Mögt ihr Oper?

Mögt ihr Oper


  • Umfrageteilnehmer
    368
Nach Berlioz und vor Mahler/Strawinsky & Nachfolgern war Wagner
der einzige, der den Mut besaß, absichtsvoll "häßliche" Musik zu schreiben,
gewissermaßen die Häßlichkeit auszukomponieren.
Das muß man erstmal hinkriegen.

hallo Gomez,

die Häßlichkeit (und das Böse) als ästhetische Kategorie in der Musik hatte Heine in seiner berühmten Rezension über die Berlioz´sche Sinfonie fantastique erstmals formuliert.

der erste Akt der Götterdämmerung parodiert (laut Wagner) die Grand Opera a la Auber - eigentlich ein etwas verspätetes Unterfangen, aber andererseits zur Darstellung der Gibichungen wohl doch das passende Mittel: "sitz´ich herrlich nicht am Rheine" protzt Gunther - da fährt doch Hagens dissonante Nibelungenmusik ganz wunderbar dazwischen. Ich finde, je öfter ich sie höre, dass die Götterdämmerung schon ein riesenhaftes Kaliber in Sachen Opern und Opernmusik (!) ist!

die Inszenierung - mancher Schnickschnack, den man schon kennt. Was den Siegfried im Anzug betrifft: das ist zwar etwas unbeholfen, aber er ist ja nur für die Dauer des Vergessenstrunks so "gibichungenmäßig" gekleidet - mit etwas Wohlwollen kann man diesen Umstand der Regie zu Gute halten. Ansonsten hat mich die Inszenierung nicht gestört, was ich schon mal als einen Vorteil empfinde, nach allem, was ich schon zu sehen bekommen habe in Opern...

Was mich in der Götterdämmerung immer wieder vom Stuhl haut, das sind die Rheintöchter - für mich das schönste Terzett mit Frauenstimmen. Erst locken die, dann werden die giftig (was für schräge Harmonien und Dissonanzen!) und am Ende pfeifen die auf den dummen Siegfried - - - das ist von Wagner schlichtweg wunderbar komponiert! "Frau Sonne sendet lichte Strahlen" zählt für mich zum schönsten, was ich kenne. Und die drei waren in dieser Inszenierung recht neckisch und hübsch dargestellt.

noch was zum häßlichen: die Stierhörner, die zeitweilig eine kleine Sekunde klingen lassen - was für ein Effekt!!! Das steht den Ambossen im Rheingold in nichts nach.

zweiter Akt: Hagen und der Chor!!! Auch das haut mich jedesmal um!!!

der Schwiegersohn von Liszt hat´s wirklich drauf gehabt!!!

herzliche Grüße, Rolf

p.s. "absichtlich häßlich": Les Funerailles und erstaunlicherweise die Paraphrase über "Miserere di Trovatore" hat das auch
 
kann mich gerade nicht daran erinnern in ner oper gewesen zu sein ;)

jaa, ich unkultivierter, ungebildeter idiot ich :rolleyes:
 
kann mich gerade nicht daran erinnern in ner oper gewesen zu sein ;)
jaa, ich unkultivierter, ungebildeter idiot ich :rolleyes:

Laß mich raten: Du hast eine solide katholische Erziehung hinter Dir
und daher das klassische Beichtschema `aufrichtige Reue - `Sündenbekenntnis - tätige Wiedergutmachung' verinnerlicht.

Nun schau mal - bis Schritt zwei hast Du es kunstgerecht schon geschafft: jetzt mußt Du aber auch den dritten tun, sonst werden die ersten beiden ungültig!
 
Was mich in der Götterdämmerung immer wieder vom Stuhl haut, das sind die Rheintöchter -

"Frau Sonne sendet lichte Strahlen" zählt für mich zum schönsten, was ich kenne.

Was ich hiermit bestätige, lieber Rolf,
auch mit dem Rest Deines Kommentars bin ich völlig d'accord -
nur nicht im Hinblick auf die Inszenierung.

Bei den Rheintöchtern packte mich wieder die Neugierde -
ich schaltete das Bild ein, sah sie in ihren Wasserbottichen
und mußte sofort an Einmachgläser denken - eingemachte Undinen.

Solche Assoziationen befallen mich, wenn die Suggestion fehlt.

Oder Siggi in seinem Maßanzug - nicht der Maßanzug hat mich erheitert,
sondern das Schwert. Wenn man optisch verfremdet, modernisiert -
wogegen ich nichts einzuwenden habe - dann auch richtig:
Warum nicht den ganzen Germanenplunder weglassen?

Warum eine Brünnhilde, die wirklich wie
eine Walküren-Phantasie des 19.Jahrhunderts aussieht?
Was für schöne Möglichkeiten man sich da hat entgehen lassen:
Brünnhilde als lila Latzhose, als Punk mit Irokesen-Haarschnitt,
als Gruftie...

Grüße

(vom einfältig-puristischen) Christoph
 
Oder Siggi in seinem Maßanzug - nicht der Maßanzug hat mich erheitert,
sondern das Schwert. Wenn man optisch verfremdet, modernisiert -
wogegen ich nichts einzuwenden habe - dann auch richtig:
Warum nicht den ganzen Germanenplunder weglassen?

hallo,

das ist halt das große Problem mit dem Ring: Schwert, Roß, Drachen, Götter, Speer - ohne die kommt der Text nicht aus und damit auch nicht die Handlung. Das ist sicher für jeden Regisseur eine Herausforderung! Wenn der Siggi :) nun im Anzug, im Kettenhemd oder in der Latzhose umherblödelt - er muss dabei mit einem Schwert fuchteln.

Übrigens ist es von der Betrachterseite aus interessant, dass man gemeinhin im Kino dergleichen eher akzeptiert und sich nicht sonderlich echauffieren lässt: drachenartige "Aliens" oder leuchtend bunte "Laserschwerter", mit denen man sich in high-tech Raumschiffen (bei allen Göttern: Schwerter in Raumschiffen...) duelliert, werden problemlos akzeptiert...

"Germanenplunder" - der findet sich wohl eher in den teilweise unsäglichen Inszenierungen vor langer langer Zeit... ulkig, dass sich im Ring-Text kein einziges mal die Worte "Germane" oder "deutsch" finden lassen, da steckt ebensoviel Antikes drin, wie eben auch Niebelungenlied und Edda - dass freilich Inszenierungen und Wahrnehmungen gerne mit "Germanenplunder" jüngerer Zeit operieren, tut dem Ring nicht sonderlich gut, aber ich zuversichtlich, dass diese Operntetralogie auch das überstehen wird.

herzliche Grüße, Rolf

da fällt mir ein: dem Chareau war ein glaubwürdiger Anzug-Wotan mit Speer gelungen, jedenfalls in meinen Augen.
 
:
Warum nicht den ganzen Germanenplunder weglassen?

Warum eine Brünnhilde, die wirklich wie
eine Walküren-Phantasie des 19.Jahrhunderts aussieht?
Was für schöne Möglichkeiten man sich da hat entgehen lassen:
Brünnhilde als lila Latzhose, als Punk mit Irokesen-Haarschnitt,
als Gruftie...

Ich fand gerade diesen "Stilmix" recht interessant und überwiegend auch ganz gut gelungen. Selbst wenn manches etwas platte Bild dabei war. Darüber konnte man zumindest schmunzeln (Wasserbottiche, Schiff...). Radikale "Gegenwartsverortungen" finde ich hingegen scheußlich. Da sie meistens völlig unpassend sind, zerstören sie auch den Musikgenuss.
 
...dem Chéreau war ein glaubwürdiger Anzug-Wotan mit Speer gelungen...

Wiederum d'accord (ich hoffe, Didanja erlaubt diesen Begriff...)

Tatsächlich - im Kino ist der größte Schmarrn möglich,
ohne daß sich dem Betrachter das Gehirn ausrenkt.
Vielleicht fällt es der Bühne heute deshalb so schwer, suggestiv zu wirken,
weil unsere Sehgewohnheiten vom Kino geprägt sind -
was für mich wieder nur ein Argument wäre, in Bühneninszenierungen
auf realistische Details zu verzichten, egal ob historisierend oder modernisierend.

Wenn Hagen (ich habe in meinem Leben noch keinen so guten Hagen gehört wie gestern abend!)
seinen Halbbruder mit einem Ballermann wegputzen darf,
dann ist auch Siggi ohne Schwert plausibel.

Die von mir erträumte Operninszenierung müßte radikal stilisieren -
Stilisierung, mit einem einheitlichen Konzept dahinter,
keine unbeholfene Aneinanderreihung optischer Gags,
das wäre einer meiner drei Wünsche an eine Opern-Inszenierungs-Fee.
Wenn dann Inszenierung und Operntext nicht immer konvergieren -
macht nix, da bin ich dann gar nicht puristisch.
Hauptsache, das Konzept stimmt!

Jammerschade, daß Lars von Trier sich an den "Ring" nicht herangetraut hat...
 
Wenn Hagen (ich habe in meinem Leben noch keinen so guten Hagen gehört wie gestern abend!)
seinen Halbbruder mit einem Ballermann wegputzen darf,
dann ist auch Siggi ohne Schwert plausibel.

Die von mir erträumte Operninszenierung müßte radikal stilisieren -
Stilisierung, mit einem einheitlichen Konzept dahinter,
keine unbeholfene Aneinanderreihung optischer Gags,
das wäre einer meiner drei Wünsche an eine Opern-Inszenierungs-Fee.
Wenn dann Inszenierung und Operntext nicht immer konvergieren -
macht nix, da bin ich dann gar nicht puristisch.
Hauptsache, das Konzept stimmt!

Jammerschade, daß Lars von Trier sich an den "Ring" nicht herangetraut hat...

hallo,

ja, das Pistol fand ich auch unpassend :) - aber was soll´s, bei viereinhalb Stunden Oper kann der der eine und andere Fauxpas passieren, ist schon nicht so schlimm; solange sich die Inszenierung nicht gegen das Stück wendet, bin ich da recht tolerant (und es gibt ja auch in der Oper immer die Möglichkeit, sich mehr auf das hören zu konzentrieren, wenn das Sehen ärgerlich ist)

wir werden nie erfahren, ob der Lars von Trier damit dem Ring genützt oder geschadet hätte... ich tendiere eher dazu, nicht zu bedauern, dass er sich nicht an den Ring getraut hat.

Übrigens ist die geniale Tristan-Inszenierung von Heiner Müller eine der Art, die Dir sicher sehr gefallen würde - übrigens gefällt sie mir auch ausnehmend gut, ich halte sie für eine der besten Operninszenierungen überhaupt.

Recht radiakal für damals waren ja auch Wieland Wagners Ring-Inszenierungen - gestern Abend war da eine Reminiszenz an die schräge runde Ebene zeitweilig zu sehen.

na ja, im Ring sind ja viele Märchenelemente - da darf die Bühne auch gerne mal etwas märchenhaft sein (Rosalie/Kirchner z.B.). Ich bin, was den Ring betrifft, recht romantisch-sentimental: ich will in der Walküre, dritter Akt, einen überzeugenden Gott sehen und schäme mich dessen nicht. Wenn das aussieht wie bei Chareu, auch Kupfer und Dorst, dann ist mein romantisch Herz zufrieden :) - wenn es ausschaut wie in Stuttgart, dann mach ich die Augen zu.

Gönnen wir dem Wagner seine märchenhaften Götter - man soll sich ja auch ein paar Tage von der öden Wirklichkeit in das Zauberland dieser Riesenopern entrücken lassen. Und sie enthalten (vgl. G.B. Shaw) in metaphorischer Weise ja mehr als genug merkantile Häßlichkeit!!

Insofern: sich entrücken, verzaubern lassen - dafür sind die Märchenfiguren auf ihre Weise ideal. Ich gebe offen zu, ich hab sie richtig lieb, die Wotans, Brünnhildes, Sieglindes, Siegmunds, Hundings, Rheintöchter und wie sie alle heißen.

herzliche Grüße, Rolf

verzopft historisierend mag ich auch nicht - wie schon oft gesagt: Chareau hat das irgendwie überzeugend und rührend hingekriegt.
 

Sehr lesenswerte Kommentare . Das ergänzt sich sehr gut und verdeutlicht, woran man sich reiben könnte. Die Pistole dürfte auch andere erstaunt haben.
Trotzdem hat nichts ander Inszenierun meinen Genuss getrübt.
sind die Rheintöchter in anderen Aufführungen nur im projizierten Wasser oder hinter sich wellenden Folien zu sehen, sind sie hier tatsächlich im Wasser und nass. Alles kann man nicht haben. Man weiss doch, was es bedeuten soll. Und auch hier pflichte ich bei. die Rheintöchter waren von seltener Klasse.

Die Schwäche des 1. Aktes ist mir nicht so aufgefallen, zumal der Auftritt der Waltraute bereits einen Höhepunkt darstellte. Ich vermeine dort öfters Fragmente aus Beethoven Symphonien zu hören und werde das mal genauer recherchieren. auch das Spiel der beiden Walküren war perfekt und der verzweifelte Ausdruck bei der Waltraute passte perfekt.

Und zu Hagens Charakter passt Salminens Stimme noch besser als zum Riesen nach meiner Meinung. Das war wirklich einmalig und auch als Maske sehr gelungen.

für das Schlussbild hätte ich mir noch eine einstürzende Burg gewünscht.

Insgesamt wieder ein Anschluss an den gelungenen Vorabend Rheingold .

Ich werde versuchen, mehrere Leute zum Sehen der Götterdämmerung zu bewegen.
 
...wir werden nie erfahren, ob der Lars von Trier damit dem Ring genützt oder geschadet hätte... ich tendiere eher dazu, nicht zu bedauern, dass er sich nicht an den Ring getraut hat.

Warum?

Nach allem, was ich darüber gelesen habe,
schien das ein wunderbar abwegiges Konzept zu sein:
die Beleuchtung zum Hauptsinnträger zu machen,
mit ihr jeweils nur Fragmente des Bühnenbilds sichtbar werden zu lassen -
garantiert sänger- und publikumsfeindlich.

Das Konzept erwies sich schon im Planungsstadium als undurchführbar.

Was ich jedenfalls nicht gerne sehen würde, ist der "Ring" als "Dogma"-Film:
mit verwackelten, schlecht ausgeleuchteten, grobkörnigen Bildern
von halbnackten Idioten.
 
scherzando


ich bin zu müde, um noch über Brecht nachzudenken - versucht von Trier mit diesem Konzept, auf Wagners Spuren zu wandeln? Der meinte: "nachdem ich das unsichtbare Orchester erfunden habe, sollte ich noch die unsichtbare Bühne erfinden"... :)
...angesichts der Tatsache, dass heuer Regisseure wie Stars gefeiert werden (was mir angsichts mancher Arien nicht recht einleuchten will...), wundert mich doch sehr, dass diese mit Eifersucht auf "Starallüren" von Sängern/innen blicken und solches Treiben durch Abdunkeln verhindern möchten...

egal, nimm das alles nicht ernst - mir gefällt´s, wenn gelegentlich eine überzeugende Inszenierung gelingt, ebenso gefällt´s mir, wenn gut gesungen und gespielt wird.

herzliche Grüße, Rolf (dem jetzt die Augen zufallen)
 
Off-topic

Na dann, gute Nacht!

Auch ich werde mich diskret zurückziehen - heute hat meine liebe Frau Geburtstag -
das ist mir begreiflicherweise noch wichtiger als der Geburtstag von Herrn Szopinski.

Herzliche Grüße,

Christoph
 
Arte macht's möglich

Lieber Rolf,

meine Frau bedankt sich für die Glückwünsche -
und ich danke Dir für den freundlichen Hinweis auf den "Pelléas".
Am 8.März ist die schlaflose Nacht also gerettet.

Da muß man's mit Golaud halten (3.Akt , 4.Szene) und sagen:

"De quoi donc as-tu peur? Regarde! Regarde!"

Herzliche Grüße,

Christoph
 

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