Riss im Gussrahmen, was ist mein Blüthner noch wert?

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Asru

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Hallo,
ich habe einen Vorkriegs-Blüthner (210, Baujahr 1934, Aliquot-Patent) geerbt. Jetzt habe ich einen Riss in der Gussplatte, in einer der Diskantstreben über dem Stimmstock entdeckt, ist der Flügel dadurch wertlos?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hätte keine Bedenken, den Flügel zu stimmen. Natürlich ist der Riss wertmindernd und das Instrument lässt sich nicht leicht mit gutem Gewissen verkaufen.

LG
Michael
 
Micha, die Frage war: Ist er jetzt wertlos?
 
Hallo Michael,
Danke für die Antwort, nach dem oben zitierten Beitrag hatte ich gedacht, nicht alle Risse seien als riskant einzustufen.

Liebe Grüße
 
Risse kann man schweißen (Reparaturschweißung).
1. Werkstoff/Matrial des Rahmens muss bekannt sein (Hersteller fragen bzw. chemische Schmelzanalyse in Auftrag geben).
2. In Abhängigkeit des Werkstoffes das passende Schweißverfahren, Schweißzusatz und Nahtvorbereitung wählen.
3. Evtl. ist auch eine Wärmebehandlung notwendig.
Es gibt sicherlich Schweißbetriebe, die das können. Was das kostet? Keine Ahnung.
 
Wenn das einfach zu machen wäre, warum macht man das dann nicht?
Ein Klavier oder Flügel mit Gußplattenriss bekommt man doch sozusagen geschenkt.
Wo sind die Fachleute, die sich so eine Reparatur zutrauen?
Toni


Es gibt genug Spinner welche meinen man könne es schweißen - es geht nicht, sobald die Spannung wieder raufkommt, ist der Bruch ärger als zu vor. Hier kann man nur eine neue Platte gießen, nur lohnen die Kosten und der Aufwand nicht. Im Gegensatz zu Micha tät ich den Flügel nimmer anfassen - eine Stimmhaltung scheint mir bei einem solchen Bruch nicht mehr gewährleistet - in meinen Augen hat dieser Flügel das Zeitliche gesegnet.

Viele Grüße

Styx
 
Das Thema "Riß im Gußrahmen" wurde hier bereits behandelt: https://www.clavio.de/klavierforum/threads/riss-im-gussrahmen-was-tun.12935/

Ich vermute mal, der Rahmen besteht aus Stahlguß oder Gußeisen. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen im Kohlenstoffgehalt. Je höher der Kohlenstoffgehalt, dest schlechter die Schweißbarkeit und desto mehr Anstrengungen muss man unternehmen, um eine fachgerechte Schweißnahtverbindung herzustellen. Es gilt: Ab 0,6 % Kohlenstoff ist Stahl nur noch bedingt schweißbar. Gußeisen hat einen Kohlenstoffgehalt von 2,06 bis 6,67% Kohlenstoff. Es lässt sich aber trotzdem schweißen. Das Grundmaterial (d.h. der Rahmen) muss auf ca. 600 °C erwärmt werden, um die kritische Abkühlgeschwindigkeit (deren Überschreitung sonst zur Aufhärtung in der Wärmeeinflusszone führt) nicht zu überschreiten. Man kann mit Fe-C Elektroden oder mit Nickel-Basislegierungen schweißen. Nickelbasislegierungen eignen sich besonders gut, weil sie besonders zäh sind. Das sind nur die Basics. Ein Schweißfachbetrieb hat dazu geprüfte und zertifizierte Schweißer, Schweißaufsichtspersonal (meist ein Schweißfachingenieur), macht zerstörungsfreie Prüfungen (Farbeindringprüfungen, Ultraschall, Röntgen, etc.). Das ist sicherlich nicht billig und kostet.

Was ich eigentlich sagen/schreiben will: Das Problem, einen Gußrahmen zu schweißen, ist nicht trivial und verlangt nach einem Spezialisten, der sich auskennt und Erfahrung damit hat. Und trotzdem kann man sich nie sicher sein, dass ein Riß nicht wieder auftritt - nur vielleicht an anderer Stelle. Konstruktionsbedingt sind die Stege auf Zug beansprucht. Dazu noch eine schwingende Belastung und et voilá - schon haben wir den nächsten Riß (Stichwort Kerbe, Dauerfestigkeit). Im Maschinenbau legt man die Dauerfestigkeit bei 1 bis 10 Millionen Lastspiele aus.

Meine Empfehlung:
1. Riß beobachten und das Rißende markieren (z.B. Körnerschlag). Alle Wochen mal draufschauen, ob sich der Riß ausgeweitet hat.
2. Bei Ausweitung des Risses wird der Riß abgebohrt. Nicht am Rißende, sondern ein paar Millimeter danach (man kann nie sicher sein, das Rißende auch wirklich zu treffen!). Der Riß läuft von ganz alleine in die Bohrung (=Stelle der höchsten Bauteilspannung!) und kommt zum Stehen.
 
Nee Killer, so einfach ist des ned im Klavierbau. Ein Bruch in dieser Dimension zählt an sich als Finalschaden. Wenn Du die Gußplatte erfolgreich schweißen willst, muß sie auf mind. 1800° erhitzt werden, und langsam runterkühlen. Da kannst auch gleich ne neue gießen...aber wie gesagt, es lohnt den Aufwand nicht - beim historisch wertvollen Instrument ließe sich über so etwas nachdenken.

Viele Grüße

Styx
 

Es gäbe allerdings noch eine Möglichkeit: den Bruch mit Gußstahlflunschen zu verschrauben und zu verkleben - nur haben wir hier daß Problem daß das Wirbelfeld im Weg ist.

Viele Grüße

Styx
 
[...]Wenn Du die Gußplatte erfolgreich schweißen willst, muß sie auf mind. 1800° erhitzt werden[...]

Gewagte Theorie. Bei 1800°C befinden wir uns längst in der Schmelze (oberhalt Liquidustemperatur). Hier das Fe-Fe3C-Zustandsdiagramm:
eisenkohlenstoffdiagramm.jpg
 
Das wundert mich nicht, denn was soll sich da bewegen. Ähnliche Risse werden auch geschweißt, aber man kann sie genausogut verspachteln. Das Problem einer guten Verschweißung: man müsste den gesamten Rahmen hoch erhitzen, ansonsten riskiert man erneute Risse, wegen der Spannungsunterschiede. Wenn man das aber macht, passt der Rahmen nicht mehr in den Korpus, denn dort war er millimetergenau eingepasst. Man darf nun den Rahmen von Grund auf neu bearbeiten, also kitten, schleifen und lackieren. Die Anpassungsarbeiten der Rahmenauflage und des Stimmstocks übersteigen jegliches Vorstellungsvermögen. Fazit: machbar ist alles, aber darum geht's wohl nicht.

LG
Michael
 

Es bezahlt Dir nur keiner.
Es gibt sicherlich Plattenrisse welche keinen Einfluß auf die Stimmhaltung haben, nur bei dem hier vorgestellten Blüthner würde ich nicht darauf vertrauen, wobei ich die Ursache dieses Bruches eher im wanderfreudigen Stimmstock vermute - ich müßte hier also erst einmal einen neuen Stimmstock einbauen um hoffen zu können daß der Bruch nichts mehr tut.

Viele Grüße

Styx
 
Hallo,
Danke für die rege Diskussion. Ob Schweißen möglich oder sinnvoll ist, wurde hier ja schon mal ausführlich diskutiert. Ich teile die Skepsis und könnte mir den Aufwand sowieso nicht leisten.
Wegen der Stimmbarkeit: Der Flügel hat die Stimmung jetzt immerhin 12 Jahre gehalten, trotz Riss.
Beste Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin Asru,

mir fällt da noch etwas ein, ruf doch mal bei Blüthner in Leipzig an, sag ihnen die Seriennummer Deines Instrumentes, und frag mal nach ob sie vielleicht eine passende Gußplatte dafür hätten - es ist nicht auszuschließen daß sie noch alte Bestände haben. (Den Stimmstock würde ich dann aber auch zeitgleich erneuern lassen). Bei S&S ist es wohl möglich neue Platten für alte Flügel zu bekommen, Arthur Rubinsteins Flügel hatte auf Grund von Kriegsschäden einen Plattenbruch, die Kollegen von S&S haben da einfach eine neue eingebaut.

Nachtrag: einen Vorkriegsblüthner auf 442 Hz hochzujagen ist schon etwas sträflich, insbesondere beim Alliquoter.

Viele Grüße

Styx
 

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