Hai Yannick
danke nochmal pppetc, ich gebe dir voll und ganz recht und freue mich über deinen rat
Bittesehr, gern geschehn - aber so voll und ganz glauben tust Du es doch
noch nicht, nicht wahr?
Und Du würdest es mir auch nicht glauben, wenn ich Dir sagte, daß
das, was Du möchtest, nämlich eine grobe harmonische Analyse, für Dich
überhaupt gar keine Hilfe wäre, sondern allerhöchstens das krasse
Gegenteil.
Aber ich möchte Dir eine Geschichte erzählen:
Ein alter Mann. vielleicht so um die siebzig, reist noch einmal
in seine Heimat, um die Stätten seiner Jugend ein letztes Mal
zu sehen. Als er in dem kleinen Städtchen ankommt, hat es bereits
angefangen zu dunkeln, er hat es nicht eilig, und so läßt er seinen
Koffer am Bahnhof und macht einen Spaziergang, Die Gassen sind leer,
bis auf wenige, ihm fremde Menschen. Sein Weg führt ihn vorbei am
Marktplatz, am alten Brunnen, der Kirche, in der er getauft, und
auch am ehemaligen Ballsaal, einst Mittelpunkt des gesellschaftlichen
Vergnügens, jetzt ein heruntergekommenes, halbverfallnes Gemäuer.
Und obwohl er seit langem am Stock geht, und es für ihn nicht
ungefährlich ist, betritt er das Haus durch eine schief angelehnte
Seitentüre. Die Vergoldungen der Säulen sind abgeblättert, der Samt
an den Wänden hängt in Fetzen, die Ratten flüchten vor seinen
Schritten. Da vernimmt er einen fernen, leisen Klang - ein Walzer?
Ja, früher, wie gerne hatte er getanzt, aber nun, mit seinem lahmen Bein -
Er meint, sich getäuscht zu haben, so plötzlich, wie die Musik
erklungen war, ist sie auch wieder verschwunden - und in diesem
Augenblick schwebt eine wunderschöne Melodie auf die Tanzfläche,
und beginnt sich zu drehen -
nagut, und so weiter, und so fort.
Ich erinnere mich an meine ersten größeren Analysen: für
manche brauchte ich mehrere Monate, ich bin mit dem Stück
morgens aufgestanden, und Nachts ins Bett, jeden Tag, wochenlang.
Ich war damals vielleicht so alt, wie Du es heute bist, und
ich möchte Dich bitten, mir auch das tatsächlich zu glauben:
Wenn ich Dir jetzt die Arbeit abnehme, dann schade ich Dir.
Mißversteh das nicht als Belehrung - es ist keine.
Ich kann Dir von Dingen erzählen, die Du wirklich nicht
wissen kannst - deshalb die kleine Geschichte.
Aber ich darf Dir nicht von Dingen erzählen, die Du lernen
mußt, Dir selbst anzueignen.
Wir alle. ob nun Rolf, oder Christoph, oder auch ich,
haben genauso begonnen, und sind nur deshalb in der Lage,
heute irgendetwas halbwegs Sinnvolles von uns zu geben.
Ist Dir aufgefallen, daß dort, wo scherzando steht,
zum erstenmal eine vollständige Walzerbegleitung
auftaucht? Genau in dem Moment, wo die Melodie
beginnt zu hüpfen, so als erinnere sich der Alte
an all die schönen Tänze und verrückten Sachen, zu
denen er in seiner Jugend fähig war.
Oder der Eintritt der Melodie, wo sich durch
den jeweils ersten Melodieton eines Taktes
zusammen mit der linken Hand eine umgekehrte
Walzerbegleitung formt,
gebildet nach der Idee
der Erinnerung selbst - als Rückblick?
Bitte nochmals: die Gesamtheit dieser ganzen kleinen Details
ist entschieden wichtiger als eine isolierte harmonische
Analyse. Meinetwegen mach eine, und wenn Du nicht weiterkommst,
helf ich Dir gerne - aber anfangen mußt Du.
Herzliche Grüße
stephan
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