Raumakustik verbessern

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pennacken

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10. Juli 2009
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Hallo miteinander,

als Michael im Frühjahr meinen Flügel zum ersten mal bearbeitet hat, gab es zwei Überraschungen. Zunächst das Ergebnis seiner Arbeit: War der Klang vorher hart und grell gewesen, klang der Flügel nach einem Tag Behandlung durch Michael warm und weich, und jetzt war es auch möglich, bei offenem Instrument ein hauchzartes Pianissimo zu spielen.
Dann aber zeigten sich auch in aller Deutlichkeit die akustischen Mängel des Raumes: Glatte Wände, leichte Vorhänge, kein Teppich, wenig Möbel. Anlaß für mich, hier etwas zu verbessern.

Die Ausgangssituation: Zwischen zwei Zimmern, je ca. 3,5 x 4 m groß hatte man (vor unserer Zeit) die Trennwand bis auf 50 cm breite Reste entfernt, so daß ein Raum von 3,5 x 8m mit einer leichten „Einschnürung“ in der Mitte entstand. Höhe 2,45 m, Wände und Decke Mauerwerk bzw. Beton mit Putz und Rauhfaser, Boden: Beton, darauf Lagerhölzer mit Füllung aus Schlackensand, Nadelholzdielen 18 mm, 5 mm Dämmung, Fertigparkett Eiche 15 mm. In jedem Raumteil 1 Fenster, ca. 2 x 1,20 m + dünne Vorhänge.

Den einen noch leeren Teil hatten wir für den Flügel vorgesehen, in dem anderen Teil stehen ein Schrank mit Glastüren, ein Tisch, 4 gepolsterte Stühle und zwei kleine Kommoden, insgesamt also eine akustisch „harte“ Angelegenheit. Von vornherein war hier mit zu langer Nachhallzeit und mit mehrfachen Reflexionen zu rechnen. Beides war denn auch deutlich und störend hörbar.

Harte, glatte Wände wirken auf Schall, besonders auf hohe Töne, wie Spiegel auf Licht. Zwischen parallelen Wänden werden Schallwellen hin- und her reflektiert und bleiben, auch wenn die Schallquelle verstummt, noch hörbar (Nachhall). Unter Umständen bilden sich auch bei bestimmten Frequenzen stehende Wellen aus, die zu Klängverfärbungen führen können, die dann womöglich noch ortsabhängig sind.

Messungen kamen für mich kaum infrage, aber im Internet stehen zwei kostenlose und einfach zu bedienene Programme zur Verfügung, mit denen man die akustischen Eigenschaften eines Raumes, nämlich die Nachhallzeit und die Lage der Raummoden (stehende Wellen bei tiefen Frequenzen) zumindest angenähert ermitteln kann: Man gibt die geometrischen Daten des Raumes, Angaben zu Wand-, Boden- und Deckenmateriel, Fenstergröße usw. sowie einige Angaben zur Einrichtung und zur Nutzung (in diesem Fall Übungsraum für Musik) in die entsprechenden Felder ein. Zusätzlich kann man dann Angaben zu Dämmstoffen eingeben und so direkt die Auswirkung überprüfen. In meinem Fall ergab die Berechnung eine Nachhallzeit (für den leeren Raum) von 1,3 sec bei 250 Hz, abfallend auf 1 sec bei 4000 Hz. Die Empfehlung liegt für Musik- und Übungsräme bei knapp 0,8 sec. Im Anhang die Auswertung im Original.

Grundsätzlich gilt es, die mehrfachen Reflexionen zwischen parallelen Wänden zu unterbinden, da diese für zu lange Nachallzeiten und stehende Wellen gleichermaßen die Ursache sind (Waschküchenakustik). Weil ein gewisses Maß an Nachhall aber erhalten bleiben soll und die hohen Frequenzen auch nicht übermäßig gedämpft werden dürfen (sonst klingt’s muffig), müssen die hohen Töne gestreut werden. Praktisch heißt das: Die glatte Struktur der Wände wo immer es geht unterbrechen, z.B. mit Bildern, Regalen usw. Diese Maßnahme ist genau so wichtig, wie die Montage von Dämmelementen!

Dämmelemente wirken nur bei höheren Frequenzen, wobei die untere Grenze von der Dicke abhängt. Faustregel: Elementdicke = 1/4 der Wellenlänge, bis zu der das Element noch wirksam sein soll. Für den Kammerton a mit 440 Hz und 77 cm Wellenlänge sind das immerhin 19 cm. Dabei genügt es, wenn nur 2/3 Dämmstoff verwendet werden und der Dämmstoff in einsprechendem Abstand von der Wand/Decke montiert wird, im Beispiel also: 12 cm Dämmstoff in 7 cm Abstand von Wand/Decke.

Für die Dämpfung tiefer und tiefster Frequenzen kommt man ersichtlich mit Dämmstoff nicht weiter: Bei 220 Hz hat man schon eine Wellenlänge von 1,50 m (Dämmelement ca. 40 cm!) .

Meine Überlegung war nun: Der Flügel stellt eine waagerechte flächige Schallquelle von ca. 1,5 qm dar, deren Abstand von Boden und Decke überall gleich ist. Ich vermute, daß sich aufgrund der großen parallelen drei Flächen (Boden – Resonanzboden des Flügels (=Schallquelle) – Decke) gerade in diesem Bereich die akustisch störenden Vorgänge abspielen. (Bei Klavieren wäre das umgekehrt: Hier müßte man wohl der Parallelität von Resonanzboden und Wänden(!) besondere Aufmerksamkeit schenken, und in der Tat zeigt sich ja häufig, daß ein schräg zur Wand gestelltes Klavier besser klingt!)

In Bezug auf die Wände gibt es wegen der flächigen Ausdehnung keinen definierten Abstand Schallquelle – Wand, so daß die Gefahr, daß Resonanzen entstehen, gering ist. Versuche mit Basotect haben gezeigt, daß eine deutliche Veränderung zum dumpf-muffigen Klang erzielt wird, wenn zwei Wände um den Flügel herum weitgehend mit Basotectplatten zugestellt werden (und gemessene Frequenzspektren zeigen einen deutlichen Obertonverlust).
Dämmt man nur Teile der Fläche, bleibt der Klang unangenehm scharf. Hier gab es also nicht viel zu beeinflussen. Anders der Bereich Decke – Boden:

Der Boden kann, aufgrund seins Aufbaus, schwingen (im Gegensatz etwa zu Estrich) und somit (vermute ich) etwas Schallenergie im untersten Frequenzbereich schlucken. Angriffspunkt“ ist damit die Decke:

Die Decke, Beton, hat in diesem Raumteil eine Fläche von ca. 15 qm. Ein Streifen von ca. 2 qm wird von Vorhangschiene und Vorhang unterbrochen, bleiben als ca. 13 qm. Davon habe ich ca. 3,5 qm mit Basotect, 7 cm + 3 cm Luft, versehen, weitere 0,6 qm mit Holz mit eingesetzten Strahlern. Die Wirkung (ca. 100%) reicht bis 850 Hz hinunter (also eine Oktave über Kammerton) und nimmt dann zu den tieferen Frequenzen allmählich ab.

Material: Rahmen aus Buchenleimholz 18 mm, ca. 2 x 2 m; in den Rahmen eingelegt zwei Elemente mit Dämmstoff, Basotect 7 cm in Sperrholzrahmen, Abstand zur Decke 3 cm, mit Akustikstoff bespannt, ein Element Holz (Multiplex 18 mm) mit 6 Strahlern, Abstand zur Decke ca. 8 cm.

Der Effekt ist verblüffend: Trotzdem (rechnerisch) die Frequenzen ab etwa 500 HZ aufwärts insgesamt nur um ca. 30% (bezogen auf die Gesamtfläche) gedämpft werden, ist der Klang jetzt angenehmer. Da sich in dem Rückwärtigen Regal (wirkt als Diffusor für den besonders unter dem Flügel nach hinten austretenden Schall) noch zwei größere Öffnungen anboten, habe ich dort Verbundplattenresonatoren eingesetzt (Resonanzfrequenz ca. 60 Hz). Ich bin mir aber nicht sicher, ob und wie die sich auswirken.

Die Nachhallzeit liegt jetzt – wiederum rechnerisch – zwischen 0,6 sec (bei 250 Hz) und 0,5 sec (bei 4000 Hz).

Soweit die bisherigen Maßnahmen, ich werde wohl noch etwas experimentieren und insbesondere die Wände noch "auflockern" (Bilder, Regal, Grünpflanzen).

Hier nun einige Quellen:

Akustikrechner: Unter

http://www.hunecke.de/de/rechner/raumakustik.html#websites

sind eine Reihe Firmen aufgelistet, die den Rechner auf ihrer Webseite haben, z.B. Sonatech. Da ich mich von vornherein auf Basotect festgelegt hatte und Sonatech dieses Material vertreibt, habe ich hier mit Basotect „experimentiert“.

Zur Berechnung der Raummoden:

http://www.trikustik.at/rechner/rechner-raummoden/raummoden.html#c2518

Auf beiden Seiten findet man Grundinformationen zur Akustik und speziell Raumakustik.

Ein informativer Artikel: http://viewer.zmags.com/publication/e8ffb87c#/e8ffb87c/90
How To Make a Piano Room Sound Grand – unbedingt lesen!

Kosten: Die regulären Preise pro Quadratmeter Basotect 70 mm Stärke liegen bei ca. 50 € (grau, ohne klebende Rückseite). Wenn man, wie unten skizziert, das Material mit Akustikstoff überzieht, kann man problemlos auf günstigere B-Ware oder Restposten ausweichen. Es gibt natürlich auch dekorative Ausführungen, z.T. mit Stoffüberzug bis hin zu Blattgoldverzierungen auf dem Element.

Material und Verarbeitung:

Dämmstoff: Basotect (BASF), ein offenporiger Schaumstoff, leicht, läßt sich mit Cuttermesser hervoragend schneiden. Lieferform/Konfektionierung: Platten 30, 50, 70 und 100 mm stark, 500 x 1000 mm u.a., Farbe grau und weiß, auch mit sebstklebender Rückseite.
Darf nicht angestrichen werden! Die Poren müssen offen bleiben! Daten und Details zu Lieferformen, Konfektionierung, Preisen u.a. bei www.basotect.com , www.sonatech.de, www.schaumstofflager.de .

Akustikstoff: Verschiedene Anbieter, z.T. die obigen, ferner www.akustikstoff.com.

Vorschlag für Wandelement (die Frage tauchte, wenn ich mich recht erinnere, im Forum schon einmal auf): Einfachste und preiswertete Lösung, 18 mm Spanplatte o.ä. mit Rahmen aus 5 mm Sperrholz versehen; Höhe des Rahmens Dämmstoffstärke + 5 mm. Dämmstoff in den Rahmen auf die Platte kleben (zweiseitiges Klebeband oder Ponal express!, nicht Ponal normal).
Das Ganze mit Akustikstoff überziehen; der Rahmen sollte stabil genug sein (deshalb mindestens 5mm Sperrholz), da der Stoff kräftig gespannt werden muß. Stoff um den Rahmen ziehen und auf der Rückseite antackern. Zum aufhängen 2 Löcher in die Platte bohren, Schrauben in die Wand setzen und Platte aufstecken.

LG

Pennacken
 

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Lieber Pennacken! Wow. Das ist ist ja ne echte Vorlesung. Hab vielen Dank! Irgendwann werde ich das auch umsetzen müssen. Ist übrigens chic, Deine Decke!
 
Lieber fisherman,

herzlichen Dank! In HiFi-Kreisen geht ja die Meinung um, das man überflüssiges Geld besser in die Raumakustik investiert, als in (noch) teurere Geräte. Ab einem gewissen Minimalniveau dürfte das zutreffen - und ich denke, auf Musikzimmer trifft das ähnlich zu: das beste Instrument kann sich nicht entfalten, wenn der Raum nichts taugt.

Das war jetzt (fast) der Abschluß von mehr als einem Jahr Arbeit (mit Unterbrechung, versteht sich). Der Raum mußte komplett renoviert werden, ein Bildchen zu Illustration im Anhang. Dann kam der Flügel, und der mußte halbwegs wieder hergerichtet werden. Um das Innenleben hat sich dann schließlich seit Mai dieses Jahres Michael erfolgreich gekümmert.

Aber ob das mit "Zeit haben" im Rentenalter wirklich etwas wird???? Ich Drück Dir die Daumen!

LG

Pennacken
 

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Hallo Pennaken,
eine sehr gut ausgedachte Idee um den Nachhall zu normaliesieren hast du da entwickelt.
Um auch mal ein Beispiel zu liefern habe ich auch gerechnet und den Nachhall von 2 Räumen mit dem Akoustik-Rechner berechnet.
Ein mal unser Wohnzimmer im Vergleich zum Arbeits-/Kinderzimmer.

Wie einige schon wissen habe ich mein Klavier vom Wohnzimmer zum Arbeitszimmer umtransportiert. Auch wegen dem Nachhall und des weiteren wegen Störgeräuschen, weil es halt das Wohnzimmer ist und dort am meisten statt findet, was das Klavierspielen schon mal stört.
Angehängt habe ich die 2 Kurven von Wohn-und Arbeitszimmer.

Das Wohnzimmer ist mit Fliesen und das Arbeitszimmer mit Laminat ausgelegt, was schon den größsten Unterschied ausmacht.

Man sieht auch das bei 250 Hz im Wohnzimmer ein Nachhall von 1.15 sekunden liegt. Beim neuen Zimmer nun genau bei 0,8 wie hier schon erwähnt worden ist, es als bestes Nachhall-Verhältnis zu sehen. (alles mit Personen und Möbeln, wie es normalerweise vorzufinden ist)
Und ich muss sagen Pennacken ich stimme deinen Angaben völlig zu. Ein Nachhall von 0,8 sekunden ist optimal für einen Übungsraum. Es klingt neutral aber nicht "trocken".
Bei zu viel, wie im Wohnzimmer, fühlt man sich gleich wie auf einer Bühne :-), und zum üben würde es mir nicht passen.
LG
Sven
 

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Bei zu viel, wie im Wohnzimmer, fühlt man sich gleich wie auf einer Bühne :-), und zum üben würde es mir nicht passen.
LG
Sven

Das nun gerade nicht, eine tolle Akustik ist doch immer schön, man kann sich doch gerne wie auf eine Bühne fühlen. Nur sieht die Praxis eben anders aus, ein 30-40 m2 großes Wohnzimmer mit einem Flügel oder einem Klavier kann nicht annähernd einen Klang wie in einer Konzerthalle/Bühne besitzen. Die Nachhallzeit ist nur eines von vielen anderen Kriterien, die den Klang beeinflussen. Man kann nicht nur die Nachhallzeit betrachten und andere Aspekte völlig aus den Augen lassen.
 

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