die dauerhaft in der Sozialhilfe verbleiben, haben meist eben noch andere Probleme. Kinder , die in solche prekären Familien hineingeboren werden, haben eben die falsche Karte gezogen. Nur wenn man solchen Familien die Kinder wegnehmen würde, hätten sie eben andere Möglichkeiten. Aber das ist ja verpönt. Kinder werden erst entzogen, wenn sie missbraucht, geschlagen und deutlich vernachlässigt werden. Jedes Waisenkind in einem SOS-Dorf in Deutschland hat es da besser. Das ist die knallharte Wahrheit - nicht die Höhe der Sozialhilfe.
 
Sozialhilfe ist außerdem niemals als Dauereinrichtung gedacht.
Das ist nicht richtig. Es gibt Menschen, die aus dauerhaft nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und es auch niemals sein werden. Für die ist dann "Sozialhilfe" keine Phase, die vorbei geht.

Leute, die dauerhaft in der Sozialhilfe verbleiben, haben meist eben noch andere Probleme. Kinder , die in solche prekären Familien hineingeboren werden, haben eben die falsche Karte gezogen. Nur wenn man solchen Familien die Kinder wegnehmen würde, hätten sie eben andere Möglichkeiten. Aber das ist ja verpönt. Kinder werden erst entzogen, wenn sie missbraucht, geschlagen und deutlich vernachlässigt werden.
Das klingt fast, als möchtest Du Menschen, die von "Sozialhilfe" leben, das Recht absprechen, Kinder zu haben und sie ihnen quasi "prophylaktisch" zu entziehen. Ich hoffe, ich habe Dich da falsch verstanden.
 
Das ist nicht richtig. Es gibt Menschen, die aus dauerhaft nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und es auch niemals sein werden. Für die ist dann "Sozialhilfe" keine Phase, die vorbei geht.


Das klingt fast, als möchtest Du Menschen, die von "Sozialhilfe" leben, das Recht absprechen, Kinder zu haben und sie ihnen quasi "prophylaktisch" zu entziehen. Ich hoffe, ich habe Dich da falsch verstanden.

Wozu Sozialhilfe genutzt wird ist was anderes, als wofür sie gedacht ist. Gedacht ist sie für vorübergehende Hilfsbedürftigkeit, wie z.b Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alleinerziehend ohne zahlenden Versorger. Versehrte, unheilbare Krankheitsfolgen ec. sind ja eher Rentenbedürftig, und sollten anders geregelt sein. Ein Waisenkind bekommt ja auch nicht Sozialhilfe, sondern Waisenrente vom verstorbenen Unterhaltspflichtigen.

Natürlich können Leute, die von Sozialhilfe leben,Kinder bekommen, Punkt war doch gar nicht die Finanzierung, sondern Punkt ist, die Art der Behütung, die die Eltern dem Kind zuteil werden lassen, aus Sicht des Kindes ist es unerheblich, ob die Eltern ein Einkommen aus Renten, Sozialversicherung oder eben Arbeit haben, wichtig ist, dass die Eltern alles für ihr Kind tun. Und da gibt es keine staatliche Möglichkeit bei schlechten Eltern einzugreifen, solange diese das Kind nicht misshandeln oder so sträflich vernachlässigen, dass es am Verhungern ist. Lesen sollte man schon können.
 
Trotzdem frage ich mich, ob der Grund vieler Erwachsener nicht im Preis sondern eben in einer anderen "Erwartung" liegt: Man will nicht wieder Schueler sein, der Dinge "falsch" macht, fuer die er dann gemaszregelt wird. Man will einfach seinen musikalischen Traeumen in etwas aktiverer From als nur CDs hoeren nachhaengen. Vielleicht ist diese These falsch, aber leider haben die Autodidakten hier das nicht weiter beleuchtet

Hi Jannis, bevor ich mir meinen ersten Lehrer nahm war ich zwei Jahre Autodidaktin. Kaltstart, also ohne jede Vorkenntnis. Ich habe mit Klavier angefangen, weil ich meine grauen Zellen in Schwung bringen wollte, eine mentale Herausforderung suchte. Zwar beinhaltet meine Arbeit Fortbildungen, trotzdem besteht sie aus sehr viel Routine.
Ich habe mir damals keinen Lehrer gesucht, weil ich es unheimlich spannend fand, mir die relevanten Infos selber zu suchen und das zu lernen, auf das ich Lust hatte. Früher in der Schule hat es mich immer angenervt genau das lernen zu müssen, was vom Lehrer vorgegeben wurde. Wie gerne hätte ich Themen verkürzter gehabt weil sie mich nicht so interessierten. Und vor allem wie gerne wäre ich in das ein oder andere Thema tiefer eingetaucht. Doch die Entscheidungsmacht lag bei den Lehrern. Meine vielen Fragen gingen den meisten eher auf den Keks als das sie sich über das Schülerinteresse gefreut hätten. Und im Vor-Internet-Zeitalter war die Informationsbeschaffung auf eigene Faust außerhalb der Schule zeitaufwendig. Was habe ich unsere kleine Stadtbibliothek geliebt :herz:.

Dementsprechend war ich als Erwachsene, die etwas neu lernen wollte, zwar von vorne hinein auf ernsthaftes lernen aus. Aber eben nicht auf einen Lehrer. Deinen ersten Satz, dass man nicht wieder Schüler sein möchte, unterschreibe ich folglich voll. Deine Schlußfolgerung daraus, dass man einfach seine musikalischen Träume in etwas aktiverer Form als nur CDs hören nachhängen möchte, nicht unbedingt. Ich hatte damals keine musikalischen Träume. Es ging mir um die Entdeckungsreise in ein unbekanntes Land, um die Herausforderung für den Kopf.

Nach zwei Jahren habe ich mir trotz meiner Vorurteile einen Lehrer gesucht. Im nachhinein eine Gurke, aber ich wollte endlich einen Ansprechpartner für meine tausend Fragen haben. Autodidaktentum benötigt nämlich vor allem auch eines - viel Zeit. Der Rechercheaufwand ist enorm. Mit Vollzeitjob und Familie nicht unbedingt ein leichtes Unterfangen. Fünf Jahre später bin ich jetzt bei meinem zweiten Lehrer voll "angekommen." Und sehr glücklich darüber. Ein Lehrer, der auf einen individuell eingeht, ist Gold wert.
 
Alles eine Frage des Willens, des Fleißes und der Disziplin.

Ich habe schon verstanden wie Barrat das gemeint hat, dennoch möchte ich ein paar Gedanken zum Thema "Was man mit Willen und Leistung erreichen kann" los werden.

Meine Eltern waren finanziell gut gestellt, angesehen - Musikunterricht bei Privatlehrerin, Reitunterricht und eigenes Pferd, Privatschule... Aber ich wurde vom Vater sexuell missbraucht.

Ich habe dissoziiert, d.h. ich wußte nichts vom Missbrauch - das ist ein gängiger Mechanismus. Gerade wenn man mit dem Täter zusammenleben muss und das gesamte Umfeld vorgibt nichts davon zu merken, man also keinerlei Hilfe erhält.

Ich konnte das Gymnasium nicht abschliessen, weil irgendwann nichts mehr ging, ich konnte nicht mehr zur Schule gehen und wandte mich ans Jugendamt - "Ich will in ein Heim". Begründen und erklären konnte ich natürlich nichts.

Als böses rebellisches Mädchen verbrachte ich einige Jahre im Erziehungsheim. Um dort raus zu kommen heiratete ich... Und damit war meine Aussicht eine Arbeit zu bekommen dahin. Zuviele verschiedene höhere Schulen, angefangen, dann abgebrochen... dazu eine Heirat mit 16 und kurz darauf die Scheidung.
Krass, wenn man bei Putzjobs, am Fliessband, als Näherin... immerzu abgewiesen wird.

Wie auch immer, ich war so Mitte 20 als die Erinnerung an den Missbrauch wiederkehrte. (Ich hatte Glück, das mein Vater alles zugab, sonst hätte ich wohl gedacht ich sei verrückt und bilde mir das alles nur ein).

So, nun hat man einen Ansatzpunkt, versteht wieso man sovielen Dingen Probleme hatte - vieles wird klar und man denkt an Psychotherapie. Allerdings helfen einem Wille und Bereitschaft an all dem zu arbeiten nicht weiter, weil es kaum Therapeuten gibt die über eine entsprechende Ausbildung (oder Fähigkeiten) verfügen um mit schwer Traumatisierten effektiv arbeiten zu können.

Man hat eigentlich nur in Großstädten eine Chance so jemanden zu finden. Ich lebte damals in der ca. 50.000 Einwohner Stadt in der ich geboren bin und suchte jahrelang vergebens.

Ich war verheiratet, mein Mann hatte Einzelhandelskaufmann gelernt, verdiente entsprechend wenig, wir hätten dringend ein zweites Einkommen gebraucht. Er gab schließlich seinen Job auf und arbeitete als Hilfsarbeiter bei einer Montagefirma - wegen der Zulagen.

1999 legte ich die Studienberechtigungsprüfung für Psychologie ab. Immer noch versuchend irgendwo Fuß fassen zu können. Nun ja, ein Jahr verging bis ich alle Zeugnisse dann auch in Händen hielt (hatte die Kurse zwar alle in einem Schwung machen, aber nicht bezahlen können).

Dann - tata! - eine Neuerung in Österreich: Studiengebühren werden eingeführt! Alles Lernen umsonst, wie es schien... das war finanziell nicht machbar, zumal ich auch 100km (eine Strecke) zum Studienort pendeln musste.

Aber ein Sozialarbeiter hat sich dann engagiert und versucht das Geld über Spenden/Fonds aufzutreiben. Ich konnte tatsächlich mit dem Studium beginnen, es war immer eine äußert wackelige Sache, weil so ein "Fall" wie der meine nirgends vorgesehen ist... man fällt durch alle Raster. Aber mit Müh und Not kam ein bissl Geld zusammen, so dass ich den Rest selber zahlen konnte.

An der Uni war ich immer im vorderen Drittel, also die Leistung hat schon gepasst. Aber als ich im 5. Semester war hat mein Mann seinen Job verloren. Der Sozialarbeiter fiel auch aus - hatte einen anderen Job angenommen. Am Ende vom 6. Semester konnte ich eine Präsentation (für ein Seminar) nicht abhalten, weil ich die 40 Euro für die Fahrkarte nicht hatte.

Und im Herbst darauf flog ich endgültig aus dem Studium, weil wir delogiert wurden - hatten die Miete nicht mehr zahlen können. (Ironischerweise hätte ich da ein Stipendium bekommen, von einer Organisation wie Lions oder Rotary - nur was hilft die Übernahme von Studiengebühren und Fahrtkosten, auch wenns zur Gänze ist, wenn man keine Wohnung mehr hat).

Ich habe mir mit Ach und Krach eine neue Existenz aufgebaut - mit den Mitteln die mir vom Staat zur Verfügung gestellt wurden/werden. Die Uni ist Geschichte - beim Arbeitsamt wurde mir erklärt, das zähle alles gar nichts und ich sei sowieso unvermittelbar... sie wußten von einer Krankheit die ich leider habe und dass ich aufgrund dessen arbeitsunfähig sein kann.
Durch die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit durfte ich allerdings nicht mehr inskribieren. (Und ja, das empört mich immer noch sehr. A la "Wer unten ist, hat unten zu bleiben").

Ich habe diesen ganzen persönlichen Kram nur erzählt, weil ich aufzeigen wollte wie schief Dinge laufen können und was für ein Hohn jegliches Gerede über Wollen/sich abstrengen usw usf. sein kann.

Aus der Literatur und persönlichen Kontakten weiß ich, dass es genug andere, in der Kind schwer traumatisierte Menschen gibt, die sich mit Sozialleistungen irgendwie durchhangeln.

Ändern kann man an der Situation selber wenig - so gibt es in Deutschland zb 80 oder 100 Therapiestunden, dann folgt eine 2jährige Pause bevor ein neuer Antrag gestellt werden kann. Das ist keine Therapie, das ist nutzloses auf der Stelle treten... Wenn man nicht selber zahlen kann ist man aufgeschmissen.

So, ich muss zum Ende kommen, muss morgen früh raus - aber eins noch: Ich hätte das alles nicht erzählt, wenn wir uns kennen würden! Ich halte es da wie die meisten Betroffenen - sag deinen wenigen Freunden/Bekannten lieber nichts von alldem. Das letzte was man will ist als das arme kleine Opfer gesehen werden, mit dem man ach so schonend umgehen muss.

Denn das ist natürlich auch nicht wahr! (Und Leute die ihr wie auch immer geartetes Trauma andeutungsweise zur Sprache bringen, damit den anderen der Wind aus den Segeln genommen ist, sind mir höchst unsymphatisch. Man sollte auch auf dem Zettel haben, dass sich keiner ausgesucht hat wieviel Schicksalsschläge ihn treffen).

In letzter Zeit habe ich hier so viel über traumatisierte Flüchtlinge und wie mit umgehen usw... gelesen und musste mich immer beherrschen nichts dazu zu sagen. Ich schaffe das nicht mehr und bin einfach persönlich viel zu sehr betroffen um ein allgemeines Statement abgeben zu können.

Liebe Grüße

Sabine
 

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