Populäre und dennoch selten gespielte Stücke

In meiner Studienzeit an einer NRW-Musikhochschule noch vor dem Millennium behauptete ein Mitstudent, er wisse von der Abschlussprüfung für das Nebenfach Klavier, dass ein angehender Orchestermusiker dieses Stück nach Ansage als zeitgenössischen Prüfungsbestandteil vorführen wollte. Nach weniger als einer Minute Stille soll einer der Prüfer die Vorführung abgebrochen und den Prüfling aufgefordert haben, gefälligst ein Literaturwerk vorzutragen, das zur Beurteilung seines Könnens am Klavier zu gebrauchen sei. Daraufhin soll er etwas Einfaches aus dem "Mikrokosmos" gespielt und die Prüfung so gerade eben noch bestanden haben. Bei Hauptfachprüfungen war das Prüfungsprogramm vorher verbindlich anzumelden, im Nebenfach offenbar nicht unbedingt - sonst hätte man den Kandidaten gleich zurückgepfiffen. Übrigens gab es schon Jahrzehnte vorher "tonlose" Musik:



Den Gag mit dem Cage kennt inzwischen jeder, aber das verlinkte Video bietet Alternativen. Wem das immer noch zu wenig ist, suche sich hier sein Lieblingsschweigen aus: https://en.m.wikipedia.org/wiki/List_of_silent_musical_compositions

Wenn sich Langeweile einstellt, gibt es was auf die Ohren:



Und mit Musik geht alles besser:



LG von Rheinkultur

Das fiel mir gleich ein und dann kam's wirklich.
Die Verfilmung mit Dieter Hildebrandt als Dr. Murke war herrlich.
 
Trotzdem es zahllose Einspielungen davon gibt, fristen die Klavierkonzerte von Mozart im Konzertbetrieb ein Schattendasein, meinem Eindruck nach. In den unzähligen Orchesterkonzerten, die ich in fast 40 Jahren besucht habe, habe ich meiner Erinnerung nach gerade mal vier verschiedene davon gehört (KV 456, 467(2x), 491, 503).
 
es zahllose Einspielungen davon gibt, fristen die Klavierkonzerte von Mozart im Konzertbetrieb ein Schattendasein, meinem Eindruck nach.
Ich glaube sogar, dass das für praktisch alle vor 1800 entstandenen Klavierkonzerte gilt - allerdings vermutlich aus aufführungspraktischen Gründen: Diese Konzerte sind für Kammerorchesterbesetzungen geschrieben, die nicht selten ohne Dirigent oder unter Leitung des Solisten musizieren. Man vergleiche den typischen klassischen Orchesterapparat mit großen spätromantischen Orchesterbesetzungen: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurzschrift_Orchesterbesetzung. Daraus ergibt sich, dass bei der Kombination eines Mozart-Solokonzertes mit spätromantischer Literatur für einen großen Orchesterapparat (Brahms, Bruckner, Reger, Mahler u.a.) mindestens die Hälfte der Musiker zwischendurch unbeschäftigt pausieren müssten. In ein solches Programm passt dann eher ein Konzert von Tschaikowsky oder Rachmaninow. Spielt ein Orchester von vornherein in klassischer Besetzung mit doppelt besetztem Holz, werden die Mozart-Konzerte öfters gewählt, wobei es auch aus dem neunzehnten und vor allem aus dem zwanzigsten Jahrhundert jede Menge Literatur für kleinere Orchesterbesetzungen gibt.

LG von Rheinkultur
 
Ich behaupte mal, dass es in München keine (coronafreie) Konzertsaison gibt, in der man nicht jedes der Konzerte KV 271, 453, 466, 467, 488, 491, 503 und 595 wenigstens einmal live hören kann.
 
Griegs lyrische Stücke. Teils extrem hübsche kleine Stücke und schön als Zyklus Spielbälle. Aber sie gehören halt nicht ins Standardrepertoire für Konzerte und es gibt nun auch nicht allzu viele Einspielungen. Viele Pianisten haben hier und da mal eines als Zugabenstück im Repertoire aber ein ganzer Klavierabend um die Stücke oder eine Gesamteinspielung wäre eher selten.
 
Ich habe in einem Konzert noch nie die Kinderszenen gehört und würde mich so freuen, die hören! Durchaus populärer (und sehr guter) Schumann...
 
Die Kinderszenen haben Horowitz, Argerich, Moravec usw. oft im Konzert gespielt.
 

Trifonov wusste ich nicht. Horowitz war vor meiner Zeit.
 
Ich bin fasziniert von dem geheimnisvollen 1. Scherzo.
Man hört so viele verschiedene gute Interpretationen, aber besonders überzeugend finde ich die eines jungen Japaners, dessen Name mir gerade nicht einfällt.

Cateen ist zwar nicht sein Name, aber bei Youtube ist er darunter zu finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Frühlingsrauschen" wird auch quasi nie gespielt. Selbst auf YT findet man kaum eine Solo-Klavier-Aufnahme (ich erinnere mich nur an eine von einem unbekannten US-amerikanischen Pianisten, der eigentlich nur Klavierlehrer gewesen sein soll). Auf Anhieb kommen irgendwelche Orchesterversionen.

Ach, das Prélude von Rachmaninoff natürlich auch - fast nie.

Dabei wurde es ziemlich bald nach der Uraufführung 1892(?) auf der ganzen Welt rauf und runter in allen Klavierabenden als Zugabe gespielt. Es gibt bei Henle eine Einzelausgabe, das Vorwort ist als pdf online frei zugänglich, da steht "alles" drin. Rachmaninoff ist durch dieses Prélude überhaupt erst als Komponist bekannt geworden und hat auf dieser "Grundlage" dann auch konzertieren können (und musste bekanntlich jedesmal sein Stück selbst vorspielen). Beruflich war er in Russland zunächst als Dirigent unterwegs, die Konzertpianistik kam erst später wieder in größeren Anteilen.
 
Welcher Kom
"Frühlingsrauschen" wird auch quasi nie gespielt.
Ach, das Prélude von Rachmaninoff natürlich auch - fast nie.
Dabei wurde es ziemlich bald nach der Uraufführung 1892(?) auf der ganzen Welt rauf und runter in allen Klavierabenden als Zugabe gespielt.
Mit ca. 12 Jahren habe ich meinem Klavierlehrer ''Frühlingsrauschen'' vorgeschlagen. Der war sichtlich geschockt und hoffnungslos entgeistert. Irgendwie ist das Stück auch sehr salonesk. Werden Stücke zu populär - d.h. zu häufig gespielt - und massentauglich, ernten sie beim Fachpublikum zunehmend Ablehnung. Das sind dann Stücke, die auch von einem anspruchsloseren Publikum geschätzt werden. Und populär werden sie bei anderen Zielgruppen, wenn sie sich nicht mehr auf den Konzertsaal beschränken, sondern auch anderswo auftauchen - z.B. Werbung oder Film. Ein kurioser Effekt.
Das Prélude - welcher Komponist hat schon das Glück, schon mit Op. 3 weltberühmt zu werden. In späteren Jahren hat er das zunehmend als Belastung empfunden. Es gibt dann wohl Sättigungseffekte, die die Aufführungsfrequenz beeinflussen - obwohl ich glaube, dass man mit dem Stück immer noch oder schon wieder punkten kann.
 
So schlecht ist "Frühlingsrauschen" aber nicht. Es ist halt ein dankbares Stück. (Die anderen Stücke aus op. 32 von Sinding sind übrigens ganz anders, viel "herber".)

Das cis-Moll-Prélude wurde als Einzelstück komponiert und triggerte den Weltruhm. Die Zusammenstellung des op. 3 kam erst später. Meines Wissens war daraus die Polichinelle (op. 3 Nr. 4) noch ganz populär.
 

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