Musiktheorie

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pianoplayer

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17. Juni 2010
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Hallo:),

ich nehme neben dem Klavierunterricht auch Musiktheorie-Unterricht seit 2 Jahren.
Ich denke mir hat es schon viel geholfen, denn dann weiß man wie die Musik aufgebaut ist und nicht nur wie man sie spielt..
Quintenzirkel,Tonleitern, musikalische Ausdrücke, Noten lesen, dirigieren, Formanalyse, Solfège, Melodien und Rhythmen erkennen und all sowas hab ich da gelernt..

Also mir ist klar, dass wenn man solchen Unterricht nimmt hilft dieses Wissen einem natürlich auch beim Klavierspielen.

Was ich euch fragen will ist, ob ihr auch solchen Unterricht oder so was ähnliches nimmt? Wenn ja hilft es euch?
Oder denkt ihr, dass man es auch ohne Theorie kann? :D

Ich denke, man kann auch ohne Theorie, aber mit ist man halt besser dran.. ;)
Und manchmal kann mir sogar die Musiktheorie echt Spaß machen. :P

LG pianoplayer
 
Hye
Seit ca. 6 Monaten nehme ich Klavierunterricht (also Anfänger).
Zusätzlich habe ich mir ein Musiktheorie Buch gekauft, welches ich durcharbeite. Bei Youtube gibt es ein paar sehr interessante Filme zur Theorie. Bei Unklarheiten löchere ich meinen Klavierlehrer.
Die Theorie hilft mir die Stücke zu verstehen und beim Improvisieren.

Scorbi
 
Hallo, pianoplayer,

bei wem nimmst Du Musiktheorie-Unterricht?

Gruß
Kulimanauke
 
Lieber Pianoplayer,

Was ich euch fragen will ist, ob ihr auch solchen Unterricht oder so was ähnliches nimmt? Wenn ja hilft es euch?
Oder denkt ihr, dass man es auch ohne Theorie kann?

früher hatte ich leider nicht wirklich tiefer gehenden Musiktheorieunterricht - dafür kam immer mal so ein kleines bisschen nebenbei im Klavierunterricht dran, je nachdem, was sich gerade angeboten hat bei den Stücken, die ich gespielt habe: die Standardkadenz Tonika-Subdominante-Dominante-Tonika kannte ich z.B. schon, ebenso natürlich Quintenzirkel und Tonleitern, Formanalyse lief ebenfalls bei den jeweiligen Stücken mit (das ist sehr sinnvoll, dadurch verbindet man direkt etwas mit der Analyse, man merkt sich z.B. sofort, wie eine Sonatenhauptsatzform aussieht usw.) - Noten lesen konnte ich natürlich auch :D

Jetzt an der Hochschule geht unser Theorieunterricht natürlich nochmal ein gutes Stück darüber hinaus, was für mich nicht einfach nur Plagerei ist, im Gegenteil, ich erfahre es als sehr, sehr wertvoll für mein Spiel und obendrein noch spannend. Ich vergleiche die Musiktheorie gerne mit der Grammatik einer Sprache: Natürlich kannst du sprechen, ohne etwas von der Grammatik zu wissen. Die Feinheiten der Sprache und vor allem, warum dieser und jener Schriftsteller gerade so interessant schreibt, warum der Satz genau so dasteht und nicht anders, was das Besondere daran ist, ob ich dieses oder jenes Wörtchen nun an dieser oder jener Stelle platziere - das wird sich dir erst wissentlich erschließen, wenn du etwas über den Aufbau der Sprache kennst. Interessant dabei ist: Ebenso wie in guter Literatur können viele auch ohne das Wissen um Harmonielehre und co. hören und spüren, dass eine Stelle sehr gut geschrieben ist, dass sie besonders ist - aber wissen, warum das gerade so besonders klingt, kann man erst, wenn man die "Grammatik" der Musik verstanden hat.

Ein Bsp.: Oft gab es früher Stellen, mit denen ich nie zufrieden war bei meiner Interpretation. Ich hatte keine Ahnung, woran das liegt - hatte ich doch gespürt, dass es eine besondere Stelle ist und dass sie besondere Aufmerksamkeit braucht, aber trotzdem wollte sie mir nicht so gelingen, dass ich es gut fand. Ich wusste nicht einmal, was mir daran nicht gefallen hat (und das ist das Schlimmste: wenn man weiß, was man nicht gut findet, weiß man, worauf man hin arbeiten kann!). Nun, da ich einiges mehr von Harmonielehre verstehe, ist mir aufgefallen, dass eigentlich fast alle dieser Stellen die Besonderheit hatten, dass ihre Harmonik nicht eindeutig war: Kam man von links, konnte man den Akkord noch ganz anders deuten, bekam er eine ganz andere Bedeutung und Farbe als wenn man von rechts schaute. Dass sich dies bei Unwissen darum einfach in Unklarkeit der Interpretation zeigt, ist logisch. Seit ich weiß, was dort Sache ist, sind solche Stellen interpretatorisch kein Problem mehr.

Über viele solcher interessanter Stellen spielt man auch gerne mal hinweg, wenn man nicht merkt, dass dort was Besonderes zugange ist. Das ist dann natürlich schade und man hätte es sicher nicht getan, wenn man wüsste, dass dort etwas Besonderes passiert.

Ich stelle auch fest, dass mir jede Art von Beschäftigung mit den musikalischen Grundlagen in der ein oder anderen Form weiterhilft, auch z.B. sogar auch die Beschäftigung mit Renaissance-Kontrapunkt, selbst wenn ich solche Stücke gar nicht singe/spiele. Man lernt dort einfach ästhetische Grundlagen, die sich in allen Bereichen und Epochen der Musik wiederfinden, deren Bewusstsein mir in einer klassischen Sonate genauso hilft wie in einem spätromantischen Werk oder einem modernen Stück.

Zu den Grundlagen oder der "Grammatik" zählen für mich übrigens nicht nur allgemeine Musiklehre und Harmonielehre, sondern auch sowas wie Instrumetation (warum ist eine Stelle in einer Sinfonie oder einem Orchesterstück so gesetzt? Warum klingt das gerade so besonders?). Auch wenn ein Nicht-Berufsmusiker vielleicht nicht die Zeit oder Lust hat, sich auch noch mit sowas wie Instrumentation "herumzuschlagen", so hilft doch sehr oft das Denken in verschiedenen Instrumenten, gerade in klassischen Sonaten (Mozart!), die man sehr, sehr orchestral denken kann.

Nach diesem riesigen Plädoyer für die Musiktheorie ist glaube ich klar, dass ich sehr wohl der Ansicht bin, dass sie hilft :)

Liebe Grüße,
Partita
 
Warum habe ich nachgefragt?

Meine bisherigen und auch meine jetzige, die ich sehr schätze, gehen über die Theorie hinweg, als etwas das man (ein Karl-Tötter-Spieler) nicht verstehen muß. Etwas, das man nicht unbedingt können muß.
Je mehr ich mich aber damit beschäftigt habe, je mehr ich nun benennen kann wie 1. Umkehrung, 2. Umkehrung, Dmaj7 ...... je mehr spricht nun der Lehrer mit mir in dieser Sprache. Obwohl er meinte, daß ich das nicht benötige, spricht er mit mir nun so, als wäre es ganz selbstverständlichlich. Nachdem ich langsam (ganz schüchtern, da unwissend, aber in mühseliger Kleinarbeit gefunden) so spreche, reagiert der Lehrer ebenfalls so. All das kommt mir seltsam vor.

Ich kann die Theorie nicht trennen von praktischen Spielen, weil es genauso ist wie Partita es beschrieb
Ein Bsp.: Oft gab es früher Stellen, mit denen ich nie zufrieden war bei meiner Interpretation. Ich hatte keine Ahnung, woran das liegt - hatte ich doch gespürt, dass es eine besondere Stelle ist und dass sie besondere Aufmerksamkeit braucht, aber trotzdem wollte sie mir nicht so gelingen, dass ich es gut fand. Ich wusste nicht einmal, was mir daran nicht gefallen hat (und das ist das Schlimmste: wenn man weiß, was man nicht gut findet, weiß man, worauf man hin arbeiten kann!). Nun, da ich einiges mehr von Harmonielehre verstehe, ist mir aufgefallen, dass eigentlich fast alle dieser Stellen die Besonderheit hatten, dass ihre Harmonik nicht eindeutig war: Kam man von links, konnte man den Akkord noch ganz anders deuten, bekam er eine ganz andere Bedeutung und Farbe als wenn man von rechts schaute. Dass sich dies bei Unwissen darum einfach in Unklarkeit der Interpretation zeigt, ist logisch. Seit ich weiß, was dort Sache ist, sind solche Stellen interpretatorisch kein Problem mehr.
Noch immer, wenn ich während des Vorspielens diesen oder jenen Takt benenne, wird dieser lapidar bestätigt oder nicht, oder lässig darüber weggegangen, so als wenn: "Naja, stimmt schon, aber .... egal. Ja, klar wenn Sie es so sehen, ist das die Tonika oder Dominante oder G7 ....."

Inzwischen kommen wir schon auf einen Nenner.

Darf ich fragen, gehört denn zum Klavier spielen lernen für einen Normalsterblichen nur das Klimpern lernen?

Danke für Deinen Beitrag, Partita.

lieber Gruß
Kulimanauke
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Noch immer, wenn ich während des Vorspielens diesen oder jenen Takt benenne, wird dieser lapidar bestätigt oder nicht, oder lässig darüber weggegangen, so als wenn: "Naja, stimmt schon, aber .... egal. Ja, klar wenn Sie es so sehen, ist das die Tonika oder Dominante oder G7 ....."
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Darf ich fragen, gehört denn zum Klavier spielen lernen für einen Normalsterblichen nur das Klimpern lernen?


Liebe Kulimanauke,

nein!!!!! Auf gar keinen Fall!!!!!!!!!!!!!

Du hast Recht (es ist ü.b.e.r.h.a.u.p.t nicht egal!) und ich danke partita für ihren wunderschönen Beitrag!!!

Liebe Grüße

chiarina
 
Warum habe ich nachgefragt?

Meine bisherigen und auch meine jetzige, die ich sehr schätze, gehen über die Theorie hinweg, als etwas das man (ein Karl-Tötter-Spieler) nicht verstehen muß. Etwas, das man nicht unbedingt können muß.
Je mehr ich mich aber damit beschäftigt habe, je mehr ich nun benennen kann wie 1. Umkehrung, 2. Umkehrung, Dmaj7 ...... je mehr spricht nun der Lehrer mit mir in dieser Sprache. Obwohl er meinte, daß ich das nicht benötige, spricht er mit mir nun so, als wäre es ganz selbstverständlichlich. Nachdem ich langsam (ganz schüchtern, da unwissend, aber in mühseliger Kleinarbeit gefunden) so spreche, reagiert der Lehrer ebenfalls so. All das kommt mir seltsam vor.

Ich kann die Theorie nicht trennen von praktischen Spielen, weil es genauso ist wie Partita es beschrieb Noch immer, wenn ich während des Vorspielens diesen oder jenen Takt benenne, wird dieser lapidar bestätigt oder nicht, oder lässig darüber weggegangen, so als wenn: "Naja, stimmt schon, aber .... egal. Ja, klar wenn Sie es so sehen, ist das die Tonika oder Dominante oder G7 ....."

Inzwischen kommen wir schon auf einen Nenner.

Darf ich fragen, gehört denn zum Klavier spielen lernen für einen Normalsterblichen nur das Klimpern lernen?

Danke für Deinen Beitrag, Partita.

lieber Gruß
Kulimanauke

Hast du deinen Lehrer daraufhin mal angesprochen? Ist ja schon eigenartig.

Aber du schreibst auch, dass ihr inzwischen auf einen Nenner kommt.

Wie nun?

LG, Sesam
 
Als Schüler stellt sich für mich das System doch anders herum: Der Schüler weiß zu Beginn normalerweise gar nichts. Also beginnt man doch mit der Struktur an den einfachsten Stücken, dann Technik und so weiter step by step. Nicht der Schüler muß ständig nachhaken und was soll er denn nachhaken, wenn er nicht weiß, was (wenn er es zuhause durchgeackert hat, schon).
Ich bin durch mein unaufhörliches Drängen nun auf einer Ebene mit der Lehrerin. Und jetzt reagiert sie, als wäre ich ein Profi. Da schlottern mir noch die Beine, aber immerhin, ich kann aufsaugen und bin glücklich, neuen Stoff zu bekommen.

Ich hatte Unterricht bei sehr guten Musikern, die eine begann mit Heumann, die andere überforderte mich Stücken, bei dem anderen sollte ich aus dem Bauch herausspielen. Theorie war für alle Drei Nebensache, obwohl alle Drei studierte Musiker sind.

In der Schule habe ich Schreiben und Lesen gelernt. Mich hat niemand nach Hause geschickt, daß Schreiben zuhause zu lernen, um dann in die Schule zu kommen zum Vorzulesen.

Musiktheorie sollte zum Unterricht gehören. Leider ist dem nicht immer so. Wenn es diesen dann aber vereinzelt gibt, staune ich, freue mich, weil ich weiß, daß ich normal bin. :p

lieber Gruß
Kulimanauke

Wie sieht es denn bei den Anderen aus. Wer hat noch Theorie im Untericht?
 
hi Kulimauke,

ich finde man kann schlecht im Klavierunterricht alles reinbringen.
Ich finde, ein mal die Woche Klavierunterricht ist schon super wenig, wenn man echt weiter kommen will.
Und in dieser kurzen Zeit soll ich dem Schüler Technik, Theorie, Literaturkunde, Tonleitern, Fingersätze, tieferes Verständnis für das Stück, Werkanalyse, Gehörbildung, Notenkenntnisse, Rhythmik und die Wahrnehmung der neurophysiologischen Vorgänge im Körper vermitteln.
Das ist in der Hochschule nicht umsonst aufgeteilt in viele verschiedene Fächer, die man dann alle besucht.
Ich mache Tonleitern mit meinen Schülern, Akkordumkehrungen, Kadenzen. Das ist aber eben leider nur rudimentär, es ist einfach zu wenig Zeit, in 45 Minuten alles unterzubringen.

Wer Aufnahmeprüfung macht, der belegt Theorie auch gesondert, und dann mache ich reine Theoriestunden.
Ich finde man sollte Seinen Klavierlehrer bitten, neben dem Klavierunterricht alle 2 Wochen eine Stunde Theorie zusätzlich zu geben, wenn einem das nicht zu teuer ist.
Ich fänd es toll Schüler zu haben die das lernen wollen-eigentlich finde ich es auch notwendig.
Nur bezahlen will es wohl halt keiner.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich fänd es toll Schüler zu haben die das lernen wollen-eigentlich finde ich es auch notwendig.
Nur bezahlen will es wohl halt keiner.

Hi, sweetchocolate

ich denke der Willen, des Schülers, sich mit Theorie auseinanderzusetzen ist ein wichtiger Punkt.

Es gibt Menschen die glücklicher sind, wenn sie Musik nach Noten spielen dürfen und ihnen der Lehrer eine verlässliche Stütze ist, der sagt, "wie es gespielt wird."
Andere, die eher auf der analytischen Schiene unterwegs sind, lieben die theoretische Auseinandersetzung.
Das bedeutet nicht, dass sie am Ende besser spielen.
Aber es erfüllt sie eben auch, weil sie darin einen Sinn sehen.

Es kommt aber auch wohl auf die Stilistik an.
Im Jazz kommt man schon bei elementarer Reharmonisation und Wahl der Voicings nicht um die Theorie herum.
Mein Unterricht besteht überwiegend aus angewandter Theorie.
Das geht anfangs zu Lasten des Repertoires und praktischer Fähigkeiten.

Ich persönlich bin als Spätanfänger damit zufrieden, da ich damit auch im gewissen Sinne, meine altersbedingte Langsamkeit im motorischen Lernen kompensiere.:D
Ohne die Theorie als Liebeselixier hätte ich den Laden schon längst hin geschmissen.:p:p

Lieber Gruß, NewOldie
 

Nun muß Du es ja nicht gleich übertreiben, liebe süße Schokolade,

und sämtliche Register ziehen. Deine Aufzählung umfaßt in der Regel den Unterricht für einen Spätanfänger sowieso nicht, aber bitte von jedem etwas in kleinen Döschen portioniert kann man vermitteln. Ich dachte, daß es selbstverständlich ist. Aber die Erfahrung habe ich nun auch gemacht. Der Schüler muß sich kümmern. Mach' ich gerne und sowieso. :)
Andere, die eher auf der analytischen Schiene unterwegs sind, lieben die theoretische Auseinandersetzung.
Das bedeutet nicht, dass sie am Ende besser spielen.
Aber es erfüllt sie eben auch, weil sie darin einen Sinn sehen.
lieber Gruß
Kulimanauke
 
Ich finde, es sollte selbstverständlich sein, dass ich als Lehrer meinem(r) Schüler(in) mein Vokabular beibringe. Je mehr er (oder sie) die gleiche Sprache spricht, desto besser kann ich mich Ausdrücken und der(die) Schüler(in) versteht eher was er von mir will^^.

In einer Unterrichtseinheit ist zwar nicht wirklich viel Platz, aber kleine Portionen gehen immer :-) Und für Leute, die sich selbst damit beschäftigen wollen (was ich auch sehr begrüße) gibt es einige Bücher und Videos (z.B. Klaus Kauker auf Youtube, der die Grundlagen wirklich gut erklärt und Lust auf mehr macht).
Theorie gehört meiner Meinung nach unbedingt zum guten Unterricht dazu.
 
Instrumentenfreak,

ich bin mir da nicht sicher.

Es gibt so Analytiker, die verstehen immer alles ganz toll, aber machen einfach keine Musik. Jeder Ton klingt wie abgezählt.
Solche Schüler sind dankbar für jede Theorie. Aber ich will sie eigentlich genau da weg holen.

Ich geb zu, ich mach auch immer Theorie nebenbei. Aber ob der Unterricht dadurch aufgewertet wird, weiss ich echt nicht.

Nach der Musikhochschule war ich jedenfalls erstmal total "versaut", konnte Musik nicht mehr genießen, sondern es lief parallel immer eine Analyse bei mir ab.

Ich bewundere da andere Kulturen wie z.B. Afrika.
Die den Jazz erst möglich gemacht haben.

Und jetzt wo man Jazz studieren kann, hat er vielfach an Seele eingebüsst, meiner Meinung nach.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Nach der Musikhochschule war ich jedenfalls erstmal total "versaut", konnte Musik nicht mehr genießen, sondern es lief parallel immer eine Analyse bei mir ab.

Ganau das Selbe hab ich nach dem Architekturstudium bzgl. Architektur und Formen erlebt, hat sich aber inzwischen gelegt. Ich kann jetzt sowohl geniessen, aber auch nach Bedarf analysieren.

Rudl
 
Eigentlich ist das Wort "Theorie" richtig blöd. Denn sie hat sich ja aus der Praxis ergeben und ist auch letztendlich nur sinnvoll in Verbindung mit der Praxis.

Ein Beispiel sind dafür Vorhalte. Die sind ja nun beileibe nicht selten und wie oft wird vom Schüler die Auflösung reingedonnert, weil er sie nicht hört. Um die Spannung des Vorhalts und seine anschließende Entspannung intensiv wahrzunehmen, ist da der theoretische Hintergrund unumgänglich. Man hört den Vorhalt eben viel deutlicher, wenn man beispielsweise zum Quartvorhalt in C-Dur 'f-e' den kompletten Grundakkord links spielt. In Stücken sind oft nicht alle Töne eines Dreiklangs vertreten, da ist die Reibung schwerer zu hören. Die Theorie zeigt hier den Weg zum Verständnis, zum bewussten Wahrnehmen, mehr Tiefe und letztlich zu schönerem Klavierspiel.

Und so sollte es immer sein. Es hat keinen Sinn, Schülern etwas beizubringen, was ihnen in der Praxis (noch) nicht begegnet. Aber die Wahrnehmung für Dur und moll, für Intervalle, für die Beziehungen der Klänge untereinander (Tonika-Subdominante-Dominante-Tonika etc...), für die Spannungen, Entspannungen, Farben etc. schärft das Bewusstsein für ebendiese und ist ein Gewinn!

Aber nicht alle (erwachsene) Schüler wollen das und dann kann man nur probieren, ihnen die Sinnhaftigkeit der "Theorie" deutlich zu machen. Spätestens dann, wenn sie eine Stelle nicht verstehen und musikalisch nicht hinbekommen, werden sie hoffentlich verstehen, dass ihnen etwas fehlt. :p

Liebe Grüße

chiarina
 
... hab kürzlich mal ein frühes Menuett von Mozart angespielt. Das klang alles andere als banal, obwohl der kleine Mozart damals noch nicht an die Pedale kam und Satzlehre wohl intuitiv betrieb.
Das Stück, mit seinen feinen, simplen, aber genialen "Tricks" hätte ich mir ohne Theorie niemals erschließen können.

So habe ich den Witz verstanden, ihn mir gemerkt und kann ihn bei Gelegenheit selbst verwenden oder fortsetzten.
Das Stückchen ist für mich dadurch reicher geworden, aber keinesfalls entzaubert.:p
ABER! Um einen Witz treffend nacherzählen zu können, muss man schon selbst genial sein.
Ich bin es leider nicht.

Lieber Gruß, NewOldie
 
Ihr Lieben,

Zitat von chiarina:
Eigentlich ist das Wort "Theorie" richtig blöd. Denn sie hat sich ja aus der Praxis ergeben und ist auch letztendlich nur sinnvoll in Verbindung mit der Praxis.

Ja, ja, ja und ja! Man sollte nie vergessen, dass die Musik nicht durch die Theorie geworden ist, sondern die Theorie durch die Musik. Ich kann es auch absolut nachvollziehen, wenn jemandem die Praxis durch zuviel Theorie verleidet wurde - dann wurde die Theorie meiner Ansicht nach aber nicht gut vermittelt. Ich habe hier an der Hochschule ganz hervorragende Dozenten, die das meiner Meinung nach richtig sinnvoll vermitteln. Ich kann natürlich nur von denjenigen berichten, die ich selbst als Dozenten habe, also ist meine persönliche Aussage erstmal auf einen kleinen Kreis beschränkt, zeigt aber doch, dass es immerhin geht, Theorie sehr spannend, praxisnah und vor allem durch die Praxis motiviert zu unterrichten. Egal ob es Harmonielehre, Kontrapunkt, Gehörbildung, Formenlehre oder Werkanalyse ist, meine Dozenten gehen fast immer vom Werk aus zur Theorie, geben zahlreiche Literaturbeispiele, die sie entweder selbst am Klavier oder von CD vorspielen, in denen die Dinge vorkommen, die gerade besprochen werden sollen.

Unser Formenlehre-Dozent hat z.B. jede Stunde mindestens 10 mal wiederholt, dass es ihm um Himmels Willen nicht darum geht, dass wir ihm die Sonatenhauptsatzform oder die "Definition" von was auch immer runterbeten sollen - er hat uns immer extra viele Bsp. mitgebracht, an denen "etwas nicht stimmt" - wo z.B. das Seitenthema nicht in der erwarteten Tonart steht oder ein Komponist um eine Tonart rumschleicht wie die Katze um den heißen Brei, um sich dann doch im letzten Moment irgendwohin abzuwenden; wo nicht klar ist, welches überhaupt das Seitenthema ist; wo unregelmäßige Perioden oder Sätze auftauchen, wo man den Eindruck hat, das Stück beginne auftaktig, während es Überraschung Überraschung beim Blick in die Noten dann doch volltaktig beginnt, so dass man beim ersten Hören auf die Frage nach der Anzahl der Takte erstmal nur dumm schaut und feststellt, dass da was nicht stimmt - usw. Wir haben dann auch immer versucht zu verstehen, warum da was nicht dem Erwarteten entspricht und das war immer höchst spannend. Ob es nun Sonatenthemen waren, die 11 Takte Platz brauchten, um einer Stelle Raum zu geben, an der die Tonart ins Wackeln kam - ob es Opernpassagen waren, die auf den ersten Blick hin "nur" sehr schöne, perfekte Musik waren, bei denen sich aber beim genaueren Hinhören lauter kleine Konflikte einstellten wie z.B. dass man nicht kapierte, ob es nun volltaktig oder auftaktig war, wieviele Takte eigentlich das Hauptthema hatte usw. und somit den Zustand der Leute auf der Bühne repräsentierten, die nach außenhin ebenfalls den Schein wahrten, von denen aber jeder bis zum Hals in Problemen steckte - viele solcher spannender Stunden hatten wir in unserer Formenlehre. Das war lebendig, das hat uns allen etwas gebracht, auch für unsere eigenen Interpretationen, da unser Dozent beharrlich das Konzept verfolgt hat, uns ein Bewusstsein für all die Besonderheiten in einem Stück zu vermitteln.

Oder in Gehörbildung: Da lernen wir nicht einfach nur die Akkorde und Funktionen wie sie aufgebaut sind, sondern bekommen viele Literaturbsp., in denen ein Komponist gezielt den Klangcharakter einer bestimmten Funktion benutzt - somit kann man sich richtig in den Klang einhören und spürt ihn dann regelrecht, wenn er in einer aufzuschreibenden Kadenz vorkommt.

Ebenso in Harmonielehre: Als wir z.B. die unterschiedlichen Modulationsarten hatten, hat unser Dozent immer gefragt, wie wir ein von ihm vorgespieltes Bsp. hören - es ist ja oft auch nicht eindeutig, es gibt ja Bsp., in denen man die Modulation so oder so hören kann - genau diese Fälle waren ihm immer sehr wichtig und er legte besonderen Wert darauf uns zu zeigen, dass man die Stelle auch ganz unterschiedlich spielen kann, je nachdem, welcher Anteil einem wichtiger erscheint.

Das sind sicherlich Dinge, die ein Amateurmusiker nicht wissen muss (aber sicher wissen darf und sollte, wenn es ihn denn interessiert!). Aber es sind viele Kleinigkeiten, die das Wesen unserer Interpretation ausmachen und die sich auf jeden Zuhörer übertragen, auch wenn dieser keine Ahnung von Musiktheorie hat.

Zitat von NewOldie:
Das klang alles andere als banal, obwohl der kleine Mozart damals noch nicht an die Pedale kam und Satzlehre wohl intuitiv betrieb.

Ha, wunderbares Bsp., das genau das unterstreicht, was Chiarina und ich oben geschrieben haben: Die Theorie kommt aus der Musik und nicht umgekehrt. Außerdem unterstreicht es etwas, das mir selbst immer wieder auffällt und das meine Dozenten auch bestätigen: Auch wir, die wir nicht Mozart sind, haben intuitiv schon soviel von alldem verinnerlicht, dass wir eigentlich zu einem großen Anteil nur noch das alles mit Worten verknüpfen müssen, um es benennen zu können, was wir da hören. Das mag je nach Hörerfahrung und Intensität der Beschäftigung mit Musik unterschiedlich viel sein, aber es sind Grundprinzipien, die immer wieder auftauchen, die sich einem mit jedem Stück Musik, das wir spielen/hören vermitteln und die man (im doppelten Sinne) Stück für Stück lernt.

Mein Vater z.B., der nie Klavierunterricht hatte, hat sich einiges selbst nach Gehör beigebracht - er kann z.B. recht spontan Lieder begleiten, indem er - ohne auch nur irgendeine Ahnung von Tonarten oder gar Harmonielehre zu haben - die Melodie spontan harmonisiert. Ich sehe da staunend und mich freuend zu: Er hört sofort, ob etwas "nicht passt". Oft spielt er was und sagt, dass man an dieser oder jener Stelle das Ganze noch schöner machen könnte, wenn man noch dieses Tönchen reinspielen würde - ich denke mir, ja klar, es ist der Schritt von D8-D7... Oder er steht auf einer Subdominante mit Grundton im Bass und man merkt, dass er nicht direkt zur Dominante gehen möchte und überlegt, was das dazwischen denn wohl sein könnte, was er da im Kopf noch dazwischen hört - er hat keine Ahnung, dass er die Doppeldominante mit Terz im Bass sucht, aber er findet sie und weiß dann, ja, das war das, was er suchte. Das freut mich jedes Mal zu sehen und zu hören.

Genauso saß ich im Fugenseminar, in dem wir Fugen schreiben sollten, ohne vorher je wirklich Kontrapunkt gelernt zu haben (....!!!). Das machte überhaupt nichts, da ich intuitiv genau das richtige getan habe, weil ich ja schließlich den Höreindruck der Bach-Fugen im Ohr und verinnerlicht habe. Es war manchmal wirklich belustigend für meinen Dozenten, wenn ich z.B. völlig ahnungslos sagte: "Auf dieser Zählzeit MUSS dieser Ton kommen im Kontrapunkt" Er: "Richtig - warum? Welches typische Prinzip ist das?" Ich: "Keine Ahnung - es klingt richtig." Passiert ist diese Situation ziemlich am Anfang des Seminars und gemeint war eine Synkopendissonanz... :D Mittlerweile weiß ich natürlich, was das ist, aber am Anfang wusste ich es nur intuitiv, hatte dafür aber noch kein Wort.

Liebe Grüße,
Partita
 

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