Spielvergnügen ohne Hörvergnügen - kennt ihr das?

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Kennt ihr das: Ihr spielt ein Stück und es bereitet euch wirklich Freude, es zu spielen und es zu gestalten etc.; hört ihr jedoch eine Aufnahme des Stückes (z.B. auf youtube oÄ), dann reizt es euch nicht so sehr, das Stück zu hören, sondern ihr findet es ein wenig..naja, langweilig.

Mir geht es mit einigen Stücken so. Ich spiele Stücke, die ich mir auch selbst oft anhöre, aber auch welche, auf die ich bzgl. Anhören nie Lust habe. Entweder schon von vornherein oder (noch öfter): es geschieht während des Übeprozesses, dass die Lust am Anhören irgendwie schwindet.
Wenn ja, wie kommt´s? Reiner Überdruss? Glaube ich nicht.
Sind das ganz andere Vorgänge, allein durch das Aktive und das Passive?

Viele Grüße
12345
 
Ich kenne das in der Form, dass Stücke, die mich gefühlsmäßig ergreifen durch das Üben tatsächlich zum Teil ihren emotionalen Reiz verlieren. Bestes Beispiel ist bei mir der Song, dessen Titel ich zu meinem Nick gemacht habe.

Solange ich das Stück noch nicht konnte, hat es mir jedes Mal beim Anhören eine Gänsehaut verschafft - und zwar über Jahre, eigentlich seit frühester Jugend.

Kaum konnte ich dann den Anfang des Stückes, ließ es mich beim Hören zwar nicht ganz kalt, aber dieses große Gefühl war plötzlich weg.

Große Enttäuschung!

Nach längerer Zeit des Nichtspielens kam es allerdings wieder - das große Gefühl - doch leider eine deutliche Nummer kleiner. Und noch weniger, wenn ich es selbst spiele und ich spiele es, wie ich meine, schon ziemlich gut.

Interessante Frage, die Du da aufstellst, zu gerne würde ich Dir eine Antwort drauf geben, mag aber nur zwei Spekulationen in den Raum werfen: 1. Der Arbeitsaufwand, der mit dem Üben verbunden ist, das wiederholte, längere (vielleicht nicht immer mit Lust verbundene) Arbeiten an dem Stück, dass es einem womöglich etwas vergrault und 2. evtl. so vertraut und verinnerlicht werden lässt, dass der Reiz (erst mal) weg ist.

Auch mich würde interessieren, wie das bei anderen ist!

Grüße
TakeFive
 
Entweder schon von vornherein oder (noch öfter): es geschieht während des Übeprozesses, dass die Lust am Anhören irgendwie schwindet.
Wenn ja, wie kommt´s? Reiner Überdruss? Glaube ich nicht.
Das kann mit dem Übeprozess durchaus zu tun haben: Es gibt in der Tat einen bestimmten Zeitpunkt, zu dem in Verbindung mit einem bestimmten Stück ein (individuell verschiedener) Maximalstandard künstlerischer und/oder technischer Natur erreicht wird. Wird dieser Zeitpunkt überschritten, kann sich das Gefühl latenter Unzufriedenheit zunehmend breitmachen - auch der erwähnte "Überdruss" kann mehr oder minder stark präsent sein: Die erreichten musikalischen Fortschritte und der Erkenntnisgewinn stehen in keiner angemessenen Relation zum investierten Aufwand. Da es sich allerdings nicht um einen bestimmten Wert, sondern um eine Relation zwischen verschiedenen Faktoren handelt, kann man leider keinen allgemeingültigen Zeitpunkt ermitteln, wann ein Stück "abgespielt" oder "überstudiert" ist. Zu den erwähnten Faktoren zählen die technischen Fertigkeiten am Instrument, das analytische Denkvermögen, Leistungs- und Lernbereitschaft sowie vor allem eine gewisse "Frustrationstoleranz". Dazu kommen aber auch Aspekte, die der Spieler selbst nicht beeinflussen kann, beispielsweise die Qualität des gespielten Stücks: Es kann auch ungünstige Relationen zwischen dem künstlerischen Gehalt einerseits und den technischen Anforderungen/der Zeitdauer/des inneren Spannungsbogens etc. andererseits geben, die selbst musikalisch und technisch versierte Naturen zu ärgern vermögen, die nicht unter ihrem Unvermögen leiden müssen.

Sind das ganz andere Vorgänge, allein durch das Aktive und das Passive?
Aktion und Passion sind gleichermaßen Teil des Einstudierungsprozesses: Es empfiehlt sich, Stücke von Zeit zur Zeit ruhen zu lassen und sich nicht auf die vorgegebenen Schwierigkeiten zu fokussieren. Selbst sehr belastbare Spieler sollten stets auf Abwechslung bedacht sein und ihre Fertigkeiten an anderen Werken schulen, um versierter und erfahrener mit den ursprünglichen Aufgaben weiter zu kommen. Auch gibt es gute Gründe, den Schwierigkeitsgrad behutsam zu steigern und sich nicht durch hoffnungslose Überforderung die Freude an der Leistungssteigerung zu verderben. Unterforderung dürfte es hingegen kaum geben: Es gibt Aufnahmen mit erstklassigen Solisten, die auch aus vermeintlich leichter Literatur Einzigartiges zu zaubern vermögen. Was ein Jörg Demus aus dem Schumann'schen "Album für die Jugend" macht, lässt nach wenigen gespielten Takten vergessen, dass zigtausende Klavierschüler auf der Welt dieselben Stücke mehr oder minder gekonnt zuwege bringen:



Ähnliches kenne ich als Chorleiter von meinen Laienchören: Irgendwann ist das vom jeweiligen Chor bestmögliche Ergebnis erreicht und eine weitere Leistungssteigerung allenfalls unter Zwang möglich - aber dann kommen die Chormitglieder aus Verärgerung eben nicht mehr zur Probe. Auch mit allzu oft und lange gesungenen Repertoirestücken habe ich schlechte Erfahrungen gemacht: Gerade die am längsten im Repertoire befindlichen Sätze haben beim Leistungssingen oft eine schlechtere Bewertung erhalten als "frischere", da Flüchtigkeitsfehler und Konzentrationsmängel oft gerade bei Aufgaben unterlaufen, die eigentlich routiniert abgespult werden. Nicht nur bei Laienchorsängern gilt es, die Verhältnismäßigkeit zu finden und zu wahren, sondern auch am Klavier, wo ein Zuviel ebenfalls ungünstig sein kann.

LG von Rheinkultur
 
Mir gings so, wie ich vor einem Monat das erste Mal selbst einen Chopin Walzer angespielt hab. Das hat mich fast umgehaun. Umgekehrt fand ich die Walzer immer fast a bissl fad zum zuhören.
 
Hallo zwölftausenddreihundertfünfundvierzig,

es geht mir bei fast allen barocken Sachen so.

Schon früher beim Geige spielen: zum Spielen machte es Spaß in den kleinen Besetzungen und im Kammerorchester, aber die Musik - ähm, öde.

Ähnlich heute mit dem Klavier, Bach etc. usw.

Vermutlich ist es die Freude an der reinen (mechanischen) Bewegung, am Sport gewissermaßen, am Umsetzen von Noten in Töne.

Beim Einstudieren eines neuen Stücks geht es mir ähnlich wie schon beschrieben.
Eine Weile halte ich das neue Stück für das Schönste auf der Welt, aber es greift sich emotional ab.
Will ich es trotzdem aufführen, muss ich da durch, die Emotionen aus der Erinnerung an die Frische
des Stücks "konservieren" und wie ein Schauspieler das Einstudierte wiedergeben.

Es ist nicht die Authentizität, die vielleicht erwartet wird, aber den meisten Instrumentalisten geht das wohl so.


Viel Spaß weiterhin an Frischem und an Abgegriffenem!

Walter
 
Ich kenne von mir beide Seiten:
Stücke, die ich immer und immer wieder spielen könnte aber nicht mehr hören und
Stücke, die ich gerne höre aber das Spielen bringt einfach keine Freude. Paradebeeispiel dafür ist Satie.
 

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