Hallo Klavigen,
in der Realisierung, also der Darstellung / Aufführung wird ein fähiger Interpret natürlich benötigt - und einige Kompositionen fast aller umfangreicheren musikalischen Gattungen erfordern von ihren Interpreten sehr virtuose Fähigkeiten.
Aber mir ging es primär gar nicht um die Probleme, welche die Musik den Interpreten vorsetzt - auch nicht um die Leistung der Interpreten, wenn sie diese Probleme expressiv gelöst haben.
Ich würde die instrumentale Interpretation, die Aufführung, gerne eine ganze Weile außen vor lassen, um mehr auf die "virtuose Musik" selber zu schauen.
Es gibt erstaunlich gute, ja beste Musik, die geradezu überschäumt vor ihrer Virtuosität, die notwendig zur Darstellung ihrer Aussage ist. Am Beispiel des Walkürenritts lässt sich das am einfachsten zeigen: um grimmige Kriegsgöttinnen als Ensemble auftreten zu lassen, wählte Wagner orchestrale und sängerische Virtuosität, und das macht die Szenerie glaubwürdig - ein sanftes Largo mesto hätte das nicht vermocht.
Der Einsatz virtuoser Mittel ist abhängig von dem, was dargestellt oder ausgesagt werden soll.
Manchmal passt das Verhältnis von Aussage und Mitteln nicht: in diesem Sinne ist Liszts "Bearbeitung" (besser gesagt !Aufmotzung") des Schubertschen "Ave Maria" missraten - obwohl sie haarsträubend virtuos ist. Sowas kommt vor :)
Gruß, Rolf
In deinem ersten Satz sprichst du von einigen Kompositionen
fast aller umfangreicheren musikalischen Gattungen, die von ihren Interpreten sehr virtuose Fähigkeiten erfordern.
Vielleicht hast du ja selbst durch die Diskussion deinen Standpunkt und damit auch deine Fragestellung verändert. Ursprünglich wolltest du Beispiel für Musik, die ohne den Virtuosen garnicht darstellbar ist.
Ich behauptete nun, dass sowohl z.b. Bach wie auch die Kinderszenen (dies ist wirklich nur Beispiel, man könte ebenso andere nennen)sehr gut darstellbar sind, ohne dass ein ausgesprochener Virtuose beteiligt ist.
Ich verstehe, dass du gerne die Interpreten weiter ausblenden möchtest aber ich glaube, dass wir dann nicht weiter kommen.
Irgendwie müssen wir uns darüber verständigen, was virtuose und andereseits geniale Musik ist- andere Adjektiva sind gerne möglich - sie wurden ja in mehreren beiträgen bereits genannt.
Ich möchte ein besonders extremes Beispiel nennen:
Das 2. Prelude aus dem Zyklus die 24 preludes von
Chopin.
dieses kurze Stück ist sicher: fremdartig, geheimnisvoll, einzigartig und von einzigartiger Dichte, denn da könnte kein Ton ausgewechselt werden. Es ist wirklich, man kann es so nennen: perfekt-
Ein kleines Meisterwerk. Und obwohl Vergleiche immer hinken, sehe ich eine gewisse Verwandschaft zum Leiermann.
Aber ist das virtuose Musik? Braucht das den Virtuosen?
Ich sage einfach: "Nein",
Denn das kann auch ein Musiwissenschaftler spielen und der versteht vielleicht noch mehr vom inneren Gehalt oder kann jedenfalls davon sprechen.
dein Beispiel mit dem Walkürenritt untermauert ein bischen meine These, dass Virtuosität und temporeiches Geschehen meist Hand in Hand gehen,, oder ?
Der Einsatz virtuoser Mittel sei abhängig von dem, was dargestellt oder ausgesagt werden soll, schreibst du. ICh hatte dich ursprünglich so verstanden, dass virtuose Musik ohne Einsatz der virtuosen Mittel garnicht ausgedrückt werden kann.
Dass manchmal das Verhältnis von Aussage und Mitteln nicht passt kommt ja nicht nur bei Liszt vor, obwohl gerad er schon ein Kandidat ist, den man öfters nennen könnte. Da findet sich nach meiner Meinung allein in den Rhapsodien einiges Aufgemotzte !
Es ist aber prima, dass du auch diese Seite erwähnst. Denn artistisch aufgeblasene Musik wird dann gerade jene leere Virtusosität erzeugen, von der bereits die Rede war.
Insofern könnte wir uns ja einig sein, dass wir solche Musik nicht meinen.
Ich würde eben, wenn es erlaubt ist, gerne diese Grenze herausfinden oder auch jene Parameter, die virtuose Musik von genialer aber nicht virtuoser Musik nach meinem Verständnis abgrenzt.