Muss man Musik verstehen, um sie zu mögen?

Zitat von just listen!:
Wir alle verbinden z.B. mit Heavy Metal die gleichen Gefühle: Energie, Kraft, Aggressionen ... . Aber unbewusst interpretieren wir sie unterschiedlich.
Ich mag Heavy Metal nicht und ich verstehe es nicht.
Ein Arbeitskollege sagt beim Heavy Metal hören: " Wenn ich es leise höre, macht es mich wütend. Wenn ich es laut höre, beruhigt es mich." Ein anderer meint scherzhaft zu ihm: "Hörst du schon wieder diese furchtbare Musik?"
 
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Ich stimme dir da ganz und gar nicht zu. Ich hab zuletzt von John Coltrane das Stück "Naima" gehört (http://de.youtube.com/watch?v=OdY8205qUuY) und es entfachte bei mir zwar keine Gänsehaut, aber ich war von der Stimmung des Stücks so emotional mitgenommen und entspannt, soetwas ist mir schon lange nicht mehr passiert. Ich glaub nicht, dass ich das unbedingt bei Stadiongesängen auch wäre!

Also wenn man das so sehr reduziert könnte ich auch sagen, dass jeder gesprochene Satz (ich meine jetzt in der deutschen Sprache) das gleiche aussagen will. Und das stimmt ganz und gar nicht. Jedes Stück drückt etwas anderes aus, es ist nicht so, dass alles gleich ist.
Ich glaube, dass just listen das ganze etwas anders gemeint hat. Er wollte wohl nicht sagen, dass Stadionmusik die gleiche Wirkung hat wie z.B. ein Weihnachtslied, sondern dass ein Weihnachtslied auf alle Menschen ungefähr gleich wirkt, nämlich irgendwie "weihnachtlich" eben. Und Stadionmusik wirkt eben auch auf alle Menschen mehr oder weniger gleich. Eben so wie der Hörer typische Stadionmusik erwartet. Würde am Christbaum ein Stadionlied gesungen und im Stadion "Stille Nacht", dann würde das beiden Hörerklientels sofort auffallen, weil ein Stadionlied eben genau NICHT das ist, was man am Christbaum erwartet. Ebenso umgekehrt.
 
Genau so.
Es geht mir nicht um gefallen oder verstehen, sondern nur um die Wirkung bestimmter Musikstile.
Ob Metall, Jazz, Hip Hop oder Klassik. Keiner kann sich der emotionalen Wirkung des jeweiligen Musikstils erwehren. So funktioniert Werbe- und Filmmusik und auch Bach wusste genau wie er Religiösität (z.B. in seinen Kantaten) oder Festlichkeit (Brandenburgische Konzerte...) bedient. Und es funktioniert auch nach 250 Jahren noch genauso (auch bei unmusikalischen Menschen).
 
Ich habe immer wieder die gleiche Erfahrung gemacht: Musik wirkt grundsätzlich auf jeden gleich.

Das ist eine interessante Beobachtung, und ich glaube auch, dass du recht damit hast.

Das Bauchgefühl ist wohl ziemlich unabhängig davon, ob man grosses musikalisches Vorwissen hat oder unbedarft zuhört, da es den emotionalen Gehalt der Musik erfasst.
 
Ich seh das auch so wie ubik.
Manche finden alleine Molltonarten tief traurig, andere nicht.
Jeder hat seine persönlichen Assoiationen und Hörgewohnheiten.

Wenn ein Musiker schafft, eine gewisse Athmosphäre zu erzeugen, die den Zuhörer ergreift, dann ist etwas Großes gelungen. Aber selbst dann gibt es doch noch unterschiedlichen Wahnehmungen.
 
Hi,

als Musik- und Kunstlaie finde ich es völlig legitim, wenn man nach dem subjektiven Geschmack geht. Ich lasse Musik unmittelbar auf mich wirken, ebenso bildende Kunst, und entscheide nach dem Gefühl, ob ich sie gut finde oder nicht.

Kunst/Musik, die man erst schätzt, wenn man Erklärungen, Fußnoten, Anleitungen etc. dazu bekommt, hat sicher ihren Wert (z. B. für andere) und ist manchmal genial, kann mich aber nicht spontan begeistern - aber darauf kommt es mir an. Es muss mich emotional ansprechen.

Was z. B. Bach betrifft, mag er ja aus analytischer, akademischer Sicht ein genialer Jahrtausendkomponist gewesen sein. Trotzdem bin ich kein Fan von ihm, weil mir meine Musik tendenziell zu mechanisch ist. Mozart, Chopin, Dvorak und andere berühren mich einfach mehr. Wozu muss man das verstehen? Um seinen Geschmack verstandesmäßig zu rechtfertigen? Darin würde ich keinen Sinn sehen.

Viele Grüße,
Pigpen
 
Was z. B. Bach betrifft, mag er ja aus analytischer, akademischer Sicht ein genialer Jahrtausendkomponist gewesen sein. Trotzdem bin ich kein Fan von ihm, weil mir meine Musik tendenziell zu mechanisch ist.

Nein, ist er nicht :p

Wenn es sich oft so anhört, dann liegt es nicht an Bach, sondern an den Musikern. Und die "akademische" Vereinnahmung von Bach ist auch eine ganz schlimme Sache. Glaub bloß nicht, daß Bach sich darüber gefreut hätte.
 
Ich gehe sogar noch weiter:
ich hasse es:x, wenn alles analysiert wird, was man gehört hat.
Man kann halt an eine emotionale Sache nicht mit dem Kopf rangehen. Ich glaube, wenn man zu sehr verstandesmäßig hört, bekommt man die Musik und deren Inhalt gar nicht mit.
Jetzt werde ich vielleicht hier in der Luft zerrissen, aber egal!:p;)
Wenn der Musiker dem Stück einen Charakter geben konnte, ein Gesicht, und das so darstellt, dass man es nachfühlen kann, dann stören mich ein paar Fehler nicht besonders. Die Musik wird dann trotzdem fesseln.

Und das Konzert wird mir viel Spaß gemacht haben.

Lg
violapiano
 
Ich denke, dass der musikal. "Laie" nicht so viel "dümmer" ist als es manchmal rüber kommt. Wenn ich zum Beispiel an die h-moll Sonate von Liszt denke, glaube ich, dass auch ein "Laie" daran eine Menge analysieren kann, nämlich:

1) Den Emotionsgehalt der Themen
2) Durchführungsarbeit (z.b. kurz vor dem Grandioso, linke Hand)
3) Die Scheinreprisen
u.a.

Zwar wird der Laie das anders nennen als Scheinreprise, aber erkannt, hat er genau dasselbe wie der schlaueste Musiktheoretiker. Nämlich, dass der Komponist nur so getan hat, als käme jetzt die Reprise.

marcus
 

Zwar wird der Laie das anders nennen als Scheinreprise, aber erkannt, hat er genau dasselbe wie der schlaueste Musiktheoretiker. Nämlich, dass der Komponist nur so getan hat, als käme jetzt die Reprise.

Also die Vorstellung daß die Zuhörer (!) bei einem Konzert anfangen, die Musik zu analysieren, erschreckt mich jetzt aber total. Zuhören sollen sie! Sich von der Musik tragen, verzaubern, überraschen, verführen lassen. Aber doch nicht einen wissenschaftlichen Vortrag vorbereiten...:rolleyes:

Die Sonatensatzform ist ein theoretisches Konstrukt, von Musikwissenschaftlern erfunden, und die dürfen sich von mir aus auch gerne darüber den Kopf zerbrechen, warum fast keine Sonate, und schon gar keine romantische Sonate, mit diesem theoretischen Konstrukt übereinstimmt. Und wenn sie glauben, für jede Abweichung eine entsprechende Ausrede parat haben zu müssen - von mir aus :)
Um eine Sonate mit Begeisterung spielen und hören zu können, brauche ich kein theoretisches Alibi.

Daß die Liszt-Sonate ein ziemlich unförmiges, konfuses und langatmiges Werk ist, ist offensichtlich. Wems gefällt - gut. Wem sowas nicht gefällt, den werden auch die Theorien nicht überzeugen.
 
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Zitat von Haydnspaß:
Also die Vorstellung daß die Zuhörer (!) bei einem Konzert anfangen, die Musik zu analysieren, erschreckt mich jetzt aber total. Zuhören sollen sie! Sich von der Musik tragen, verzaubern, überraschen, verführen lassen. Aber doch nicht einen wissenschaftlichen Vortrag vorbereiten...
Warum sollte das eine das andere ausschließen?

Analyse scheint einen Beigeschmack zu haben von verstaubten Formschemata, nachdenken, Harmonien knobeln, etc... :)

Gerade beim intensivem Zuhören fällt doch auf, dass auf einmal ein Thema in völlig veränderter Gestalt auftritt und imho verstärkt das nur die Faszination der Stelle. Für mich wird die Empfindung dann erst möglich, als wenn ich die ganze halbe Stunde (bei der Liszt-Sonate) denken würde, dass dauernd was neues kommt, obwohl die ganze Zeit mit dem vorgestellten Material gearbeitet wird.

Für mich ist genau das "intuitive Erfassen" das, was ich vorhin ausgeführt habe. Eine rein emotional/intuitiv arbeitende "Analyse", ein Werkverständnis, das einfach durch aktiv teilnehmendes Zuhören entsteht.

marcus
 
Passend dazu vielleicht in der ZEIT-Serie "Bildungskanon" die vor einer Woche erschienene Nr.50 "Die Freiheit der Töne" über Musik, u.a. mit einem Blick von außen auf europäische Musik (stark theoretisch "geprägt vom Exponieren und Durchführen") mit "hochreflektiertem Komponieren" und viel mehr, durchaus lesebar geschrieben - und als vergnügliches Extra noch die - hier vielleicht schon mal diskutierte - Sammlung von 27 Stücken für die 1977 gestartete Kapsel, die irgendwann mal Außerirdischen in die Hände fallen soll: Von einem Satz der Brandenburgischen Konzerte über eine Mozartarie und Louis Armstrong bis zu aserbaidschanischen Dudelsäcken ("Ohrenschmaus für Außerirdische: Die NASA-Liste der irdischen Highlights")

http://www.zeit.de/bildungskanon/musik

Edit: auch noch Bach-Links, die mir mein Vorurteil vom "nüchternen" Bach ein wenig lädiert haben
http://www.youtube.com/watch?v=Yu06WnXlPCY&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=R0085wPebZc
 
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Eigentlich dachte ich, ich hätte schon alles zu diesem Thema gesagt aber nun ist mir noch etwas eingefallen: Solange man im Auge behält, daß man Musik analysiert und nicht etwa einen hochkomplexen physikalischen Vorgang, sollte es doch eigentlich nicht schwer fallen, die Freude an dem analysierten Stück zu behalten. Immerhin gibt es auch Kunstkritiker, die Romane über ein Gemälde schreiben können, das rein optisch lediglich aus einem weißen Klecks besteht und sie trotzdem fasziniert. Es darf eben nur nicht die Verbindung zwischen Gefühlswelt und Intellekt verloren gehen.

PS: Ich finde Bachs Musik übrigens außerordentlich emotional! Sie ist nicht so stürmisch wie manche romantische Komposition aber sie ist enorm subtil. Was ich interessant finde, ist dabei, daß ausgerechnet Heavy Metal- und "schlimmere" Gitarristen immer gerne auch Bach zurückgreifen. Aber vielleicht liegt das ja auch daran, daß sich solche Leute häufig intensiv mit Kirchentonarten beschäftigen :~D
 
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Erstmal ein Hallo an alle :),
was das verstehen betrifft habe ich mit dem hier ja auch schon kurz erwähnten
Expressionismus die Erfahrung gemacht, dass ich ihn erst jetzt "hören" kann,
sich das ganze in meinem Kopf zu etwas ganzem zusammenfügt.
Als ich vor drei Jahren im Berreich der Musik noch völlig unerfahren war, klang so etwas für mich nach modernem Brei, jetzt kann ich die Atonalität quasi "herraushören" und die Klänge zueinander in Beziehung setzen.
Auf einmal klingt diese Musik für mich sehr angenehm, hat mich doch sehr überrascht...
Inwiefern das für Bach gilt kann ich nicht sagen, angeblich sind dessen Werke ja nur eine Grundstimmung pro Stück zu eigen.Aber die heutigen gängigen Interpretationen besitzen für mich mehr als eine Grundstimmung.
Vergleicht mal Gould mit Fischer.Soviel zu meinem Verstehen :rolleyes:

@Guendola: Das ist ja immerhin der Stil der der Klassik noch am meißten ähnelt, wir können hier ja mal eine Umfrage starten wer sich neben Klassik am liebsten mit Metall beschäftigt.Ich tippe min. 60% :D
 

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