Quattrochord Superflügel von August Förster

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Hallo,

Ich habe gestern einen Quattrochord Superflügel von August Förster Bj. 1939 mit einer Länge von 272 cm gestimmt. Der Stimmstock ist aus Metall bzw. ist da nur die Gussplatte ;) Die Anschlagslinie ist gekrümmt, wodurch der Steg sehr gerade verlaufen kann und nicht so sehr gebogen ist.

Die Stimmnägel haben eine Kontramutter (Linksgewinde) und werden von unten mit verschiedenen Beilagscheiben und einem Sprengring so fest gezogen, dass man optimal stimmen kann. Optimal deswegen, weil sich der Flügel tatsächlich wie ein Neuinstrument stimmen lässt.

Wäre da nicht die Problematik, dass der Flügel in einer Kirche steht und jeweils 4 Saiten pro Ton zu stimmen waren, hätte ich echt Spaß gehabt an der Arbeit. Des weiteren sind nach 70 Jahren die Saiten nicht mehr so sauber zu stimmen. Noch dazu musste ein zweites Instrument (ein kleinerer Förster Flügel) dazu gestimmt werden.

Abends war dann die Premiere zu dem Stück: "Robert Schumann in der Heilanstalt". Eine Revue in sieben Bildern mit Geistervariationen, Vocalisen und einer Witwe. Weitere Aufführungstermine: siehe Bilder

LG
Michael
 
Der Stimmstock ist aus Metall bzw. ist da nur die Gussplatte ;) [...]
Die Stimmnägel haben eine Kontramutter (Linksgewinde) und werden von unten mit verschiedenen Beilagscheiben und einem Sprengring so fest gezogen, dass man optimal stimmen kann.

Hallo Michael,

warum macht man den den Stimmstock noch aus Holz, wenn es mit Metall auch geht? Ich hab mich schon oft gefragt, warum man da nicht eine Präzisionsmechanik entwickelt hat, bei der nicht das Risiko des Stimmstocktods durch Reißen gegeben ist. Was ich mir aber nicht vorstellen kann: wie wird denn bei dem Förster die Balance zwischen Reibung und Festigkeit bei den Stimmnägeln erzielt? Wirklich nur mit Beilagscheiben?

Schönen Gruß,

Friedrich
 
Bei der Spannung könnte der Flügel noch expoldieren... :D
 
wie wird denn bei dem Förster die Balance zwischen Reibung und Festigkeit bei den Stimmnägeln erzielt? Wirklich nur mit Beilagscheiben?

Ja, da war ich als alter Holzwurm auch echt verwundert.:o

Die eine Beilagscheibe hat eine innen liegende Nase, die in der Kerbe des Stimmnagels sitzt. Diese Beilagscheibe wird von weiteren Beilagscheiben und dem Sprengring fixiert. Der obere Teil des Stimmnagels ist konisch und kann nur bis zu einem bestimmten Punkt in den Gussrahmen gelangen, der ein kleineres Bohrloch hat. Aus der Reibung dieser beiden Faktoren setzt sich die Festigkeit zusammen. Zieht man die Schraube mehr an, erhöht man die Festigkeit. Die Beilagscheibe mit der Nase wird mehr eingeklemmt. Das Drehmoment wird erhöht :cool:

Wenn man es nicht weiß, kann man beim Stimmen keinen Unterschied ausmachen. Es quietscht nicht und gibt auch sonst keine merkwürdigen Änderungen in der Handhabe des Stimmhammers. Ich musste an den Schrauben auch keine Einstellungen während der Stimmarbeit korrigieren.

:blues:

@emmanuel :mrgreen:

LG
Michael
 
Klopf und Klang

Hallo Michael,
na das ist ja bestimmt ein aufregendes und anstrengendes Erlebnis gewesen. Ein ganzes Instrument 4saitig chorrein im Kirchen-Hall... oijoijoi!
Ich erinnere mich noch mit Grausen an diverse Stimmungen in Hamburg an Flügeln und Klavieren von H. Kohl. Die hatten auch 4 Saiten, allerdings nur im Diskant-Drittel. Da braucht man schon seeeehr viel Ausdauer, und das unverbrüchliche Wissen, dass man am Ende das erwünschte Ziel erreicht.

Bei diesen Instrumenten kam ich durchweg zu der Erkenntnis, dass die Viersaitigkeit zu den letztlich nicht sinnvollen Übersteigerungen der Klavierbaugeschichte gehört. Die Logik ist recht einfach, man muss aber um die Ecke denken: Je mehr Saiten ein Hammer gleichzeitig schlägt, umso größer ist der Widerstand, den er überwinden muss, um die Saiten zum Klingen zu bringen. Im Effekt wird dadurch der Klang durchaus nicht besser, sondern perkussiver. Es kommt deutlich mehr Klopfgeräusch beim Resonanzboden an und vernehmlich weniger Saitengesang. Und weil das so ist, ist diese Idee m. E. gerade im oberen Diskant eher kontraproduktiv.

Den erwünschten umgekehrten Effekt hat man beim Flügel ja beim DueChorde-Spiel. Beim Treten des linken Pedals wird der Klang "ausgedünnt", er klopft weniger und singt auf wunderbar melancholische Weise länger.

Also, dann sag doch mal: Wie klingt denn der Quadro-Förster?

Gruß
Martin
PianoCandle
 
Interessantes Instrument. Förster hat ja seinerzeit (zwanziger Jahre) auch den Vierteltonflügel gebaut, um die damaligen Experimente einiger Komponisten aufführbar zu machen. Förster scheint durchaus experimentierfreudig gewesen zu sein, ohne das "große Ganze" aus dem Blick zu verlieren. Die "normalen" Förster-Instrumente aus dieser Zeit gefallen mir sehr gut (aufgrund des hohen Alters natürlich abhängig vom Zustand bzw. Qualität der Aufarbeitung).

Ich könnte mir vorstellen, dass man die Bauweise ohne Stimmstock aus verschiedenen Gründen wieder verworfen hat. Ein ganz pragmatischer Grund mag sein, dass ein normaler Stimmstock überaus zweckmäßig ist, wenn er aus gutem Holz ist ("never change a running system"). Billiger muss die Konstruktion ohne Stimmstock auch nicht unbedingt sein. Die Wirbel sind aufwändiger und vermutlich muss auch die Gussplatte am "Stimmmbereich" (Stimmstock kann man ja nicht sagen) stärker gegossen werden, weil der Stimmstock ja sonst auch einen Teil der Kräfte aufnimmt. Er ist normalerweise zu beiden Seiten mit dem Gehäuse verbunden. Aber da verstehe ich zu wenig von der Flügelkonstruktion, um das abschließend beurteilen zu können. Ein weiterer Grund, warum dieses System nicht dauerhaft benutzt wurde, könnte auch sein, dass man nicht rufschädigende Kritik der Konkurrenz riskieren wollte, die eine Neuerung natürlich auch polemisch als Angriffsstelle nutzen kann.

Es gab ja auch noch andere Versuche, den Stimmstock zu ersetzen. Die amerikanische Firma "Mason & Hamlin" hat z.B. mal einen "Screw Stringer" gebaut, bei dem die Saite tatsächlich über einen Gewindestift gestimmt wird.

Wie der Förster-Flügel klingt, würde mich auch sehr interessieren.
 
Hallo,

Ich habe heute den Auftrag bekommen, den Flügel zu überarbeiten. Ich mache einen neuen Glattbezug (Minimalvariante) und werde die Mechanik etwas überarbeiten. Soll ich vielleicht kleine Filmchen machen, wie in der Kirche gearbeitet wird? :idea:

Und natürlich gibt es hinterher auch eine Klangprobe...:guitar2:

:cool:


LG
Michael
 
Ich hatte vor einigen Wochen die Gelegenheit, in Berlin einen Förster Quattrochord Konzertflügel im Pianosalon Christofori im Konzerteinsatz zu hören. Es gab Bach, Chopin und Schumann.
Der Flügel klang gut, aber nicht überragend. Der Bass war sehr sonor und dynamisch, Mittellage und Diskant unspektakulär, aber souverän. Der Klang insgesamt war sehr kompakt und energiegeladen mit einer Tendenz zum Aufschaukeln im Bassbereich. Klanglich also ein gut geeignetes Konzertinstrument (bis auf das u.U. fehlende dritte Pedal...).
Laut Aussage des betreuenden Klaviertechnikers ist die Spielart tendenziell ungewohnt, weil (anders als üblich) die längsten Tastenhebel in der Mittellage zu finden sind, wohingegen die Hebel Richtung Bass und Diskant kürzer werden.
Offenbar erkauft man sich mit der Vierchörigkeit das eine oder andere geometrische Problem ...
Aber natürlich ist ein solcher Flügel ein Prachtexemplar und eine absolute Bereicherung der Konzertflügelszene. :-)
 
Soll ich vielleicht kleine Filmchen machen, ...
Nö.

Du musst! :D

Der Flügel steht in Züri? Ganz schön langer Arbeitsweg...

Und: hast Du die Revue gesehen? "Revue in einer Kirche" liest sich ja erstmal sehr ungewohnt. Aber es sind ja Schweizer...

Sind die Unterlegscheiben auf dem Bild eigentlich in der Reihenfolge, wie sie montiert sind? Die links außen (zwischen Gußplatte und Nasenscheibe) sieht irgendwie aus, als wäre sie nicht aus Metall. Oder doch?

Hoffe es ist eine interessante Arbeit, die Dir viel Freude macht!
LG Hanfred
 
Ein paar Antworten...

Hanfred, Die Unterlegscheiben waren in der Reihenfolge, als ich sie fotografierte. Es ist alles Metall. Die Revue habe ich leider nicht gesehen, aber kurze Probenausschnitte.:p

Schmikus, Die langen Tasten haben mit der 4-Chörigkeit nichts zu tun. Hier wurden verschiedene Neuerungen miteinander kombiniert. Das macht die Sache etwas unübersichtlich. Es hätte auch gereicht, einen 4-Chörer mit normalen (Holz)Stimmstock zu machen bzw. Einen Metallstimmstock in einen 3-Chörer einzubauen. Der Knick in der Mechanik und die dadurch längeren Tasten in der Mitte sind nur für den Techniker unangenehm. Zum Spielen sind die längeren Tasten in der Mitte ein Vorteil. Gemacht wurde dies (als dritte Neuerung in ein und dem selben Flügel) damit man den Langsteg ziemlich gerade halten konnte, und er nicht wie eine Banane das Innenleben schmückt. Das hat auch klangliche Konsequenzen...

Martin, Der Flügel klingt entgegen den Vermutungen gar nicht perkussiver, sondern schön rund. Man darf nicht vergessen, dass auch die Hämmer entsprechend breiter und wuchtiger sind.

Durchgesetzt hat sich Förster aus vielerlei Hinsicht nicht. Der Hauptgrund war der beginnende Krieg 1939. Davor wurde bei Handwerksausstellungen und Konzerten in ganz Europa eigentlich viel Aufmerksamkeit erweckt und Lob geerntet und alles war in den Startlöchern, in die Massenfertigung zu kommen. Wie man weiß hatte Förster zwei Klavierfabriken zu der Zeit und die waren ab 1939 in sich befeindeten Ländern gelegen.:rolleyes: Alles andere als eine günstige Ausgangsposition....

LG
Michael
 

Hallo Michael,

ich bin mir sicher, dass deine Fotos und Filme von diesem außergewöhnlichen Instrument hier mit großem Interesse betrachtet würden. Ich würde mich freuen, wenn du ein paar Aufnahmen hier reinstellen könntest.
 
Nächste Woche bin ich dort und werde meine Videocamera mitnehmen.

LG
Michael
 
Michael, sehr interessant. Du hast allerdings eine komische Reihenfolge gewählt zum neu besaiten. Du nimmst nur ein kleines Areal, wo du die alten Saiten raus nimmst und scheinst dich dann langsam voran zu arbeiten. Hast du bei der Arbeitsweise denn die Spannung der anderen Saiten vorher gemindert oder warum machst du das so?
 
Hallo Tastenscherge!

Man müsste die Spannung komplett lösen oder absenken, wenn man es mit einer schwachen Rahmenkonstruktion zu tun hat um Spannungsrisse am Rahmen zu vermeiden. Bei diesem 700kg Apparat mit relativ schwacher Mensur ist das nicht nötig. Der glatte Bezug fängt mit einem 19er Kern an und endet mit 12 im Diskant. :p

Der Vorteil dieser Methode ist, dass am Resonanzboden keine große Bewegung stattfindet.:cool:

LG
Michael
 
Das Video gefällt mir sehr gut. Auch die Hintergrundbegleitung durch den Organisten ist toll :) Das war sicher nicht angenehm bei diesen Temperaturen zu arbeiten.

Ich freue mich schon auf die Klangprobe :)
 
Ja, Christian!

Das mit den Temperaturen stimmt. Selbst in der Kirche war es warm. Mein wichtigstes Utensil war ein großer 200W 3 Stufen-Ventilator :D

Was ich am wenigsten brauchen kann bei der Arbeit sind nämlich feuchte Hände. Das habe ich tunlichst vermieden. Was man leider nicht im Video sieht, dass ich hinterher jeweils die Saiten mit einem Stück Leder abreibe, damit ja keine Fingerfeuchtigkeit zu frühem Flugrost führt.

LG
Michael
 
Hallo Michael,

schönes Video. Ich bin gespannt wie es mit dem Flügel weiter geht. Musst du an der Mechanik auch viel machen?
 
Hallo Michael,

Nach dem Festschrauben der Wirbel und vor dem Zwicken der Saiten, so um 9:00, führst du ein Eisen zwischen den beiden Saiten durch. Hatte sich die eine Saite falsch unter dem Kapodaster gesetzt?

Faszinierend wie immer.:cool:

Ciao,
Mark
 

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