musikalische Virtuosität - virtuose Musik

Virtuosität als allgemein gesagt gesteigerter Aufwand ist für aufwändige Affekte ein brauchbares Mittel

Aus Deinem ausgezeichneten Beitrag möchte ich nur diese Formulierung herausgreifen, die ich für besonders gelungen halte.


Ansonsten verfolge ich fasziniert Eure weitere Diskussion.
Besonders interessant finde ich momentan die Frage, ob die Beurteilung von Musik als "virtuos" nun tatsächlich historisch relativ ist oder nicht.
Zu dieser Frage gab es bislang ganz unterschiedliche Stellungnahmen, die aber allesamt begründet erschienen.

Vielleicht kann man das Problem so lösen:
Einerseits stimmt es, dass Hörgewohnheiten die Beurteilung von Musik (z.B. als "virtuos") beeinflussen können, mit dem Ergebnis, dass wir bisweilen unreflektiert dazu neigen, frühere virtuose Musik anhand von anachronistischen Maßstäben zu rezipieren und dadurch in ihrer Virtuosität zu negieren.
Andererseits ist es ebenso möglich, sich an ästhetischen Kategorien der jeweiligen Epoche zu orientieren und TROTZ eines erweiterten Erfahrungshorizontes die jeweilige Musik so zu empfinden, wie sie gemeint war.
 
Guten Abend allerseits!

Hier wird Virtuosität also wirklich mit einem Komponieren
auf hohem oder höchsten Niveau gleichgesetzt.
Alles ästhetisch Gelungene ist demnach virtuos.

Ich weiß nur nicht, ob Rolfs Frage damit zufriedenstellend beantwortet ist.
Aber mir ist es durchaus sympathisch, weil's den Begriff von der Zurschaustellung
zirkusreifer Akrobatik befreit, mit der Virtuosität gern assoziiert wird.
Auch dem Einfachen, planvoll Reduzierten kommt damit die richtige Würde zu.

Schuberts "Leiermann" ist ein gutes Beispiel.
Weitere Beispiele: Erik Satie, Anton Webern, Morton Feldman -
ungeheuere Komplexität, die sich hinter der Einfachheit verbirgt.

Gruß,

Christoph
 

Hmm ... soweit ich die Diskussion in Erinnerung habe, ist pppetc der einzige, der bislang Virtuosität mit "Komponieren auf höchstem Niveau" gleichgesetzt hat.

Klar kann man das tun. Nur dann ist eben JEDES musikalische Meisterwerk "virtuos" - und das entspricht nicht der begrifflichen Intuition des Thread-Erstellers und seiner Fragestellung, führt uns also nicht weiter.

Gute Nacht!
 
Insgesamt geht "Virtuosität der Musik" eher in die Richtung des Gesteigerten, des Aufwändigen, des Prunkvollen, Dramatischen und Exaltierten - weniger geht das in die Richtung des Verinnerlichten.

Hallo Rolf,

es kann sein, dass sich jetzt ein tiefer Seufzer aus deiner Brust erhebt, weil ich immer noch nicht zufrieden bin. Insgesamt kann ich aber deiner Aussage nur voll zustimmen und sie schafft auch schon mehr Klarheit.

Nur: wenn jetzt der Ritter vom Steckenpferd aus den Kinderszenen virtuos ist, warum dann nicht auch die Wichtige Begebenheit oder Glücks genug? Die Wichtige Begebenheit ist natürlich nicht so schnell (s. klavigen), dafür mangelt es ihr aber nicht an "Wichtigkeit" (Lautstärke). Ich finde ja auch, dass der Ritter v. St. eine noch gesteigertere Aussage hat ( Tempo, Rhythmus ...), reicht das aber aus, um zu sagen, dieses Stück ist virtuos, die Wichtige Begebenheit aber nicht (tut mir leid, wenn ich doch Klaviermusik nenne, aber wir hatten dieses Beispiel in diesem Thread ja schon öfter)?

Viele Grüße

chiarina

P.S.: Übrigens, wenn man mal in andere Instrumentenabteilungen schaut, besteht dort gar kein Zweifel, dass klassische Konzerte wie das A-Dur-Violinkonzert von Mozart oder das Konzert für Bratsche von Hoffmeister virtuose Literatur sind, obwohl ja auch dort Konzerte von Tschaikowski, Sibelius, Bartok, für Bratsche von Hindemith (Schwanendreher) Kurtag.... existieren. Jeder Geiger/Bratscher wird ein Lied davon singen können!
 
Hallo, Chiarina!

Kurtag habe ich zu erwähnen vergessen - danke für den Hinweis!
Auch seine Musik ist ungeheuerer verdichtet, sparsam in den Mitteln,
reduziert - und dabei/dadurch hochgradig virtuos.

Herzliche Grüße,

Christoph
 
P.S.: Übrigens, wenn man mal in andere Instrumentenabteilungen schaut, besteht dort gar kein Zweifel, dass klassische Konzerte wie das A-Dur-Violinkonzert von Mozart oder das Konzert für Bratsche von Hoffmeister virtuose Literatur sind, obwohl ja auch dort Konzerte von Tschaikowski, Sibelius, Bartok, für Bratsche von Hindemith (Schwanendreher) Kurtag.... existieren. Jeder Geiger/Bratscher wird ein Lied davon singen können!

:D über den Tellerrand geschaut - Du hast völlig recht!
eine Ergänzung in Sachen Hochvirtuosität: da gibt es ein Cellokonzert von niemand geringerem als Joseph Haydn!
 
Genau? Na: ALLES

Den gesamten Zyklus! Wie er beispielsweise im Wegweiser den Pfeil einzeichnet,
wie er im Leiermann das Schwanken auf dem Eise komponiert, wie ihm im Lindenbaum
mit unnachahmlicher Prophetie ein Volkslied gelingt, wie er die gefrornen Thränen
fallen läßt: mit entschieden größrer Berechtigung könnte die Frage gestellt werden,
welche "Abschnitte" man etwa nicht als "virtuose Musik" ansehen könnte - worauf
ich dann allerdings kein Antwort mehr hätte....


Hallo Stephan,

das finde ich natürlich hochinteressant und möchte als Beispiel mal den Leiermann herausgreifen, ein unglaubliches Stück.

Ich denke nämlich darüber nach, wie einer deiner Parameter für Virtuosität, die Dichte, sich in diesem Stück wiederfindet. Denn es kann keinesfalls eine Dichte von Mengen von Tönen sein, die ja nun mal nicht da ist. Wenn dies aber virtuose Musik sein soll (vielleicht sollte man lieber von virtuos komponierter Musik sprechen?), muss ja Dichte in irgendeiner Form vorhanden sein. Ich empfinde es so, dass durch die leeren Quinten und den einsamen Dialog zwischen Sänger und Klavier in relativ beschränktem Tonraum eine ungeheuer dichte Atmosphäre entsteht. Man wagt, kaum zu atmen. Die Dichte entsteht also nach meiner Auffassung durch die Beschränkung, meisterhaft und "virtuos"? ausgeführt/komponiert.

Gomez sagte zu Anfang dieses Fadens, er habe mal einen komplementären Thread erstellt. Einen, der genau so eine Beschränkung meint, oder habe ich dich da falsch verstanden, Gomez. Es wäre natürlich interessant, ob alle zustimmen, auch diese Musik virtuos zu nennen. Man müsste sich dann nur im Klaren sein, dass in der Regel mit dem Begriff "virtuose Musik" etwas anderes gemeint ist.

Viele Grüße

chiarina
 
Nur: wenn jetzt der Ritter vom Steckenpferd aus den Kinderszenen virtuos ist, warum dann nicht auch die Wichtige Begebenheit oder Glücks genug? Die Wichtige Begebenheit ist natürlich nicht so schnell (s. klavigen), dafür mangelt es ihr aber nicht an "Wichtigkeit" (Lautstärke). Ich finde ja auch, dass der Ritter v. St. eine noch gesteigertere Aussage hat ( Tempo, Rhythmus ...), reicht das aber aus, um zu sagen, dieses Stück ist virtuos, die Wichtige Begebenheit aber nicht (tut mir leid, wenn ich doch Klaviermusik nenne, aber wir hatten dieses Beispiel in diesem Thread ja schon öfter)?

hallo Chiarina,

die immense, ungeheurliche und faszinierende, wahrscheinlich immer unergründliche Virtuosität der Kinderszenen ist eher in Richtung von Stephans qualitativer Beschreibung zu sehen. In diesem Sinne sind die Kinderszenen extrem virtuos im Sinne von allerbestens gekonnt, wie auch die Liederzyklen Schuberts oder die Valses nobles von Schubert.

en miniature spiegelt sich im vollendeten (und allein das ist, auf anderer Ebene, auch schon virtuos!) Mikrokosmos der Kinderszenen das, was Musik sonst mit größerem Aufwand (Sonaten, Großformen, schwierige Etüden etc.) leistet. Im inneren Kontext der Kinderszenen ist der fröhlich-wilde Ringelreigen Ritter vom Steckenpferd der etüdenartige instrumental virtuose Abschnitt (wer kenn das nicht, wenn beim spielen die Kleinen etwas überdrehen, rote Backen, Hektik usw?) - und das, ein Spiel als Spiegel der virtuosen Musik: das ist mehr als nur tiefsinnig. Sind sie denn nicht auch Spiel, all die schwierigen virtuosen Konzertetüden?
ferner rein manuell, also klavierig gedacht: wirklich exakt realisiert (die durchgehaltene Bassnote der letzten Takte... ;) ... ja, mal ohne Pedalhilfe probieren, und ordentlich forte und Tempo!) ist der Steckenpferdritter manuell der aufwändigste Teil der Kinderszenen, und nicht eben einfach.

Außerdem gemessen am Inhalt, am Gehalt, am Dargestellten kann man die Konzeption und Komposition der Kinderszenen ebenso in Stephans Sinn als hochvirtuoses Werk bezeichnen. (für mich privat zählen sie zum wenigen (!) allerbesten sämtlicher Klaviermusik)
________________

Aber wie Clavifilius richtig angemerkt hat: wie schon die von mir mitgeteilten Beispiele zeigen, geht es mir bei "virtuoser Musik" weniger um absolut vollendete Musik jeglicher Art (absolut vollendet und in diesem Sinne ist auch das leichte "unvirtuose" Prelude e-Moll von Chopin), als eher um Musik, die zur Darstellung ihres Anliegens ohne virtuosen Aufwand gar nicht auskommen kann.

Ein etwas blödes Beispiel: langsam, niedlich, nett und unaufgeregt würden grimmige Kriegsgöttinnen, wenn sie denn partout als Ensemble auf der Opernbühne erscheinen, wenig überzeugen - klar hat aus so einer Ensembleszene Wagner ein Virtuosenstück par excellence gemacht (Boulez bezeichnet es als verläßliches Schlatchtross bzgl. der Wirkung!...!!): der Walkürenritt.

Irrwitzig virtuos sind die Streicherfiguren, nicht minder der mit Oktavsprüngen gespickte "Walkürenruf", den mehrere der acht Walküren (auch gemeinsam) bringen können müssen.

Die Wirkung dieser Szene ist immergrün - Profi Wagner toppt das dann noch mit dem nebeneinenader von zwei superdramatischen Sopranen (Sieglinde und Brünnhilde), danach "beruhigt" sich alles, um sich zu Brünnhildes "dies eine musst du erhören" und dem fantastischen "Wotans Abschied" zu steigern. Was für ein virtuos durchkomponierter Opernakt!!! Und was für "virtuose Abschnitte" der enthält!!! ((formal ein rückwärts strukturiertes, ins Monumentale gesteigertes "pezzo concertato"))

Gruß, Rolf
 
N'Abend chiarina


Ich denke nämlich darüber nach, wie einer deiner Parameter für Virtuosität, die Dichte, sich in diesem Stück wiederfindet. Denn es kann keinesfalls eine Dichte von Mengen von Tönen sein,

Doch, das kann es - Du verzeihst, wenn ich dazu ein weiteres Mal
mich selbst zitiere:



muss ja Dichte in irgendeiner Form vorhanden sein.

Ohja! Und sie ist es: es ist die komprimierte Erfahrung eines
ganzen Lebens - die in eine Frage mündet:



"Wunderlicher Alter, Soll ich mit dir geh'n?"​



Ja.

Die Dichte entsteht also nach meiner Auffassung durch die Beschränkung, meisterhaft und "virtuos"? ausgeführt/komponiert.

Ja.


Man müsste sich dann nur im Klaren sein, dass in der Regel mit dem Begriff "virtuose Musik" etwas anderes gemeint ist.


Welcher - und vor allem: durch wen - aufgestellten Regel?


Viele Grüße

stephan


p.s.: Ein morgendlicher Nachsatz:

Denn es kann keinesfalls eine Dichte von Mengen von Tönen sein,

Schubert hinterläßt uns über 600 Lieder, in denen er zeigt, was ein Deutsches Lied
sein kann. Und natürlich ist dieser Teil seines Werkes, der ein großer ist, vollständig
im Leiermann enthalten - es ist also keine läppische Geistreichelei, von einer "Menge
von Tönen" zu sprechen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Moin Rolf

Aber wie Clavifilius richtig angemerkt hat: wie schon die von mir mitgeteilten Beispiele zeigen, geht es mir bei "virtuoser Musik" weniger um absolut vollendete Musik jeglicher Art (absolut vollendet und in diesem Sinne ist auch das leichte "unvirtuose" Prelude e-Moll von Chopin), als eher um Musik, die zur Darstellung ihres Anliegens ohne virtuosen Aufwand gar nicht auskommen kann.

Zu Beginn hatte ich sowohl die Große Fuge, als auch die Altenberglieder
genannt - kann man vielleicht sagen, daß virtuose Musik nicht zu
scheuen braucht, sich virtuoser Mittel zu bedienen?

Viele Grüße

stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

die immense, ungeheurliche und faszinierende, wahrscheinlich immer unergründliche Virtuosität der Kinderszenen ist eher in Richtung von Stephans qualitativer Beschreibung zu sehen. In diesem Sinne sind die Kinderszenen extrem virtuos im Sinne von allerbestens gekonnt, wie auch die Liederzyklen Schuberts oder die Valses nobles von Schubert.
.....

Außerdem gemessen am Inhalt, am Gehalt, am Dargestellten kann man die Konzeption und Komposition der Kinderszenen ebenso in Stephans Sinn als hochvirtuoses Werk bezeichnen. (für mich privat zählen sie zum wenigen (!) allerbesten sämtlicher Klaviermusik)

........

Ein etwas blödes Beispiel: langsam, niedlich, nett und unaufgeregt würden grimmige Kriegsgöttinnen, wenn sie denn partout als Ensemble auf der Opernbühne erscheinen, wenig überzeugen - klar hat aus so einer Ensembleszene Wagner ein Virtuosenstück par excellence gemacht (Boulez bezeichnet es als verläßliches Schlatchtross bzgl. der Wirkung!...!!): der Walkürenritt.


Hallo Rolf,

ja, ich denke, so können wir die Kinderszenen samt Ritter und allem, was dazu gehört, stehen lassen!

Dein Beispiel des Walkürenritts - einfach herrlich und außerdem beschreibst du sehr plastisch und eindrucksvoll die hier eingesetzte Wirkung von Virtuosität!




Doch, das kann es - Du verzeihst, wenn ich dazu ein weiteres Mal
mich selbst zitiere:

.....


Ohja! Und sie ist es: es ist die komprimierte Erfahrung eines
ganzen Lebens - die in eine Frage mündet:



"Wunderlicher Alter, Soll ich mit dir geh'n? "​



Hallo Stephan,

ich verzeihe dir sehr gern, denn dein Text ist einfach super!!!!

So lustig, phantasievoll und weise!

z.B.:

"Man findet einfach keine Ruhe bei dem Gedränge!",

"uneigennützige Entwicklungshilfe für die Eingeborenen",

"die Welt beginnt in der Regel da, wo das Brett vorm Kopp aufhört" - köstlich :D und gleichzeitig ernst und nachdenkenswert!

Ich glaube, du meinst mit deinem Hinweis auch die Dichte in der Verknüpfung von Sprache mit Musik ( was du in deinem Artikel "Kurzschluss" nennst). Oder?





Welcher - und vor allem: durch wen - aufgestellten Regel?


Da rennst du bei mir offene Türen ein. Außerdem hast du in deinem Artikel sehr schön und klar deine Definition von Virtuosität beschrieben. Ich meinte damit nur, dass vielleicht Musikwissenschaftler die Krise kriegen könnten bei dieser Bedeutung von Virtuosität (hoffentlich nicht!) und das eben im allgemeinen Sprachgebrauch bei z.B. Musikern auch eher virtuos mit technisch anspruchsvoll etc. gleichgesetzt wird. Aber Quantität ist bekanntlich nicht gleich Qualität!

Viele Grüße

chiarina
 
Moin chiarina

Danke für die Blumen!

Ich glaube, du meinst mit deinem Hinweis auch die Dichte in der Verknüpfung von Sprache mit Musik ( was du in deinem Artikel "Kurzschluss" nennst). Oder?

Ja, natürlich!

Ich kann mir vorstellen, daß dieses Buch Dich sehr intressieren wird:



Thrasybulos Georgiades

Musik und Sprache
- Das Werden der abendländischen Musik dargestellt an der Vertonung der Messe -​


Herzliche Grüße

stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Gomez sagte zu Anfang dieses Fadens, er habe mal einen komplementären Thread erstellt. Einen, der genau so eine Beschränkung meint, oder habe ich dich da falsch verstanden, Gomez. Es wäre natürlich interessant, ob alle zustimmen, auch diese Musik virtuos zu nennen. Man müsste sich dann nur im Klaren sein, dass in der Regel mit dem Begriff "virtuose Musik" etwas anderes gemeint ist.

chiarina

Guten Tag, Chiarina!

Der Thread heißt "Gibt es gute Musik gegen das Klavier?" und hat ein Forumsmitglied so überfordert,
daß es glaubte, mich wegen dieser Formulierung veräppeln zu müssen.
Du findest ihn irgendwo in den Tiefen des Archivs.

Meine Frage war - unabhängig von der Wortspielerei - ernst gemeint,
und zu meinem Bedauern gab es kaum vernünftige Antworten.
Umso größer meine Freude, daß die Diskussion hier das Thema Reduktion
indirekt wieder aufgreift, das Pferd sozusagen von der anderen Seite her aufzäumt.

Viele Grüße,

Christoph
 
kann man vielleicht sagen, daß virtuose Musik nicht zu
scheuen braucht, sich virtuoser Mittel zu bedienen?

hallo Stephan,

das kann man sicher sagen :)

freilich ein Spiel mit Doppelsinnigkeit: die virtuose Musik steht ja damit etwas "höher", als die lediglich eingesetzten virtuosen Mittel - - offenbar changiert das Adjektiv "virtuos", je nachdem, auf welchen Begriff man es anwendet.

Aber sicher ist: weder Walkürenritt, noch Sinfonie aus der neuen Welt scheuen diesen Einsatz!

was anderes (? oder auch nicht?):
... virtuose Musik ohne den Einsatz virtuoser Mittel - - magst Du alkoholfreies Pils? Also ich mag ja lieber ein richtiges, und wenn keins da, dann lieber keins als das alkfreie... :)
genug gewitzelt: wenn man "virtuos" auch auf die komplexen, jede Nuance auslotenden Kompositionstechniken anwendet, dann sind selbstverständlich Kinderszenen, Valses nobles, verwachsener Pfad (aus der Klaviermusik) virtuose Musik.
ich glaube aber, dass man gar zu leicht die Virtuosität der Konstruktion mit der Virtuosität der aufgewendeten Mittel durcheinanderbringen kann - mir wäre lieber, virtuose Musik mit virtuosen Mitteln zu verbinden - - und ansonsten von "Kunstmusik" zu sprechen. Und in der "Kunstmusik" gibt es auch einige, die für ihr Anliegen virtuose Mittel brauchen, ja verlangen.

is ooch keene ideale Definition - weiss ich

Aber prinzipiell stimme ich Deiner Rettung des Begriffs der Virtuosität zu! Du holst diesen - 100% d´accord - aus der Ecke der Effekthascherei heraus (wo er ja auch nicht hingehört!).

herzliche Grüße, Rolf
 
hallo,

ich habe diesen Faden eröffnet, um auf eine Eigenart von Musik aufmerksam zu machen: es gibt - und zwar sehr gute! - Musik, zu deren Aussage und Anliegen "Virtuosität" gehört. Musik, die ihre klangliche Aussage ohne die virtuosen Mittel gar nicht nicht ausdrücken könnte.


Oft wird ja die "Virtuosität" der Interpreten kritisch beäugt - hier soll es aber nicht um diese, sondern um die der Musik selber als Qaulität innewohnende Virtuosität gehen! In diesem Sinne fände ich sowohl weitere Ergänzungen, als auch eine Diskussion, was denn die Virtuosität leistet (um diesen Aspekt von Musik zu verstehen und zu würdigen und zu akzeptieren!) erfreulich und anregend.

Gruß, Rolf

Nochmal der Erföffnungsbeitrag, denn wir könnten die Fragestellung aus dem Auge verlieren.

Beide Absätze von Rolfs Beitrag ergänzen sich weil sie die Sicht des Interpreten mit einbeziehen. Und wie der erst Satz zeigt, scheint eine solche Komposition ohne den Einsatz virtuoser Mittel der Interpreten nicht zu funktionieren, denn Rolf sagt spricht doch von Musik, die ihre klangliche Aussage ohne die virtuosen Mittel gar nicht ausdrücken könnte.

Dass es unter den Meistern jede Menge genialer Kompositionen gibt, die virtuoses Komponieren darstellen, steht sicher ausser Frage. Aber hier war doch etwas anderes gefragt, nämlich nach Musik, deren Sinn sich erst durch den virtuosen Interpreten erschliesst, wenn ich das richtig verstanden habe.
die Kinderszenen sind mit Recht ein hoch geschätzter Zyklus, aber er wird auch in seiner aussage verstanden, wenn ihn ein Nichtvirtuose spielt.
Bei den symphonischen Variationen des gleichen Meisters sieht das schon anders aus.

Um ein bischen schwarz-weiss Malerei zu betreiben behaupte ich, dass ein Grossteil des WTK von Bach auch von einem guten Schulmusiker gespielt werden kann, ohne dass das Werk leidet.

Ein Rachmaninoff Klavier Konzert hingegen braucht den Virtuosen.

Dass Begriffe im Lauf der Zeit sich ändern ist normal aber wir haben jetzt eine Vorstellung von Virtuosität. Dass das Publikum auch die Effekte liebt sollte uns nicht besonders stören.

Erstens ist es unmöglich, grosse Säle mit lauter Musiksachverständigen zu füllen, die als Fachleute dem Vortrag zuhören und zweitens ist es legitim, auch Nichtfachleuten Klavierabende anzubieten. Und ausserdem leben die Virtuosen gerade von diesem Publikum.

Beim Zauberer/Magier (z.b. copperfield) wissen die Leute auch nicht, wie er es macht aber sie staunen und werden unterhalten. Und ich finde sie haben ein Recht auf diese Vorstellungen. Ähnlich ist es bei den "Hexern" am Klavier und manche sind sicher froh, dass nicht zu viele ihre Geheimnisse kennen.

Wenn wir mehr Bildung für Alle fordern, so ist das hier nicht der richtige Ort sondern eine politische Frage.
 
Beide Absätze von Rolfs Beitrag ergänzen sich weil sie die Sicht des Interpreten mit einbeziehen. Und wie der erst Satz zeigt, scheint eine solche Komposition ohne den Einsatz virtuoser Mittel der Interpreten nicht zu funktionieren, denn Rolf sagt spricht doch von Musik, die ihre klangliche Aussage ohne die virtuosen Mittel gar nicht ausdrücken könnte.

Dass es unter den Meistern jede Menge genialer Kompositionen gibt, die virtuoses Komponieren darstellen, steht sicher ausser Frage. Aber hier war doch etwas anderes gefragt, nämlich nach Musik, deren Sinn sich erst durch den virtuosen Interpreten erschliesst, wenn ich das richtig verstanden habe.

Hallo Klavigen,

in der Realisierung, also der Darstellung / Aufführung wird ein fähiger Interpret natürlich benötigt - und einige Kompositionen fast aller umfangreicheren musikalischen Gattungen erfordern von ihren Interpreten sehr virtuose Fähigkeiten.

Aber mir ging es primär gar nicht um die Probleme, welche die Musik den Interpreten vorsetzt - auch nicht um die Leistung der Interpreten, wenn sie diese Probleme expressiv gelöst haben.

Ich würde die instrumentale Interpretation, die Aufführung, gerne eine ganze Weile außen vor lassen, um mehr auf die "virtuose Musik" selber zu schauen.

Es gibt erstaunlich gute, ja beste Musik, die geradezu überschäumt vor ihrer Virtuosität, die notwendig zur Darstellung ihrer Aussage ist. Am Beispiel des Walkürenritts lässt sich das am einfachsten zeigen: um grimmige Kriegsgöttinnen als Ensemble auftreten zu lassen, wählte Wagner orchestrale und sängerische Virtuosität, und das macht die Szenerie glaubwürdig - ein sanftes Largo mesto hätte das nicht vermocht.

Der Einsatz virtuoser Mittel ist abhängig von dem, was dargestellt oder ausgesagt werden soll.

Manchmal passt das Verhältnis von Aussage und Mitteln nicht: in diesem Sinne ist Liszts "Bearbeitung" (besser gesagt !Aufmotzung") des Schubertschen "Ave Maria" missraten - obwohl sie haarsträubend virtuos ist. Sowas kommt vor :)

Gruß, Rolf
 
Hallo Klavigen,

in der Realisierung, also der Darstellung / Aufführung wird ein fähiger Interpret natürlich benötigt - und einige Kompositionen fast aller umfangreicheren musikalischen Gattungen erfordern von ihren Interpreten sehr virtuose Fähigkeiten.

Aber mir ging es primär gar nicht um die Probleme, welche die Musik den Interpreten vorsetzt - auch nicht um die Leistung der Interpreten, wenn sie diese Probleme expressiv gelöst haben.

Ich würde die instrumentale Interpretation, die Aufführung, gerne eine ganze Weile außen vor lassen, um mehr auf die "virtuose Musik" selber zu schauen.

Es gibt erstaunlich gute, ja beste Musik, die geradezu überschäumt vor ihrer Virtuosität, die notwendig zur Darstellung ihrer Aussage ist. Am Beispiel des Walkürenritts lässt sich das am einfachsten zeigen: um grimmige Kriegsgöttinnen als Ensemble auftreten zu lassen, wählte Wagner orchestrale und sängerische Virtuosität, und das macht die Szenerie glaubwürdig - ein sanftes Largo mesto hätte das nicht vermocht.

Der Einsatz virtuoser Mittel ist abhängig von dem, was dargestellt oder ausgesagt werden soll.

Manchmal passt das Verhältnis von Aussage und Mitteln nicht: in diesem Sinne ist Liszts "Bearbeitung" (besser gesagt !Aufmotzung") des Schubertschen "Ave Maria" missraten - obwohl sie haarsträubend virtuos ist. Sowas kommt vor :)

Gruß, Rolf

In deinem ersten Satz sprichst du von einigen Kompositionen fast aller umfangreicheren musikalischen Gattungen, die von ihren Interpreten sehr virtuose Fähigkeiten erfordern.

Vielleicht hast du ja selbst durch die Diskussion deinen Standpunkt und damit auch deine Fragestellung verändert. Ursprünglich wolltest du Beispiel für Musik, die ohne den Virtuosen garnicht darstellbar ist.
Ich behauptete nun, dass sowohl z.b. Bach wie auch die Kinderszenen (dies ist wirklich nur Beispiel, man könte ebenso andere nennen)sehr gut darstellbar sind, ohne dass ein ausgesprochener Virtuose beteiligt ist.

Ich verstehe, dass du gerne die Interpreten weiter ausblenden möchtest aber ich glaube, dass wir dann nicht weiter kommen.
Irgendwie müssen wir uns darüber verständigen, was virtuose und andereseits geniale Musik ist- andere Adjektiva sind gerne möglich - sie wurden ja in mehreren beiträgen bereits genannt.
Ich möchte ein besonders extremes Beispiel nennen:

Das 2. Prelude aus dem Zyklus die 24 preludes von
Chopin.


dieses kurze Stück ist sicher: fremdartig, geheimnisvoll, einzigartig und von einzigartiger Dichte, denn da könnte kein Ton ausgewechselt werden. Es ist wirklich, man kann es so nennen: perfekt-

Ein kleines Meisterwerk. Und obwohl Vergleiche immer hinken, sehe ich eine gewisse Verwandschaft zum Leiermann.

Aber ist das virtuose Musik? Braucht das den Virtuosen?
Ich sage einfach: "Nein",

Denn das kann auch ein Musiwissenschaftler spielen und der versteht vielleicht noch mehr vom inneren Gehalt oder kann jedenfalls davon sprechen.

dein Beispiel mit dem Walkürenritt untermauert ein bischen meine These, dass Virtuosität und temporeiches Geschehen meist Hand in Hand gehen,, oder ?

Der Einsatz virtuoser Mittel sei abhängig von dem, was dargestellt oder ausgesagt werden soll, schreibst du. ICh hatte dich ursprünglich so verstanden, dass virtuose Musik ohne Einsatz der virtuosen Mittel garnicht ausgedrückt werden kann.


Dass manchmal das Verhältnis von Aussage und Mitteln nicht passt kommt ja nicht nur bei Liszt vor, obwohl gerad er schon ein Kandidat ist, den man öfters nennen könnte. Da findet sich nach meiner Meinung allein in den Rhapsodien einiges Aufgemotzte !

Es ist aber prima, dass du auch diese Seite erwähnst. Denn artistisch aufgeblasene Musik wird dann gerade jene leere Virtusosität erzeugen, von der bereits die Rede war.

Insofern könnte wir uns ja einig sein, dass wir solche Musik nicht meinen.
Ich würde eben, wenn es erlaubt ist, gerne diese Grenze herausfinden oder auch jene Parameter, die virtuose Musik von genialer aber nicht virtuoser Musik nach meinem Verständnis abgrenzt.
 
In deinem ersten Satz sprichst du von einigen Kompositionen fast aller umfangreicheren musikalischen Gattungen, die von ihren Interpreten sehr virtuose Fähigkeiten erfordern.

Vielleicht hast du ja selbst durch die Diskussion deinen Standpunkt und damit auch deine Fragestellung verändert. Ursprünglich wolltest du Beispiel für Musik, die ohne den Virtuosen garnicht darstellbar ist.

hallo Klavigen,

ich glaube, wir reden ein wenig aneinander vorbei.

Oft wird ja die "Virtuosität" der Interpreten kritisch beäugt - hier soll es aber nicht um diese, sondern um die der Musik selber als Qaulität innewohnende Virtuosität gehen!
Diese Bemerkung aus meinem #1 zeigt, dass es mir bei dem Phänomen "Virtuosität" um eben diejenige geht, die als affektvolle, dramatische, expresive Qualität der Musik selber vorhnden ist.

Ich glaube nicht, dass ich meinen Standpunkt da verändert habe - mehrmals habe ich ja geschrieben, dass ich den Interpreten und seine Fähigkeiten (vorerst) außen vor lassen will. Stell´ Dir vor, einfach nur zu hören, ganz ohne an Dirigent, Orchester, Solisten zu denken - das meine ich: da wird man in allerlei Gattungen regelrecht von der genialen Verwendung der Effekte und Affekte überwältigt.

dass Musik der Interpreten bedarf, ist selbstverständlich - aber nicht immer hat das die Komponisten von virtuoser Musik interessiert ("was kümmern mich eure elenden Fideln", Beethoven). Mal so gesagt: die Klangvorstellung und Absicht der Komponisten war ja nicht in erster Linie, die Interpreten herauszustellen, sondern dem Werk selber intensive Wirkung zu bescheren.

Wo es der Inhalt/Gehalt/Stimmung etc. braucht, wird eben auch zu virtuosen Mitteln gegriffen - manche konnten das erstaunlich brillant, also virtuos komponieren.

Stephan hat den Begriff von virtuoser Musik um virtuos Komponieren erweitert.

Wie auch immer: ein Triumph, ein grandioser Aufmarsch, Kriegsgöttinnen, der Tanz heidnischer Polowetzer usw - da muss es um der Sache Willen auch zur Sache gehen :) - - - und das tut es da!

Gruß, Rolf
 
Ich möchte nun auch gern konkreter werden im Hinblick auf "virtuose Musik" und eine mich selbst überraschende Erkenntnis zur Diskussion stellen.

Als Wiedereinsteiger bin ich in den letzten Wochen die Klavierliteratur durchgegangen, die ich früher gespielt habe und besitze sozusagen im Moment einen "frischen (und neuen) Blick" darauf.

Mir scheint - und das ist das Überraschende! -, dass manche Klavierstücke, die herkömmlich für Anfänger gedacht sind, in Wirklichkeit "virtuose Musik" darstellen (genau in dem Sinne, in dem Rolf "virtuose Musik" versteht, d.h. Musik, die nur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn virtuose Mittel verwendet werden).

Ich nehme als Beispiel Mozarts Sonate C-dur - und behaupte: Das ist "virtuose Musik" (im Sinne des Thread-Erstellers).
Warum? Gerade diese scheinbar so trivial leichte Sonate entfaltet ihre musikalische Wirkung nur dann, wenn sie virtuos gespielt wird, mit hoher Geschwindigkeit und (das ist jetzt entscheidend:) zugleich mit absoluter Leichtigkeit und Unangestrengtheit des Anschlags.

Meines Erachtens ist es ein Fehler, diese Sonate Anfängern vorzusetzen, da sie notwendig an der Aufgabe scheitern, daraus echte Musik zu machen. Die Alberti-Bässe in der Linken müssen leicht und locker sein, das Tempo gleichbleibend schnell usw. Sobald man das Tempo reduziert oder an manchen Stellen langsamer wird, kann natürlich auch ein Anfänger diese Sonate spielen, aber es ist dann keine Musik mehr sondern nur noch grauenhaft.

Jetzt könnte jemand einwenden: Was ein Anfänger spielt, hört sich immer schlecht an, egal welche Literatur es ist. Das glaube ich aber nicht. Es gibt genügend Musik, die ein Anfänger spielen kann, ohne dass die Wirkung allzu leidet, aber die vermeintlich leichte Sonate C-Dur von Mozart gehört nicht dazu.


EDIT: An diesem Beispiel können wir übrigens auch sehen, dass die Virtuosität der Musik (soll heißen: die vom Komponisten intendierten virtuosen Mittel, um einen Effekt zu erzielen) natürlich einen Interpreten verlangt, der entsprechende Fähigkeiten hat.
Auf die C-Dur-Sonate bezogen: der tatsächlich perlend schnell und mühelos das vorgeschriebene "dolce" umsetzt.
 
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