Neues lernen und Altes vergessen - unvermeidlich?

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hpesch

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In den letzten 12 Jahren habe ich eine Menge Lieder auswendig gelernt und leider wieder vergessen. Die leichtesten Preludien von Chopin, etwa die Hälfte der Kinderszenen usw. Gerade hatte ich 2-3 neue Stückchen geübt und merkte, dass ich beim Spielen meines gewohnten Repertoires in Stolpern kam. Als würden die neuen Stücke die alten aus dem Gedächtnis verdrängen. Wäre schön ich hätte gelernt, direkt vom Notenblatt zu spielen. Beneidenswert wer Hunderte von Stücken im Gedächtnis halten kann.
 
Hattest du sie nur im Fingergedächtnis oder wirklich auswendig drauf, so dass du wie bei einer Landkarte immer weißt, wo du gerade bist?
 
In den letzten 12 Jahren habe ich eine Menge Lieder auswendig gelernt und leider wieder vergessen. Die leichtesten Preludien von Chopin, etwa die Hälfte der Kinderszenen usw.
Paß auf, daß Dir @hasenbein nicht auf die Finger haut! „Lieder“ sind Musikstücke für menschliche Stimme, allenfalls „Lieder ohne Worte“ sind für die Finger …
Als würden die neuen Stücke die alten aus dem Gedächtnis verdrängen. Wäre schön ich hätte gelernt, direkt vom Notenblatt zu spielen.
Tja, es gibt beim Musizieren keine Bestandsgarantie. Das Zauberwort heißt „Memorieren“, zunächst in kurzen zeitlichen Abständen (täglich), und dann in immer größer werdenden Abständen. Man nennt es auch „Repertoirepflege“ - oder, wie mein Klavierlehrer es beschreibt, die „pianistische Keksdose“: man sollte sich möglichst oft daraus bedienen - der Inhalt ist gesund, und es besteht keine Gefahr, davon dick zu werden.
Beneidenswert wer Hunderte von Stücken im Gedächtnis halten kann.
Auch denen, die es können (und das sind nicht viele), ist diese Fähigkeit in den allerseltensten Fällen einfach so zugeflogen. Dazu gehören viele Stunden Arbeit. Das Pianistenleben ist halt kein Ponyhof …
 
In den letzten 12 Jahren habe ich eine Menge Lieder auswendig gelernt und leider wieder vergessen.
Wäre schön ich hätte gelernt, direkt vom Notenblatt zu spielen.

Kannst Du dann die Stücke auch nicht spielen, wenn Du Dir die Noten dazu auflegst? Hast Du also quasi immer nach Gehör gelernt und auswendig gespielt?

Ich denke, es ist ganz normal, dass Stücke, die man länger nicht spielt in der Erinnerung verblassen, wenn man reell Klavierspielen gelernt hat, sollte man aber durchaus im Stande sein, sich die Stücke schnell wieder ins Gedächtnis zu bringen.
 
Ist bei mir auch so. Habe einmal pro Woche einen Repertoire Tag eingeführt. Somit vergesse ich die erlernten Stücke nicht mehr, aber besser werden die Stücke nicht. Wobei ich nicht alle Stücke auswendig spiele, manche noch vom Baltt.
 
In den letzten 12 Jahren habe ich eine Menge Lieder auswendig gelernt und leider wieder vergessen.
Angenommen, Du übst täglich -- wie viele Tage/Wochen dauert es dann, bis Du ein Stück auswendig kannst?


Die leichtesten Preludien von Chopin, etwa die Hälfte der Kinderszenen usw. Gerade hatte ich 2-3 neue Stückchen geübt und merkte, dass ich beim Spielen meines gewohnten Repertoires in Stolpern kam. Als würden die neuen Stücke die alten aus dem Gedächtnis verdrängen.
Kann passieren.

Du kannst ja mal ein paar Monate lang jeden Tag "Halbe-Halbe" üben, also die halbe Zeit Repertoire, die andere Hälfte Neu-Erarbeitung.


Wäre schön ich hätte gelernt, direkt vom Notenblatt zu spielen.
???
Was soll den das heißen?
Suchst Du Dir Note für Note zusammen und lernst es auswendig, ehe Du das Stück flüssig durchspielst -- oder wie muss ich mir das vorstellen?


Beneidenswert wer Hunderte von Stücken im Gedächtnis halten kann.
Naja, wenn wir mal bei Hundert bleiben... das wären von siebzehn Komponisten je sechs Stücke. Das sieht schaffbar aus.
 
Tja, dann fangt mal schnell an, Stücke auswendig zu lernen.
Entschiedenes JEIN!

Ja: Ich übe meine Unterrichtsliteratur neuerdings auch auswendig, weil mir das enorm Sicherheit beim Spielen nach Noten gibt.

Nein: Ich kann nur wenige Stücke VORTRAGSREIF auswendig. Ich mache am liebsten Kammermusik; dafür ist Blattspiel (und evtl. Generalbassspiel) viel nützlicher als perfektes Auswendigspiel.


Wer zuerst die 100 schafft, macht hier Meldung und bekommt einen Sonderbonus - er wird Amateur des Jahres.
Super... DAS war ja schon immer mein sehnlichster Wunsch... :-/


Hmpf.

Ich vertrete die Minderheitenmeinung, dass Auswendiglernen -- notfalls auch bis zur Votragsreife -- bei einer darauf angepassten Übe-Methodik kein Hexenwerk ist. Es kostet allerdings Mühe und Zeit -- Zeit, in der man dann nicht die Motorik und nicht das Blattspiel trainieren kann...
 

Wenn ich am Klavier sitze, dann betreibe ich meist auch Repertoirepflege. Das gezielte Üben einzelner "Problemzonen" nimmt daneben relativ wenig Raum ein ... meist beackere ich ein oder zwei Problemstellen im Repertoire oder einige zusätzliche Takte eines neuen Stückes.

Auch ich spiele auswendig, und ich halte es für vollkommen normal, dass hin und wieder mal einige Passagen "weg" sind, und ich dann nochmal die Noten herauskramen muss.
Oft kommt das dann aber sehr schnell wieder (es ist fast, als hätte sich nur ein Knoten lösen müssen). Sogar Stücke, die ich Jahre lang nicht gespielt habe, kommen relativ schnell wieder.

Es ist normal, dass man Auswendiggelerntes wieder vergisst, wenn man es nicht regelmäßig pflegt. Ebenso normal ist die begrenzte Kapazität des menschlichen Gedächtnisses und die individuelle Nutzung desselben (unterschiedliche Strategien zum memorieren führen zu unterschiedlicher Leistungsfähigkeit).

Daher hat der eine mit Mühe 3 Stücke auswendig im Kopf, bei einem anderen sind es mühelos 50+, und bei manchen fühlt es sich an, wie ein vollgestellter Arbeitstisch, bei dem eben hinten was runterfält, wenn man vorne was neues draufschiebt (unabhängig von der Gesamtzahl Dinge, die da schon sind).

Für alle gilt aber, dass nur das langfristig im Kopf bleibt, was auch regelmäßig genutzt wird.
Also muss man sein Repertoire spielen, um es abrufbar zu halten. Das müssen wir, die wir keine Blattspiel-Automaten sind, alle ... ganz egal, wie umfangreich das Repertoire ist.
 
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Hallo liebe Klavierbegeisterte,

Stücke, mit denen ich mich bis zum Alter von ca. 25 Jahren beschäftigt habe, bleiben (bei mir) besser im Gedächtnis als solche, die ich erst später gelernt habe.
Ich bin überzeugt, dass Musik, die im Schüler- oder Jugendalter gelernt wurde, viel besser abgespeichert ist, als später gelernte. Wohl dem, der im Kinder- und Jugendalter das Glück hatte, einen sehr guten Lehrer gehabt zu haben. Dadurch kann bereits eine sehr tragfähige Basis gelegt sein. Ein solcher Mensch braucht nicht zu stolz zu sein auf das, was er erreicht hat. Die Förderung im Kindesalter wird ja nicht vom Kind, sondern von den Eltern gemanagt und finanziert.
Mit ca. 22 Jahren habe ich angefangen, meine Sachen auswendig zu lernen und auch aufzuführen. Ein Kommilitone (damals Mathe und Musik!) hatte mir dazu geraten und gemeint, ich würde viel schöner, ursprünglicher und direkter spielen, wenn ich ohne Noten spielen könnte.
Heute (70+) gehe ich zum Teil wieder "back to the roots", also ich greife auf längst versunkene Stücke zurück, die ich im Schulalter nie richtig ausgearbeitet, geschweige denn auswendig gelernt, aber mit Begeisterung "durchgehämmert" habe. Das ist Literatur, die ich abseits meines regulären Unterrichts gespielt hatte.
Mit diesen Stücken, die nach Jahrzehnten noch fragmentarisch im Gedächtnis sind tue ich mich viel leichter als mit völlig neuen Sachen. Manchmal sind alte und schlechte Fingersätze auszubügeln, manches greife ich ganz anders, und manchmal schauen mich Feinheiten aus dem Text an, die ich früher nie gesehen hatte.

Über die Pflege meines Repertoires habe ich mich an anderer Stelle schon mal ausgelassen. - Im Kalenderjahr übe ich zur Zeit zwei verschiedene Konzertprogramme mit alten und neuen Stücken ein. Das ist jeweils mein aktives Repertoire. Diese Programme kommen auch zur Aufführung (sonst arbeite ich nicht ernsthaft).

(Ein menschliches Gehirn kann umso mehr aufnehmen und ist umso besser aufnahmebereit, je mehr man hineinstopft.)

Gutes Gelingen!

Walter
 
Ich bin überzeugt, dass Musik, die im Schüler- oder Jugendalter gelernt wurde, viel besser abgespeichert ist, als später gelernte.
Ich denke, für das Erlernen von Musikinstrumenten und von Fremdsprachen sollte gelten: So viel wie möglich so früh wie möglich!
Ich wäre heute sehr dankbar über eine tragfähigere Basis am Klavier von früher her.
 
Auswendiglernen von Stücken ist Quatsch.

Wenn man zufällig merkt "oh, ich kann's ja auch auswendig", ist es natürlich OK.

Das Einzige, was zählt, ist dass es so weit im Gedächtnis haften bleibt, dass man es, wenn man sich mal wieder die Noten vornimmt, ohne großes Üben gleich wieder ganz gut hinkriegt.
 
Ich halte das Auswendiglernen nicht für Quatsch. Dennoch bin ich froh, dass die Verbreitung von Tablets dem Zwang dazu langsam den Wind aus den Segeln nimmt - denn es ist zum großen Teil eine nerviges, historisch gewachsenes Überbleibsel, das dem Geniekult nachhängt. Der unpraktische Aspekt, dass man einen Blätterer braucht und jemand mit auf der Bühne sitzt, ist damit ja zum Glück passé. Selbst in Hochschulen darf man manchmal schon mit Tablet spielen. In Würzburg zum Beispiel in der Abschlussprüfung. Das finde ich sinnvoll, denn es eröffnet manchem Zugang zu einem Repertoire, das man sonst vielleicht nie öffentlich gespielt hätte, weil es so viel Arbeit macht oder erst gar nicht in die Birne will (z.B. polyphone Musik).
 
Igor Levit, sicherlich keiner der ganz Doofen, meint, dass Auswendigspielen keinen Mehrwert hat. Allerdings hat er leicht reden. Die 32 Beethoven-Sonaten auswendig, jederzeit, und auch einiges andere abliefern zu können, ist schon eine Hausnummer.
Ein Grund fürs Auswendigkönnen ist natürlich, man kann eher von sich selbst ergriffen in den Bühnenhimmel starren, oder mit geschlossenen Augen in sich zusammensinken. Damit die Leute sehen, wie es in dem Künstler arbeitet.
Alles in allem: es kommt drauf an, was hinten rauskommt, auswendig oder nicht.

( Leider spiele ich auch Vibrafon, normalerweise 4 schläglig. Wenn nicht auswendig, haue ich ständig daneben...)
 
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