Unnötig auswendig

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Barney

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26. Jan. 2014
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Hallo,

als Neuer hier im Forum möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Jürgen (im Freundeskreis Barney). Ich wohne in einer Kleinstadt nahe der Ostsee und werde in diesem Jahr (Dezember) 63 Jahre alt.
Vor einem Jahr wechselte ich in den Ruhestand. Jetzt endlich wollte ich mir einen Lebenstraum erfüllen: Klavier spielen lernen. Musikalische Vorbildung war vorhanden. Bis zu meinem 35. Lebensjahr habe ich noch regelmäßig Querflöte gespielt.
Mittlere bis schwere Stücke vom Blatt (Bach, Telemann, Vivaldi, Mozart u.a.) waren nicht so die große Hürde.

Aber jetzt komme ich zu meinem persönlichen Problem:
Seit einem Jahr habe ich Klavierunterricht. Meine Lehrerin schwört mehr darauf komplette Stücke spielen zu lernen als konzentriert eine Klavierschule durchzuarbeiten.
Soweit O.K. Das letzte Stück, dass ich jetzt ganz gut kann ist "To a wild rose" von McDowell. Zum Erstaunen meiner Lehrerin kann ich es, wie auch alle anderen bisher erarbeiteten Stücke, auswendig.
Dabei setze ich mich keineswegs mit dem Gedanken ans Klavier, ein Musikstück auswendig zu lernen. Ich erlerne es Takt für Takt, Akkord für Akkord. Sobald ich die einzelnen Akkorde nicht mehr "sammeln" muss, kleben die Takte im Gehirn fest und ich verfeinere die Taktfolge ohne auf die Noten zu schauen. Sobald ich aber auf die Noten schauen soll, "spiel doch mal ab Takt 12" klappt es nicht mehr.
Und das beunruhigt mich sehr. Ich kann die erlernten Stücke nicht bewusst vom Blatt verfolgen. Auswendig ist zwar toll, aber doch nicht im Sinne des Erfinders, oder?
Bei der Flöte war es eher umgekehrt. Aber da hatte ich auch nur eine Notenzeile.

Gruß
Barney
 
ich gehe davon aus, daß Du früher mit Flöte auch nie aufgefordert wurdest, ab Takt 12 zu spielen und Flöte auch nach Deinem System gelernt hast.


"spiel mal ab Takt 12" kenne ich gut. Mein KL schwört darauf, mich kreuz und quer durch die Takte zu jagen, Dynamik und Bindung bewußt umzukehren (aus pp wird ff und umgekehrt, aus legato wird staccato und umgekehrt). Das Vorgehen löscht auch das Fingergedächtnis. Das Ergebnis ist die todsichere Beherrschung des Stückes. Du bist danach gleich reif für einen Auftritt und hast noch nichtmal Lampenfieber weil da schlicht nix mehr schief gehen kann. Es sei denn, Du kippst vom Hocker :-)

Es ist halt ein anderes Spielen als das Auswendiglernen. Ich denke, man sollte beides können. Ich würde das Spielen nach Noten daher zu einem Thema machen in Deinem Unterricht.
 
Hallo Barney,

ich bin auch ein Späteinsteiger (mit 47 angefangen, jetzt 6 Jahre hinter mir). Ich sehe das aus meiner Erfahrung so: es gibt da drei, vier Dinge die man - fleissiges Üben vorausgesetzt - irgendwann mal kann. Das ist: Auswendig spielen, nach Noten spielen, nicht mehr hinschauen, improvisieren etc.

Je nach Neigung und Vorbildung geht das eine schneller und für das andere brauchts etwas mehr Zeit. Auch bei mir war es so, dass ich sehr schnell die Dinge auswendig spielen konnte (mit Blick auf die Finger) - ich glaube, das das auch etwas mit der musikalischen Vorbildung zu tun hat. Ich hab dann angefangen, bewusst ab und zu leichte, unbekannte Stücke vom Blatt zu spielen .... meine KL macht ab und zu auch dieses Zeug mit mir: Spielen Sie mal von Takt 14 etc ..... am Anfang Chaos, jetzt gehts besser ... Mittlerweile kann ich lange Stücke auswendig ohne noch auf die Tasten zu sehen, leicht Stücke gehen vom Blatt und manchmal improvisiere ich über bestimmte Harmonien.

Was ich Dir mitgeben kann: Don´t panic .... irgendwann geht alles. Freue Dich, dass Du Stücke auswendig kannst (viele haben genau damit ein Problem), lass Dich nicht verunsichern, mach einfach weiter. Irgendwann kommen auch die anderen Sachen fast von selbst (was nicht heisst, dass man durch bestimmte Übungen das Notenlesen, Improvisieren etc ....) trainieren kann.

Vile Spass noch
Gruss
Hyp
 
Hallo Barney und willkommen.
Mir geht´s wie Dir. Früher Geige gespielt, da konnte ich fast nie was auswendig, immer alles vom Blatt und hatte damit auch keine Probleme. Am Klavier das Gegenteil (es ist halt eine Zeile zu viel :) ).
Ich übe ein Stück ein, kann es auswendig (da staunt mein Lehrer auch immer), gehe stolz zum Unterricht und dann kommt genau das Gleiche: Spiele mal Takt 14-18, Spiele mal Takt 34 nur die rechte Hand usw. und mein "Fingergedächtnis" bricht zusammen und ich weiß gar nicht genau, wo ich überhaupt bin.
Es ist genau der Punkt, wo man merkt, dass jetzt eigentlich erst die Arbeit am Stück anfängt. Also alles normal.

Mache Dich auch darauf gefasst, dass Du als Erwachsener viele erlernte Stücke wieder verlernen wirst und lass Dich davon nicht frustrieren.
 
Sobald ich aber auf die Noten schauen soll, "spiel doch mal ab Takt 12" klappt es nicht mehr.
wird da wirklich nach einem x-beliebigen Taktanfang gefragt?
oder ist die Aufgabe, bei irgendeiner Phrase oder irgendeinem neuen Abschnitt einzusetzen?

ich empfehle dir dreierlei:
1. bei deinen schon gespielten Stücken dort einzusetzen, wo es musikalisch sinnvoll ist (also zum Beginn einer Phrase etc)
2. dank Internet und PC kann man sich fast alles anhören und dazu noch die Noten mitverfolgen - mach das doch einfach bei Klavierstücken, die dir gefallen (möglichst wegen des Notenverfolgens erst mal kein rasantes Zeugs, sondern z.B. ein Chopinnocturne etc)
3. spiel mal mit der linken Hand das, was die rechte machen soll und umgekehrt (nein nein, nicht gleichzeitig mit überkreuzten Händen)
 
Ja, mit Flöte, Geige etc. geht es nach Noten spielen meistens problemlos, dagegen am Klavier harzt es. Wer ist daran schuld?
Ich sage einfach, der verflixte, verdammte und verfluchte Bassschlüssel ist daran schuld. Man muss Zwei Notensysteme, die zueinander noch verschoben sind, im Auge behalten und im Kopf die zwei Notensysteme jeweils interpretieren.

Dies mach jedem Anfänger mühe, da bleibt nur ….. üben, üben und nochmals üben.

Gruss Toni
 
Hi Barney,

mir gehts nach 11 Jahren Klavierunterricht auch immer noch genauso. Ich bin mir dessen aber erst seit ca. 1 Jahr (seit ich Clavio und vor allem hasenbein lese) bewusst.

Wie rolf sagt, hilft es sicher, bewusst Einsetzstellen zu üben.

Außerdem hat es mir geholfen, "rückwärts" zu üben. Nicht richtig rückwärts, aber vom Schluss rückwärts gehend einen Phrasenanfang suchen und von da bis zum Schluss üben. Dann von dem Phrasenanfang weiter rückwärts bis zur nächsten "guten" Einsetzstelle. Wenn Du vorne angekomen bis, hast Du jede Menge Einsetzstellen.

Weiters meine ich, dass es hilft, sich im Stück bestimmte Kadenzen klarzumachen, damit man an markanten Stellen schon mal die Harmonien weiß. Das schränkt ja die Menge der jeweils möglichen Tasten schon mal ein, allerdings musst Du dann immer noch auswendig lernen, mit welchem Fingersatz das zu drücken ist. Darin bin ich allerdings auch nicht gut.

Und es hilft, vom Blatt zu spielen. Ich habe grade Kabalewskis Jugendalbum rausgekramt, zudem hab ich von Carsten Gerlitz "Jahrhunderstücke" oder so ähnlich als "easy piano" (gibts anscheinend nur noch antiquarisch) - das sind sehr leichte Arrangements von Jazz/Pop-Standards. Es gibt natürlich viel mehr davon, nur leicht muss es halt sein. Die Steigerung davon ist dann, mit dem/der KL vierhändig zu spielen vom Blatt. KL gibt den "Motor" und Du musst sehen, dass Du irgendwie mitkommst :-D

Mithören kann ich irgendwie auch nicht, jedenfalls nicht nach Noten. Ich zähl dann eher die Takte ab ... Es ist mir sehr anstrengend, deshalb mach ich es viel zu wenig.

Ciao
- Karsten
 
Ich sage einfach, der verflixte, verdammte und verfluchte Bassschlüssel ist daran schuld.
Gruss Toni

. . . was für ein Basschlüssel ? :D:D

Nun wieder Ernst. Die ersten Stücke die ich begann, habe ich auch auswendig gelernt
und habe bei denen heute noch die Probleme, irgendwo einzusteigen. Die
sind halt im Fingergedächnis und nicht im Kopf.
Jetzt spiele ich immer bei neuen Stücken mit einem Blick auf die Noten, so als wenn ich abkucke. Ich habe das Gefühl, als muß dieser "Blick" auch geübt werden, es klappt
inzwischen aber mit dem mittendrin Einstieg.

Gruß
Schellack
 

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