Verhältnismäßig unbekannte Klavierwerke

Leoš Janaček – Tema con variationi (Zdenka Variationen)

Janaček war zu Lebzeiten der berühmteste, tschechische Komponist. Für seine Klavierwerke ist er jedoch nur wenig bekannt geworden (am bekanntesten ist wohl noch sein Zyklus „Auf verwachsenem Pfad“) und dafür gibt es einen einfachen Grund: Sie sind eher eine Randerscheinung (was nicht heißen soll, dass sie schlecht wären) bei ihm, denen er selber nicht viel Aufmerksamkeit schenkte. Nach eigener Aussage interessierten ihn schon in jungen Jahren groß besetzte Vokal- und Instrumentalwerke sehr viel mehr, als Klaviermusik. Seine musikalische Ausbildung begann dank seiner schönen Sopranstimme als Sängerknabe im Stift des Klosters in Brünn. Klavierspielen wurde zwar unterrichtet, spielte aber keine sonderlich große Rolle. Janaček sagte, Klavierspielen lernte dort “einer vom anderen”. Als Janaček 12 war starb sein Vater und ließ die Familie so arm zurück, dass man sich kein Klavier leisten konnte, als er 1874 in die Prager Orgelschule aufgenommen wurde. Er schreibt über diese Zeit: „Mit Kreide malte ich Klaviertasten auf den Tisch. Die Finger lernten nach Bachs Präludien und Fugen über diese ‚Tasten‘ zu laufen. Wie qualvoll, dürstete ich doch nach dem lebendigen Ton! Ein Klavier leihen? Wo sollte ich das Geld hernehmen? Aber eines Tages, wie vom Himmel gefallen, stand das Klavier in meinem Zimmerchen […] Am Ende des Schuljahrs verschwand das Klavier aus meiner Wohnung, ebenso unauffällig.“

Was macht man, wenn man kein Geld hat? Man sucht sich einen reichen Partner! ;) Janaček verliebte sich in seine Schülerin, die zehn Jahre jüngere Zdenka Schulzová. Deren wohlhabende Familie ermöglichte Janaček das Studium in Leipzig und Wien, wohl nicht zuletzt, um ihn wenigstens noch eine Zeit von der blutjungen Zdenka fernzuhalten. Obwohl in Leipzig großer Wert auf das Klavierspiel gelegt wurde, interessierte ihn das herzlich wenig. Er stellte fest, dass er nie ein reisender Virtuose werden wolle. „…ich glaube, dass mein Wirken das Komponieren sein wird und dann wird mir wohl wenig am Klavierspiel liegen.“ Dennoch komponierte er in Leipzig 1880 sein erstes bedeutendes Klavierwerk, ein Thema mit sieben Variationen. Das Werk erhielt die Opuszahl 1 und er widmete es seiner geliebten Zdenka. In einem Brief an Zdenka schrieb er: „Heute war ich schon bald auf. Um 7 1/2 machte ich schon, obwohl ungewaschen noch, ein Thema zu Variationen… Es fiel mir das Thema im Bett ein, ich sprang auf, warf mir die Uhr auf die Erde, sie ist aber ganz geblieben, reiste mir die Hose, die ich anziehen wollte beinahe total entzwei, nehme eine andere und – schrieb das Thema auf; es ist nett und wird sich gut variieren lassen.“ Nach nur drei Wochen war die Komposition fertig.

Das Stück beginnt mit einem Thema in B-dur bestehend aus 16 Takten. Schaut man sich das weitere Schaffen von Janaček an, so kann man diese Musik eigentlich noch nicht als typisch für Janaček bezeichen, dennoch handelt es sich um ein sehr wohlklingendes, zartes Andante-Thema, dass wie das gesamte Werk ganz im Geiste von Brahms und Schumann steht. Die Variationen sind überwiegend im gemäßigten Tempo gehalten, nur in der zweiten Variation und im Finale wird Fahrt aufgenommen. Ein Vorteil dieses Werkes ist, dass es auch für fortgeschrittene Amateure machbar ist und es dabei auch wert ist, gespielt zu werden. Wolters schreibt, es handle sich um ein schönes, liedhaftes Thema mit sieben fantasievollen, doch nie überladenen Variationen und dass nur die letzte Variation höhere pianistische Anforderungen stellen würde (Schwierigkeitsstufe 10 von 15).

Auch Zdenka müssen die Variationen gefallen haben, denn nach Janačeks Rückkehr nach dem nur zweimonatigen Aufenthalt in Wien heiratete die damals sechzehnjährig Zdenka ihn. Das Hochzeitsgeschenk war eine vollständig eingerichtete Wohnung, zu der nun auch endlich ein Ehrbar-Flügel gehörte. :)

Leoš Janaček – Tema con variation
(die beste Aufnahme des Stückes, die ich kenne, ist die Einspielung der Polin Ewa Kupiec)

Hier sind die Noten!

Viele Grüße!
 
Sie sind eher eine Randerscheinung (was nicht heißen soll, dass sie schlecht wären) bei ihm, denen er selber nicht viel Aufmerksamkeit schenkte.
...das gilt wohl nicht so ganz bzgl. des biografischen Hintergrunds bei Klavierkompositionen wie auf verwachsenem Pfad (verarbeitet den Tod der Tochter!) oder es-Moll Sonate.

aber vielen Dank für das ausgraben der Variationen!!!
 
...das gilt wohl nicht so ganz bzgl. des biografischen Hintergrunds bei Klavierkompositionen wie auf verwachsenem Pfad (verarbeitet den Tod der Tochter!) oder es-Moll Sonate.

Lieber Rolf,

mag sein, dass "Randerscheinung" zu hart ausgedrückt ist. Ich wollte einfach nur beschreiben, dass sie im Gegensatz zu seinen Opern nicht gerade im Mittelpunkt seines Schaffens stehen. Mit der Sonate 1.X.1905 die du ansprichst war er so unzufrieden, dass er zunächst den dritten Satz und später die auch die anderen beiden vernichtete. Die ersten beiden Sätze sind uns nur dank der Abschrift der Pianistin der Uraufführung erhalten geblieben. Auch die biografischen Hintergründe der verwachsenen Pfade sind umstritten, da er die Überschriften erst nachträglich hinzufügte. Sicher ist aber gerade letzteres nicht als unbedeutend zu bezeichnen. Sehr wichtig war ihm dort auch der musikalische Ausdruck: "Ich will in jedem Ton Spuren davon, dass er...durch die Feueresse des Herzens ging."

aber vielen Dank für das ausgraben der Variationen!!!

Ich danke dir, denn ohne dich würde ich diese Variationen gar nicht kennen!

Viele Grüße!
 
Leoš Janaček – Tema con variation
(die beste Aufnahme des Stückes, die ich kenne, ist die Einspielung der Polin Ewa Kupiec)

Danke für den Tipp, Troubadix! Ich kannte bisher nur die Sonate und den verwachsenen Pfad.

DIe Variationen finde ich sehr berührend, aber vor allem dachte ich beim Anhören, was für ein wunderbares Klavierspiel!! Erst dann habe ich gesehen, dass es Aldo Ciccolini ist, der hier spielt, einer meiner Favoriten :)
 
Ein Dvorak-Schüler hat ebenfalls Wunderschönes für die Nachwelt hinterlassen:
Vít

Und wenn wir bei der Tonart e-moll sind: Nicht nur Chopin hat eines seiner Klavierkonzerte in dieser Tonart komponiert.
Novák - Concerto for Piano and Orchestra in E minor - YouTube

Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Es gibt so vieles, was nicht alle spielen, was aber gerade vielen Nachwuchs-Solisten durchaus attraktive Möglichkeiten zur Profilierung gäbe. Beim Chopin-Konzert ist es meines Erachtens unmenschlich schwer, das Angebot an guten Aufnahmen zu toppen - und selten genug gelingt der Seitenblick auf anderes, was eine Entdeckung wert sein sollte. Ganz persönlich habe ich mit den Chopin-Konzerten überhaupt das Problem, dass ich die Beziehung zwischen Solopartie und Orchestersatz für wenig glücklich halte - man spürt immer, dass der Orchester-Apparat Chopin immer recht fremd geblieben ist (ohne ihm den Vorwurf zu machen, er könne nicht instrumentieren; bei Elsner hat er mit Sicherheit das nötige Handwerkszeug mit auf den künstlerischen Lebensweg bekommen). Es wird schon seinen Grund gehabt haben, dass im Zentrum von Chopins Schaffen die Sololiteratur für Klavier steht, wie auch die Klavierwerke z.B. von Richard Wagner eher marginal daherkommen - ein Blick auf den Notentext verrät, warum das so ist...!
 
Und wenn wir bei der Tonart e-moll sind: Nicht nur Chopin hat eines seiner Klavierkonzerte in dieser Tonart komponiert.
Novák - Concerto for Piano and Orchestra in E minor - YouTube

Da sind ja ziemlich deutliche Anklänge an Dvoraks Neue-Welt-Symphonie drin. :o Laut IMSLP-Liste stammt das Klavierkonzert aus dem Jahr 1895, Dvoraks 9. Symphonie wurde 1894 in Europa erstmals aufgeführt, eine zeitliche Nähe ist also gegeben.
 
lieber Friedrich,
Borodin als Komponist der Oper "Fürst Igor", daraus die mehr als berühmten "Polovetzer Tänze", ist nicht gar so unbekannt -- aber freilich hast du tendenziell recht: es gibt viel russische Klaviermusik, welche hier nicht sonderlich bekannt ist: von Glinka, von Ciurlionis, Medtner, Taneev, Blumenfeld, Feinberg, Arenski und und und...

Wollen wir einigen dieser Herren mal beim Spielen zuhören?
Anton Arensky (1861-1906): Arensky - An der Quelle - YouTube
Arensky Plays His Morceau Characteristics Op 36 No 15 Rec. 1894.wmv - YouTube
Anton Arensky (1861-1906): Arensky - Piano Trio: I Allegro moderato - YouTube
Anton Arensky (1861-1906): Arensky - Piano Trio: II Scherzo - Allegro molto - YouTube
Anton Arensky (1861-1906): Arensky - Consolation in D - YouTube
Taneyev, Sergei (1856-1915) and Pabst, Paul (1854-1897): Arensky - Suite no.2: IV - YouTube
Medtner plays Fairy Tale in B flat Op. 20/1 - YouTube
Medtner plays Fairy Tale Op. 14 No. 2: March of the Paladin - YouTube
Medtner plays Fairy Tale Op. 20/2 in B minor "Campanella" - YouTube
Medtner plays Fairy Tale Op. 51/1 in D minor - YouTube
Feinberg, Piano Concerto op. 36 Nr. 2, Part 1_1 - YouTube
Samuil Feinberg, piano Concerto op. 36 nr. 2 Part 1_2 - YouTube
Feinberg, Piano Concerto op. 36 Nr. 2, Part 2 - YouTube
Feinberg, Piano Concerto op. 36 Nr. 2, Part 3 - YouTube
Samuil Feinberg, piano Concerto op. 36 Nr. 2 Part 4 - YouTube

Der editorische Wert ist beachtlich - aber wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne: Der Genuss beim Hören derartiger Aufnahmen (z.T. aus der Steinzeit der Tonaufzeichnung) bezieht sich eher auf die künstlerischen Inhalte als auf die Klangqualität...

Herzliche Grüße von
Rheinkultur
 
Da sind ja ziemlich deutliche Anklänge an Dvoraks Neue-Welt-Symphonie drin. :o Laut IMSLP-Liste stammt das Klavierkonzert aus dem Jahr 1895, Dvoraks 9. Symphonie wurde 1894 in Europa erstmals aufgeführt, eine zeitliche Nähe ist also gegeben.
Novák hat bei Dvorak nach 1890 am Prager Nationalkonservatorium ja studiert, einige Jahre nach dem Tod seines Lehrers am gleichen Institut eine Kompositionsklasse geleitet - und in den Zwanzigerjahren übernahm er die Leitung des Konservatoriums. Man darf also unterstellen, dass er im ständigen Austausch über künstlerische Inhalte stand und die stilistischen Hintergründe genau kannte. Dvorak wirkte zwar zu der Zeit, als sich seine 9. Sinfonie in Europa verbreitete, immer noch in Amerika - aber Novák MUSS das Stück sicherlich (gut) gekannt haben. Übrigens steht auch die Sinfonie in der Tonart e-moll, so dass sich z.B. bestimmte Kadenzfolgen und harmonische Eigenheiten assoziativ von selbst beim jeweiligen Gegenstück wiederfinden, ohne dass dadurch die stilistische Eigenart der Werke Schaden erleiden würde.
 
Übrigens steht auch die Sinfonie in der Tonart e-moll, so dass sich z.B. bestimmte Kadenzfolgen und harmonische Eigenheiten assoziativ von selbst beim jeweiligen Gegenstück wiederfinden, ohne dass dadurch die stilistische Eigenart der Werke Schaden erleiden würde.

Mir kam es so vor, als ob ganze Motivfolgen (inklusive der entsprechenden Instrumentierung!) aus der Dvorak-Symphonie stammten.
 
wie auch die Klavierwerke z.B. von Richard Wagner eher marginal daherkommen - ein Blick auf den Notentext verrät, warum das so ist...!
da interessiert mich, was dir der Blick auf das Albumblatt "Ankunft bei den schwarzen Schwänen", auf die Albumsonate und auf den Klaviersatz der so genannten Wesendonck-Lieder verrät ;) -- alles andere für Klavier von Wagner ist tatsächlich marginal (Jugendsachen und Gelegenheitssachen etc)
da du Chopin und Wagner in einem Satz untergebracht hast: Wagner hatte mal das e-moll Konzert dirigiert, und aus dem langsamen Satz des f-Moll Konzerts (Streichertremoli als Hintergrund zu einer Klavierdeklamation) hat er sich für einen Orchestereffekt anregen lassen
 
da interessiert mich, was dir der Blick auf das Albumblatt "Ankunft bei den schwarzen Schwänen", auf die Albumsonate und auf den Klaviersatz der so genannten Wesendonck-Lieder verrät ;) -- alles andere für Klavier von Wagner ist tatsächlich marginal (Jugendsachen und Gelegenheitssachen etc)
da du Chopin und Wagner in einem Satz untergebracht hast: Wagner hatte mal das e-moll Konzert dirigiert, und aus dem langsamen Satz des f-Moll Konzerts (Streichertremoli als Hintergrund zu einer Klavierdeklamation) hat er sich für einen Orchestereffekt anregen lassen
Lieber rolf,
natürlich gibt es da Unterschiede - von einem "Züricher Vielliebchen-Walzer" wird man wohl kaum einen künstlerischen Tiefgang im Sinne des "Ring" erwarten dürfen.
Aber wenn man die beiden Klaviersonaten von Richard Wagner mit den beiden Sonaten von Robert Schumann auf dieselbe Stufe stellt (man könnte auch andere Namen nennen), ist der ganz andere Stellenwert im Schaffen des jeweiligen Komponisten genauso augen- wie ohrenfällig...! Die Album-Sonate für M.W. entfernt sich von der herkömmlichen Faktur der klassischen Sonatenhauptsatzform und ist damit recht nahe am durchkomponierten Duktus, wie er im Tristan anzutreffen ist. "Marginal" heißt übrigens nicht, dass ich die Stücke als schwach oder minderwertig einstufen würde. Die Größen der Musikgeschichte erreichen auch bei ihren Gelegenheitsarbeiten ein Qualitätsniveau, mit dem sie die bestgelungenen Stücke der Mittelmäßigen immer noch an Substanz außen vor lassen. Trotzdem gibt es bei dem unglaublich reichhaltigen Gesamtwerk Wagners so viel zu entdecken und bewundern, dass die Gelegenheitsarbeiten quasi nebenher laufen können.

Die Streichertremoli als Mittel zur klanglich motivierten Ausdruckssteigerung sind im Übergang von Spätklassik zur Frühromantik recht oft anzutreffen - bei "Freischütz" und weiteren Bühnenwerken Webers finden sich vergleichbare Orchestereffekte immer wieder, auch Spohr oder Meyerbeer kannten diese Gestaltungsmittel. Wenn Du nun schon "f-moll" sagst in Verbindung mit dem 2. Chopin-Klavierkonzert: Auch der Orchestersatz (Streicher!) im f-moll-Konzertstück von Weber enthält entsprechende Farbwerte und Gestaltungsmittel - gerade Weber kannte die klanglichen Gestaltungsmittel des frühromantischen Orchesters sehr genau; und die ersten musiktheatralischen Resultate Wagners ("Die Feen") behandelten den Orchester-Apparat ganz im Sinne von "Euryanthe", "Oberon" etc.!
 

Aber wenn man die beiden Klaviersonaten von Richard Wagner mit den beiden Sonaten von Robert Schumann auf dieselbe Stufe stellt (man könnte auch andere Namen nennen), ist der ganz andere Stellenwert im Schaffen des jeweiligen Komponisten genauso augen- wie ohrenfällig...!
halt-halt
bei Wagner zählen die Jugend- oder Studiensonaten nicht - es kann nur von der "Albumsonate" die Rede sein: und die hat ja einen sehr schön gewählten Titel, nämlich eine Sonate für das Album von Frau M.W.. Der Titel sagt deutlich, dass Wagner genau wusste, dass er da keine "große" Sonate a la Schumann, Chopin schrieb, sondern eben ein Kuriosum: ein zu langes Albumblatt, das formal einer modernisierten einsätzigen Sonatenstruktur (double function design) folgte, also als Komposition durchaus ambitioniert --- das ist ihm gelungen, dankenswerterweise mit einem relativ unaufwändigen, aber sehr klangschönem Klaviersatz.

"Marginal" heißt übrigens nicht, dass ich die Stücke als schwach oder minderwertig einstufen würde. Die Größen der Musikgeschichte erreichen auch bei ihren Gelegenheitsarbeiten ein Qualitätsniveau, mit dem sie die bestgelungenen Stücke der Mittelmäßigen immer noch an Substanz außen vor lassen.
volle Zustimmung!!!

die Stelle aus dem Chopinschen f-Moll Konzert ist trotz der Vorbilder eine Besonderheit, da eben eine rhythmisch freiere Klavierdeklamation mit den Streichertremoli unterlegt wird - hier dürfte Chopins Vorbild eher in der frühromantischen Oper gelegen sein (ich glaube nicht, dass man 1829 die Klavierkonzerte von Weber in Warschau kannte, aber einige ital. Opern kannte man dort)
 
- gerade Weber kannte die klanglichen Gestaltungsmittel des frühromantischen Orchesters sehr genau; und die ersten musiktheatralischen Resultate Wagners ("Die Feen") behandelten den Orchester-Apparat ganz im Sinne von "Euryanthe", "Oberon" etc.!
na klar!!! - und es spricht für den verschrieenen Wagner, wie er sich für Webers Grab einsetzte!
 
die Stelle aus dem Chopinschen f-Moll Konzert ist trotz der Vorbilder eine Besonderheit, da eben eine rhythmisch freiere Klavierdeklamation mit den Streichertremoli unterlegt wird - hier dürfte Chopins Vorbild eher in der frühromantischen Oper gelegen sein (ich glaube nicht, dass man 1829 die Klavierkonzerte von Weber in Warschau kannte, aber einige ital. Opern kannte man dort)
In Webers Todesjahr 1826 fand in Warschau die Premiere des Freischütz statt (Chopin war anwesend); demnach kam Chopin bereits vor Studienbeginn bei Elsner mit der Operngattung in Berührung. Deklamatorische Elemente mit Streichertremoli waren natürlich schon in den Opern der Belcanto-Ära (Bellini) anzutreffen, die man mit Sicherheit kannte.

Nun hatte ich bei meiner Argumentation eher das Aufgreifen des Streichereffekts durch Wagner bei Weber als durch Chopin bei Weber gemeint: Wagner kannte Webers Lebenswerk (darunter das Konzertstück f-moll) ganz sicher sehr gut. Übrigens bin ich zunächst nicht auf Dein Stichwort "Wesendonck-Lieder" eingegangen, deren Klavierpart auch schon recht orchestral angelegt ist. Wagner selbst hat die "Träume" bereits orchestriert, Felix Mottl dann den Gesamtzyklus unter Berücksichtigung von Wagners Besetzungsvorgabe der "Träume". Inzwischen ist Hans Werner Henzes Bearbeitung recht beliebt. Dieser Liederzyklus ist neben den Bühnenwerken keineswegs ein unbedeutendes Nebenprodukt, im Gegenteil: Er ist eine ganz wichtige Station auf der Entwicklung von der durchkomponierten Ballade eines Carl Loewe zum Orchesterlied eines Gustav Mahler (Rückert-Lieder, Lieder eines fahrenden Gesellen, Des Knaben Wunderhorn) mit Fernwirkung bis zu den "letzten Liedern" eines Richard Strauss. Wie wäre wohl die Entwicklung zum Orchesterlied OHNE den Wesendonck-Zyklus verlaufen...???
 
Die Größen der Musikgeschichte erreichen auch bei ihren Gelegenheitsarbeiten ein Qualitätsniveau, mit dem sie die bestgelungenen Stücke der Mittelmäßigen immer noch an Substanz außen vor lassen.

das muss natürlich unbedingt an einem deutlichen Exempel verifiziert werden:
man sehe folgende Komposition http://conquest.imslp.info/files/im...PMLP280445-hanon-bourriquet-mere-gregoire.pdf von einem gewissen Herrn Hanon :D:D:D:D

q.e.d.
 
ok... nach dem nicht ganz grundlosen Spaßbeitrag #55 mal wieder was hörens- und spielenswertes:
der polnische Pianist und Komponist Kazimierz Serocki (1922-81) hat eine hierzulande leider kaum bekannte Praeludien-Suite für Klavier komponiert, sie hat den Untertitel "für Freunde der Zwölftonmusik". Dieses 1955 entstandene Klavierwerk verbindet spätromantische Gestik mit Dodekaphonie und besticht trotz der zwölftönigen Atonalität durch Klangschönheit.
das 2. Praeludium dieser Suite gibt es auf Youtube: Beata Dencikowska - Preludium II - Kazimierz Serocki - YouTube
 
das muss natürlich unbedingt an einem deutlichen Exempel verifiziert werden:
man sehe folgende Komposition http://conquest.imslp.info/files/im...PMLP280445-hanon-bourriquet-mere-gregoire.pdf von einem gewissen Herrn Hanon :D:D:D:D

q.e.d.
Na großartig - und den "Marche de la Fée" hat Hanon aus Mozarts "Zauberflöte" abgefrühstückt: "Ein Mädchen oder Weibchen..."! Hätte Hanon vor Mozart gelebt (und nicht anders herum), hätte Mozart ihm vermutlich das "Dorfmusikanten-Sextett" KV 522 gewidmet:
Mozart - A Musical Joke, K. 522 [complete] (Ein musikalischer Spaß) - YouTube
Viel Spaß wünscht
Rheinkultur
 
ok... nach dem nicht ganz grundlosen Spaßbeitrag #55 mal wieder was hörens- und spielenswertes:
der polnische Pianist und Komponist Kazimierz Serocki (1922-81) hat eine hierzulande leider kaum bekannte Praeludien-Suite für Klavier komponiert, sie hat den Untertitel "für Freunde der Zwölftonmusik". Dieses 1955 entstandene Klavierwerk verbindet spätromantische Gestik mit Dodekaphonie und besticht trotz der zwölftönigen Atonalität durch Klangschönheit.
das 2. Praeludium dieser Suite gibt es auf Youtube: Beata Dencikowska - Preludium II - Kazimierz Serocki - YouTube
Ja, auch die polnischen Komponisten haben die pianistischen Errungenschaften aus dem Wirken Chopins höchst originell im folgenden Jahrhundert weiterentwickelt. Die frühen beiden Studien von Witold Lutoslawski übertragen den Startimpuls aus op. 10 Nr. 1 höchst wirkungsvoll in die Gegenwart - vielleicht wird der im nächsten Jahr anstehende 100. Geburtstag den einen oder anderen Pianisten zur Repertoire-Erweiterung animieren?
Lutoslawski - Two Studies for Piano - YouTube
LG von Rheinkultur
 
Ljapunow Klaviersonate in f-moll op.27

Sergei Michailowitsch Ljapunow, seiner Zeit in seinem Wirkungsbereich ein sehr angesehener Komponist, Pianist und Pädagoge, dürfte heute den wenigsten Leuten noch was sagen. Am ehesten dürfte man noch seine 12 Études d'exécution transcendante die er Liszt widmete und damit dessen Vorhaben vollendete, 24 solcher Etüden in allen Tonarten zu schreiben kennen. Liszt ist auch einer der beiden Komponisten, die den größten Einfluss auf Ljapunow hatten, besonders was den Klaviersatz betrifft. Der andere Komponist war sein Freund, Mentor und Kollege Balakirev. Wegen der Ähnlichkeit zu dessen Werken und deren oft düsteren Charakters wird er auch gelegentlich als der schwarze Balakirev bezeichnet. Hier liegt auch eines seiner großen Probleme. Oft wird ihm vorgeworfen, er hätte nur kopiert und nie versucht, die Musik weiter zu entwickeln. Dies mag vielleicht zutreffen, dennoch finden sich einige tolle Stücke unter seinen Werken, die ruhig öfter gespielt werden dürften. Wer wie ich die russische Spätromantik liebt, kann sich Ljapunow ruhig mal anhören. Eines dieser schönen und zu wenig gespielten Werke ist seine einzige Klaviersonate in f-moll op.27, die er zwischen 1906 und 1908 schrieb. Das Werk ist ähnlich wie Liszts Sonate in einem Satz durchkomponiert, lässt sich aber in gewisse Abschnitte einteilen. Im ersten Abschnitt „Allegro appassionato“ wird zunächst das düstere, typisch russische Thema der Sonate vorgestellt, das sich immer pompöser aufbaut und schließlich in vollen Akkorden ertönt, bis es in das sanfte Seitenthema übergeht. Dieses präsentiert sich „Cantabile ed espressivo“ als wunderschöne, an Chopin erinnernde Kantilene. Eine ruhige, lyrische Passage wird von einer rasant virtuosen Durchführung des ersten Themas gefolgt, zum Teil mit typischen an die h-moll Sonate erinnernden Elementen. Nach einer kurzen Überleitung die sich aus dem Seitenthema ableitet, beginnt der zweite Abschnitt „Andante sostenuto e molto espressivo“ in E-dur, ebenfalls als Variante des Seitenthemas in lyrischer Kantilenen-Form. Nachdem vor allem die Begleitung in allerlei Varianten von der einfachen „Wellen-Begleitung“ über mit Arpeggien umspielter Daumenstimme, bis hin zu Doppelgriffen und repetierten Akkorden abgewandelt wird, nimmt des Stück wieder Fahrt auf und geht in den nächsten Abschnitt „Allegro vivo“ mit zunächst Scherzo-Charakter und virtuosen 32stel-Figuren über. Schließlich erklingt wieder das Hauptthema (Reprise) in seiner ursprünglichen Form in f-moll. Nach einer letzten ruhigen Passage stürmt das Stück nun unaufhaltsam auf das große Finale „Andante maestoso“ zu. Im permanenten Fortissimo erklingt die Melodie im Bass und wird von schnellen, wellenförmigen Doppelgrifffiguren in der rechten Hand begleitet. Schließlich findet das Stück doch noch ein versöhnliches, ruhiges Ende, das wieder an die h-moll Sonate erinnert.

Wolters bemängelt den geringen Bekanntheitswert dieses herrlichen Werkes. Er meint, dass sich unter den großformatigen Werken der russischen Spätromantik kaum ein dankbareres, wirkungsvolleres und pianistisch interessanteres Opus als dieses auch in der inneren Aussage gehaltvolles Werk findet. Der Klaviersatz ist lisztig und schwer (Wolters-Schwierigkeitsstufe 14 von 15).

Dieses Stück braucht sich nicht hinter den großen romantischen Werken verstecken. Anhören lohnt sich auf jeden Fall!

Ljapunow - Sonate in f-moll op.27 Teil1, Teil2, Teil3

Hier die Noten!

Viele Grüße!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
lieber Troubadix,
da hast mal wieder was wirklich schönes und auf verschiedene Weise diskutierenswertes vorgestellt - danke!

Wolters bemängelt den geringen Bekanntheitswert dieses herrlichen Werkes. Er meint, dass sich unter den großformatigen Werken der russischen Spätromantik kaum ein dankbareres, wirkungsvolleres und pianistisch interessanteres Opus als dieses auch in der inneren Aussage gehaltvolles Werk findet. Der Klaviersatz ist lisztig und schwer (Wolters-Schwierigkeitsstufe 14 von 15).
dass die Sonate sehr schwierig ist, stimmt; dass sie streckenweise sowohl pianistisch-technisch als auch klanglich herrliche Momente hat, stimmt auch. ...aber warum ist sie so unbekannt, so selten gespielt?
zum einen ist die in weiten Teilen zu direkte Abhängigkeit (bis hin zur Imitation mit etwas abgewandelten Tonfolgen) vom Vorbild - Liszts Sonate - einfach unüberhörbar, und da fällt auf, dass das Vorbild doch nicht erreicht wird (es ist viel Parfüm, viel Salon, viel um 1906-8 längst unzeitgemäßes, kurzum eklektisches in den lyrischen Abschnitten), zum anderen finden sich trotz vieler pianistischer Raffinessen eben doch nahezu wörtliche Kopien von allerlei Lisztpassagen -- sowas fällt auf.
aber dann gibt es noch einen weiteren Grund: zu dieser Zeit, da die dem Lisztschüler Klindworth (der in Moskau längere Zeit Klavierprofessor war) gewidmete Sonate entstand und dann publiziert wurde, lagen andere, in der Komposition innovativere Sonaten schon vor, z.B. die drei ersten Sonaten von Skrjabin.
--- hör dir, am besten mit Berman, Skrjabins erste Sonate - auch in f-Moll - mal an, ein irrwitziger Brecher 8meiner Ansicht nach schwieriger als die von Ljapunov)

Dieses Stück braucht sich nicht hinter den großen romantischen Werken verstecken.
ich sag mal was ganz krasses: neben der G-Dur Sonate von Tschaikowski und den Sonaten von Balakirev muss sich die (pardon) eklektische f-moll Sonate nicht verstecken, auch nicht neben den Sonaten von Reubke und Draeseke.
wo könnte sie wirken? vielleicht als großes Stück im ersten Teil eines russ. Programms, wobei danach musikalisch und technisch gesteigert werden müsste (Mussorgski, Skrjabin, Prokovev)
...aber zwischen großformatigen Sachen von Chopin, Liszt, Skrjabin wirkt sich nicht so sehr...

aber ganz gewiß!!! und drin spielen, üben, lohnt sich auf jeden Fall - z.B. wenn man schlimme Lisztsachen übt, ist es hilfreich, sich parallel mit ähnlichen Stellen bei Ljapunov, Balakirev, Rimsky-Korsakov, Saint-Saens u.v.a. zu beschäftigen
 

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