Talent wird überbewertet

"Superstars", also oftmals von Werbeindustrie und ( bestochenen) Medien gepuschte Leute, die heute in engster Rotation im Radio zu vernehmen sind, und eine kaum zu ertragende akustische Umweltverschmutzung in meinen Ohren darstellen, sind gewiss nicht als besondere "Talente" zu bezeichnen, zählen sich aber dazu. Computerbasierte Pop-Balladen mit postpubertär- narzistisch-egozentrischen Texten versehen, auf Deutsch "gesungen"...strapazieren auch die toleranteste Haltung in Sachen Musik. Plattitüde, zu erwähnen, dass Starsein und Talentiertsein allzu häufig sehr weit auseinanderklaffen.
Zum Erfolg als Musiker gehören natürlich auch eine Reihe weiterer in-und extrinsischer Faktoren:
die psychische Disposition: Nerven, Frustrationsbereitschaft, Selbstbewußtsein, extrinsisch: Glück, im richtigen Moment, die richtigen Leute kennenzulernen, eine Nachfrage zu erfüllen,etc., das "richtige" Instrument zu spielen, etc, etc.
Eines aber kann dem Talentierten keiner nehmen: die Freude am Erfolg beim Musizieren.
 
Leidenschaft, Neugier und Freude ist m.E. ebenso wichtig wie Talent. Ich denke, man sollte sich die Latte immer ein Bisschen höher hängen und versuchen nicht darunter durchzulaufen. ;-)
 
Okay - wenn Du das Ding festhältst, versuche ich, drunterdurch! :lol::lol::lol:
 

Talent wird fast immer als Ausrede verwendet.

Die, die meinen es zu haben, ruhen sich drauf aus. Wozu mehr, anders oder besser üben, wenn man doch Talent hat?
Die die es nicht haben, behaupten, sie könnten es nicht so gut, weil sie kein Talent haben, dabei üben sie vielleicht einfach nur falsch oder zu wenig um so zu spielen, wie die angeblichen Talente.
Und dann gibt es sogar immer wieder die Fälle, in denen anderen ihr vorgebliches Talent fast schon vorgeworfen wird ("Wenn ich so viel Talent hätte, ja dann ...") und die sich genötigt fühlen, es abzustreiten. (einmal dürft ihr raten, auf wen ich hier anspiele).
Bin leider auch mit etwas Talent gestraft, nehme weiterhin keinen Unterricht und übe zu wenig (weniger als 2-3h täglich). Entsprechend bekommt man gesagt, wie viel toller und was für schwere Literatur man doch spielen könnte, wenn man sich nur richtig reinhängen würde. ;-)
 
Das ist wirklich eine sehr interessante Thematik. Hören, bewegen, strukturieren, Klangfarben und Harmonien mit Emotionen und einem gefühlsmäßigen Ausdruck verbinden oder darbieten zu können, sich Noten für lange Zeit merken zu können, Rhythmus- und gutes Körpergefühl, Empfinden für verschiedene Musikstile und Proportionen innerhalb der Musik, wobei die wirklich talentierten Menschen in aller Regel so differenziert und (selbst-)kritisch sind, dass sie von sich niemals behaupten würden, "Talent" zu haben.

vielleicht ist Talent auch das, was selbst im günstigsten Fall nicht durch Mühe und Arbeit ersetzt werden kann?

Im Sport ist jedem sofort klar, dass ein Marathonläufer, ein Sprinter und ein Gewichtheber ihre Disziplin entsprechend ihrer körperlichen Voraussetzungen ausüben. Man würde die drei optisch sofort zuordnen können. Nicht zu vergessen: auch der Gewichtheber kann laufen! Trotzdem wird kein vernünftiger Mensch auf den Gedanken kommen, ihn mit viel Mühe auf Marathonlauf umzuschulen. Daher sind die Argumente, man müsse nur lange genug... um dieses oder jenes am Klavier zu erreichen nur in einem beschränkten Rahmen gültig.

Talent ist nicht zuletzt wohl auch Definitionssache. Wenn manche Kinder nach mehrwöchigem Üben im Vortrag herumeiern und nicht wissen, welche Harmonie als Nächstes dran kommt, während dasselbe Stück von einem mindestens 4 Jahre jüngeren Kind innerhalb von 20 Minuten auswendig gelernt wird, heißt das noch längst nicht, dass der Schnelllerner musikalisches Talent haben muss. Dazu gehört noch viel mehr, aber er hat eben gute Karten, um musikalisch voranzukommen, so er denn möchte.

Kürzlich hatte ich bei einem zweifellos sehr begabten Kind auch den umgekehrten Fall, dass gerade wegen der Begabung der Lernfortschritt behindert wurde. Dieses noch sehr junge Kind hatte innerlich Probleme mit verminderten und Septakkorden und konnte sie klanglich nicht an sich heranlassen, weil es die Spannung vor der harmonischen Auflösung nicht auszuhalten vermochte. Wir haben dann gemeinsam immer wieder hineingehört, dunkle Wolken am Himmel abwechselnd zu den fraglichen Harmonien betrachtet, der klangliche "Sonnenschein" am Ende der Geschichte hat es dann doch noch gebracht! Man hätte das alles auch ignorieren können und diesem Kind fehlendes Talent bescheinigen, weil Dutzende andere Schüler im selben Alter und beim gleichen Ausbildungsstand es viel eher schaffen, an solchen Stellen die richtigen Tasten herunter zu drücken...
 
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Ich finde es geradezu sträflich, die Tatsache, dass es Talent gibt, zu leugnen. Natürlich bedeutet Talent nicht, dass man nicht viel Arbeit investieren müsste und natürlich kann man auch ohne Talent mit viel Arbeit viel erreichen, aber: Eine Giraffe wird nie so gut schwimmen wie ein Delphin, ganz egal wie viel sie trainiert. Was ich damit meine ist, dass in unserem Bildungssystem viel zu wenig Zeit investiert wird, herauszufinden, wo die eigenen Talente liegen, um die dann gezielt zu fördern.
 
Was ich damit meine ist, dass in unserem Bildungssystem viel zu wenig Zeit investiert wird, herauszufinden, wo die eigenen Talente liegen, um die dann gezielt zu fördern.
Es ist ja sogar das Gegenteil der Fall, wenn mal ein Talent so groß ist, das ein Kind es nicht verbergen kann, dann wird dem Kind ein soziales Problem angedichtet, weil sich Lehrer gestört fühlen.

Aber geht es in diesem Unterforum nicht um Erwachsene die sich mit mehr oder weniger Talent an die Tasten setzen, und versuchen was sie dort zustande bringen? Da finde ich es interessant, dass die Frage nach dem Talent immer wieder aufkommt. Währe diese Frage überhaupt relevant, wenn wir nicht irgendwie den Drang hätten uns zu vergleichen? Und ist es nicht sinnvoll sich an der Stelle klar zu machen: Es ist egal, wir sind erwachsen und nur uns selbst gegenüber verantwortlich.

Talent haben macht definitiv Spass, ich hatte in anderen Bereichen, dass Glück es zu erleben. Trotzdem habe ich am Ende festgestellt, dass Fleiß auf Dauer mehr Befriedigung bringt.
 
Was ich damit meine ist, dass in unserem Bildungssystem viel zu wenig Zeit investiert wird, herauszufinden, wo die eigenen Talente liegen, um die dann gezielt zu fördern.

Erinnert mich an meine Grundschulzeit. Lesen war das schlimmste, da hatte ich manchmal Magendrücken. Was kann ich dafür, dass ich mit 4 ein Leselernspiel geschenkt bekam und mit mit 4 1/2 lesen konnte, selbst beigebracht? Ich musste mir trotzdem diesen Unterricht antun. Hätte mich lieber mit einem Buch in die Ecke gesetzt.

Zehn Jahre später war die Pädagogik weiter, da durften Kinder, die schon lesen konnten, dann in die Ecke und still selbst lesen, was sie wollten.

Individuelle Talentförderung ist aber auch ein hehrer Anspruch. Ich bin BJ '64, geburtenstarker Jahrgang. Deswegen wohl total überraschend, dass 10 Jahre später mehr Kinder z.B. aufs Gymnasium möchten. Wenn ich heute Pädagogen erzähle, dass wir in der Sexta (aka 5. Klasse) 41 Schüler hatten ... die Schule hatte keine finianziellen, personellen und räumlichen Ressourcen, um irgendetwas zu fördern, die war am Anschlag. Ich hatte sogar in der Mittelstufe für ein halbes Jahr mittwochs und samstags eine 0. Stunde.


Und heute? Bei meine Stieftöchtern ist mehr Unterricht pro Halbjahr ausgefallen als bei mir in der gesatmen Oberstufe.


'Jeder seinen Fähigkeiten, jder nach seinen Bedürfnissen', da war doch was!?

Grüße
Häretiker
 
Erinnert mich an meine Grundschulzeit. Lesen war das schlimmste, da hatte ich manchmal Magendrücken. Was kann ich dafür, dass ich mit 4 ein Leselernspiel geschenkt bekam und mit mit 4 1/2 lesen konnte, selbst beigebracht? Ich musste mir trotzdem diesen Unterricht antun. Hätte mich lieber mit einem Buch in die Ecke gesetzt.

Zehn Jahre später war die Pädagogik weiter, da durften Kinder, die schon lesen konnten, dann in die Ecke und still selbst lesen, was sie wollten.

Individuelle Talentförderung ist aber auch ein hehrer Anspruch. Ich bin BJ '64, geburtenstarker Jahrgang. Deswegen wohl total überraschend, dass 10 Jahre später mehr Kinder z.B. aufs Gymnasium möchten. Wenn ich heute Pädagogen erzähle, dass wir in der Sexta (aka 5. Klasse) 41 Schüler hatten ... die Schule hatte keine finianziellen, personellen und räumlichen Ressourcen, um irgendetwas zu fördern, die war am Anschlag. Ich hatte sogar in der Mittelstufe für ein halbes Jahr mittwochs und samstags eine 0. Stunde.

Jaja, war ne schlimme Zeit, damals... :lol: Gerade meine Grundschulzeit habe ich in grauenvoller Erinnerung. :cry: Ich musste ganz hinten in der letzten Reihe sitzen und wurde nie drangenommen, egal wie ich mich abmühte. Da gab es eher eine Ermahnung...

Wenn ich die Klassengrößen von damals vergleiche mit den heute angeblich zwingend nötigen Minigrüppchen, frage ich mich, wie das funktioniert hat, damals, als wir während der gesamten Mittelstufe 47 waren... (und wir als Lateinklasse waren noch die kleinste, eine Parallelklasse hatte 51 :super:).
 
Wenn ich die Klassengrößen von damals vergleiche mit den heute angeblich zwingend nötigen Minigrüppchen, frage ich mich, wie das funktioniert hat, damals, als wir während der gesamten Mittelstufe 47 waren... (und wir als Lateinklasse waren noch die kleinste, eine Parallelklasse hatte 51 :super:).

Man sollte sich nicht allzu nostalgischen Erinnerungen hingeben.
Wir waren ebenfalls 46 in der Lateinklasse und wurden, je nach Lehrerversorgung, mal geteilt und dann wieder zusammengeworfen.
Ungefähr ab der 4.Bankreihe war das, was ablief, nicht mehr unter dem subsumierbar, was man landläufig unter "Unterricht" versteht. Olaf in der letzten Reihe lag zugekifft halb unter der Bank.

In einer kleineren Gruppe kann man sich nur schwer verstecken. ;-)

Schlagzeile heute in der Zeitung: "Erziehung ist Elternpflicht". Man kann nicht zwingend davon ausgehen, dass diese Pflicht heute wahrgenommen wird.
 
Sooo große Klassen im Gymnasium nur wenige Jahre nach meiner Schulzeit?:denken:

In der vierten Klasse hatte ich 51 Mitschüler von denen acht!!! auf eine weiterführende Schule gehen durften. In der fünften Klasse, die damals noch Sexta genannt wurde, waren wir dann nur 21, darunter ganze vier Mädchen. Die Schule war zweizügig aufgebaut. Auch nach unserem Umzug in ein anderes Bundesland betrug die Klassenstärke nur zwischen 32 und 34 Schülern, gelärmt wurde trotzdem, die gestrigen Jugendlichen waren nicht viel besser als die heutigen. In der Grundschule hingegen hörte man während des Unterrichts trotz 52 Kindern keinen Mucks.
 

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