Spätanfänger (ca. 2. Jahr) & ihre aktuellen Stücke

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Die Interpretation von Bach ist so eine Dauerdiskussion mit meiner Lehrerin. Wenn ich mich nach ihren Anweisungen richte, muss ich immer aufpassen, nicht zur "Schreibmaschine" zu werden, obwohl es bei ihr selbst gar nicht "schreibmaschinig" klingt. Es fällt mir total schwer, das nachzumachen.

Wenn ich spiele, wie ich will (heimlich ;-) ), wird es ein etwas romantisch verklärter Bach und ich finde, das geht auch ganz prima. Man kann mit seiner Musik im Prinzip einfach ALLES machen und das finde ich ja so genial und zeitlos. Auch wenn Barockpuristen das wohl anders sehen.
Der Vergleich mit der Schreibmaschine ist gut.👍
Dass Bach wie ein Uhrwerk klingen soll, hat sich längst überlebt und ist vermutlich auch nie so gedacht gewesen.
 
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Du artikulierst doch immer oder spielst du lautlos am Digi?
Edit, ich konkretisiere: Wenn du mit meiner Frage nichts anfangen kannst, ist für mich keine Antwort auch okay. Es geht mir zudem nicht um "gefallen".
Liebe Spätanfängerinnen, die Stücke von Bach in Arbeit hatten und haben,

wie macht ihr es mit der Artikulation bei Bach?
Habe im Forum über die Suchfunktion leider wenig darüber gefunden.

So wie es mir gefällt. 🙂
Speziell bei der Invention Nr. 4 eben ohne großartige Betonungen mittels Stakato, Portato.
 
Non-legato, oder portato? Und das gleichmäßig, geschmeidig, ohne ins Legato abzugleiten und ohne Schreibmaschine.
Du musst sie mal löchern, wie sie es macht.
Ich muss sie mal fragen, ob sie es in einen Satz packen kann. :denken:
Mit mir arbeitet sie gerade aus all den Folgen gebrochener Akkorde z.B. einzelne Melodieschnipsel heraus, die ich in dem gleichmäßigen Lauf hörbar machen soll (BWV926, Invention habe ich noch keine gespielt).
 
Bin grad an der Invention Nr. 4. Wüsst nicht was es da großartig zu artikulieren gäbe bzw. wie man das jetzt ausdrücken sollte. Man hört doch normalerweise was einem am besten gefällt.
Liebe thda u.a.,

wie Watzlawick schon sagte "man kann nicht nicht kommunizieren". So kann man, wenn man Klavier spielt, auch nicht nicht artikulieren. :003:

Sehr wichtig ist: Artikulation dient immer der Sinngliederung! Sie hebt Wichtiges hervor und stellt Unwichtiges zurück, sie macht die Struktur der musikalischen Inhalte eines Stückes hörbar!

Das heißt, dass bei der Annäherung an ein Werk zuerst das Verständnis der musikalischen Strukturen eines Stücks stehen muss, die man dann mithilfe der Artikulation darstellt. Ich kann zu diesem Thema ebenfalls sehr die Kurse von Prof. Inge Rosar empfehlen, sie werden auch online angeboten.

Zu dieser Struktur gehören z.B. das Wissen um Formteile vom Großen zum Kleinen, kadenzierende Wendungen, um starke und schwache Taktzeiten, um Auftakte und Füllnoten, um Motive, Themen und deren Verarbeitung, um polyphone Strukturen in den verschiedenen Stimmen, um die harmonischen Beziehungen von Spannung - Entspannung ..., um die Art und Weise von melodischen Linien (Richtung, Intervalle, Länge ...).

Dabei ist auch im Barock ein Wechsel zwischen allen möglichen Anschlagsarten erforderlich, dazu gehören legato, portato, leggiero, staccato in allen möglichen Formen.

Um sinnstiftend zu artikulieren, muss man sich also fragen, welche Funktion die einzelnen Töne haben (Melodietöne, Harmonietöne, Auftakte, Taktzeit, Kontext, Kulmination, Auflösung ....). In enger Verbindung steht die Wahl der Artikulation mit der Wahl des Fingersatzes, der nach der Festlegung der Artikulation erfolgt.

Sehr hilfreich zur Frage der Artikulation ist auch das Studium der Quellen, z.B. C.P.E. Bachs "Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen". Aus Kapitel 3 "Vom Vortrage":

"§. 22. Die Noten, welche weder gestossen noch geschleifft noch ausgehalten werden, unterhält man so lange als ihre Hälffte beträgt; es sey denn, daß das Wörtlein TEN: (gehalten) darüber steht, in welchem Falle man sie aushalten muß. Diese Art Noten sind gemeiniglich die Achtheile und Viertheile in gemäßigter und langsamer Zeit=Maaße, und müssen nicht unkräftig, sondern mit einem Feuer und gantz gelinden Stosse gespielt werden." Anmerkung: Legato heißt bei Bach "geschleifft".

Ebenso hilfreich ist aus meiner Sicht, weg vom Klavier hin zum Gesang, zu Streich- und Blasinstrumenten zu denken. Wir Pianisten können - provokant gesagt - auch völlig dumm spielen. :006: Streicher müssen sich überlegen, welche Töne auf einen Bogen genommen werden, was ohne Strukturverständnis nicht möglich ist. Sie müssen überlegen, ob sie Auf- oder Abstrich nehmen, wie sie ihren Bogen einteilen, wie sie artikulieren. Sänger und Bläser genauso, ihr Bogen ist ihr Atem.

Oft wird gedacht, dass in der Barockzeit ein legato nichts zu suchen habe. Das ist falsch! Gerade die Inventionen sollten dazu dienen, "eine cantable Art im Spielen zu erlangen". Ich zitiere aus "Klangrede am Klavier" von J. v. Beek:

"Für Bach, der so großen Wert auf Kantabilität legte, war nicht nur die natürliche Agogik der Tonsprache angesprochen, die auch ohne Worttext zur Geltung kommen sollte, sondern auch alle anderen Aspekte des Gesangs wie das melismatische Legato - ein typisches Wesensmerkmal des Gesangs -, bei dem mehrere Töne auf eine Silbe gesungen werden und die Töne ineinanderzufließen scheinen; außerdem das Vibrato (auf dem Clavichord ausführbar) oder das Anschwellen eines Tones, das der "Clavierspieler" sich zumindest innerlich vorstellen solle. All dies beinhaltet ein "cantables" Spiel, das Bach forderte."

Wenn man sich also der Artikulation, der sehr variablen Verbindung der Töne widmet, kann man auch hier sich der Analogie zur Sprache bewusst machen. Wir können dichtestes legato sprechen, in dem wir verschiedene Vokale ineinanderfließen lassen. a-o-u-i-a-o ... . Als nächste Ebene hin zum kürzesten staccato ist der Glottisschlag, wenn wir z.B. "Axt" aussprechen. Dann kommen die Konsonanten, die Vokale voneinander trennen. Sehr unterschiedlich allerdings - probieren wir mal aha, ama, apa aka.

Am Klavier können wir probieren, zwei Töne auf möglichst verschiedene Weise zu verbinden. Erst mit Überlegato, dann mit dichtem legato, dann mit einem Minilöchlein dazwischen usw.. Erheblichen Einfluss hat darauf, wie der erste Ton endet. Hört er plötzlich auf? Oder ganz allmählich, was bedeutet, dass wir uns ganz langsam von der Taste hochtragen lassen. Damit kann man viel experimentieren.

Wenn man nun eine Invention vor sich liegen hat, ist also die Wahl des Tempos und die Strukturierung des Stücks die erste Aufgabe. Wie kann ich diese Struktur mit Hilfe von Artikulation darstellen? Wer mag, kann sich gern die empfehlenswerte Ausgabe von Inge Rosars Inventionen bestellen, in der sie Artikulationen vorschlägt und generelle Tipps zur Erarbeitung gibt: https://www.thebachproject.de/produkt/kleine-praeludien-inventionen-sinfonien/

Liebe Grüße und viel Spaß beim Probieren!

chiarina
 
aber auch da helfen mir die im Übrigen kostenlosen und super gesetzten Noten von Michael Kravchuk. Der schreibt nämlich Dynamik und Artikulation dazu
Ich habe da mal hineingeschaut. Ich finde die alles andere als "super gesetzt", das ist nichts weiter als mittelmäßiger Computer-Notensatz. Und was Dynamik und Artikulation angeht, ist es eher wenig ergiebig. Die Dynamik erscheint willkürlich und ist zumindest erklärungsbedürftig, Artikulationsangaben sind fast gar nicht vorhanden und wenn, dann sind sie aus aufführungspraktischer Sicht mehr als fragwürdig. Da kann man eher auf die Czerny-Ausgaben zurückgreifen, die sind ohnehin erheblich besser als ihr Ruf.
 
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gern die empfehlenswerte Ausgabe von Inge Rosars Inventionen bestellen, in der sie Artikulationen vorschlägt und generelle Tipps zur Erarbeitung gibt: https://www.thebachproject.de/produkt
Hab ich mir als neu gewordener Bachfan gleich besorgt, weil ich ja auch noch ganz viel davon spielen will. Toller Tipp!
Ich finde ihre Interpretationen sehr aufschlussreich, obwohl es nicht unbedingt die sind, die mir am besten gefallen (also hab mich jetzt nur mit meinem aktuellen Stück BWV 926 beschäftigt...) aber von der CD werde ich noch ganz viel haben!
 
Hach, @Albatros ich wandele auf deinen Spuren und darf mich jetzt in den Ferien auch mit dem Chopinwalzer a moll beschäftigen! :musik032:

Und habe mich dann heute Abend gleich noch übermotiviert ans Klavier gesetzt und gemerkt: Der Schubertwalzer h-moll war eine SUPER Vorbereitung für dieses Stück. Sprünge mit der Linken, linke Hand schnurrt stur 3/4-Takt während die rechte "Kunst macht" - alles gerade schon sehr ausgiebig eingeübt und so konnte ich den ersten Teil - nachdem ich mir kurz die Akkorde klar gemacht, ein paar Mal durchgespielt und dazu geschrieben hatte, direkt flüssig vom Blatt spielen und hatte den nach weniger als 30 Minuten in normalem Tempo beidhändig drauf! (Also schöner kann er natürlich schon noch werden.. ) Ich war total begeistert und hatte zum ersten Mal das Gefühl, wow, ich kann ja Klavier spielen, einfach so! :chr01:

Ich konnte es echt gar nicht glauben, dass das so schnell so gut läuft.
Also falls du nach dem Chopin ein neues Stück suchst, kann ich dir den Schubert sehr empfehlen, der wird dann bestimmt für dich ein Spaziergang...

Und ich kann mich jetzt noch zwei Wochen ausgiebig mit den Mittelteilen vom Chopin beschäftigen, mal sehen, wie es da läuft. Da sind noch ein paar Herausforderungen drin, aber heut bin ich erstmal auf Klavierwolke 7.

Vielleicht bin ich auch so Bach-gestählt (der mich im Vergleich zum Schubertwalzer viieel mehr in Atem hält und mich mindestens doppelt so viel Übungszeit kostet), dass alles andere jetzt leicht erscheint... Dank Bach sind die Verzierungen beim Chopin für mich auch nicht besonders schwierig. Interessanterweise klingen sie bei Chopin bei mir viel entspannter als bei meinem Präludium, wo ich teilweise echt noch mit dem Klang kämpfe.

Und ich bin sehr froh, dass ich mit diesem Chopin Wunschstück bis zum richtigen Zeitpunkt gewartet habe, an dem es jetzt einfach genau den richtigen Schwierigkeitsgrad für mich hat und mich jetzt wohl nicht monatelang plagt.
 
@Viva la musica ich wünsche dir viel Freude mit dem Stück.

Ich arbeite derzeit noch am Klang und kämpfe etwas mit dem Pedal an einigen Stellen, wo ich nur so eine Art kleine Tupfer haben möchte. Mir macht das Üben an dem Walzer enorm viel Spaß.
Für den Takt 21 kann ich dir den Fingersatz von @Alter Tastendrücker, den er in einem vorherigen Post erwähnt hat empfehlen.

Ich finde, dass sich bei mir enorm die Leichtigkeit in den Händen und Armen verbessert hat, seit ich den Walzer übe, dass macht sich natürlicj auch bei anderen Stücken klanglich sehr bemerkbar. :chr01:
 
Und habe mich dann heute Abend gleich noch übermotiviert ans Klavier gesetzt und gemerkt: Der Schubertwalzer h-moll war eine SUPER Vorbereitung für dieses Stück. Sprünge mit der Linken, linke Hand schnurrt stur 3/4-Takt während die rechte "Kunst macht" - alles gerade schon sehr ausgiebig eingeübt ...

Solche Tipps liebe ich! 😊 👍 Ich habe mich noch nie mit dem a-Moll-Walzer beschäftigt, mir die Noten dieses Schubertwalzers aber jetzt direkt dazugelegt, als Vorübung quasi, wenn ich ihn spielen werde!

Vielen Dank für den Tipp und viel Spaß mit dem Walzer! 😊
 
Vielleicht (wahrscheinlich) gilt das auch für andere Walzer, bei denen die linke Hand ähnlich agiert. Das trainiert halt die Unabhängigkeit der Hände. Vermutlich funktioniert das gleiche auch umgekehrt, Chopin als Vorbereitung für ...

schwer zu sagen, welches der beiden Stücke schwieriger ist. Vermutlich der Chopin, bei Schubert sind es überwiegend nur zwei Akkorde, nur einer wechselt mal die Tonart und einmal gibts noch einen weiteren. Also gut zum üben und das kann man schnell auswendig.

Also viel Spass mit dem Schubert, der hat mir großen Spass gemacht und macht mir immer gute Laune, besonders jetzt wo ich ihn flüssig und auswendig einfach so spielen kann.
 

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Welchen Schubert-Walzer in h-Moll meint ihr denn?
 
Genau der ist es!
 
Da hast du ja ein ziemlich großes Projekt! Wie lange übst du da schon dran? Ich glaube, das würde mich Monate beschäftigen!
Aber es muss toll sein, wenn man so ein großes Stück mal kann!

Ich habe mit dem vierten Satz angefangen, vor 3 Wochen. Dann vor 2 Wochen den ersten dazugenommen und der beschäftigt mich jetzt erst einmal über die Ferien. Wie der zweite und dritte ist, weiß ich noch nicht. Die gesamte Sonate hätte ich mir aber nicht ausgesucht, das war mein Klavierlehrer. Es geht an sich ganz gut, mit dem Tambourin von Rameau habe ich entschieden mehr zu kämpfen gehabt. Aber es dauert natürlich auch und ist wieder so ein Stück, das Monate nach dem Weglegen wieder hervorgeholt werden will!

Ich merke bei den zunehmend länger werdenden Stücken, auch bei den Arrangements meines Lehrers, wo der erste Teil wiederholt gespielt wird, dann der zweite Teil, dann nochmal der erste, ehe es in den Schluss geht, dass das oft im ersten Teil ganz gut läuft, bei der dritten Wiederholung aber eine einzige Kämpferei wird, obwohl es ja exakt das gleiche ist, was es beim ersten Mal war. Ebenso im ersten Satz der Sonate mit den Wiederholungen, je länger, desto komplizierter. Ich übe ja schon kleinteilig in Abschnitten, Hände getrennt (lange getrennt und immer wieder), aber diese Spielpraxis entwickelt sich eben auch erst mit der Zeit und durch das Üben der Abschnitte lernt man das wohl nicht? 🤔


Dann habe ich den richtigen ausgesucht, ich wusste gar nicht, dass es mehrere davon gibt!
 
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Seit Dezember etwa hatte ich Haydns e-Moll-Sonate in Arbeit. Damit bin ich jetzt ziemlich durch, es fehlt nur etwas an Routine und die Fehlerdichte ist noch zu hoch – aber eigentlich kann ich alles… Der Haydn wird daher noch eine Weile auf dem Pult bleiben.
;-)


Diese Woche fange ich mit dem A-Dur-Präludium aus WK I an (später kommt auch die Fuge dazu). Immer wieder faszinierend bei einem neuen Stück, dieser krasse Wechsel von :coolguy: zu:denken:!
 

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