Stimmng 440 Hz obligatorisch?

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12. Aug. 2008
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Hallo liebe Clavio-Leser(innen),

ich wollte mal fragen, ist es eigentlich normal, das Klaviere und Flügel immer auf 440 Hzgestimmt werden, aus dem Orchesterbereich kenne ich das nicht, dort wird allgemein höher gestimmt? Mindestens 442 Hz, oft 443.

Ist es für das Instrument vorteilhaft, nachteilig, wenn man höher stimmen würde? (Spannung, Klangfarbe, Einfluss auf Anschlag,....)

VG
violapiano
 
Das ist ein alter Streitpunkt. Die Orchester die höher stimmen behaupten das dadurch ihre Instrumente besser klängen und sie ausdrucksintensiver spielen könnten; allerdings stimmen nicht alle höher denn im angelsächsischen Raum gibt es einige die die genormten 440 Hz einhalten und dann stellt sich die Frage warum können es die auch auf der Normstimmung und die anderen angeblich nicht.
Wie sagte einmal Karl Valentin: "Kunst kommt von können nicht von wollen denn sonst müßte es ja Wunst heißen"....:floet:

Ich persönlich wäre dafür ausschließlich die 440 (auch auf Tonträgern) zuzulassen, schließlich basiert eine Normung auf Initiative der Betroffenen und wenn sie sich schon auf eine Vereinheitlichung einigten und initiierten sollten sie sich dann gefälligst auch dran halten.
Die einzig sinnvolle Ausnahme davon sind Ensembles die auf historischen Instrumenten mit tieferen Stimmungen spielen denn da ist es klar das man diese Instrumente nicht auf die Normstimmung bringen kann

Auch weil es auch einige Instrumente gibt die nicht stimmhöhenvariabel sind sowie z. B. bei nem Piano dadurch eine höhere technische Belastung entsteht als der Konstrukteur eigentlich vorgesehen hatte halte ich die Höherstimmung für kontraproduktiv.
 
Hallo,

1939 hat man sich das erste Mal auf einer internationalen Konferenz darauf geeinigt, dass die Tonhöhe 440 Hz vereinheitlicht gelten soll. Diese Regelung wurde mit aufkommender größerer Reisetätigkeit notwendig. Davor gab es regional deutliche Unterschiede von 435Hz oder tiefer bis 440Hz als Höchstmaß.

Diese vernünftige Einigung wurde gut eingehalten bis, ja bis Herbert von Karamels (wie Ottili ihn nannte) mit den Wiener Philharmonikern einmal Tonaufnahmen machen wollte. Er fand, dass das typisch wienerische Gewimmer der Geigen (vibrato) unerträglich sei. Dann lies er die Geigen höher stimmen (445) und es klang weniger verschwommen.

Weil sich Herbert mit dieser Idee abhob und in gewisser Weise rechtbehielt, fand er im europäischen Raum weitgehend Anerkennung und Nachahmer mit ebenfalls eigenen Vorstellungen (442Hz, 443Hz etc.)

Im babylonischen Sprachgewirr der Europäer werden "individualisierte" unterschiedliche Tonhöhen eher toleriert und akzeptiert. Amerikanische Musiker jedoch schätzen eine Veränderung der 440Hz gar nicht.

Natürlich ist die dauernde Umstimmerei der Konzertflügel eine Tortur für das Instrument, die Wirbelfelder und vieles mehr. Von Stimmstabilität ganz zu schweigen. Das brachte die Firma Steinway vor gar nicht allzu langer Zeit auf den Plan, eine Order herauszugeben, dass ihre Instrumente auf 440Hz zu stimmen seien und nicht höher. Ob sich das mal durchsetzt, wage ich zu bezweifeln.

Liebe Grüße
Klaviermacher
 
Nicht immer schon und überall gab es einen einheitlichen Kammerton. In Deutschland lag er im 17. und 18. Jahrhundert häufig bei etwa 415 Hertz (Hz), im Italien des 17. Jahrhunderts bei 466 Hz und im Frankreich des 18. Jahrhunderts auch bei 392 Hz.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kammerton

Deutsche Barockmusik müßte man also bei einem auf 440 Hz gestimmten Klavier einen Halbton tiefer spielen :)
 
Deutsche Barockmusik müßte man also bei einem auf 440 Hz gestimmten Klavier einen Halbton tiefer spielen :)

Daher haben ja normale Orgelpositive die Möglichkeit der Transponierung um einen Halbton. Ist also gängiger Stand der gegenwärtigen Musiziertechnik für barocke Musik, diese einen Halbton tiefer zu spielen.

Unser Kantor hat extra den Flügel für die Probenphase an der Matthäus- bzw. Johannespassion sowie h-moll-Messe einen halben Ton tiefer stimmen lassen, und danach wurde er jeweils wieder einen Halbton hochgezogen. Hat das gute Teil problemlos verkraftet. Vielleicht hat sich das Wartungsintervall der Stimmungen verkürzt.
 
"Unser Kantor hat extra den Flügel für die Probenphase an der Matthäus- bzw. Johannespassion sowie h-moll-Messe einen halben Ton tiefer stimmen lassen, und danach wurde er jeweils wieder einen Halbton hochgezogen. Hat das gute Teil problemlos verkraftet. Vielleicht hat sich das Wartungsintervall der Stimmungen verkürzt."

hallo @all,

auch das ist ein ewiger Streitpunkt...: soll man auf modernen Instrumenten spielen, als ob es alte wären? Zum Beispiel auf neuen Streichinstrumenten im barocken Stil spielen? *seufz*

Und Du meinst, es schadet nicht, die Stimmung zu verändern, denn die Spannung ändert sich ja auch damit?

LG
violapiano
 
Das brachte die Firma Steinway vor gar nicht allzu langer Zeit auf den Plan, eine Order herauszugeben, dass ihre Instrumente auf 440Hz zu stimmen seien und nicht höher. Ob sich das mal durchsetzt, wage ich zu bezweifeln.

Hab mir im Vioworldforum einige Feinde gemacht weil ich dort (angestachelt durch einige "Hochstimmhardliner") meinen Gedanken postete, daß die Norm eigentlich auch auf kommerzielle Tonträger anzuwenden wäre und man z. B. als Besitzer eines nicht stimmbaren Instrumentes eine CD erwirbt zu der man wegen abweichender Stimmung nicht dazuspielen kann, gegenüber dem Inverkehrbringer eigentlich Schadenersatz geltend machen sollte wenn die Abweichung nicht deutlich als Kennzeichnung angebracht ist.
Steinways Anweisung und Dino´s Link kannte ich nicht noch nicht - werd mal die Vioworldleute damit weiter ärgern gehen.......:floet:
 
"Unser Kantor hat extra den Flügel für die Probenphase an der Matthäus- bzw. Johannespassion sowie h-moll-Messe einen halben Ton tiefer stimmen lassen, und danach wurde er jeweils wieder einen Halbton hochgezogen. Hat das gute Teil problemlos verkraftet. Vielleicht hat sich das Wartungsintervall der Stimmungen verkürzt."

hallo @all,

auch das ist ein ewiger Streitpunkt...: soll man auf modernen Instrumenten spielen, als ob es alte wären? Zum Beispiel auf neuen Streichinstrumenten im barocken Stil spielen? *seufz*

@ Violapiano:
Dieses Runterstimmen vom Klavier wurde ausschliesslich für die Probenphase mit dem Chor gemacht, um die Chorstücke der genannten Passionen mit dem Chor einüben zu können. Für die Aufführung kam selbstverständlich ein Orgelpositiv zur Anwendung, was sowieso normalerweise eine mechanische Transponiermöglichkeit um einen Halbton tiefer hat.

Bzgl. neuen Streichinstrumenten im barocken Stil: das eine ist ja "nur" die Stimmung, das andere ist ja die barocke Art, mit so gut wie ohne Vibrato und durch Melodiebögen innerhalb der schweren Taktzeiten und entsprechender Artikulation den "barocken Groove" hinzubekommen.
 
Das brachte die Firma Steinway vor gar nicht allzu langer Zeit auf den Plan, eine Order herauszugeben, dass ihre Instrumente auf 440Hz zu stimmen seien und nicht höher. Ob sich das mal durchsetzt, wage ich zu bezweifeln.
Kannst Du bitte mal nachschauen wann Steinway diese Order herausgab und wo sie veröffentlicht wurde, bei vioworld glaubt das nämlich einer wieder nicht.......
Danke !
 
Kannst Du bitte mal nachschauen wann Steinway diese Order herausgab und wo sie veröffentlicht wurde, bei vioworld glaubt das nämlich einer wieder nicht.......
Danke !

Ein Kollege, der vor 5-6 Jahren bei Steinway arbeitete hat mir die Information mündlich gegeben. Scheinbar sind sie schon wieder etwas abgerückt von dem fixierten (440Hz) Standpunkt. Heute findet man auf der Homepage nachfolgende Infos - besonders der letze Satz zeugt aber von Sorge und 445Hz werden gar nicht erwähnt...

"Durch die Spannung der Saiten wird die korrekte Tonhöhe fixiert; die Stimmhöhe sollte sich zwischen 440 und 443 Hz bewegen. Wir empfehlen, das Instrument im ersten Jahr häufiger stimmen zu lassen, da sich das Material unter der großen Spannung noch verändert und sich die Stimmung erst nach einiger Zeit "setzt". Später ist das Stimmen mindestens zweimal pro Jahr ratsam. Die Stimmhöhe sollte möglichst gleich bleibend sein, da Instrumente, die häufig herauf- oder herabgestimmt werden, in ihrer Stimmhaltungsfähigkeit beeinträchtigt werden. "

LG
Klaviermacher
 

Ich arbeite für Steinway, und diese Order ist mir nicht bekannt!
Wobei wir uns an die schon genannten 440Hz bis 443Hz halten.

Vom technischen sehe ich da auch absolut keine Probleme.
 
@Klaviermacher, danke für die Info, hab ich mal zu viovorld weitergeleitet.
Mich erinnert der Ablauf ehrlich gestanden an die berühmten Lemminge, ein "Hr. v. Caravan" tanzt aus der Reihe und alle müssen ihm natürlich gleich gnadenlos und blindlings hinterherrennen......:evil:
 
Ich arbeite für Steinway, und diese Order ist mir nicht bekannt!
Wobei wir uns an die schon genannten 440Hz bis 443Hz halten.

Vom technischen sehe ich da auch absolut keine Probleme.
Hallo Sunny - also was, Sauter oder Steinway?;)
Wie gesagt, das war eine mündliche Weitergabe mit der Order.

Weil Du sagst von technischer Sicht keine Probleme. Stimmt - es kann nicht viel passieren, außer hin und wieder eine Saite abreissen. Die gusseiserne Konstruktion lässt höher stimmen zu.

Ich würde aber mehr Kriterien auflisten für den Kenner und Könner.

Alle Parameter der Konstruktion sind auf eine bestimmte Tonhöhe optimiert. Das bedeutet, beim höher stimmen ändern sich diese Parameter in ungünstiger Weise für das Instrument.

1.) Es erhöht sich erwiesenermaßen der Druck auf den Resonanzboden - was man beim Umstimmen von 440 auf 445 Hz sofort merkt. Man muss das Instrument zweimal stimmen. Der Druck flacht sich ab. Dauernde zusätzliche Belastung am Resonanzboden lässt das Instrument frühzeitig altern. Kein Druck / kein Ton!

2.) Weiters verändert ein höher stimmen das Ausschwingungsverhalten der Saiten und der Ton schwingt nicht mehr in vorgesehener zeitlicher Länge aus.

3.) Saiten, die stärker gespannt sind, verlieren schneller ihre Form und altern schneller. Sie beginnen daher früher unrein zu klingen.

4.) Auf den Stimmstock kommen mehr Kräfte und belasten die Wirbelfelder stärker. Stimmstockschäden entstehen gegebenenfalls eher früher als später.

Aus all diesen Gründen würde ich es verstehen, wenn ein Firma wie Steinway eine nicht höher als 440Hz Order durchzusetzen versuchte.

Liebe Grüße
Klaviermacher
 
Hallo Sunny - also was, Sauter oder Steinway?;)

Bei Sauter gelernt!

Wie gesagt, das war eine mündliche Weitergabe mit der Order.

Weil Du sagst von technischer Sicht keine Probleme. Stimmt - es kann nicht viel passieren, außer hin und wieder eine Saite abreissen. Die gusseiserne Konstruktion lässt höher stimmen zu.

Ich würde aber mehr Kriterien auflisten für den Kenner und Könner.

Alle Parameter der Konstruktion sind auf eine bestimmte Tonhöhe optimiert. Das bedeutet, beim höher stimmen ändern sich diese Parameter in ungünstiger Weise für das Instrument.

1.) Es erhöht sich erwiesenermaßen der Druck auf den Resonanzboden - was man beim Umstimmen von 440 auf 445 Hz sofort merkt. Man muss das Instrument zweimal stimmen. Der Druck flacht sich ab. Dauernde zusätzliche Belastung am Resonanzboden lässt das Instrument frühzeitig altern. Kein Druck / kein Ton!

2.) Weiters verändert ein höher stimmen das Ausschwingungsverhalten der Saiten und der Ton schwingt nicht mehr in vorgesehener zeitlicher Länge aus.

3.) Saiten, die stärker gespannt sind, verlieren schneller ihre Form und altern schneller. Sie beginnen daher früher unrein zu klingen.

4.) Auf den Stimmstock kommen mehr Kräfte und belasten die Wirbelfelder stärker. Stimmstockschäden entstehen gegebenenfalls eher früher als später.

Stimme ich voll zu, und doch liest sich das jetzt schlimmer als es ist. Denn wir sprechen hier ja von Zeiträumen von ca. 10 Jahre und höher. Ausserdem ist es schwer zu sagen ob solche Schäden dann nicht auch bei einer Stimmhöhe von 440Hz entstanden wären.

Aus all diesen Gründen würde ich es verstehen, wenn ein Firma wie Steinway eine nicht höher als 440Hz Order durchzusetzen versuchte.

Liebe Grüße
Klaviermacher

Warum? Ist doch nur gut fürs Geschäft! :-)
Ne, Steinway (oder jede andere Firma) kann sicherlich so etwas als Empfehlung herausgeben, aber letztendlich entscheidet nunmal der Kunde. Und ein Orchester das bis jetzt auf 443Hz spielte wird nicht einfach wieder auf die 440Hz runtergehen.
 
danke für die umfangreiche Diskussion

Liebe Clavio- Mitglieder, :D

vielen Dank für eure Antworten.
Nun habe ich entschieden, meinen Flügel keinesfalls raufstimmen zu lassen.
Die Überlegung war, da fast immer höher gestimmt wrid, dass es mich irritiert, wenn die Töne auf eimal anders klingen (tiefer).
Damit werde ich mich arrangieren müssen.

Geht das anderen hier auch so mit unterschiedlichen Stimmungen? Oder irritieren euch verschiedene Stimmungen nicht?

LG
violapiano
 
Ich will mal behaupten das die wenigsten ohne einen Referenzton hören ob das Instrument auf 440Hz oder 443Hz steht.
 
Geht das anderen hier auch so mit unterschiedlichen Stimmungen? Oder irritieren euch verschiedene Stimmungen nicht?
Doch, mich irritieren verschiedene Stimmungen schon.
Zum Beispiel wenn ich im Radio Barockmusik in historischer Aufführungspraxis höre und dann die Tonarten meist wie Des-Dur, H-Dur, Ges-Dur usw. klingen.:rolleyes:

Bei meinen Eltern war der Flügel früher auf 444 Hz gestimmt, um mit der Klarinette meines Vaters übereinzustimmen.

Meinen Flügel lasse ich immer auf 440 Hz stimmen. An einen solchen Unterschied gewöhne ich mich meistens relativ schnell.
 
Ich will mal behaupten das die wenigsten ohne einen Referenzton hören ob das Instrument auf 440Hz oder 443Hz steht.[/QUOTE

Hm, ich kenne einige!;):D Meine Schwester kanns, mein Vater konnte es. Die hör(t)en beide absolut.
Wenn im Orchester eingestimmt wird, höre ich sofort, ob es ein tiefes (441 oder hohes A (443 Hz) ist.
Am Instrument merkt man es außerdem am unterschiedlichen Schwingungsverhalten und an den Obertönen, die in einer bestimmten Frequenz mehr oder weniger zu hören sind. Meine Bratsche klingt am besten auf ca. 441 Hz. Wahrscheinlich kommt das durch die unterschiedliche Spannung der Saiten, nehme ich an.:confused:
Ohje, hoffentlich krieg ich jetzt nicht den Beinamen "Hiob" oder "Troll".....:rolleyes:
Aber tatsächlich finde ich, dass man Schwingungen unterschiedlich spüren kann am/im Körper.

So, nun hab ich mich weit rausgelehnt. Und?

LG
violapiano
 
Meine Bratsche klingt am besten auf ca. 441 Hz. Wahrscheinlich kommt das durch die unterschiedliche Spannung der Saiten, nehme ich an.

Ja, bei meinem Cello bin ich da auch viel empfindlicher als am Klavier.
Da stört es mich z.B. wenn das A relativ tief ist, ich habe dann mehr Mühe mit der Intonation.
Es sind ja noch einige weitere im Forum, die auch ein Streichinstrument spielen. Wie sind Eure Erfahrungen?
 

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