musikalische Virtuosität - virtuose Musik

Hallo Clavifilius!

ganz klein-laut gebe ich zu - ja richtig erkannt :cool:

Macht ja nix! Du bist ja nicht der einzige, der da im Trüben fischt. :)
(EDIT: Ich sehe grad, Du hast Dein Eingeständnis, im Trüben gefischt zu haben, halb zurückgenommen. :) Okay, ja klar, Du kannst natürlich von Deinen Gefühlen ausgehen und sagen, was Du als "virtuos" EMPFINDEST. Doch das ist eben keine Begriffsklärung.)

Der von Chiarina empfohlene Artikel des Musikwissenschaftlers (EDIT: Heinz von Loesch: "Virtuosität als Gegenstand der Musikwissenschaft") bietet ein paar interessante Ansätze (ohne das Problem letztlich zu klären, was ja auch nicht der Anspruch des Artikels war).
Besonders bemerkenswert finde ich die dort geäußerte Idee, dass "Virtuosität" immer nur in einem gegebenen zeitlichen Kontext existiert. (Das Beispiel in dem Aufsatz sind Mozarts Klavierkonzerte. Offenbar hatte Mozart die Absicht, mit diesen Konzerten "virtuose" Effekte zu erzielen, aber auf einen heutigen Zuschauer wirkt das nicht mehr virtuos, weil wir inzwischen etwas anderes gewöhnt sind.)
Ich würde da noch etwas differenzieren: Es kommt natürlich auf die (musikalische) Sozialisation der Zuhörer an. Sicher gibt es auch heutzutage noch Menschen, die Mozarts Klavierkonzerte als "virtuos" empfinden. (Ich als musikalischer Amateur und dilettantischer Klavierspieler gehöre dazu.) Musik-Kritiker und Profi-Musiker etc. dagegen nehmen das offenbar vor dem Hintergrund ihrer Ausbildung anders wahr.
Im Laufe der Zeit kommt es also zu Veränderungen bei der Einschätzung von Musik als "virtuos" oder eben nicht (mehr) "virtuos".
Mit anderen Worten: "Virtuosität" ist ein indexikalischer/kontextabhängiger Begriff.

Ich muss also meine oben angeführte erste Annäherung an den Begriff "virtuose Musik" ergänzen: Es scheint nicht bloß darauf anzukommen, dass der Komponist bestimmte ("virtuose") Effekte erzielen wollte, sondern auch auf den jeweiligen historischen Kontext (z.B. Spieltechnik, Kompositionspraxis, Hörgewohnheiten des Publikums).

Und was die Hörgewohnheiten des Publikums betrifft, kann es sowohl vorkommen, dass "virtuose" Intentionen nicht erkannt werden, weil sie zu NEU sind (darauf hat pppetc hingewiesen!) oder weil sie zu bekannt sind und bereits durch andere Formen übertroffen wurden (siehe Artikel).


P.S. Chiarina, könntest Du bitte die Quellenangabe des Aufsatzes ergänzen. ;)
 
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Zitat von sla019:
Was kann man daraus für die aktuelle Bedeutung von "virtuos" etc. lernen? Altfränkisch ausgedrückt: ja nix halt.

Herrlich!:D

Zitat von Clavifillius:
Im Laufe der Zeit kommt es also zu Veränderungen bei der Einschätzung von Musik als "virtuos" oder eben nicht (mehr) "virtuos".
Mit anderen Worten: "Virtuosität" ist ein indexikalischer/kontextabhängiger Begriff.

Hier wäre allerdings zu hinterfragen, ob diese Kontextabhängigkeit über diejenige hinausgeht, die allen gradierbaren Adjektiven mit kontextbhängigem Standard (sowas wie "teuer" oder "groß") innewohnt, ob also die verschiedenen Virtuositätsbegriffe auch qualitativ verschieden sind, oder ob nicht zu Mozarts Zeit einfach der Standard niedriger hing, weil die oberen Bereiche der Skala noch nicht erschlossen waren.

"Virtuosität" ist im Sprachgebrauch, so scheint mir, untrennbar mit technischer Bravura und Zurschaustellung derselben verbunden. Das erklärt zwei Dinge: Erstens, warum überhaupt von "leerer" Virtuosität gesprochen werden kann. Und zweitens, warum man langsame Sätze eigentlich nie virtuos nennt, seien sie auch noch so kunstvoll. Diejenigen Techniken, die man für so etwas braucht, sind aus dem Begriff einfach ausgeschlossen. Man kann "virtuos" hier bestenfalls metaphorisch, etwa auf die Themenverarbeitung, anwenden; dann überträgt man den Begriff aber auf die kompositionstechnische Bravura des Komponisten.

Die nächstliegende Frage ist also: Wann ist ein technisch anspruchsvolles Stück trotzdem unvirtuos?
 
Besonders bemerkenswert finde ich die dort geäußerte Idee, dass "Virtuosität" immer nur in einem gegebenen zeitlichen Kontext existiert. (Das Beispiel in dem Aufsatz sind Mozarts Klavierkonzerte. Offenbar hatte Mozart die Absicht, mit diesen Konzerten "virtuose" Effekte zu erzielen, aber auf einen heutigen Zuschauer wirkt das nicht mehr virtuos, weil wir inzwischen etwas anderes gewöhnt sind.)
Also ich empfinde das nicht so. Für mich zeigt sich Virtuosität eher kontextabhängig, d.h. je nach Werk definiert das Werk selbst, was virtuos ist und was nicht.
Ich kenne allerlei virtuose Reisser, aber Mozarts Klavierkonzerte (z.B. das große C-Dur KV 467) klingen für mich, wenn sie gut gespielt werden keineswegs unvirtuos :)

Man empfindet ja auch die harmonischen Spannungen beispielsweise bei Chopin auch als spannend und der Auflösung bedürftig, obwohl seit Chopin schon ganz andere Reizschwellen überschritten wurden. Hat jemand schon mal nach intensiven Anhören von Bartok die harmonische Spannung in klassischen Werken nicht mehr recht nachvollziehen können? Würde mich wirklich interessieren.

Ich meine ja, man stellt sich sofort auf die Parameter ein, die einem das jeweilige Werk vorgibt.

just my 2 cents

lg marcus
 
"Virtuosität" ist im Sprachgebrauch, so scheint mir, untrennbar mit technischer Bravura und Zurschaustellung derselben verbunden.

Es scheint so. Allerdings geht es dem Thread-Ersteller nicht um den Alltagsbegriff von "Virtuosität", sondern um "virtuose Musik". Dies soll eine Musik sein, zu deren "Aussage" "Virtuosität" gehört.
Ich habe das so interpretiert, dass bei "virtuoser Musik" bestimmte Gestaltungs- und Wirkabsichten des Komponisten vorliegen, die entweder in der Komposition selbst dargestellt sind oder indirekt erschlossen werden können. (Weiterhin müssen diese Absichten auch vom Publikum verstanden bzw. wahrgenommen werden.)

Das erklärt zwei Dinge: Erstens, warum überhaupt von "leerer" Virtuosität gesprochen werden kann.

Das verstehe ich jetzt nicht. Wenn Du "Virtuosität" auf den Alltagsbegriff ("technische Bravur") reduzierst, erklärt das doch gerade NICHT, warum überhaupt von "leerer" Virtuosität gesprochen werden kann. Denn der Ausdruck "leere Virtuosität" setzt voraus, dass man unterscheiden kann zwischen angemessener/gehaltvoller Virtuosität und eben einer Degenerationsform davon, der "leeren Virtuosität".

Die "gehaltvolle Virtuosität" meint Rolf, wenn er von "virtuoser Musik" spricht.


Und zweitens, warum man langsame Sätze eigentlich nie virtuos nennt, seien sie auch noch so kunstvoll. Diejenigen Techniken, die man für so etwas braucht, sind aus dem Begriff einfach ausgeschlossen. Man kann "virtuos" hier bestenfalls metaphorisch, etwa auf die Themenverarbeitung, anwenden; dann überträgt man den Begriff aber auf die kompositionstechnische Bravura des Komponisten.

Ja, da zeigt sich tatsächlich die systematische Mehrdeutigkeit des Begriffs, wenn man davon spricht, dass die Komposition (oder der Komponist) selbst "virtuos" ist. Ich denke doch, auf diese Wortbedeutung können wir vorläufig verzichten.
Stimmt, die hohe Geschwindigkeit der technischen Ausführung scheint eine notwendige Bedingung für die Verwendung des Ausdrucks "virtuose Musik" zu sein.
Aber offenbar gibt es noch weitere Merkmale, sonst könnte man wieder nicht zwischen "leerer" und "echter/gehaltvoller" Virtuosität unterscheiden.


Die nächstliegende Frage ist also: Wann ist ein technisch anspruchsvolles Stück trotzdem unvirtuos?

Darauf antworten am besten die fortgeschrittenen Pianisten hier im Forum.
Vielleicht gibt es ja technisch anspruchsvolle Stücke, die nicht "virtuos" sind.

Die einfachste Antwort auf die Frage (im Sinne der These des Thread-Erstellers) wäre wohl der Rückgriff auf die Unterscheidung zwischen "leerer" und "gehaltvoller/echter" Virtuosität, also: Jedes technisch anspruchsvolle Stück nennen wir "virtuos", aber nicht jede "Virtuosität" besitzt "musikalischen Gehalt". ;)

Und damit verabschiede ich mich bis morgen!

EDIT:

@.marcus.
Interessant. Ja, danke für den Hinweis. Mir geht es ja auch so, dass ich Stücke, die von früheren Komponisten als "virtuos" beabsichtigt waren, immer noch als "virtuos" empfinde, obwohl ich natürlich auch technisch anspruchsvollere Musik späterer Komponisten gehört habe. Vielleicht ist die zitierte These also falsch. (Ich habe sie ja schon eingeschränkt und glaube, dass sich dies nur auf die Hörgewohnheiten von Profi-Musikern oder Musik-Kritikern bezieht. Und das ist letztlich eine Frage, die empirisch geklärt werden kann.)
 
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Allerdings geht es dem Thread-Ersteller nicht um den Alltagsbegriff von "Virtuosität", sondern um "virtuose Musik".

Einen Begriff unabhängig von seinem Alltagsgebrauch bestimmen zu wollen, ist fast wie Physik ohne Messungen zu betreiben. Man kann natürlich irgendeine Definition erstellen, aber dann kann man gleich ein neues Wort dafür erfinden.

Wenn Du "Virtuosität" auf den Alltagsbegriff ("technische Bravur") reduzierst, erklärt das doch gerade NICHT, warum überhaupt von "leerer" Virtuosität gesprochen werden kann.

Doch. Denn wenn im Begriff der Virtuosität schon ein positives Urteil über die Qualität der Musik enthalten wäre - dann wäre leere Virtuosität widersprüchlich.
Ich habe allerdings nicht vorgeschlagen, die Virtuosität auf technische Bravur zu reduzieren; es ist möglich, dass sich andere Elemente finden.

Ja, da zeigt sich tatsächlich die systematische Mehrdeutigkeit des Begriffs, wenn man davon spricht, dass die Komposition (oder der Komponist) selbst "virtuos" ist.

Nanana. Die Verwendbarkeit als Metapher zeigt doch noch keine Mehrdeutigkeit! (Was bedeutet "systematisch" hier überhaupt?)

Aber offenbar gibt es noch weitere Merkmale, sonst könnte man wieder nicht zwischen "leerer" und "echter/gehaltvoller" Virtuosität unterscheiden.

Doch, gerade dann könnten wir das. Dann könnten wir nämlich von Stücken, die schnell und gut sind, und solchen, die schnell und geistlos sind, sprechen. Grob vereinfacht gesagt.
 
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Wirrtuos

Guten Abend!

Die Fragestellung des Thread-Erstellers ist bislang noch gar nicht diskutiert worden.

Da möchte ich auch sanft widersprechen und neben pppetc's Beitrag (#3)
meinen eigenen (#2) nennen, der schon etwas in die Problematik hineingeführt hat
und dessen Gedanken bis jetzt kaum aufgegriffen worden sind -
wenn man vom Begriff der "leeren Virtuosität" absieht.

Ich komme gerade aus dem "Parsifal" und bin zu friedlich, um mich heute noch
argumentativ ins Gewühl zu stürzen, und morgen hat mein Patenkind seine Erstkommunion -
da werde ich auch computerabstinent sein.

Für heute nur soviel:
Bei den Ranking-Listen ist mir aufgefallen, daß wahllos und unbegründet
Kompositionen angeführt wurden, deren ästhetischer Wert unbestritten ist,
deren Etikettierung als "virtuos" aber Fragen aufwirft.
Ich habe den Eindruck, daß kompositorisches Niveau mit Virtuosität gleichgesetzt wird.
Damit wird Rolfs Frage ad absurdum geführt - alles ästhetisch Gelungene ist dann virtuos
(selbst anti-virtuose Stücke wie Saties "Gymnopédies" oder "Gnossiennes").

Um als Beispiel die mir noch in den Ohren klingende Musik zu erwähnen:
Ist der "Parsifal" ein Virtuosenstück? Instrumentationstechnisch sicherlich,
auch als Paradebeispiel für Raummusik - aber muß man das virtuos nennen?

Für heute reicht's - ich wünsche allen eine gute Nacht!

Christoph
 
Was kann man daraus für die aktuelle Bedeutung von "virtuos" etc. lernen? Altfränkisch ausgedrückt: ja nix halt. Etymologie kann zwar z.B. zeigen, wie sich ein Wort, wie hier, von einer Ausgangsbedeutung, die sozusagen noch Stallduft verströmt, zu einem ästhetischen Begriff entwickelt; zur Analyse der aktuellen Wortbedeutung hat sie nicht viel beizutragen. Aber unter Klavierliebhabern ist ja zweckfreies Wissen wohl noch keine Schande.


Hallo Friedrich,

ganz lieben Dank für deine so umfassende, gleichzeitig sehr unterhaltsame und lustige Antwort!!! Auch wenn es die Diskussion vielleicht nicht wesentlich weiterbringt, erweitert sich durch so viel Hintergrundwissen über die Wortbedeutung doch mein Blickwinkel. Und ich fand es wirklich sehr interessant! Außerdem hätte es ja auch etwas anderes bedeuten können!


Man kann vielleicht Bestandteile benennen:

Dichte

Schönheit

Mut

Ein Rest Unerklärliches


Ungefähr so?


Rolf fragt ja nach dem Ausdruck und musikalischen Gehalt virtuoser Musik. Diese zeichnet sich (so ist es, glaube ich, bei allen Konsens) erst einmal durch besondere technische Herausforderungen aus.

Bei "leerer Virtuosität" werden diese in recht banaler Weise umgesetzt - der Ausdruck bleibt beschränkt und recht oberflächlich. Ihm fehlt Tiefe, er ist nach außen gerichtet (gern auch "Blendwerk" genannt). Deshalb ist der Vortrag von "normalen" Etüden eben meist langweilig, da ( da liegt ja auch der Unterschied zu Etüden von Chopin und Liszt etc.) der musikalische Ausdruck zweitrangig ist.

Werden die besonderen technischen Mittel aber zur Erzeugung eines besonderen Ausdrucks eingesetzt ( außergewöhnliche Mittel = außergewöhnlicher Ausdruck) und finden sich auch die von pppetc genannten Parameter in der Komposition wieder, so hören wir m.M. nach Virtuosität in seiner gelungensten Form. Ich finde die Parameter wirklich super, besonders den Ausdruck "Dichte"! Gerade dieser Ausdruck kann uns doch zu den verschiedenen Ausdrucksformen von Virtuosität führen, als da wären Größe, Kraft, Stärke, Drama, Überschwang, Triumph, Spritzigkeit, Glück .... . Wie Gomez schon gesagt hat, steht die kompositorische Idee im Vordergrund, nicht die Virtuosität selbst.Der Klang von ausdrucksvoller virtuoser Musik ist immer ein ganz besonderer, schon allein, weil meist ziemlich viele Töne in ziemlich kurzer Zeit gespielt werden. Da man ja Klaviermusik sowieso fast immer orchestral denken und innerlich hören sollte, könnte man sich bei mancher virtuoser Musik durchaus ein Orchester Marke "volles Rohr" (Mahler, Berlioz ...) vorstellen.

Vielleicht sollte man auch nicht außer acht lassen (auch wenn es nur nebensächlich ist), dass sich ein Musiker bei virtuosen Stellen oft in besonderer Weise konzentriert und sich diese Konzentration auch auf das Publikum überträgt.


Die nächstliegende Frage ist also: Wann ist ein technisch anspruchsvolles Stück trotzdem unvirtuos?


Die Frage ist für mich sehr eindeutig.Technisch anspruchsvoll heißt eben nicht nur schnell, vollgriffig (also schnelle Tonleitern, Arpeggien, Akkorde in allen Formen, Sprünge ...), sondern bedeutet auch, eine exquisite Klangvorstellung und Anschlagskunst zu haben. Deswegen finde ich z.B. die Kinderszenen technisch anspruchsvoll, weil sie musikalisch so anspruchsvoll sind und obige Fähigkeiten benötigen. Gleichzeitig sind sie natürlich nicht virtuos ( evtl. vom Hasche-Mann abgesehen).

Um Virtuosität genauer zu betrachten, müsste/könnte man vielleicht einige Stücke der Rangliste auf ihre Virtuosität und den damit verbundenen Ausdruck untersuchen.

Aber erst mal gute Nacht und viele Grüße

chiarina
 
Es scheint so. Allerdings geht es dem Thread-Ersteller nicht um den Alltagsbegriff von "Virtuosität", sondern um "virtuose Musik". Dies soll eine Musik sein, zu deren "Aussage" "Virtuosität" gehört.

hallo,

genau so hatte ich es gemeint.

Die speziell auf den Interpreten, meist den Solisten, bezogene Virtuosität der Ausführung, der Darstellung interessiert mich bei meiner Fragestellung wenig - ich setze sie voraus (wer eine Brünnhilde oder Aida singt, sollte das möglichst gut können!)

Der von Chiarina verlinkte Aufsatz ist interessant, weil sich der Autor Gedanken darüber macht, ob man Virtuosität überhaupt verbindlich und eindeutig definieren kann und weil er die Frage stellt, ob sich die Wahrnehmung nicht im Lauf der Zeiten geändert hat. (nebenbei: für mich sind etliche Passagen aus Mozarts Konzerten nach wie vor von virtuoser Absicht und Wirkung, und das mit den Mitteln Mozarts, den man nicht mit Rachmaninov vergleichen sollte)

Lassen wir den Ausführenden, den Interpreten, mal ganz beiseite - lassen wir auch die Frage beiseite, für welche emotionalen/inhaltlichen Anliegen opulente oder zumindest auffallende Virtuosität dienlich sein könnte.

Überwiegend sind - ich nehme an, dass wir alle uns da einig sind - Konzertetüden virtuose Musik (und stellen natürlich entsprechende Forderungen an die Ausführenden). Erstaunlich ist, dass manche besonders aufregenden Arien, auch manche "Ouvertüren" etc. sowohl in der musikalischen Struktur (Effektregie), als auch in den Proportionen den Konzertetüden sehr ähnlich sind:
formal sind sich z.B. Brünnhildes Antrittsarie (Walküre, 2. Akt) und Chopins Oktavenetüde (op.25 Nr.10) verblüffend ähnlich

Ich habe den Eindruck, dass die Orchestermusik und auch die Oper nach den 30er-40er Jahren des 19. Jh. manches von der gerade aktuellen Klaviermusik dieser Jahre "gelernt" hat. Ich habe auch den Eindruck, dass sich die Erfahrungen des "Virtuosen" Liszt in seiner Orchestermusik ebenso wie in seinem Klavierwerk niederschlagen.

Die relativ kurze Orchestereinleitung zum 2. Akt der Walküre könnte man durchaus als Konzertetüde für Orchester bezeichnen. Ich wüsste auch keinen Grund, weshalb man das Finale von Dvoraks 9. Sinfonie "aus der neuen Welt" nicht als virtuose Musik bezeichnen sollte.

Ganz besonders reizvoll finde ich die Polka "unter Donner und Blitz" von Johann Strauss: eine phänomenal "schwierige" virtuose Etüde für großes Orchester, aber gänzlich heiter und fröhlich, bar aller Tiefsinnigkeit und zu Herzen gehenden Dramatik - vielleicht wollte Moszkowski solche Etüden für Klavier schreiben: witzig, elegant, niederschmetternd virtuos - - dem Walzerkönig ist das gelungen! Ich empfehle die Aufmahme mit Carlos Kleiber (schier unglaublich!!) - - - - - nun ist diese Polka ein sehr perfektes und exemplarisches Stück: sogar orchestrale Wahnwitzvirtuosität wird hier lediglich vorgeführt, wirkt aus sich selbst, ist ironisch-witzig und im besten Sinne charmant und elegant. Tatsächlich bietet diese Polka ja nichts anderes als Virtuosität - trotzdem ist sie ein bewundernswürdiges Kunststück (vielleicht ein Experiment des Komponisten...). Eigentlich eine Petitesse, wie Chopins "Schmetterlingsetüde" (op.25 Nr.9 Ges-Dur) - aber wehe, wenn solche Petitessen die Perfektion erreichen: dann zeigen sie die Dimension von Virtuosität!

Meiner Ansicht nach haben die Komponisten aller Epochen es verstanden, wirkungsvoll und wirkungsbewusst die Effekte und Affekte zu steuern, und dazu gehört auch das Instrumentarium des instrumentalen Aufwands, kurzum die Virtuosität.

In diesem Sinne können meiner Ansicht nach einige der in diesem Faden aufgelisteten Werke als "virtuose Musik" bezeichnet werden. Und erstaunlicherweise reagiert der Rezipient ja mit Wohlgefallen auf die herausragenden "virtuosen Bestandteile": warum sonst erfreuen sich etliche opulente Chorszenen sowie etliche halsbrecherische Arien (casta diva usw.) großer Beliebtheit?

Vielleicht liegt ja ein grundsätzlicher Fehler darin, Virtuosität mit Mißtrauen zu betrachten... ? ...

Gruß, Rolf
 
Die nächstliegende Frage ist also: Wann ist ein technisch anspruchsvolles Stück trotzdem unvirtuos?

das Purgatorium der Fuge aus Beethovens op.106 könnte hier eine Antwort liefern, wenn man sich in diese Fuge wagt - aber auch nur dann: allein vom Zuhören wird sich das nicht beantworten. Nicht anders ist es mit dem Finale der Chopinschen Trauermarschsonate.
 
Rolf fragt ja nach dem Ausdruck und musikalischen Gehalt virtuoser Musik. Diese zeichnet sich (so ist es, glaube ich, bei allen Konsens) erst einmal durch besondere technische Herausforderungen aus.
(...) Werden die besonderen technischen Mittel aber zur Erzeugung eines besonderen Ausdrucks eingesetzt ( außergewöhnliche Mittel = außergewöhnlicher Ausdruck) und finden sich auch die von pppetc genannten Parameter in der Komposition wieder, so hören wir m.M. nach Virtuosität in seiner gelungensten Form.

dem stimme ich zu!!!

einen kleinen Einwand habe ich bzgl. der Kinderszenen: der Ritter vom Steckenpferd sprengt den unvirtuosen Rahmen. Ernstgenommen und im Tempo gespielt ist das der "effektvoll virtuose" Abschnitt des Zyklus (erstaunlich, dass nahezu alle eine kleine Zäsur/Atempuase im zweiten Teil machen)

liebe Grüße, Rolf

ja, die Parameter von Stephan - super formuliert!!!
 
Einen Begriff unabhängig von seinem Alltagsgebrauch bestimmen zu wollen, ist fast wie Physik ohne Messungen zu betreiben. Man kann natürlich irgendeine Definition erstellen, aber dann kann man gleich ein neues Wort dafür erfinden.

Ich wundere mich ein wenig über Dein Verständnis von Definitionen. Glaubst Du denn, dass in den Naturwissenschaften der Alltagsgebrauch eines Begriffs für relevant gehalten wird, wenn man ihn im wissenschaftlichen Kontext benutzen will? (Natürlich nicht!)
Und so auch hier: Dem Thread-Ersteller geht es nicht um den Feld-Wald-und-Wiesen-Begriff von "Virtuosität", sondern er möchte einem speziellen Phänomen nachgehen, von dem er glaubt, dass es interessant sein könnte.
Im übrigen kann es sein, dass eine Festlegung auf den Alltagsgebrauch von Begriffen zu unerwünschten Ergebnissen führt, da Menschen ein inkonsistentes System von Meinungen und Werturteilen haben können, was mitunter eine uneinheitliche Verwendung von Begriffen involviert.
(Dem Alltagsgebrauch von Begriffen nachzugehen, kann nichtsdestotrotz interessant und anregend sein, ist aber keine verbindliche Methode.)

Nanana. Die Verwendbarkeit als Metapher zeigt doch noch keine Mehrdeutigkeit! (Was bedeutet "systematisch" hier überhaupt?)

Dass es sich um eine Metapher handelt, ist Deine Behauptung.
Prinzipiell spricht nichts dagegen, auch eine Komposition, den Akt einer Komposition oder einen Komponisten "virtuos" zu nennen. Und wenn man etwas sucht, wird man sicher in vielen Publikationen genau diese Verwendung des Wortes finden.
"Virtuosität" ist ein systematisch mehrdeutiger Begriff. "Systematisch" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Mehrdeutigkeit grundsätzlicher Natur ist. Wenn Dir auch das zu unklar sein sollte: Vergiss es! Denn das ist nun wirklich kein relevanter Punkt, über den es sich zu streiten lohnt.


Doch, gerade dann könnten wir das. Dann könnten wir nämlich von Stücken, die schnell und gut sind, und solchen, die schnell und geistlos sind, sprechen. Grob vereinfacht gesagt.

Aha! "Gut" und "geistlos" hältst Du also offenbar für leicht verständliche Ausdrücke. ;)
Was "gut" und was "geistlos" ist, darüber lässt sich vermutlich noch weniger leicht Einvernehmen herstellen als bei den Ausdrücken "virtuos" bzw. "virtuose Musik".

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@ Rolf

Da auch Du die Klavierkonzerte Mozarts noch als "virtuos" empfindest (sowohl im Hinblick auf die Absicht als auch auf die Wirkung), scheint mir dann doch die zitierte These des Heinz von Loesch falsch zu sein.

Vielleicht äußern sich ja noch ein paar fortgeschrittene Pianisten dazu, ob sie die Klavierkonzerte Mozarts als "virtuos" empfinden.

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Ansonsten finde ich, dass einige Bemerkungen von Chiarina in die richtige Richtung weisen. Auch pppetc's Kriterien sind interessant - obwohl sie natürlich (wohl bewusst) sehr subjektiv gehalten sind.

Mir ist noch der Hinweis wichtig, dass die "besonderen technischen Mittel zur Erzeugung eines besonderen (musikalischen) Ausdrucks" vom Komponisten beabsichtigt sein müssen.
Nehmen wir mal an, jemand spielt ein Stück, das dazu nicht vorgesehen ist, in atemberaubenden Tempo und nutzt dafür besondere Spieltechniken. Dann ist sein Spiel zwar "virtuos" (vielleicht "leere Virtuosität, vielleicht auch nicht), aber das Musikstück selbst kann nicht als "virtuose Musik" bezeichnet werden.

Insofern halte ich die Rückbeziehung auf die Intentionen des Komponisten (seine Gestaltungs- und Wirkabsichten, die in die Komposition eingegangen sind oder sich indirekt erschließen lassen) stets für notwendig, um von "virtuoser Musik" zu sprechen.
 

Zitat von Clavifilius:
Glaubst Du denn, dass in den Naturwissenschaften der Alltagsgebrauch eines Begriffs für relevant gehalten wird, wenn man ihn im wissenschaftlichen Kontext benutzen will? (Natürlich nicht!)

Bei den naturwissenschaftlichen Definitionen ist aber das Phänomen klar, und ebenso klar ist, dass der Begriff nichts oder weniger mit dem Alltagsgebrauch zu tun hat und nur das Wort nur zufällig gleich lautet. (Noch extremer ist das in der Mathematik!) (Ich habe übrigens nirgendwo gesagt, dass der Alltagsgebrauch in anderen Fällen selbst schon die Lösung ist - ist er nicht, weil er, wie du richtig sagst, inkonsistent sein kann. Wenn das so ist, muss man es eben aufdecken und nach Möglichkeit beheben.)

Natürlich kann man jetzt eine beliebige Eigenschaft musikalischer Werke herausreifen und sie "Virtuosität" nennen. Aber die Eigenschaft, um die es hier geht, ist ja bereits vom Begriff der Virtuosität abhängig, der noch etwas unklar ist. Andererseits könnte es sein, dass wir für hiesige Zwecke tatsächlich auch einfach so tun könnten, als ob wir wüssten, was Virtuosität ist: indem wir uns bemühen, Grenzfälle beiseite zu lassen.

Um also mal was zum Kernthema zu sagen: Ich glaube, dass Virtuosität, so sie für die Aussage essenziell ist, auch oft ganz "primitiv" eingesetzt wird, um Staunen hervorzurufen. Weniger plakativ, aufdringlich und personengebunden à la "schaut, was ich alles spielen kann" (denn der Sprecher ist ja sowieso der Komponist, nicht der ausführende Musiker), sondern eher in der Richtung: schaut, was alles möglich ist - ist das nicht wunderbar!

Dass es sich um eine Metapher handelt, ist Deine Behauptung.

Stimmt, aber sie legt sich nahe, da der auf Kompositionstechnik oder Komponisten übertragene Begriff der Virtuosität noch unklarer ist als der auf ein Musikstück oder auf einen Musiker angewandte. (Insofern als "virtuos" sowohl Stücke als auch Musiker sein können, gebe ich dir eine Mehrdeutigkeit zu.) Die Übertragung auf Stimmführung, Orchestrierung oder sonst was scheint mir ähnlicher Art zu sein wie die Übertragung auf musikfremde Bereiche.

"Gut" und "geistlos" hältst Du also offenbar für leicht verständliche Ausdrücke.

Nein, aber das müssen sie erst mal auch nicht sein.;) Es ist intuitiv hinreichend klar, was in dem Fall gemeint war und welchen Zweck die Wörter erfüllen sollten, behaupte ich.
 
Man empfindet ja auch die harmonischen Spannungen beispielsweise bei Chopin auch als spannend und der Auflösung bedürftig, obwohl seit Chopin schon ganz andere Reizschwellen überschritten wurden. Hat jemand schon mal nach intensiven Anhören von Bartok die harmonische Spannung in klassischen Werken nicht mehr recht nachvollziehen können? Würde mich wirklich interessieren.
lg marcus

Nachvollziehen schon, aber es hat eine ganz andere Wirkung. Ich war gestern auf deinem tollen Konzert des NDR Sinfonieorchesters. Das Programm war etwas gewöhnungsbedürftig. Denn Nach Ives' The Unanswered Question und Ligetis Atmosphères, wurde der Donauwalzer von Strauss gespielt. Und der hatte für mich einen total anderen Eindruck als sonst. Ich höre generell sehr viel Moderne, deswegen ist mein Ohr schon etwas gewöhnt an solche Klänge, aber der Walzer klang trotzdem teilweise, um es überspitzt auszudrücken, wie harmonischer Brei.

Später im Konzert kam dann Ähnliches noch einmal, nachdem zwischen Klaviermusik von Stockhausen und Messiaen dann ein Klavierstück Wagners ertönte, der ja harmonisch durchaus gewagt ist.

Und auch wenn wir Harmonien immer noch verstehen und die Strebetendenzen feststellen können, hat sich das Hörerlebnis ziemlich geändert. So weit ich weiß, hat C. P. E. Bach in seinem Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen verschiedene Akkorde in ihrem Dissonanzgrad kategorisiert und der "übelste aller Übelklänge" war für ihn der verkürzte Dominantseptnonakkord. Auch heute noch hat er eine unglaublich starke Strebetendenz zur Tonika, allerdings ist der Klang an sich für uns völlig erträglich. Mein Klavierlehrer meint, dass so ein Klang damals so empfunden wurde, als würde man einfach blind x-beliebige Tasten mit der Handfläche niederdrücken.

Und..um zum Thema zurück zu kommen, das ist vielleicht auch der Grund, warum ich nach meinem subjektiven Empfinden schnelle Läufe von Chopin oder Liszt oft als deutlich virtuoser empfinde als jene von Beethoven oder gar Bach.

Alles Liebe
 
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hallo,

ich habe diesen Faden eröffnet, um auf eine Eigenart von Musik aufmerksam zu machen: es gibt - und zwar sehr gute! - Musik, zu deren Aussage und Anliegen "Virtuosität" gehört. Musik, die ihre klangliche Aussage ohne die virtuosen Mittel gar nicht nicht ausdrücken könnte.

Ich meine damit nicht speziell verflucht schwierige Klavierstücke - ich meine Musik!

Oft wird ja die "Virtuosität" der Interpreten kritisch beäugt - hier soll es aber nicht um diese, sondern um die der Musik selber als Qaulität innewohnende Virtuosität gehen! In diesem Sinne fände ich sowohl weitere Ergänzungen, als auch eine Diskussion, was denn die Virtuosität leistet (um diesen Aspekt von Musik zu verstehen und zu würdigen und zu akzeptieren!) erfreulich und anregend.

Gruß, Rolf

Ich greife nochmal den ersten Beitrag von Rolf heraus. Hier kommt es mir besonders auf folgendes Aussagen an.
Mit hoffentlich freundlicher Genehmigung von Rolf werd ich die nochmal markieren, sonst muss ich alles doppelt schreiben.

Ich hoffe dafür ein gutes Beispiel geben zu können. Wobei in der Literatur viele ähnliche Stellen zu nennen wären beschränke ich mich jetzt auf dieses.

Nach meiner Ansicht ist Rachmaninoff der Komponist, bei dem diese Forderung:

Musik, zu deren Aussage und Anliegen "Virtuosität" gehört. Musik, die ihre klangliche Aussage ohne die virtuosen Mittel gar nicht nicht ausdrücken könnte.

am deutlichsten in Erscheinung tritt.

Ich nehme als Beispiel das Prelude op.32 in C-dur

Man mache sich mal den Spaß und spiele dieses prelude quasi "nicht virtuos" in langsamem Tempo. Wenn dann auch noch die bsondere Hervorhebung der Melodiestimmen nicht ausreichend bedacht wird, dann wird das Stück nahezu unverständlich.

Es erschliesst sich dem Hörer erst, wenn es im Tempo und mit der richtigen Dynamik und der Hervorhebung der richtigen Stimmen gespielt wird.

Hier wird also die Komposition erst verständlich, wenn die virtuosen Mittel - von denen Rolf schreibt, auch zur Verfügung stehen und eingesetzt werden.

Rachmaninioff ist meines Erachtens eine Fundgrube für solche virtuosen Effekte, die in der Komposition gründen. Allein der 1. Satz des 3. Kl. Konzerts bietet sie in Fülle.

Ein Mozartklavierkonzert hat ein anderes Konzept. Auch wenn ich da einen Satz deutlich langsamer spielte könnte man doch das Stück verstehen und mit einschränkung auch geniessen. Klar, dass es auch für das Tempo eine Grenze gibt, die man nicht unter- oder überschreiten kann.

Aber bei Mozart sehe ich diese Virtuosität in der Komposition nicht angelegt. Ebenso möchte ich Bachs Werk grundsätzlich nicht als virtuos bezeichnen, wenngleich vieles darin sehr schwierig auszuführen ist.

Glenn Gould, dem man sicher den Status des Virtuosen zuerkennen kann, zeigte in vielen Einspielungen, dass Bach nahezu in jedem Tempo noch verständlich gehört werden kann. Sei es nun ein besonders rasches oder ein quälend langsames Tempo.

Gould spielte auch die c-moll Variationen von Beethoven mit dem wohl langsamsten Grundpuls ein. Allerdings hält er sich genau daran und wird dann bei 32 eben wirklich doppelt so schnell, was die anderen dann nicht mehr schaffen.

E. Kissyn spielt diese Variationen in einem Tempo, indem er die 16 tel der ersten Variationen dann nicht mehr im Tempo verdoppel kann.
Insofern gefällt mir das Tempo von Gould doch besser.

Wichtig aber ist, dass auch die langsamen Variationen von Gould der Musik nichts wegnehmen sondern sie klar zum Ausdruck bringen.
Deshalb sind auch die c-moll Beethoven Variationen für mich auchkeine virtuose Musik.

Wo aber beginnt denn bei den Kompositionen die Virtuosität?

Ich möchte einen nennen, an den sicher die Wenigsten gedacht haben:

Schubert! In seiner Wanderer Fantasie hat er Neuerungen gebracht, die bisher selbst von Beethoven nicht realisiert wurden. Und speziell meine ich hier die orchestralen Wirkungen, die mit dem Klavierklang zu erzielen sind.

Und der nächste ist für mich ganz eindeutig Chopin, der vieles der Kompositionstechnik von Rachmaninoff schon voraus geahnt und umgesetzt hat.

Viele Stellen aus seinen Klavierkonzerten klingen überhaupt erst, wenn sie mit virtuosen Mitteln dargestellt werden.

Ich verzichte jetzt hier darauf, zu erklären, was die von Rolf genannten virtuosen Mittel sind denn ich denke, dass darüber weitgehend Einigkeit herrscht. Wenn nicht könnte das ja noch diskutiert werden.

für virtuose Kompositionen braucht es eine Art Hexenmeister am Klavier. Nun werden sicher einige sich an diesem Ausdruck stören und ich könnte auch Klaviermagier oder ähnliches sagen. Solchen Pianisten muss die gesamte Palette der Klaviertechnik zur Verfügung stehen. Sie sind in der Lage, wirkliche Illusionen zu erzeugen. Das Publikum sieht zu und fragt sich , wie das, was es hört mit dem, was es sieht, in Einklang zu bringen ist.

Dass solche Künstler keine hohle Virtusosität zeigen mag man ruhig glauben, denn um solche Werke entsprechend zu interpretieren muss man sie ja erstmal genau so innerlich erlebt und gehört haben.

Ich wage jetzt mal die Aussage, dass man für einen Bach oder Mozart und vielleicht auch Beethoven (mit einschränkungen wie Hammerkl. fuge)nicht unbedingt einen Virtusoen braucht aber für Chopin, Liszt und Rachmaninoff ganz sicher.

Ich könnte hier noch viele nenne und richtig: Natürlich kann auch nur ein Virtusoe Gaspard von Ravel spielen.
 
dem stimme ich zu!!!

einen kleinen Einwand habe ich bzgl. der Kinderszenen: der Ritter vom Steckenpferd sprengt den unvirtuosen Rahmen. Ernstgenommen und im Tempo gespielt ist das der "effektvoll virtuose" Abschnitt des Zyklus


Hallo Rolf,

es ist witzig, aber beim Schreiben meines ersten Posts habe ich wirklich überlegt, ob der Ritter vom Steckenpferd ein virtuoses Stück ist oder nicht.

Ich tue mich zugegebenerweise immer noch schwer mit einer klaren Bedeutung von "virtuos". Klar, im richtigen Tempo sticht der Ritter vom Steckenpferd mit seiner rhythmischen Energie, seiner Leichtigkeit, Strahlkraft und seinem Überschwang aus seinem Umfeld hervor. Rein technisch ist er aber nicht mit einer Virtuosität Rachmaninoffs etc. zu vergleichen. Kann man ihn nun als virtuos bezeichnen, weil er im Kontext virtuos klingt? Oder ist er auch virtuos? Hat marcus mit seinem Post recht?



Also ich empfinde das nicht so. Für mich zeigt sich Virtuosität eher kontextabhängig, d.h. je nach Werk definiert das Werk selbst, was virtuos ist und was nicht.
Ich kenne allerlei virtuose Reisser, aber Mozarts Klavierkonzerte (z.B. das große C-Dur KV 467) klingen für mich, wenn sie gut gespielt werden keineswegs unvirtuos :)

Man empfindet ja auch die harmonischen Spannungen beispielsweise bei Chopin auch als spannend und der Auflösung bedürftig, obwohl seit Chopin schon ganz andere Reizschwellen überschritten wurden. Hat jemand schon mal nach intensiven Anhören von Bartok die harmonische Spannung in klassischen Werken nicht mehr recht nachvollziehen können? Würde mich wirklich interessieren.

Ich meine ja, man stellt sich sofort auf die Parameter ein, die einem das jeweilige Werk vorgibt.


Ich empfinde im Gegensatz zu klavigen die Musik Mozarts wie auch z.B. manche Scarlatti-Sonaten zumindest teilweise als virtuos. Das liegt meiner Meinung nach am Kontext. Nach einer schlichten, wunderschönen und klaren Melodie im homophonen Satz wirken
schnelle Sechzehntelpassagen glitzernd, perlend, schnell - für mich virtuos! Dichte, Schönheit, Mut und etwas Unbestimmtes (pppetc) ist für mich absolut gegeben.
Interessant finde ich aber auch die Definition klavigens:



Es erschliesst sich dem Hörer erst, wenn es im Tempo und mit der richtigen Dynamik und der Hervorhebung der richtigen Stimmen gespielt wird.

Hier wird also die Komposition erst verständlich, wenn die virtuosen Mittel - von denen Rolf schreibt, auch zur Verfügung stehen und eingesetzt werden.

......

Ein Mozartklavierkonzert hat ein anderes Konzept. Auch wenn ich da einen Satz deutlich langsamer spielte könnte man doch das Stück verstehen und mit einschränkung auch geniessen. Klar, dass es auch für das Tempo eine Grenze gibt, die man nicht unter- oder überschreiten kann.

Aber bei Mozart sehe ich diese Virtuosität in der Komposition nicht angelegt. Ebenso möchte ich Bachs Werk grundsätzlich nicht als virtuos bezeichnen, wenngleich vieles darin sehr schwierig auszuführen ist.

Glenn Gould, dem man sicher den Status des Virtuosen zuerkennen kann, zeigte in vielen Einspielungen, dass Bach nahezu in jedem Tempo noch verständlich gehört werden kann. Sei es nun ein besonders rasches oder ein quälend langsames Tempo.


.....

Wichtig aber ist, dass auch die langsamen Variationen von Gould der Musik nichts wegnehmen sondern sie klar zum Ausdruck bringen.
Deshalb sind auch die c-moll Beethoven Variationen für mich auchkeine virtuose Musik.

Wo aber beginnt denn bei den Kompositionen die Virtuosität?

.....

Schubert! In seiner Wanderer Fantasie hat er Neuerungen gebracht, die bisher selbst von Beethoven nicht realisiert wurden. Und speziell meine ich hier die orchestralen Wirkungen, die mit dem Klavierklang zu erzielen sind.



So wie ich dich verstanden habe, klavigen, siehst du Merkmale von virtuoser Musik einerseits in ihrer ausschließlichen Verständlichkeit im richtigen ( = hohen) Tempo, andererseits in Neuerungen von Klaviertechnik/-klang.

Ich kann das schon verstehen, denn auch z.B. der Ritter vom Steckenpferd klingt nur in hohem Tempo virtuos. Andererseits würden doch auch Mozartsche Sechzehntelpassagen in langsamem Tempo ihre vom Komponisten beabsichtigte Wirkung vollkommen verlieren, oder meinst du nicht?
Ich bin mir auch ganz sicher, dass man als Interpret solche Passagen virtuos empfinden muss, um sie wirklich gut und virtuos klingend zu spielen. Mozart hat sie ja auch sicherlich als virtuos empfunden.

Kann man also zwischen virtuos komponierter und virtuos klingender Musik (hohes kompositorisches Niveau jetzt mal vorausgesetzt) unterscheiden oder ist es nicht vielleicht das Gleiche? Klingt für dich denn Mozarts Musik nicht ( teilweise) virtuos, klavigen?

Viele Grüße

chiarina
 
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Hallo Rolf,













So wie ich dich verstanden habe, klavigen, siehst du Merkmale von virtuoser Musik einerseits in ihrer ausschließlichen Verständlichkeit im richtigen ( = hohen) Tempo, andererseits in Neuerungen von Klaviertechnik/-klang.

Ich kann das schon verstehen, denn auch z.B. der Ritter vom Steckenpferd klingt nur in hohem Tempo virtuos. Andererseits würden doch auch Mozartsche Sechzehntelpassagen in langsamem Tempo ihre vom Komponisten beabsichtigte Wirkung vollkommen verlieren, oder meinst du nicht?
Ich bin mir auch ganz sicher, dass man als Interpret solche Passagen virtuos empfinden muss, um sie wirklich gut und virtuos klingend zu spielen. Mozart hat sie ja auch sicherlich als virtuos empfunden.

Kann man also zwischen virtuos komponierter und virtuos klingender Musik (hohes kompositorisches Niveau jetzt mal vorausgesetzt) unterscheiden oder ist es nicht vielleicht das Gleiche? Klingt für dich denn Mozarts Musik nicht ( teilweise) virtuos, klavigen?

Viele Grüße

chiarina

Da wir ja noch dabei sind, herauszufinden, was denn virtuose Musik ist, ist das für mich noch nicht entschieden, denn ich bin auch noch am Abwägen und dazu lernen.

Dazu gehört, dass in einemm solchen Gespräch sich Aspekte auftun, die den eigenen Standpunkt als überdenkenswert erscheinen lassen.

Insofern gebe ich zu, dass ich nicht sicher bin. Allerdings wollte ich auch eine Art Grenze ziehen, denn wenn wir Mozart teilweise als virtuos erkennen dann müsste wir es auch bei Haydn und Clementi- sicher auch bei Weber und Hummel tun und sicher auch bei Mendelssohn, den man keinesfalls nicht nennen dürfte.

Und dann sind wir wieder dabei, die Art der Interpretation als das virtuose Element zu stark zu betonen.

Das wäre aber doch eine leicht andere diskussion, bei der es um die "virtuosen Mittel" geht, von denen Rolf in seinem Eingangspost schreibt.

Ich verstehe diesen Faden eher so, dass wir versuchen, herauszufinden, in welchen Kompositionen sich das virtuose Moment bereits in seiner Struktur zeigt.

Und wir können kaum umhin, das Element des raschen Tempos als in enger Verbindung mit Virtuosität zu sehen. Wenngleich sich sicher auch virtuose Stücke finden liessen, die im Tempo eher langsam sind.

Und um deine letzte Frage zu beantworten. Nein, bei Musik von Mozart hatte ich bisher nie das Empfinden, dass sie virtuos sei.
 
Kann man also zwischen virtuos komponierter und virtuos klingender Musik (hohes kompositorisches Niveau jetzt mal vorausgesetzt) unterscheiden oder ist es nicht vielleicht das Gleiche? Klingt für dich denn Mozarts Musik nicht ( teilweise) virtuos, klavigen?

hallo Chiarina,

ich glaube, hier liegt eine Vermischung von Denkrichtungen/ansätzen vor, und das kommt sicher von der Vielschichtigkeit in der Verwendung des Begriffs "Virtuosität".

erstens
es gibt virtuos wirkende gekonnte (altertümlich gesagt: meisterhafte) Musik: das finden wir in allen (!) Epochen.

zweitens
es gibt gekonnte Musik ohne virtuosen Aufwand: auch das finden wir in allen Epochen.

drittens
es gibt virtuos wirkende Musik, welcher allein diese Wirkung genügt: zwar findet sich auch das in allen Epochen, aber vieles davon ist in Vergessenheit geraten (nur aus der Romantik hat da einiges immer wieder "Wiederbelebungsversuche" provoziert)

"gekonnt komponiert" kann man natürlich auch als "virtuos komponiert" bezeichnen, und in übertragenem Sinn ist es sicher nicht falsch, wenn man auch manchem langsamen und unaufwändigen Stück kompositorische Virtuosität zuspricht - man drückt damit ja auch die Bewunderung aus.

Insgesamt geht "Virtuosität der Musik" eher in die Richtung des Gesteigerten, des Aufwändigen, des Prunkvollen, Dramatischen und Exaltierten - weniger geht das in die Richtung des Verinnerlichten.

ein paar Beispiele:
erstens - die 3. Variation aus op.111 (J. Kaiser: "maßlos virtuos")
zweitens - die Arietta aus op.111 selber
-- in ein und demselben Stück :)
drittens - Moszkowski "Etincelles"; auch Rachmaninovs Prelude B-Dur

Mir ist aber unwohl, wenn bei diesem Thema doch Klaviermusik auftaucht - ich habe den Eindruck, dass Verteufelung wie Bewunderung der Virtuosität in Sachen Klaviermusik zu leicht ins Besprechen der Fähigkeiten der Interpreten gerät.

Ich plädiere dafür, das spezielle Gebiet der Klaviermusik noch eine Weile außen vor zu lassen.

Virtuosität als allgemein gesagt gesteigerter Aufwand ist für aufwändige Affekte ein brauchbares Mittel - angenehm dabei ist, wenn die Substanz nicht zu gering ist. Das finden wir in allen Epochen: es gibt in diesem Sinn hochvirtuose Musik von Bach, Scarlatti, Händel, Gluck, Albinoni, Vivaldi (Barock), von Mozart, Haydn, frühem und mittlerem Beethoven (Wiener Klassik), in der Romantik, Spätromantik, Moderne ohnehin.

Graduell kann die Wahrnehmung sein: wer überwiegend Ravel, Rachmaninov, Mahler, R. Strauß hört, dem kann die Virtuosität früherer Epochen entgehen (kann, muss aber nicht). Ich halte es für sinnvoller, Musik jeweils im Kontext ihrer Zeit zu betrachten - so halte ich es für schon völlig unangemessen, allein manuell etwa eine Mozartsonate und eine späte Beethovensonate zu vergleichen (jetzt bin ich auch in die Klaviermusik abgerutscht, also noch ein Versuch:) so halte ich es für unangemessen, die Königin der Nacht (Mozart) mit Eboli (Verdi) oder Isolde (Wagner) zu vergleichen.

Gruß, Rolf
 
N'Abend

Ansonsten finde ich, dass einige Bemerkungen von Chiarina in die richtige Richtung weisen. Auch pppetc's Kriterien sind interessant - obwohl sie natürlich (wohl bewusst) sehr subjektiv gehalten sind.

Das mag damit zu tun haben, daß ich dem festen Glauben anhänge, Objectivität
- id est: Weisheit - lasse sich ausschließlich im Gang durchs Subjective erlangen.
Nicht von ungefähr wird Schopenhauer auch und gerade durch seinen lebenslangen
heroischen Kampf gegen Hegel zum wichtigsten deutschen Philosophen des neunzehnten
Jahrhunderts.

Ganze Zyklen und sogar Lebenswerke virtuosen Komponierens landen im Orkus:

Schubert ist nach der Winterreise endgültig alleine, und Leiermann und Doppelgänger
legen ein äußerster Kargheit verdanktes Zeugnis ab davon, wie hochgradig virtuose
Musik vollkommen ohne jede allgemeinverstandne Virtuosität auskommt.
Und was gelingt Schubert - dem wie keinem sonst klar war, wie nahe ihm der Tod ist -
nicht alles noch in diesem letzten Jahr? Manch einer dürfte sich überglücklich schätzen,
auch bloß ein einziges seiner späten Werke erschaffen zu haben.

Und erst Bach - dem vergeistigten König Midas der Musik -, dessen gesamtes Werk
überhaupt nicht anders als virtuos (freilich in unterschiedlicher Konnotation) zu begreifen
ist - es ist ja beinah ein Wunder, daß man heute seinen Namen noch kennt....
Und selbstverständlich läßt sich so einer auch vom Knast nicht abhalten, einfach
unablässig weiter zu komponieren.

Wenn also nicht bloß die Begriffe wie die buchstäblichen Felle im Wasser ver- und
davonschwimmen, sondern der Begriff der Grenze selbst ambivalent wird (hier also
schlicht die Frage: wo fängt Virtuosität an, und wo hört sie auf?), so möchte ich
meiner Liste der Bestandteile noch einen weiteren hinzufügen: Den der


Fremdheit​

Und natürlich verdient virtuoses Komponieren virtuosen Nachvollzug -
als ein Beispiel hiefür wähle ich - unbescheiden, wie ich nunmal bin -
einen kleinen Text von - na wem wohl?: mir selbst:





gruß

stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Guten Abend!

N'Abend

Das mag damit zu tun haben, daß ich dem festen Glauben anhänge, Objectivität
- id est: Weisheit - lasse sich ausschließlich im Gang durchs Subjective erlangen.

Da stimme ich Dir in gewisser Hinsicht zu: Denn einen direkten Zugang zur "objektiven Wahrheit" hat keiner von uns. Deshalb müssen wir versuchen, durch wechselseitige (intersubjektive) Kritik & Korrektur der Wahrheit ein Stück näher zu kommen - und am Ende, wenn wir Glück haben, damit auch der Weisheit. :)

Nicht von ungefähr wird Schopenhauer auch und gerade durch seinen lebenslangen
heroischen Kampf gegen Hegel zum wichtigsten deutschen Philosophen des neunzehnten
Jahrhunderts.

Inwiefern sich Dein Verweis auf Schopenhauers Kritik an Hegel auf die "Subjektivitäts"-Diskussion bezieht, kann ich nur erahnen.
Jedenfalls stimme ich zu, dass Schopenhauer sich einige Verdienste erworben hat durch seine Kritik an den Auswüchsen der Hegelei, auch wenn die Wirkung seiner Kritik leider gering war.


Schubert ist nach der Winterreise endgültig alleine, und Leiermann und Doppelgänger
legen ein äußerster Kargheit verdanktes Zeugnis ab davon, wie hochgradig virtuose
Musik vollkommen ohne jede allgemeinverstandne Virtuosität auskommt.

Das ist im Zusammenhang mit unserer Diskussion über "Virtuosität" sehr interessant: Du sprichst hier von "hochgradig virtuoser Musik", die ohne herkömmliches Virtuosentum auskommt, also ohne effektheischende Mittel, wenn ich Dich richtig verstehe.
Könntest Du das am Beispiel von Schuberts Winterreise etwas genauer erläutern? Welche Abschnitte empfindest Du da genau als "virtuose Musik"?

Und erst Bach - dem König Midas der Musik -, dessen gesamtes Werk überhaupt
nicht anders als virtuos (freilich in unterschiedlicher Konnotation) zu begreifen
ist - es ist ja beinah ein Wunder, daß man heute seinen Namen noch kennt....
Und selbstverständlich läßt sich so einer auch vom Knast nicht abhalten, einfach
unablässig weiter zu komponieren.

Bach als "König Midas der Musik" - nun ja: dieses Bild scheint mir nicht ganz glücklich gewählt. Zwar wird alles zu Gold, was Bach anfasst (komponiert), aber es verhungert & verdurstet niemand bei dieser Musik.
(Midas ist Sinnbild eines Menschen, der einseitig materialistisch orientiert ist und deshalb seelisch verhungert, eine doch recht eindeutige Botschaft des Mythos, die zu Bach ganz und gar nicht passt.)

Ist Bachs Werk "virtuose Musik"?
Für mich ist es die bedeutendste Musik überhaupt (mein ganz subjektives Urteil). Alles was Bach komponiert hat, erscheint mir großartig und ich kenne keinen anderen Komponisten, bei dem ich so empfinde. Aber "virtuos"?
Keine Ahnung. Ich würde den Begriff auf das Bach'sche Werk nicht anwenden.
Bin fast versucht zu sagen "Bach hat "Virtuosität" nicht nötig", aber das wäre unverschämt gegenüber den zahlreichen wunderbaren Kompositionen, die in diesem Thread genannt wurden. ;)


Wenn also nicht bloß die Begriffe wie die buchstäblichen Felle im Wasser ver- und
davonschwimmen, sondern der Begriff der Grenze selbst ambivalent wird (hier also
schlicht die Frage: wo fängt Virtuosität an, und wo hört sie auf?), so möchte ich
meiner Liste der Bestandteile noch einen weiteren hinzufügen: Den der


Fremdheit​

Und selbstverständlich verdient virtuoses Komponieren virtuosen Nachvollzug -
als ein Beispiel hiefür wähle ich - unbescheiden, wie ich nunmal bin - einen
kleinen Text von - na wem wohl?: mir selbst:





gruß

stephan

Darüber - und über Deinen Aufsatz - muss ich noch eine Weile nachdenken und enthalte mich vorläufig des Urteils.
Ich bin ja nur ein Philosoph, der sich zufällig in ein Musikforum verlaufen hat. :)
(Und dann vertrete ich unglücklicherweise auch noch philosophische Positionen, die sich deutlich von denen Adornos, dessen Werk & Stil Dir offenbar wichtig sind, unterscheiden.)

Dennoch danke ich für Deine anregenden Texte!


------------------------------------------


@ kleines Cis

Ich habe den Eindruck, dass wir in unseren Positionen nicht so weit auseinander liegen, wie es zunächst den Anschein hatte. Im übrigen ist es vielleicht besser, in diesem Thread unser philosophisches "Fachgespräch" nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Lass uns verfolgen, wie die Profi-Musiker weiter über "Virtuosität" und "virtuose Musik" diskutieren - und nur gelegentlich einschreiten, wenn es hier begrifflich zu wild durcheinander geht. ;)
 
N'Abend

Bach als "König Midas der Musik" - nun ja: dieses Bild scheint mir nicht ganz glücklich gewählt. Zwar wird alles zu Gold, was Bach anfasst (komponiert), aber es verhungert & verdurstet niemand bei dieser Musik.
(Midas ist Sinnbild eines Menschen, der einseitig materialistisch orientiert ist und deshalb seelisch verhungert, eine doch recht eindeutige Botschaft des Mythos, die zu Bach ganz und gar nicht passt.)

Tjap: exact deshalb hatte ich diesen Passus im nachhinein auch nochmal korrigiert....

Könntest Du das am Beispiel von Schuberts Winterreise etwas genauer erläutern? Welche Abschnitte empfindest Du da genau als "virtuose Musik"?

Genau? Na: ALLES

Den gesamten Zyklus! Wie er beispielsweise im Wegweiser den Pfeil einzeichnet,
wie er im Leiermann das Schwanken auf dem Eise komponiert, wie ihm im Lindenbaum
mit unnachahmlicher Prophetie ein Volkslied gelingt, wie er die gefrornen Thränen
fallen läßt: mit entschieden größrer Berechtigung könnte die Frage gestellt werden,
welche "Abschnitte" man etwa nicht als "virtuose Musik" ansehen könnte - worauf
ich dann allerdings kein Antwort mehr hätte....


Aber natürlich! Er ist jederzeit im besten Sinne Pädagoge, er ist jederzeit
konkret, er ist jederzeit in mehrfachem Sinn konstruktiv, er ist jederzeit
entwickelnd, er ist jederzeit wahrhaft schön - was verlangst Du denn noch mehr?


Mit grübelndem Gruß

stephan
 
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