Verpönte Klassische Musik

Hallo miteinander,

jetzt habe ich mehreren Etappen diesen ganzen Faden gelesen und ich finde es höchst interessant, was hierzu alles gepostet wird.

Völlig zustimmen kann ich der These, dass klassische Musik und Popmusik zwei völlig verschiedene Dinge sind und dass man sie eigentlich nicht miteinander vergleichen kann.

Ferner ist es wie dieser Faden zeigt offenbar so, dass es Menschen gibt, die entweder nur der klassischen Musik oder nur der Pop-Musik etwas abgewinnen können. Andererseits fühlen sich einige aber auch in beiden Bereichen ganz wohl.

Meines Erachtens erfordert die klassische Musik aufgrund ihrer größeren musikalischen Komplexität einfach ein ganz anderes Zuhören als Popmusik. Popmusik lässt sich im Alltag prima nebenbeihören (bei handwerklichen Arbeiten, beim Autofahren - bedingt auch bei Büroarbeit bzw. Hausaufgaben, Studierem o.ä.). Klassische Musik erfordert - will man ihr gerecht werden - aber volle Aufmerksamkeit und ein entsprechend aufmerksames Zuhören.

Auch wenn ich etliche Stücke aus dem Bereich Pop, Rock und Jazz mag, so hat diese Art von Musik (speziell Pop) für mich persönlich jedoch den Nachteil, dass man in vielen Fällen die Stücke nach anfänglichem Gefallen relativ schnell nicht mehr hören kann.

Das ist bei klassischer Musik aber genau anders herum. Manche Komponisten bzw. Werke erschließen sich nicht oder nur unzureichend beim ersten Anhören - aber mit jedem weiteren Anhören entdeckt man wieder etwas neues in dem Stück und es wird so für das eigene Ohr immer schöner und reichhaltiger. Klassische Musik erfordert daher mehr "Zuwendung" als die vielen Pop-Stücke, die vielleicht ja auch mehr oder weniger für den heutigen "multitasking-Alltag" und die großen Scharen von Ohrstöpsel-Hörern geschrieben werden?

Natürlich haben beide Arten von Musik ihren Platz und ihre Berechtigung - interessant finde ich nur die Frage, ob die große Vielfalt der musikalischen Genres und Stilrichtungen, die sich nach dem Entstehen der großen klassischen Werke entwickelt hat, (vielleicht auch nur teilweise) einen wirklichen musikalischen Fortschritt darstellt - oder ob man (um mit einem hinkenden Vergleich zu sprechen, den jetzt wahrscheinlich keiner versteht) - nachdem man eine Zeit lang in der höheren Mathematik zugange war, nun wieder Freude daran findet, sich lediglich mit den Grundrechenarten zu befassen, oder gar versucht, sich über diese auch gelegentlich hinwegzusetzen?

LG

Debbie digitalis
 
Wir leben in einer Welt die den Individualismus hervorhebt auf einen Sockel und der Abgrenzung des "ich" gegenüber allen "anderen" als etwas "besonderes". Das "Besondere", "Eigenartige", das Individuelle steht über allem anderen. So haben wir eine Tradition entwickelt, die immer wieder etwas Neues "gegen" althergebrachte Struckturen finden MUSS. Unsere Tradition ist, mit allen Traditionen brechen zu müssen.

Hört sich komisch an? Ist aber so.

Früher nannte man das "Mode", heute ist es die einzige Berechtigungsgrundlage um moderne Musik zu schaffen. Alles andere ist eben modischer Firlefanz. Abwertung. Die Einfachheit der Wiener Klassik gegenüber dem strengen Regelwerk der Vorväter war ein Befreiungsschlag und wurde Jahre später wiederum von neuen Moden verdrängt. Höher, schneller, weiter, größer, lauter, dichter, dann wieder sparsamer, unharmonischer, intimer.

Das ist eben die Errungenschaft unseres Strebens, welches durch den Verstand geleitet wird. Alles, was nicht "besonders", "einzigartig", "besser", "virtuoser", "gehaltvoller" usw. ist, erhält das Etikett "WERTLOS" oder "MINDERWERTIG".

Anders ist dieser Thread hier nicht zu erklären.

Wenn wir uns die Neue Musik anschauen, Cage, Stockhausen, Feldmann - um nur einige zu nennen - dann ist es die Suche nach immer neuen Aspekten der Schönheit im Unerhörten, welches sich für die intellektuell weniger entwickelten Geister (noch?) häßlich anhört.

Die einzige Lektion, die es meiner Meinung nach gilt zu lernen ist: Toleranz und Akzeptanz. Jeder Ton ist was er ist, nicht mehr oder nicht weniger. Warum einige mehr diese oder jene Töne hören wollen muss nicht beurteilt werden.

Warum sollten wir die Leute verpönen, die die Klassik (angeblich) verpönen? Damit legen wir nur den Grundstein einer Polarität, die es bis dato nicht gab.

Es gibt keine häßliche Musik.
Es gibt keine Massenware (mit negativem Beigeschmack).
Alles ist gut so wie es ist.
Es ist egal, wer den ersten Düsenjet in der Musik - welcher auch immer - eingesetzt hat, es war und ist kein Verdienst, dies als "erster" zu tun. Der Dieselmotor wurde auch gleichzeitig 2 mal erfunden, doch EINER erhielt die Lorbeeren. Die Glühbirne wurde mitnichten von Edison erfunden sonder 25 Jahre vorher von Göbel. Der war nur bescheidener und schenkte seine Erfindung einfach der Menschheit. Das erste Patent hatte Swan auf die Glühbirne. Und was lernen jetzt unsere Kinder in der Schule? Diesen Quatsch mit Edison. Aber ist ja egal. Unterm Strich bleibt: die Glühbirne. Die gibt es nun.

Es gibt so etwas wie menschliche Gesamtintelligenz. Dazu gehören ALLE Musiken gleichermaßen. Egal, für welche Musik sich der EINZELNE Hörer entscheidet, hinten herum sind alle Musiken miteinander verwoben. Kein Ton im Popmusikbereich steht OHNE klasischen Hintergrund da. Keine neue Komposition heutzutage ist ohne Einflüsse aus der Popmusik denkbar.

Wozu also polarisieren...

Doch wer will darf gerne weiterhin denken, es gäbe Qualitätsunterschiede in verschiedenen Musikrichtungen. Der denkt wahrscheinlich ebenfalls schlecht über klassische indische, chinesische, australische, afrikanische ua Musik, da diese "Folklore" ja nie an die Leistungen eines Beethoven-Streichquartettes heran reicht!

Jedem das seinige Denken.

Und ich denke natürlich, dass ich völlig Recht habe mit meiner Aussage: man sollte keine Musik verpönen, auch nicht die "Massenware".

Alles Liebe

Viola
 
Völlig zustimmen kann ich der These, dass klassische Musik und Popmusik zwei völlig verschiedene Dinge sind und dass man sie eigentlich nicht miteinander vergleichen kann.
Äpfel und Birnen eben.


Meines Erachtens erfordert die klassische Musik aufgrund ihrer größeren musikalischen Komplexität einfach ein ganz anderes Zuhören als Popmusik. Popmusik lässt sich im Alltag prima nebenbeihören (bei handwerklichen Arbeiten, beim Autofahren - bedingt auch bei Büroarbeit bzw. Hausaufgaben, Studierem o.ä.). Klassische Musik erfordert - will man ihr gerecht werden - aber volle Aufmerksamkeit und ein entsprechend aufmerksames Zuhören.
Stopp: Ich höre nebenbei ausschließlich klassische Musik aller Art, beim Bügeln, kochen, Autofahren usw. Wie kommst Du auf so eine Behauptung?
Bei Klassik - egal welcher Epoche - kann ich mich wunderbar mit anderen Dingen beschäftigen, die mich intellektuell mehr fordern... Das Beispiel des italienischen Kochs, der bei seiner Arbeit lautstark Opern hört und dabei mitträllert ist keine Erfindung sondern habe ich selbst erlebt! Das ist eben so in Italien! Die Leute LEBEN noch ihre Opern! Und kochen nebenbei - oder umgekehrt?

Auch wenn ich etliche Stücke aus dem Bereich Pop, Rock und Jazz mag, so hat diese Art von Musik (speziell Pop) für mich persönlich jedoch den Nachteil, dass man in vielen Fällen die Stücke nach anfänglichem Gefallen relativ schnell nicht mehr hören kann.
Stopp: da gibt es auch Beispiele aus der Klassik...

Das ist bei klassischer Musik aber genau anders herum. Manche Komponisten bzw.
Nicht unbedingt, nicht bei allen Werken, woher Deine Absolutheit kommt ist mir schleierhaft. Für Elise kann hier glaube ich niemand mehr mit "Genuss" hören (außer vielleicht die Einspielung von Elly Ney).

Werke erschließen sich nicht oder nur unzureichend beim ersten Anhören -
Von wie vielen % der Werken sprichts Du? Also es gibt viele Werke aus der Klassik, auch moderne, die sich beim ersten Hören erschließen... letztens war ich auf einem Stockhausen-Festival: herrlich! Gesang der Jünglinge: super. Oktophonium: genial! Was, bitte schön, soll sich da einem nicht erschließen beim "ersten" Hören?
aber mit jedem weiteren Anhören entdeckt man wieder etwas neues in dem Stück und es wird so für das eigene Ohr immer schöner und reichhaltiger.
Das stimmt für ALLE Musik im übrigen. Man höre Michael Jackson "Earth Song" mal in voller Lautstärke und begreife, was da an Musikgeschichte, an Klangfarbe an Wissen verarbeitet wurde. Aber hey, für einige ist das eben ein "billiger" Popsong. ok. Lassen wir das. Niemand muss MJ mögen, auch nicht Stockhausen.

Klassische Musik erfordert daher mehr "Zuwendung" als die vielen Pop-Stücke, die vielleicht ja auch mehr oder weniger für den heutigen "multitasking-Alltag" und die großen Scharen von Ohrstöpsel-Hörern geschrieben werden?
Schon wieder diese Generalisierungen... "höherer" Anspruch an die Hörer hier, und weniger bis gar kein Anspruch an die dummern (?) Popmusikhörer?!?! Was hast Du denn gegen (Pop)Musik im Alltag - denn klassische Musik im Alltag gibt es bei Dir ja angeblich nicht!? Wer Popmusik herstellen will muss sich dieser im übrigen genauso zuwenden und widmen wie bei Einspielungen der klassischer Musik.

Redest Du vielleicht von solchen Geistern wie James Last für die sogenannte auditive "Alltagsunterstützung"? Der bügelt doch jeden Song weich, egal aus welcher Epoche. Und mir gefällt das! Genial gemacht. Das Cembalo bei Bach wird vom Schlagzeug in seiner Funktion ersetzt, das ist genial. Hätte Bach vielleicht auch so gemacht. Who knows. Ich liebe diese Musik beim Zahnarzt. Erwiesener Maßen verrigert solche Art von Musik das Schmerzempfinden um 30%. Mozart im übrigen auch. Wagner und Hindemith im übrigen NICHT. Also, von WELCHER Klassik reden wir?

Natürlich haben beide Arten von Musik ihren Platz und ihre Berechtigung - interessant finde ich nur die Frage, ob die große Vielfalt der musikalischen Genres und Stilrichtungen, die sich nach dem Entstehen der großen klassischen Werke entwickelt hat, (vielleicht auch nur teilweise) einen wirklichen musikalischen Fortschritt darstellt - oder ob man (um mit einem hinkenden Vergleich zu sprechen, den jetzt wahrscheinlich keiner versteht) - nachdem man eine Zeit lang in der höheren Mathematik zugange war, nun wieder Freude daran findet, sich lediglich mit den Grundrechenarten zu befassen, oder gar versucht, sich über diese auch gelegentlich hinwegzusetzen?
Siehe mein Post vorher. Was ist eigentlich mit der Musik, die VOR oder WÄHREND der Entstehung der großen klassischen Werke entstand?
 
@ Viola: Großartiger Beitrag (imho).

Stopp: Ich höre nebenbei ausschließlich klassische Musik aller Art, beim Bügeln, kochen, Autofahren usw. Wie kommst Du auf so eine Behauptung?
Vermutlich, weil in der Klassik wie in allen anderen Stilrichtungen "leicht verdauliche" und schwerer zu konsumierende Kost vorhanden ist.

Was ist eigentlich mit der Musik, die VOR oder WÄHREND der Entstehung der großen klassischen Werke entstand?
Die Frage habe ich auch schon gestellt und bin an Aufklärung sehr interessiert!
 
(1)
Es gibt keine häßliche Musik.
Es gibt keine Massenware (mit negativem Beigeschmack).
Alles ist gut so wie es ist.

(2)
Es ist egal, wer den ersten Düsenjet in der Musik - welcher auch immer - eingesetzt hat, es war und ist kein Verdienst, dies als "erster" zu tun.

zu (1)
wow :D Du solltest eine neue Religion gründen!
...aber dann kommt wieder die lästige Urheberfrage... irgendwie kommt mir das aus einer Diskussion zwischen einem Iwan und einem Aljoscha sehr bekannt vor (Brüder Karamasow), auch beim Disput zwischen einem Nikolaj und einem Kirillow (böse Geister)... und "alles ist gut" ist nur eine, gerade heutzutage nicht unumstrittene, Behauptung...;)

zu (2)
irgendwas vorwärts zu bringen, weiter zu entwickeln, ist durchaus verdienstvoll

- spätestens wenn man versucht, mal eine vorhandene Melodie selber auszuschlachten (ohne es als Variation kenntlich zu machen), erhebt sich Plagiatsgezänk mit ggf empfindlichen juristischen Folgen (man rate, innerhalb von welchem Musikbereich das gerne vorkommt)

liebe Grüße, Rolf
 
Wenn wir uns die Neue Musik anschauen, Cage, Stockhausen, Feldmann - um nur einige zu nennen - dann ist es die Suche nach immer neuen Aspekten der Schönheit im Unerhörten, welches sich für die intellektuell weniger entwickelten Geister (noch?) häßlich anhört.

...ui
...
...
ein Rückfall in die bürgerliche "Kunstreligion"? Schönheit, intellektuell weniger entwickelte Geister...

und die Neue Musik: Cage, Stockhausen, Feldman; auch Boulez und Pendercki; aber auch Ligeti, Gorecki, Paert, Glass :)

nach wie vor liebe Grüße, Rolf

(in der Gewißheit, dass Viola auch ihre Freude an solchen mit Spaß gewürzten Disputen hat)
 
Was ist eigentlich mit der Musik, die VOR oder WÄHREND der Entstehung der großen klassischen Werke entstand?

sakrale Musik des frühen Mittelalters ist teilweise überliefert;
byzantinische Sakralmusik auch;
mittelalterliche Sakralmusik auch;

leider wissen wir nichts vom "baritus", den Schlachtgesängen barbrischer Horden des frühen Mittelalters, außer dass es solche gab (man hat sie nicht notiert), ebenso sind antike ägyptische, griechische und römische Melodien teilweise bis überwiegend Konstruktionen aus Textzeugnissen

mittelalterliche Profanmusik (etwa wie man das Niebelungenlied gesungen und begleitet hat) ist leider oft nur erschlossen - sehr interessant (weil für heutige Ohren verblüffend schräg!!!) ist eine Rekonstruktion der Aufführung der mittelalterlichen "carmina burana" des 13. Jh.

aus der frühen Neuzeit (ganz grob ab der Bauernkriegszeit) wirds dann etwas mehr, sowohl sakral wie profan

"Gassenhauer", Volkslieder, Musik der unfreien Stände (Spätmittelalter, Renaissance), später Musik der ärmeren Bevölkerung: auch hier wurde (leider!) nicht gerade viel überliefert.

da gabs zwei Probleme: erstmal musste sich eine brauchbare Notation für Musik entwickeln (weder die Neumen, noch Lullys Zahlensystem hatten sich durchgesetzt), und natürlich auch ein Interesse daran, Musik in schriftlicher Form zu konservieren.

später dann das folkloristische Interesse im 19. Jh. als Produkt der Erfindung der "Nationalitäten" (Nationalstaaten sind eine "Erfindung" des 19. Jh., vgl. P. Gearick, H. Wolfram u.v.a), welches gelegentlich recht altes "Volksliedgut" (mir fällt grad kein besseres Wort an) notierte, auch rhythmische Traditionen (z.B. die asymetrischen Rhytmen der Balkanfolklore, die sich interessanterweise in verschiedensten (auch sprachlichen) Ethnien zeigt)

angeblich soll im schnellen Satz der Beethovenschen Sonate op.110 ein vulgärer Gassenhauer aus dem Rheinland "konserviert" oder integriert oder zitiert sein (der Text dazu: "ich bin liederlich, du bist liederlich, wir sind liederliche Leute"), wohl ein Gröhllied der Soldateska

außereuropäische Muisk (mit Ausnahme der "Janitscharenmusik" der Mozartzeit) hatte die Europäer offenbar nicht allzu sehr interessiert, Exotismen kamen erst in der 2. Hälfte des 19. Jh. hinzu - und ob ägyptisch wie in Aida, oder zigeuner"ungarisch" wie bei Liszt: sie verwenden dieselben Skalen)

mehr fällt mir ad hoc nicht ein, Gruß, Rolf
 
@ Rolf: Danke für die Kurzvorlesung!
 
Auch dieses könnte man jetzt einfach mal umdrehen. Wird wohl jetzt nicht gerne in einem mehrheitlichen Klassikforum gelesen und mag dämlich klingen, aber wenn man manche Stücke auch aus dem Pop nicht mehr hören kann....versteht man sie vllt. auch nicht?

Wenig plausibel. Man hat sie ja zuerst hören können. Beim "Nicht-Verstehen" eines Stückes ist es ja normalerweise umgekehrt.

Sollte es nicht eigentlich so sein das Musikstücke einen sofort ansprechen und man sagt "hey gefällt mir" anstatt "naja ich verstehe es nicht, aber ich kann ja mal überlegen wie es verständlich werden KÖNNTE"

Sehe ich überhaupt nicht so. Etliche Stücke habe ich mehrmal hören müssen, bis sozusagen der Funke übergesprungen ist.
 
@ Viola: Großartiger Beitrag (imho).

Vermutlich, weil in der Klassik wie in allen anderen Stilrichtungen "leicht verdauliche" und schwerer zu konsumierende Kost vorhanden ist.

Die Frage habe ich auch schon gestellt und bin an Aufklärung sehr interessiert!


Merci, aber der Lob gehört nicht "mir" oder meinem "Verstand" oder meiner "Großartigkeit"... sondern der Sache an sich.
Im Namen der Sache also: danke. Es lebe die bunte Vielfalt.

Gibt es "leicht verdauliche" und "schwer konsumierbare" Musik - egal in welcher Stilrichtung?

Nur mal so als Gedankenanstoss. Für einige ist der anscheinend "leichtverdauliche" Gesang der Aboriginies vielleicht nervtötend. Die Aboriginies hören sich dagegen stundenlang zu.

Wenn ich für mich in Anspruch nehme, zu bestimmten Zeiten bestimmte Musik zu konsumieren, dann muss ich das jedem anderen Menschen auf diesem Planeten auch zugestehen, daran gibt es nichts auszusetzen. Somit erübrigt sich die Frage, warum es Leute geben mag, die eben NICHT in BESTIMMTE klassische Konzerte rennen. Ich geh ja auch nicht in alle rein! Und es erübrigt sich, diesen Leute das vorzuwerfen und Strategien zu entwickeln, wie man neue Klassikfans aufbaut.

Aber grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden die eigene Begeisterung für (bestimmte!) Musik anderen nahe bringen zu wollen, das tut jeder Fan von Popmusik genauso wie Klassikfans eben auch.

Mein Vater hat ganze Busladungen von Hauptschülern in die Oper gekarrt. Begeistert sangen sie die Arien mit! Aus den vorderen Rängen kam dann immer pikiertes PSSST! PSSST! Ein Mann stand mal auf und beschimpfte die drei Busladungen von SchülerInnen als Kulturbanausen! Sie sollten lieber zu Hause bleiben anstatt Leuten, die etwas von Klassik und Etikette verstehen in ihrem Genuss zu stören. Es lief gerade die Arie: "Ich bin der Prinz von Arkadien", ganz wunderschön. Der Dirigent drehte sich am Ende der Arie nach dem Applaus (!) ins Publikum um und sagte: na, dann machen wir es doch wie früher und spielen die Arie einfach noch einmal!! Unsere Leute applaudierten und sangen nun erst recht mit! Hey, DAS war Opernkultur!!! Bombenstimmung!

Nix heiliges andächtiges Schweigen... mit runzelnder Stirn.

In diesem Sinne

Viola
 
Zitat von Viola:
Was ist eigentlich mit der Musik, die VOR oder WÄHREND der Entstehung der großen klassischen Werke entstand?

Hi Rolf,

das war in dem Zusammenhang eher rethorisch gefragt. Keine Musik, auch nicht die "großen" klassischen Werke stehen im Lufleeren Raum sondern sind mit den Musiken ihrer Zeit verwoben, wie Du sehr schön ausführst.

dieses hier hätte ich in "" Zeichen setzen müssen:
"...welches sich für die intellektuell weniger entwickelten Geister..."

denn diese Geister gibt es für mich nicht.

Basti: super, denke ich genau so! Wenn ich ins Museum gehe, dann stehe ich wie alle anderen auch durchschnittlich 3 Sekunden vor einem Bild. Vor anderen Bildern halte ich mich "plötzlich" länger auf, warum auch immer. So gehen im übrigen alle Menschen durch Museen. Wenn mir doch einige Bilder etwas sagen, reicht das doch. Wenn ich dann durch eine schlechte oder gute Führung "plötzlich" eine Beziehung zu bestimmten Werke aufbaue so ist das auch in Ordnung. Letztens habe ich mich mit Bazon Brock angelegt, der irgendwelche naive Malereien von Schwarzafrikaner in den Dreck zog, allerdings weniger die Gemälde an sich sondern die Geisteshaltung dieser Maler, die sich als Künstler verstehen aber sich vom internationalen Kunstbetrieb nicht ernst genommen fühlen. Sie verglichen das mit rassistischen Ausgrenzungen usw. Die Geisteshaltung dieser Künstler war mir aus ihrer Sicht nachvollziehbar, stimmte sie deswegen: nein. Aber deshalb diese Leute so abkanzeln, hey... "wer andere beschimpft, beschimpft sich selbt" - so begann die Führung und ich dachte: Chapeau, Her Brock! Und dann eine Stunde später dieses Rumgehacke auf diesen miderwertigen Künstlern... hey... ich musste so lachen und habe ihm nur die eigenen Worte gesagt... puh, war der geladen! Na, er ist schon ein Guter, aber blinde Flecke hat er halt auch... wie wir alle.

AL

V.
 

Gibt es "leicht verdauliche" und "schwer konsumierbare" Musik - egal in welcher Stilrichtung?

Nur mal so als Gedankenanstoss. Für einige ist der anscheinend "leichtverdauliche" Gesang der Aboriginies vielleicht nervtötend. Die Aboriginies hören sich dagegen stundenlang zu.

Schon mal daran gedacht, dass "leichtverdaulich" ein zweistilliges Prädikat sein könnte? ... Nur mal so als Gedankenanstoß. :rolleyes:

Mein Vater hat ganze Busladungen von Hauptschülern in die Oper gekarrt. Begeistert sangen sie die Arien mit! Aus den vorderen Rängen kam dann immer pikiertes PSSST! PSSST! Ein Mann stand mal auf und beschimpfte die drei Busladungen von SchülerInnen als Kulturbanausen! Sie sollten lieber zu Hause bleiben anstatt Leuten, die etwas von Klassik und Etikette verstehen in ihrem Genuss zu stören. Es lief gerade die Arie: "Ich bin der Prinz von Arkadien", ganz wunderschön. Der Dirigent drehte sich am Ende der Arie nach dem Applaus (!) ins Publikum um und sagte: na, dann machen wir es doch wie früher und spielen die Arie einfach noch einmal!! Unsere Leute applaudierten und sangen nun erst recht mit! Hey, DAS war Opernkultur!!! Bombenstimmung!

Ich glaube, der einzige Teilnehmer dieses Ereignisses, dessen Verhalten ich billigen kann, ist der Dirigent.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo allerseits,

ein wirklich aeusserst interessanter Thread, auch wenn ich nicht geschafft habe, alles zu lesen.

Als jemand, der musikalisch eher bei Rock- und Heavy Metal-Musik beheimatet ist, bin ich hier wohl ein ziemlich Exot...und ich glaube, ich weiss zumindest fuer mich persoenlich ungefaehr, warum mir der Zugang zu klassischer Musik nicht so ganz leicht faellt. Zunaechst mal sprechen die unterschiedlichen Musikrichtungen ja ganz verschiedene Ebenen des Hoerens an. Wenn ich ein gutes Rock- oder Metalstueck hoere, dann mag ich ganz einfach die Energie und Dynamik, die die Musik ausstrahlt.
Aber auch dort gibt es durchaus Bands, die komplizierter aufgebaute Musik machen, wo ich - aehnlich, wie es einige von Euch bei der Klassik beschreiben - mich erst einhoeren muss, bis ich den Rhythmus und die "Tiefe" der Musik ueberhaupt richtig erfassen kann. Und dann gefaellt es mir umso besser, sobald ich den Zugang dazu gefunden habe.

Als totales Klassik-Greenhorn, ist es m.E. wirklich schwierig, einen Einstieg zu finden, weil man so viel Grundwissen braucht, um diese Musik zu verstehen. Wie hier ja schon oft erklaert wurde, scheint sich ja der "wirkliche Genuss" erst durch das Verstehen vom harmonischen Aufbau, der eingesetzten Stilmittel etc. durch den jeweiligen Komponisten zu erschliessen. Und da kommt man als musikalisch ungebildeter Zuhoerer natuerlich in Schwierigkeiten, wenn man - wie ich - nicht grosse Lust hat, erst einmal in muehsamen Selbststudium sich die verschiedenen "Bauformen" in der klassischen Musik anzueignen.:-)
Es passt nicht so richtig in meine Vorstellung, dass ich lernen muss, Musik zu verstehen, weil es gerade die nicht-rationale, nicht-erlernte Ebene ist, auf der ich Musik geniessen moechte.
Also bleibt es dann doch bei einem simplen "gefaellt mir" oder "gefaellt mir nicht", bzw. "beruehrt mich" oder "beruehrt mich nicht". Leider passiert es mir haeufig, wenn ich dann doch mal mit gutem Vorsatz eine klassische CD einlege, dass die Musik dann entweder so "neben mir her plaetschert", und ich einfach nichts besonders Faszinierendes daran finden kann, oder sie mir schnell auf die Nerven geht. Vielleicht habe ich aber auch einfach nicht die richtige Musik ausgewaehlt. :)
Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn ich mir ein Sinfoniekonzert live anhoere. Dann hat es eine ganz andere Intensitaet und man (bzw. ich) kann mich viel mehr dafuer begeistern, einfach weil es viel kraftvoller ist. Vielleicht sollte es mehr Open Air Orchesterkonzerte geben, um die Popularitaet von klassischer Musik zu steigern.

Zum Schluss noch eine kleine Anmerkung: Ich glaube zwar schon, dass der Zugang zur klassichen Musik viel mit dem persoenlich Umfeld (Elternhaus etc.) zu tun hat, aber ich verwehre mich etwas dagegen, zu behaupten, Klassik sei etwas fuer Intellektuelle und Popmusik und Co. die Berieselung fuer die ungebildete Masse. Musikgeschmack ist nun einmal sehr individuell, und nichts, woran man einen Menschen irgendwie messen sollte.

LG Pan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
@ Pantherophis

Ich denke auch, dass es einem für das Verständnis und damit für die Qualität des Hörens sehr hilft, sich Grundlegendes in Harmonik, Form usw. anzueignen. Allerdings finde ich die Vorstellung, sich dieses sozusagen aus Büchern aneignen zu müssen, wie du das nahelegst, eher abwegig. Das geschieht durchaus auch unbewusst. Oft ist das ein für mich faszinierender Vorgang; manche Musik lässt mich erst völlig kalt, geht mir aber bald darauf durch Mark und Bein (und manchmal ist es auch umgekehrt). Auch wenn ich das mittlerweile schon mehr als oft erlebt habe, will das nicht so recht selbstverständlich werden.

Sehr gut hast du die Barrieren beschrieben, die sich dem Klassik-Neuling auftun. Ich denke, in dem, was du da schreibst, würden sich viele wiederfinden. Deutlich wird dabei, dass der langsame Rückzug der anspruchsvollen Klassik auch und vor allen Dingen mit einer Tatsache zu tun hat: es gibt heute einfach mehr Alternativen. Wer Musik mit Tiefgang wollte, kam vor einigen Jahrzehnten letztlich an der Klassik nicht vorbei. Das hat sich definitiv geändert - und du erwähnst ja auch Heavy-Metal-Bands, die komplexere Musik machen. Wahrscheinlich gibt es die Entsprechung des Beethovenquartetts in Rock und Pop nach wie vor nicht (wäre wohl auch keine gute Idee, zu versuchen, so etwas zu machen), aber das Angebot ist wohl immerhin so gut, dass das Erweitern des Horizonts auf die Klassik für den Hörer populärer Musik nur noch einen eher geringen Mehrwert bringt. Auch, wenn dieser sich grundsätzlich für Musik mit Tiefgang interessiert. Warum mühsam "umlernen", wenn man in seiner Nische schon genug zu entdecken hat?
 
Im Namen der Sache also: danke. Es lebe die bunte Vielfalt.

Gibt es "leicht verdauliche" und "schwer konsumierbare" Musik - egal in welcher Stilrichtung?

Nur mal so als Gedankenanstoss. Für einige ist der anscheinend "leichtverdauliche" Gesang der Aboriginies vielleicht nervtötend. Die Aboriginies hören sich dagegen stundenlang zu.

Aber grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden die eigene Begeisterung für (bestimmte!) Musik anderen nahe bringen zu wollen, das tut jeder Fan von Popmusik genauso wie Klassikfans eben auch.

hallo Viola,

da fällt mir noch was ein - ich hab´s extra markiert, womit ich allerdings Dir nichts unterstelle: es ist nur zum anknüpfen!
also:
die bunte Vielfalt müsste ja eigentlich alles enthalten, und irgendwie auch allem eine gerechte Sympathie zuteil werden lassen - aber es läuft merkwürdig in diesem Faden darauf hinaus, dass just Popmusik der so genannten Klassik gegenübergestellt wird (was dann ja auch einige Kapriolen gezeitigt hat) :D
--- wo aber sind die Fans von Andre Rieu, die Fans von Blauem Bock und Musikantenstadl??? Schrammeln und Alpenjodler??? deren Musik müsste eigentlich genauso ernst genommen und akzeptiert sein, wie Pop und Klassik... jetzt frage ich mich, was der "Popfan" von diesen hält :D

amüsierte Grüße, Rolf

(ach ja, einer hat mal einen Brückenschlag gewagt: Friedrich Gulda mit seinem volksmusikinspiriertem Cellokonzert)
 
--- wo aber sind die Fans von Andre Rieu, die Fans von Blauem Bock und Musikantenstadl??? Schrammeln und Alpenjodler??? deren Musik müsste eigentlich genauso ernst genommen und akzeptiert sein

André Rieu ist ja nun kein Komponist (Britney Spears vermutlich auch nicht) - man kann also schlecht die Werke von Beethoven mit denen von Frau Spears vergleichen. Und auch nicht mit denen von Heinz Schenk.

Aber davon mal abgesehen... André Rieu spielt klassische Musik, Schrammelmusik ist Volksmusik (die von den Klassikern sehr hoch geschätzt wurde) und was sonst so im Musikantenstadl gespielt und gesungen wird, kann man problemlos in der Sparte Popmusik unterbringen.
 
Und auch nicht mit denen von Heinz Schenk.(...)
Schrammelmusik ist Volksmusik (die von den Klassikern sehr hoch geschätzt wurde) und was sonst so im Musikantenstadl gespielt und gesungen wird, kann man problemlos in der Sparte Popmusik unterbringen.

:D
Heinz Schenks Oeuvre
:D

aber Spaß beiseite: es gibt ja nicht nur und allein die "Popmusik" und die "Klassik", wie es hier den Anschein erwecken könnte - meine Frage war, was tun mit dem Rest (von Schrammeln über Alpenjodler zu Heino, Jürgens, Schlagern, Mediumterzett, irgendwelches "Oberkrainer" (ich kenne da nicht alle Namen, gabs da nicht mal ein adipöses Duo, welches mit einem "Herzilein" für rührungsvolles Schunkeln in Zelten gesorgt hatte?))

Gruß, Rolf

aber da bringst Du mich auf einen Gedanken: haben denn nicht die Großen der Popmusik ihre musikalischen Werke (Songs, Lieder) selber komponiert?
 
aber da bringst Du mich auf einen Gedanken: haben denn nicht die Großen der Popmusik ihre musikalischen Werke (Songs, Lieder) selber komponiert?

Ganz wichtiger Aspekt!

Ich empfehle die Lektüre von "Stupid, dieser Bohlen" von Frank Farian :)

Die Komponisten der meisten Hitparaden-Hits sind dem Publikum garnicht bekannt. Und selbst, wenn ein Pop-Künstler selbst der "Komponist" ist, dann gilt das oft auch nur für einen simplen melodischen Einfall. Was dann im Tonstudio von den Profi-Arrangeuren, Profi-Backgroundmusikern und Tontechnikern daraus gemacht wird, kann man letzten Endes nicht dem auf der Bühne stehenden "Star" zurechnen.
 
Die Komponisten der meisten Hitparaden-Hits sind dem Publikum garnicht bekannt. Und selbst, wenn ein Pop-Künstler selbst der "Komponist" ist, dann gilt das oft auch nur für einen simplen melodischen Einfall. Was dann im Tonstudio von den Profi-Arrangeuren, Profi-Backgroundmusikern und Tontechnikern daraus gemacht wird, kann man letzten Endes nicht dem auf der Bühne stehenden "Star" zurechnen.

interessant! zwar hatte ich diesen Verdacht gelegentlich, würde aber z.B. Zappa da nicht hineinrechnen - egal. es zeigt, dass sehr sehr oft für diese Musik (wie schon öfter angesprochen) die Person des "Künstlers" zählt, nicht die "Interpretation" des Werks (in dem Sinne, wie man halt "sailing" von Rod Stewart gekrächzt und nicht von Pavarotti gesungen hören will ;))

aber immer noch bleibt meine Frage, warum sich keine (ggf gar aufbrausende) Fürsprache für "Schwammeln, Herzilein, Heino" etc einfinden will - wenn gelegentlich von "aller" Musik die Rede ist, egal ob verpönt oder nicht, müsste doch auch hierfür mal was kommen?... oder reduziert sich "alles was Musik ist" einzig auf Klassik und Pop (verkürzt gesagt)?

Gruß, Rolf
 
die sogenannten volksmusiker verdienen ja anscheinend noch mehr als die Rock- und Popvertreter- Solche Gruppen, die im Stadl auftreten verkaufen ja Millionen tonträger-

aber auch für die gilt und dies ist ein weitere Aspekt.:

Ich kenne eine Menge Leute, die Klassik lieben und selbst spielen und die sich wirklich einen Kopf um Popmusik machen. sie versuchen, den Wert zu erkennen, hören differenziert und erkennen den Wert bestimmter Werke durchaus (Beispiel Thepianist 73 mit seiner aufzählung)-

aus dem Poplager ist mir kaum jemand bekannt, der sich Gedanken über Klassik macht. das wird mit den bekannten statements abgetan: Opamusik, veraltet, langweilig, Klangbrei , unmodern-

Dies ist für mich auch ein Hinweis, wo der regere Geist zu finden ist.
 

Zurück
Top Bottom